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Der Irakkrieg und die Krise des Islam

Der Irak-Reporter des New Yorker, George Packer, hat ein grosses Stück über die Pläne und Szenarios für einen amerikanischen Rückzug geschrieben, den man lesen sollte („Planning for Defeat“). Packer hat auch ein interessantes Blog. Da veröffentlicht er Auszüge aus Gesprächen, die er nicht verwenden konnte – etwa mit Lee Hamilton (vom Baker-Hamilton-Report) und mit Zalmay Khalilzad, dem ehemaligen Afghanistan-Berater der Bush-Regierung und US-Botschafter im Irak, heute UN-Botschafter der Vereinigten Staaten. Khalilzad, der letzte verbliebene Neocon (der allerdings Kreide gefressen hat), sagt ein paar kluge (und beängstigende) Dinge in dem Interview:

And the region is so important for the world now. I compare it to Europe in the first part of the twentieth century, when most of the world’s security problems came from that dysfunctional region, and now we’ve got this region that’s causing all these difficulties.

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Würde man heute so auch nicht mehr machen: Khalilzad beim Chef, 2003 Foto: White House

The ultimate beneficiaries of a regional war might be radical Islamists, whom Khalilzad sees as representing a tendency that’s at the heart of Islam itself:

This sort of scenario could strengthen a streak within Islam which is present in its doctrine but is not shared by everybody who is Muslim. In this time, when there is a crisis of Islamic civilization about how to cope in this world and why Muslims are situated the way they are right now, there is a stream which says, “We have to go to a kind of puritanical Islamic rule and fight against the Christians or others until the world is Muslim. There cannot be peace until we have converted everybody to Islam.” That streak exists in the doctrine; if you do a hermeneutical analysis of the texts it is there, but it is not dominant. It depends on the interpretation. The question is, Is it a reasonable, moderate, rational, civilized interpretation, or is it barbaric, extremist, uncivilized? But there is in Islam that element, and that element is assisted by some of the things that are happening to be more pronounced. And I believe that this crisis of Islam at the present time—and what we talked about in Iraq in particular—goes beyond Iraq. This is the issue of our time, geopolitically. It’s not a handful of people; it’s a huge crisis. I think that this affects a lot of people around the world, not only us. This is a threat to Europe—there’s no question they are afraid of Islamic extremism in Europe.

 

Bin Laden und die Konvertiten

Die Washington Post vom Samstag bringt einen längeren Artikel über radikale Konvertiten als Dschihadisten. Was mich freut: Das neue Bin Laden-Video wird auch hier mit Adam Gadahn in Verbindung gebracht, ähnlich wie in meinem Artikel. Und meines Wissens war ich der einzige, der diese Verbindung in der deutschen Presse hergestellt hat:

„This month, bin Laden released a rare videotape in which he called upon all Americans to convert to Islam. Analysts said bin Laden’s remarks, though theological in nature, were probably not intended as a direct recruiting pitch for al-Qaeda. But they said his speech likely was influenced by Adam Gadahn, a U.S. citizen from California who converted to Islam as a teenager and is a media adviser for al-Qaeda. He was indicted in the United States on treason charges last year.

„This has the language and hallmarks of Adam Gadahn and is very reminiscent of his own messages in terms of style and content,“ said M.J. Gohel, chief executive of the Asia-Pacific Foundation, a London-based security studies organization. „Gadahn, whenever he has appeared in an al-Qaeda video, has always used the opportunity to encourage others to convert to Islam.“

 

Filmemacher Karmakar: Die Rationalität der Hassprediger

In einem Interview mit dem Filmemacher Romuald Karmakar in der heutigen taz geht dieser auch auf die Parallelen und Unterschiede zwischen radikalem Islamismus und NS-Ideologie ein:

taz: Ein roter Faden des Textes ist die Definition des Feindes. Er geht so weit zu sagen, dass Muslime auch Frauen und Kinder töten dürfen, wenn diese dem Islam schaden. Das ist totalitär, aber auch ein vertrauter Text: Die Freund-Feind-Bestimmung gehört zum Kernbestand modernen politischen Denkens.

Fazazi beschwört ein binäres System: Es gibt die Wir-Gruppe und die Sie-Gruppe. Fazazi definiert, was man tun muss, um zur Wir-Gruppe zu gehören – nämlich seiner höchst strikten, wortwörtlichen, salafistischen Form des Islam zu folgen. Solche Tugendkataloge, die Wir und Sie unterscheiden, sind typisch für extremistische Gruppen. Die gibt es auch bei der SS. Fazazi vermittelt dem Publikum die Idee, Träger der Offenbarung zu sein. Die Einzelnen handeln nicht als Individuen, sondern als Agenten einer Vision. Auch das erinnert an Himmlers Rhetorik, der die Zukunft des Tausendjährigen Reiches beschwor. Und dass die SS die Elite ist, die sich für diesen Auftrag über alle Regeln hinwegsetzen darf.

taz: Manfred Zapatka liest, in ähnlicher Diktion und Inszenierung, die Texte von Himmler und Fazazi. Liegt darin nicht die Gefahr, ein Gleichheitszeichen zwischen Himmler und Fazazi zu setzen – und damit zwischen Nationalsozialismus und radikalem Islamismus?

Ach nein, der Unterschied ist doch deutlich. Der Nationalsozialismus 1943 war staatlich legitimierter Terror von völlig anderer Größenordnung. Insofern kann man, was die Ausmaße des Terrors angeht, nichts gleichsetzen. Doch Himmler und Fazazi haben ein ähnliches Thema. Sie versuchen etwas zu legitimieren, was allgemein als Verbrechen gilt, etwa den Massenmord. Und sie wollen ihrem Publikum die Angst nehmen, dies zu tun. Ähnlich sind auch der Absolutheitsanspruch, vollständig im Recht zu sein, und die Selbstermächtigung. Da gibt es auch Parallelen zu Gruppen wie der RAF.

taz: Welche Rolle spielt „Hamburger Lektionen“ in Bezug auf den Diskurs über Islamismus in Deutschland?

Der Film ist klassische Aufklärung. Er vermittelt Wissen über etwas, von dem oft geredet wird, von dem aber die Wenigsten wissen, woraus es sich zusammensetzt – zum Beispiel die Hasspredigt. Das Wort wird oft verwendet. Alle tun so, als wüssten sie, was eine Hasspredigt ist – aber konkret wissen es eben die wenigsten. Es gibt das Klischeebild des Nazis, der schreit. Ein Nazi muss schreien. Wenn er nicht schreit, ist er kein richtiger Nazi. Es hat gedauert, ehe man begriffen hat, dass es auch freundliche, ruhige Nazis gab, die keineswegs weniger extremistisch waren. Ich will zeigen, dass sogenannte Hassprediger auch rational argumentieren.

 

Le Kraftmeier

Aus meinem Artikel über den französischen Aussenminister Nicolas Sarkozy, zu lesen in der aktuellen Print-Ausgabe (Nr. 39) der ZEIT:
(…)
Für die Deutschen, die stolz darauf sind, die EU-Troika mit Briten und Franzosen zusammengehalten und auch Russen und Chinesen hinter die ersten beiden Sanktionsrunden gebracht zu haben, bedeutet diese Initiative eine doppelte Pro­vo­ka­tion. Erstens ist sie wieder nicht abgestimmt. Zweitens, und das ist schmerzhafter, rührt sie an die Schwachstelle der deutschen Iranpolitik. Ist es nicht richtig, den diplomatischen Kurs zu verschärfen, wenn man den Krieg vermeiden will, wie es Sarkozy und Kouchner sagen? Auch unter Berliner Außenpolitikern gibt es Zweifel, ob die Geschlossenheit im Rahmen der UN es wert ist, sich weiter auf Sanktionen zu beschränken, die möglicherweise zu harmlos sind, um Iran zu einem anderen Verhalten zu bewegen. Frankreich will diesen Konsenszwang jetzt durchbrechen. Aber wie weit geht der neue proamerikanische Kurs? Ein französischer Diplomat sagt es so: Der Präsident liebt Amerika, aber er wird für George Bush nicht Selbstmord begehen wie Tony Blair.

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Der Hyperpräsident und die First Lady Foto: White House

Wie lange der Präsident sein atemberauben­des Tempo halten kann, fragen sich nicht nur die Berliner und Brüsseler Politiker, sondern auch seine zugleich erschöpften und euphorisierten Diplomaten: »Wir haben nach vier Monaten immer noch keine Ahnung, was seine normale Betriebsgeschwindigkeit ist.« Wer sagt eigentlich, dass es so etwas bei ihm gibt?

Mehr an einem Kiosk Ihres Vertrauens.
(Ich habe die aussenpolitische Berichterstattung im Berliner Büro der ZEIT übernommen. Das wird sich auch hier auf dem Blog niederschlagen.)

 

Ein amerikanischer General, der täglich im Koran liest

In amerikanischen Gefängnissen im Irak gibt es ein Programm zur geistigen Rehabilitation von Dschihadisten. Die Armee bedient sich moderater Muslime, um die radikalisierten Jungen vom Al-Kaida-Islam abzubringen. Gefangene werden in einer Anstalt namens „Haus der Weisheit“ gehalten, wo die dschihadistische Theologie von gemäßigten Gelehrten zerpflückt wird. Für die „religiöse Aufklärung“ ist der amerikanische General Douglas Stone verantwortlich, der die irakischen Haftanstalten der US-Armee befehligt.
Stone spricht arabisch und sagt von sich, er lese täglich im Koran.

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Marine-General Douglas Stone Foto: US Marine Corps

Stone said such efforts, aimed mainly at Iraqis who have been held for more than a year, are intended to „bend them back to our will“ and are part of waging war in what he called „the battlefield of the mind.“ Most of the younger detainees are held in a facility that the military calls the „House of Wisdom.“

The religious courses are led by Muslim clerics who „teach out of a moderate doctrine,“ Stone said, according to the transcript of a conference call he held from Baghdad with a group of defense bloggers. Such schooling „tears apart“ the arguments of al-Qaeda, such as „Let’s kill innocents,“ and helps to „bring some of the edge off“ the detainees, he said.

Die ganze Geschichte in der Washington Post

 

Nicht alle Grünen sind durchgedreht, unsolidarisch und naiv

Nein, auch wenn der Afghanistan-Sonderparteitag diesen Eindruck vermitteln konnte. Es gibt noch einen Grünen, der den Afghanistan-Krieg verteidigt. Er lebt in Kabul und ist Aussenminister jenes Landes, das seine Partei offenbar langsam abschreibt. Darum hat er auch schon mal ein Austrittsgesuch fertig gemacht. Rangin Dadfar Spanta, der 20 Jahre in Aachen lebte, bevor er 2006 Aussenminister in Kabul wurde, redet in der taz Klartext über Afghanistan:

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taz: Die grüne Basis hat das Primat des Zivilen betont und für eine Verdopplung der Entwicklungshilfe votiert.

Das sind doch leere Phrasen. Wir benötigen eine umfassende Antiterrorstrategie. Das heißt: Entwicklungshilfe, Stärkung der staatlichen Organe und Antiterrorkampf. Die These, man könne ein Element davon isolieren, ist absolut falsch. Die Terroristen werden nicht auf einmal friedlich, nur weil wir sie bitten, mit uns zu diskutieren. Es reicht nicht, Schulen zu bauen, solange Kinder ermordet werden, weil sie diese Schulen besuchen. Wir müssen kämpfen und gleichzeitig Schulen bauen.

taz: Der Unmut der grünen Basis spiegelt den Unmut der Mehrheit der deutschen Bevölkerung über den Einsatz in Afghanistan wider.

Das ist nicht nur fatal für Afghanistan, sondern auch für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Jeder, der nicht hilft, den Terrorismus in Afghanistan mit zu bekämpfen, läuft Gefahr, diesen Terrorismus früher oder später in Deutschland zu erfahren. Ich habe deshalb schon vor dem Parteitag in einem Brief an die Teilnehmer appelliert, das deutsche Engagement weiter zu unterstützen.

taz: Gegen eine Bombardierungsstrategie, die auch zivile Opfer fordert, richtet sich auch der Unmut vieler Afghanen.

Die gängige Rhetorik vom „guten Europäer“, der Wiederaufbau macht, und dem „bösen Amerikaner“, der nur bombardiert, ist Blödsinn. Was die Amerikaner hier machen, ist die beste Antiterrorstrategie. Es ist wahr, es hat Kollateralschäden und Fehleinschätzungen gegeben. Das muss durch bessere Vorbereitung der Einsätze verhindert werden. Ich bin kein Kriegstreiber. Ich bin lange in der Friedensbewegung aktiv gewesen und würde gerne jederzeit wieder an Friedensdemos teilnehmen. Aber in Afghanistan muss der Frieden auch mit der Waffe verteidigt werden.

taz: Es stimmt also nicht, dass die Afghanen ausländische Soldaten zunehmend als Besatzer wahrnehmen.

Nein. Natürlich sind die Afghanen gegen Bombardierungen. Auf die Frage, ob sich die ausländischen Soldaten aus Afghanistan zurückziehen sollen, antworten 82 Prozent mit „Nein“. Der verfrühte Abzug der internationalen und vor allem der amerikanischen Truppen würde die Rückkehr der Taliban und al-Qaida bedeuten. Und die Rückkehr Afghanistans zum Terrorzentrum der Welt.

taz: Die schwindende Unterstützung der militärischen Einsätze ist dennoch den mangelnden Erfolgen auf dem zivilen Gebiet geschuldet.

Das stimmt. Der Wiederaufbau muss besser koordiniert werden. Doch es gilt auch, aus Fehlern zu lernen und nicht zu sagen: Ich verliere das Interesse und ziehe mich zurück. Die Polizeireform muss zum Beispiel radikal vorangetrieben werden. Da muss auch von den Europäern mehr getan werden. Wenn wir sagen, wir brauchen 2.000 Ausbilder und die EU schickt nur 180, dann haben wir natürlich ein Problem.

taz: Was sollte Deutschland konkret tun?

Zunächst einmal braucht die afghanische Bevölkerung das Bekenntnis, dass Deutschland seine Verpflichtungen für die Stabilität des Landes erfüllt. Das schließt die Fortführung von Isaf, Tornados und der Beteiligung an OEF ein. Und der Polizeiaufbau muss fortgesetzt werden.

taz: Kritiker monieren, dass die USA wenig Verständnis für einen Strategiewechsel zeigen und in puncto Drogen die Vernichtung der Mohnfelder propagiert statt Alternativen zu suchen.

Auch was das betrifft, ist der Beschluss des Grünen-Parteitags absolut falsch. Der Drogenanbau ist vor allem in den Gegenden angestiegen, wo die Terroristen sehr stark sind. Es gibt direkte Verbindungen zwischen Drogenmafia und Terrormafia.

taz: Sollte diese Verstärkung, von der sie sprechen, auch den Einsatz der Deutschen im umkämpften Süden einschließen?

Das ist eine Nato-interne Diskussion. Was für mich als Außenminister wichtig ist, ist, dass nicht der Eindruck entsteht, von Deutschland alleingelassen zu werden. Es macht keinen Sinn, Brücken zu bauen, und diese dann nicht zu beschützen.

 

Im Namen Gottes

Aus der ZEIT Nr. 39 vom kommenden Donnerstag:

Romuald Karmakars Film Hamburger Lektionen handelt vom Denken eines radikalen Islamisten, der zum Dschihad gegen den Westen aufruft. Dieser Tage muss man niemandem erklären, warum ein solcher Film wichtig ist: Das ganze Land beugt sich über Fritz und Daniel, unsere homegrown terrorists. Woher die kalte Entschlossenheit, woher der Glaube, im weltumspannenden Krieg mit den Ungläubigen zu stehen, und die Gewissheit, in diesem Kampf sei erlaubt, was jede überkommene Moral verbietet?

Karmakar lässt die Psychologie der Täter beiseite und schaut stattdessen auf das ideologische Angebot, das die Prediger des Dschihad jungen Männern unterbreiten. Es ist irreführend, die Hamburger Lektionen als Film über einen »Hassprediger« zu bezeichnen. Wer sich den zwei fesselnden Stunden dieses Films aussetzt, wird schnell bemerken, dass Karmakar sich nicht für die aufpeitschende, emotionale Seite der Predigten des Mannes namens Mohammed Fazazi interessiert. Wenn wir die Weltsicht eines Dschihadisten verstehen wollen, ist das bekannte Hass­prediger-Outfit – Rauschebart, Dschellaba-Gewand, wutschnaubende Diktion – eher störend, weil es uns verleitet zu glauben, wir wüssten schon Bescheid.

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Romuald Karmakar (links) und Manfred Zapatka auf dem Set

Wir wissen aber nicht Bescheid. Diesem Prediger geht es durchaus nicht bloß um schlichte Verwünschungen des dekadenten, unterdrückerischen Westens. Mohammed Fazazi schimpft und tobt nicht. Dieser Imam, der heute in Marokko eine langjährige Haftstrafe absitzt, hatte Verbindungen zu den Attentätern des 11. September sowie zu den Terroristen, die bei Anschlägen in Casablanca und Madrid Hunderte ermordeten. Die Ansprachen, die diesem Film zugrunde liegen, wurden im Jahr 2000 in der Hamburger Al-Quds-Moschee gehalten, einem Anlaufpunkt für Mohammed Atta und seine Gruppe. Sie wurden von einem Unbekannten gefilmt und als Videos unter Nachwuchs-Dschihadis vertrieben.

Karmakar gibt uns nur das blanke Gesicht von Manfred Zapatka, der – auf einem schlichten Stuhl sitzend – zwei Vorträge von Mohammed Fazazi verliest. Zapatka tut dies gewohnt nüchtern, nur hier und da mit einem frontalen Blick in die Kamera akzentuierend. Wir finden uns direkt vor die Sprache und das Denken Fazazis gestellt. Ab und zu werden ihm Zettel mit Fragen gereicht, die er abliest und beantwortet. In den letzten Tagen des Ramadan 2000 nämlich gewährte der Imam seiner Gemeinde eine Art Kummerkastenstunde, bei der alle Themen angesprochen werden konnten. Einmal geht es um die Frage, ob die heiligste Nacht des Ramadan – Laylat Al-Qadr – eindeutig bestimmt werden kann. Leider seien sich die Gelehrten nicht einig, so Fazazi, man solle darum jede Nacht des Ramadan heiligen. Dann fragt jemand, ob eine Frau eine Flugreise ohne männlichen Begleiter tun darf, vorausgesetzt sie werde zum Flughafen gebracht und abgeholt. Nein, auch dann nicht, dekretiert der Imam, es könnte ja eine Notlandung erforderlich werden, und dann müsse die Frau im Hotel unter einem Dach mit Ungläubigen und Weintrinkern nächtigen.

Fazazi bezeichnet sich selbst als Salafi. Salafisten erkennen einzig den Propheten und die ersten drei Generationen seiner Jünger als Vorbilder an. Sie wollen den perfekten, reinen, unkorrumpierten Islam dieser durch allerlei Innovationen (bidah) verlorenen Frühzeit wiedergewinnen und die Theologie von allen außerislamischen Einflüssen – wie etwa der griechischen Logik – reinigen.

Doch Fazazi geht es um mehr. Allmählich flicht er in die Lebenshilfe Grundsätzliches ein. Wenn ich aufgrund eines Vertrages mit den Ungläubigen – also etwa mit einem deutschen Visum – hierhergekommen bin, muss ich dann nicht nach islamischer Auslegung die Gesetze achten?, fragt einer. Die Visabestimmungen entsprächen nicht der Scharia und seien damit ungültig, antwortet Fazazi. Aber gelten nicht für Ungläubige umgekehrt auch Schutzbestimmungen, sofern sie nicht gegen den Islam arbeiten und ihre Sonderabgaben zahlen? Das sei wohl so, wenn jene in einem islamischen Staat leben, in dem die Scharia gilt. Für die Ungläubigen im Westen aber gebe es keinen solchen Schutz. Ihre Ehre, ihr Hab und Gut, ihre Frauen und Kinder seien halal, sagt er, »antastbar«. Gerade weil sie in Demokratien leben, sind sie alle legitime Ziele des Dschihad. Weil in der Demokratie die Gewalt vom Volke ausgehe, und weil die west­lichen Länder ein Weltsystem aufgebaut haben, das überall die Muslime bekriege, entrechte und beraube, seien alle Westler als Kombattanten zu betrachten und dürfen getötet werden, Kinder ebenso wie Soldaten. Den Muslimen Demokratie und Menschenrechte bringen zu wollen, ziele darauf, den Islam zu vernichten: Im Islam gibt es, so Fazazi, statt Volkssouveränität nur die Souveränität Gottes, und alle Rechte des Menschen leiten sich aus den Geboten Gottes.

Fazazi verfügt souverän über alle Register der postkolonialen Klage: Seit Jahrhunderten sind die Muslime beraubt, gedemütigt und betrogen worden. Mi­gran­ten, sagt er, sind nichts anderes als moderne Sklaven. Der Reichtum des Westens beruht auf Raub von Menschen, Rohstoffen und Ideen. Doch seine Predigt dient nicht bloß der Abfuhr von muslimischen Demütigungs- und Ohnmachtsgefühlen. Ihm geht es um mehr: Fazazis Rede kreist um kriegerische Ermächtigung und politische Machtergreifung im Namen des Islam. Er ist kein Ultraorthodoxer, der das Gesetz besonders streng auslegt. Im altmodischen Gewand des Konservativen vertritt er in Wahrheit eine revolutionäre Botschaft. Er will seine Leute moralisch entsichern. Sie sollen nicht bloß hassen, sie sollen handeln. Und so ist es ja auch gekommen.

Es hat fast zwei Jahre gedauert, bis Romuald Karmakars Film in den Verleih kam. Was er zeigt, ist unwillkommen, weil es bestehende Ängste vor dem Islam verstärken könnte. Karmakar zeigt die Nachtseite unseres mühsamen »Dialogs mit dem Islam«. Darum sollte er auf Islamkonferenzen, in Schulen und vor allem in Moscheen diskutiert werden. Denn am Ende werden nur Muslime, die von der Auslegung ihres Glaubens als Machtergreifungsideologie angewidert sind, den Fazazis das Handwerk legen können.

 

Scharia in Aktion: Schwule im Iran ausgepeitscht

Die iranische Homosexuellenorganisation IRQO berichtet folgende Barbarei aus dem Leben zweier junger Schwuler:

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Diese beiden Männer wurden nach Angaben der IRQO im Mai ausgepeitscht, weil sie eine Party für ihre schwulen Freunde gegeben haben.

Farsad is 26 years old and Farnam is 24, (their names have been changed to protect their identities). Their lives, like many, if not all the other Lesbians and Gays in Iran, is miserable. Farsad lost his father at fifteen and his mother re-married a revolutionary guard member (a military organism developed by the Iranian regime), which itself is a bitter story. „since childhood I could not find any attraction to the opposite sex; yes of course I am a homosexual.“ Farsad says.

At 21, in order to meet other people like himself, he set up a successful weblog. The secret police found his address through his IP and arrested him. He spent three weeks in solitary confinement, and then he was accused of obscenity, advocating decadent values and homosexuality. They sentenced him to six month in prison. After completing his sentence he suffered from depression and phobia about revealing his identity and going back to prison, with symptoms so debilitating he was hospitalized. Then his diary was found by his stepfather, who demanded Farsad denounce his homosexuality.

When Farsad resisted, his step-father took him to Qom (a holy city in Iran, and a center of Ayatollahs) to be seen by the grand ayatollahs; He spent a few nights in custody, was humiliated by the security forces there. They threatened him with stoning unless he denounced his homosexuality.

Traumatized by the threats, he was then taken to see a grand ayatollah, where he signed his confession and forgiveness plea. He was then returned to Tehran, where he received 95 lashes before being released. Almost as an afterthought, he was questioned by the supreme leader’s office in the university where he was studying — and was expelled from school, as well.

Last winter, he met Farnam in a gay chat room. After corresponding they moved in together to start life as a couple, in disguise but together. They invited a small group of their friends to celebrate this union. Just fifteen minutes after the party began, the police broke into their house and arrested everyone. They were brutally beaten, says Farsad, and then transported to a police detention center. They spent the entire Persian new year holidays in a prison cell. „We were beaten to the point that my spine hurt permanently; I still feel the pain caused by the fists pounding my face“, Farsad says.

They were accused of advocating decadency, homosexuality and prostitution. Because they were arrested together, the authorities insisted on more details about their relationship. During the police interrogation, they were asked, „Did you have sexual intercourse with each other?“ They did not admit to this question, and eventually they were sentenced for having an improper relationship, for which they received 80 lashes. All other guests were released conditionally and they were ordered to remain in the city and not get in-touch with each other.

Two weeks before the execution of their sentence, the party attendees were arrested again and were sentenced to 60 lashes each, which all received in the same day. Farsad and Farnam were told that 80 lashes was just for holding the party, and that their sentence for the improper relationship would be executed later.

 

Saudischer Journalist: Bin Laden soll über seine eigenen Verbrechen Rechenschaft geben

Der Meinungsredakteur der arabischen Tageszeitung Asharq Alawsat lässt seine Wut über Bin Ladens neue Rede und über die klammheimlichen Unterstützer des Terrorpropheten freien Lauf. Bin Laden hat die Amerikaner in seiner Rede des Massenmordes im Irak angeklagt. Mshari Al-Zaydi kontert:

We want the leader of Al Qaeda and his supporters – and there are many varying between secret admirers to declared admirers and fans and those who only half-declare their support – we ask of him and them to speak about Al Qaeda’s crimes in Iraq and how they have contributed to the death and destruction!

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Mshari Al-Zaydi
Foto: Asharq Alawsat

Here are a few questions for you Mr. Osama Bin Laden: Has Al Qaeda contributed to the rise of murders and has it endorsed death and destruction in Iraq? Have its bombs, explosive devices planted in cars and suicide bombers played a part in increasing the death toll in Iraq? Have victims not fallen in Iraq as a result of your followers strapping themselves up with explosives belts and detonating them to kill innocent people?

You are not in a position to preach or speak or play the hero in the story of murder in Iraq. We sincerely would like to believe your grief and compassion for the dead in Iraq, but the daily realities prevent us from doing so.

Whoever believes that the threat posed by Osama, Al Qaeda and fundamentalism (with all the danger entailed in terms of ideology) has subsided or diminished in any way is deluded, if I may say so.

All that has happened since the September 11 attacks in 2001 was a case of bowing down in the face of the American storm, while disregarding the internal criticism among the Arab and Muslim communities until things ‘pass’. Since then, no changes and nothing new has been proposed and no one cares.

Even the ‘streetwise’ singer Shaaban Abdel Rahim thinks Osama Bin Laden is right and regards him as a hero. He sings:

I commend Bin Laden for the tower he bombed

We want another attack to make the Arabs happy.

This is what Shaaban hopes for, on behalf of the Arabs, a second strike to make them happy. Perhaps that is what Bin Laden is planning for with his new youthful image, to bring everyone back to their youth!

 

Dank an alle Mitblogger !

Seit kaum einem Jahr online, verzeichnet dieses bescheidene Blog heute genau 10.000 Kommentare (bei insgesamt 216.000 Besuchern). Viele Beiträge waren ganze Essays, und zwar in einer Qualität, die ich kaum erwartet hätte. Ich komme gerne jede Tag hierher, auch um immer wieder etwas zu lernen und meine Meinungen und Analysen in Frage stellen zu lassen.
Vielen Dank.