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Die Deutschtürken – eine Umfrage

Morgen in der ZEIT: Eine repräsentative Umfrage unter Deutschtürken nach dem Erdogan-Besuch und der Koch-Kampagne, die wir durch das Meinungsforschungsinstitut Emnid haben durchführen lassen. Es geht um das Deutschlandgefühl der trükischen Einwanderer.
Ich habe dazu einen deutenden Text geschrieben. Sechs prominente Deutschtürken geben in kurzen Statements zu Protokoll, wie sie zu Deutschland und zum Deutschsein stehen.
Hier der Einstieg, morgen mehr:

Ein paar Momentaufnahmen aus einer umkämpften Zone: Jeder zweite Deutsch­türke hat das Gefühl, in Deutschland unerwünscht zu sein. Doch zwei Drittel sagen auch: Es war alles in allem gut, dass meine Familie hierhergekommen ist. Die überwältigende Mehrheit der Türken in Deutschland wünscht sich, dass auf ihre Eigenheiten mehr Rücksicht genommen wird. Doch fast die Hälfte hat Schwierigkeiten mit der Vorstellung, einen deutschen Schwiegersohn oder eine Schwiegertochter zu akzeptieren. Das sind Ergebnisse einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Auftrag der ZEIT durchgeführt hat. Wir haben versucht, die Gefühlswelt der Bürger zu vermessen, die einen »türkischen Migrationshintergrund« haben. Und weil das so ein hässliches Wort ist, das den Krampf der deutschen Debatte schon in sich trägt, sprechen wir lieber von den Deutsch­türken.
Nach den Ereignissen der letzten Wochen konnte man ahnen, dass ein Aufruhr in den Köpfen und Herzen der Deutschtürken tobt. Gleich zweimal in kurzer Zeit war die Trennlinie zwischen »den Deutschen« und »den Türken« neu gezogen worden. Auf Roland Kochs Kampagne gegen »kriminelle Ausländer« folgte Recep Erdoğans Vereinnahmungsfeldzug nach dem Brand von Ludwigshafen.
Wie verorten die Deutschtürken sich selbst? Wie sehen sie Deutschland? Wo liegen ihre Lo­yalitäten? Wie deutsch sind sie selbst geworden, wie viel Türkisches haben sie bewahren können? Fühlen sie sich durch deutsche Politiker vertreten und ernst genommen? Unsere Umfrage ergibt das Bild einer Gruppe, die zwischen Zu-
gehörigkeitswünschen und Selbstverlustängsten zerrissen ist.
Man will anerkannt werden, fürchtet aber, dass dies nur um den Preis der Selbstaufgabe möglich sei. Die Deutschtürken haben ein mehrheitlich positives Bild von Deutschland und nehmen – vielleicht ebendarum – erschrocken und teils trotzig zur Kenntnis, dass dies nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Nicht nur die erste, auch die zweite Generation sieht sich in erschreckendem Maß als unerwünscht. Irritierend sind jedoch auch die selbstabschottenden Gegenreaktionen darauf – womöglich Kompensation empfundener Missachtung…

 

Eigenwerbung

Für alle Berliner, die noch nichts vorhaben. Ich führe heute abend diese Debatte mit Renate Künast und Peter Siller von den Grünen:

Forum Berlin – Grüner Diskurs

„Deutschland rückt nach links – und die CDU besetzt die neue Mitte?“

mit Renate Künast, Peter Siller und Jörg Lau, Die Zeit

19.30 Uhr

Evangelische Stadtmission, Lehrter Straße, Berlin

 

Vietnam revisited

Ein Kollegen von der International Herlad Tribune kommt mit ähnlichen Gefühlen aus Vietnam zurück wie ich sie hier vor kurzem beschrieben habe:

„Through history’s rearview mirror, this domino theory can look risible these days, and nowhere more than in today’s Vietnam, where the Communists „won,“ and where Intel signs and the stock market players and the CNN that I faced everywhere here, ….

There was more to it than the facile accoutrements of the capitalist West that are on plain display, though. Given our readiness to believe in good and evil, more disorienting still were the quick and genuine smiles of the people, complete strangers who welcomed me into their neighborhoods and homes, the easy conversations that I was able to have, scarcely haunted by the awful shared history of our two countries.

No, the Vietnamese have not forgotten what happened, but they have given us a humbling demonstration of the human capacity to get on with things, to get over even the most atrocious of life’s chapters and to recover.“

Tip: Ich lese gerade  das großartige Buch von Bao Ninh – The Sorrow of War – , ein Kriegsroman aus der Perspektive eines Nordvietnamesen. Bao Ninh war selbst Soldat. Von den 500 Kämpfern seines Bataillons überlebten nur 10.

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Bao Ninh, Kriegsveteran  und Autor

Wärmste Empfehlung! Ein trauriges Buch, mit großem Atem geschrieben, daß einem die nordvietnamesischen Soldaten, die man seinerzeit als ideologiegetriebene kommunistische Killer-Roboter sah, in ihrer ganzen menschlichen Tragik nahebringt. Hier ein berührendes Interview eines amerikanischen Veteranen mit Bao Ninh, der damals auf der anderen Seite stand. Ninhs Buch wird von der englischsprachigen Kritik unter die ganz großen Kriegsromane gezählt – von Remarque bis Vonnegut -, und zwar zu Recht.

 

„Geheime Kräfte“ vertuschen den Brand von Ludwigshafen

Sie können es nicht lassen: Die türkischen Zeitungen weichen angesichts der Untersuchungsergebnisse von Ludwigshafen in die Verschwörungstheorie aus.

Da eine Brandstiftung mit größmöglicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann und die türkischen Ermittler – ohne Widerspruch zu ihren deutschen Kollegen zu erheben – wieder in die Türkei heimgekehrt sind, bricht die ganze Grundlage der Berichterstattung zusammen. Hürriyet, Sabah, Milliyet und Türkiye hatten wochenlang den Eindruck erweckt, ein rechtsradikaler Hintergrund sei unabweisbar.

Was also tun die Zeitungen jetzt? Bieten Sie ihren Lesern eine Korrektur, eine Erklärung für ihre wochenlange Verletzung der Sorgfaltspflicht?

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Mehmet Yilmaz von „Hürriyet

Nein, sie fliehen ins weite Reich der Paranoia. Und namhafte Autoren machen dabei mit, wie etwa der Kolumnist Mehmet Y. Yilmaz heute in Hürriyet:

Einer der wichtigsten politischen Kommentatoren der Türkei, Mehmet Y. Yilmaz fasst die Ergebnisee in deutlich zynischem Ton wie folgt zusammen:
„Niemand soll also das Haus angesteckt haben. Auch soll es keinen Kurzschluss gegeben haben. Eine Gasexplosion oder ein sonstiger elektrischer Defekt waren es auch nicht. Es sieht so aus, als sei das Gebäude von selbst in Flammen aufgegangen. Die wahrscheinlichste Brandursache in diesem Fall ist ein aus dem All kommender falsch geleiteter Lichtstrahl. Darin sieht man, dass nicht nur in unserem Land widersprüchliche Erklärungen von politischen Verantwortlichen gemacht werden“, so Yilmaz, der seine Argumentation folgendermaßen beendet: „Vielleicht ist diese nichts sagende Erklärung auch Ausdruck dessen, dass‚ geheime Kräfte’ in der Bundesrepublik Deutschland versuchen, die wahren Gründe des Brandes zu vertuschen“.

 

Der Moschee-Streit

Eigenwerbung:
Hier ist das Buch zum Moscheestreit in Köln, mit Beiträgen von Broder, Giordano, Mazyek, Kermani, Böckenförde, Kardinal Meisner, Wallraff etc. Und der erste Beitrag des Bandes ist – vom Betreiber dieses kleinen Blogs.
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Klickst Du!

 

Integrationsbarrieren

Mitbloggerin „Miriam“ schreibt mir:

„Ich bin zwar nicht aus der Türkei, aber ich komme aus einem Land, das damals, als ich die Flucht ergriff, in mancher Hinsicht so traditionell war wie Anatolien. Ich weiß, wie Tradition sich anfühlt, und ich mache drei Kreuze, dass ich in der Moderne lebe.

Und meine Tochter, die sowohl die deutsche Staatsbürgerschaft hat als auch die meines Herkunftslandes. Auf meine Frage, welche von beiden sie behalten würde, wenn sie nur eine haben dürfte, antwortete sie:” Die deutsche, natürlich! Ich bin ja Deutsche!” Sie ist voll integriert, weil sie sich voll integrieren darf. Die größte Integrationsbarriere, mit der integrationswillige Migranten türkischer Herkunft zu kämpfen haben, ist die Tatsache, dass sie sich von ihren Familien und Communities aus oft gar nicht voll integrieren dürfen: sprachliche, Bildungs- und berufliche Integration ist durchaus erwünscht, soziale Integration besonders im Sinne von Ehen mit Deutschen wird meist nicht gern gesehen; auch Wertintegration im Sinne von der Übernahme der individualistischen Werte der Moderne wie Selbstbestimmung und Eigenverantwortung gilt oft als Verrat an den kollektiven Werten der Tradition. Das Problem ist nur: Ohne Wertintegration und soziale Integration können Bildungs- und Berufsintegration nicht gelingen.“

 

„Hitler ist nicht tot“

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Die rechtsradikal-islamistische türkische Zeitung Vakit greift zu ihrer Lieblingsmasche und zeigt die deutsche Politik im Schatten des Hakenkreuzes. „Hitler ist doch nicht tot.“
Angesichts mehrerer Brände in Deutschland, denen Türken oder türkischstämmige Deutsche zum Opfer gefallen sind, wird das bereits im September benutzte Merkel-Hitler Bild wiederverwertet. VAKIT ist seit 2005 in Deutschland verboten.
Davon abgesehen: Die Serie der Brände löst auch im vernünftigen Teil der türkischen Öffentlichkeit große Sorge aus. Das ist verständlich. Es ist nämlich nicht auszuschließen, daß in Dautphetal bei Marburg eine rassistische Straftat vorliegt. In Aldingen/Baden-Württemberg wurde ein 53jähriger Deutscher nach einem Brand verhaftet. Er scheint bereits mehrere pyromanische Taten verübt zu haben und psychiatrische Hilfe zu brauchen. In Gelsenkirchen scheinen zündelnde Kinder die Ursache eines Brandes zu sein.

 

Gegen das Kopftuchverbot – und gegen die Kopftuchpolitiker

In einem klugen Essay für das Time-Magazine artikuliert Pelin Turgut den Zwiespalt vieler Türken angesichts von Erdogans Politik: Man lehnt das Kopftuchverbot ab, weil es nicht eine freiheitliche Staatsauffassung passt. Man macht sich aber auch keine Illusionen über die Agenda Erdogans, der weder ein Freiheitsheld noch ein Feminist ist:

„To most Americans and Europeans, the head-scarf issue is a no-brainer. In a functioning democracy, an 18-year-old has the right to attend university dressed however she chooses. That much is indisputable. By lifting the ban, Turkey will have righted a wrong that has been a thorn in its side for far too long.

But the current clash over the ban isn’t just about democracy. It is also a reflection of class struggle between the old élite (the „White Turks“) and a new ruling class. At an upscale shopping mall in Istanbul last week, I overheard a group of teenage girls with big hair and designer jeans proclaim loudly as two head-scarved young women approached: „Why do they have to come here? Can’t they go somewhere else?“ That’s the ugly face of secularist snobbery. Some university professors have even declared they won’t teach head-scarved students, while Deniz Baykal, leader of the opposition Republican People’s Party, speaks of the head scarf in militaristic terms as a „uniform imposed by outside forces.“

But in rejecting that intolerance, let’s not kid ourselves that Prime Minister Recep Tayyip Erdogan is a champion of women’s rights. I have attended meetings where his Justice and Development Party (AKP) deputies chose not to shake my hand simply because I’m a woman. I know that hardly any of the AKP deputies have wives who work; when one of them sought to file charges against her husband for allegedly beating her, she was quickly dissuaded. I have watched Erdogan’s daughter (who studied in the U.S. because of the ban) come home, get married and disappear. There was not a single female MP on the commission that drafted the current constitutional amendment … about women!

Erdogan seized on the chance to lift this ban with an enthusiasm that he hasn’t shown for any of the many other democratic reforms Turkey needs. The government has shelved plans to lift Article 301, which makes it a crime to denigrate „Turkishness,“ under which writers and intellectuals like Nobel prizewinner Orhan Pamuk have been tried. Erdogan has made little progress in addressing the grievances of Turkey’s Kurdish minority. If he is really out to prove his democratic mettle, these are the kinds of issues he needs to address.“

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Erdogan kritisiert die türkischen Medien

Soeben im Kanzleramt: Bei einer Debatte mit Jugendlichen hat Ministerpräsident Erdogan neben den deutschen auch die türkischen Medien kritisiert, sie zögen voreilige Schlüsse: „Wir haben noch keine Beweise, wir wissen noch nicht, was die Gründe für dieses Geschehen sind. Doch die Medien machen große Worte. Wir kennen das schon. Aber ich fordere zur Sachlichkeit auf.“
Allerhand!