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Keine religiöse Entschuldigung für Attentat auf Westergaard

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat gegenüber der dpa das versuchte Attentat auf den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard verurteilt. «Für eine kriminelle Handlung darf es keine religiöse  Entschuldigung geben», sagte der ZMD-Vorsitzende Ayyub Axel Köhler am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur dpa in Köln.

Sehr schön. So weit jedenfalls.

Aber dann das:

Das der Tat zugrundeliegende Motiv zeige aber, wie schmal der Grat zwischen Meinungsfreiheit und der Verletzung religiöser Gefühle sei.

Soll heißen? Si tacuisses, Westergaard? Er hat also doch die „religiösen Gefühle“ verletzt und hätte seine Karikatur besser unterlassen?

Das ist schon wieder das übliche Herumeiern des ZMD. Herr Köhler muss die Karikatur Mohammeds mit dem Bombenturban natürlich nicht goutieren. Er hat aber die Aufgabe, den Muslimen zu vermitteln, dass sie mit so etwas schlichtweg zu leben haben, wie alle anderen Gläubigen auch. Wenn er nun suggeriert, zwischen Meinungsfreiheit und Verletzung religiöser Gefühle gebe es einen „schmalen Grat“, den man nicht überschreiten dürfe, dann ist das eben kein Bekenntnis zu unserer von der Verfassung garantierten Meinungsfreiheit – sondern ein sophistischer Versuch, sie einzuschränken.

Richtig wäre folgender Satz: Meinungsfreiheit schließt (leider) die Verletzung religiöser Gefühle (und des guten Geschmacks) mit ein.

Live with it, Umma!

Der Papst schafft es schließlich auch.

Aber das bringt Köhler nicht. Er wieselt nur wieder herum:

Problematisch sei, dass derartige Vorfälle in der Bevölkerung Ängste vor dem Islam anfachten, sagte Köhler. «Wir tun alles, was in unseren Kräften steht, um aufzuklären und rufen zur Mäßigung auf.»

Problematisch ist erst einmal, dass junge Muslime sich im Namen des Islam berechtigt fühlen, abscheuliche Morde zu planen und zu begehen. Aber Köhler denkt nur an die Islamophobie, das ist ein angenehmeres Thema.
Nun sei die Politik gefordert, solche Ängste und eine wachsende Islamfeindlichkeit einzudämmen. «Sonst droht eine Spaltung der Gesellschaft», mahnte er.

Das ist frech. Die Politik muss die „wachsende Islamfeindlichkeit eindämmen“?  Deshalb müsse das Thema Islamfeindlichkeit auf die politische Tagesordnung. Leider machten Politiker sich die Befürchtungen der Menschen aber oft zunutze, etwa vor Wahlen. Populistische Äußerungen, wie sie in der Debatte um ein Kopftuch-Verbot gefallen seien, seien wenig dienlich. Nötig sei eine «verbale Abrüstung» bei Politikern.
Na klar. Der Somalier mit Al-Kaida-Connections ist eigentlich ein Opfer von Islamophobie. Ebenso wohl der Nigerianer, der seine Unterhose sprengen wollte.
Denn:  Wenn aber Muslime als Fremdkörper in der Gesellschaft betrachtet würden, sei die Reaktion oft eine Abkapselung. Die Islamkonferenz könne einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Muslime als Teil der Gesellschaft akzeptiert werden.

Immer sind die anderen schuld.

O Mann, und der spricht für die moderaten, vernünftigen Muslime!

 

Islamische Konferenz veurteilt Anschlag auf Mohammed-Karikaturisten

Offenbar hört man in Dschidda endlich auch die Signale:

A spokesman of the General Secretariat of the Organization of the Islamic Conference (OIC) in Jeddah expressed concern on the reported attempt on the life of the Danish cartoonist, who (had) drawn the offensive and derogatory cartoons of Prophet Mohammed (PBUH) in 2005.

The OIC spokesperson stated that if the alleged attempt on the life of the Danish cartoonist is proven to have been committed as a reaction to the infamous cartoons of 2005, then it should be rejected as it runs totally against the teachings and values of Islam.

Die OIC, ein Zusammenschluß von 57 islamisch dominierten Staaten, hat sich bisher mit solchen Verurteilungen immer zurückgehalten. Weiter so.

 

Endlich: Die Schweiz hat ihr fünftes Minarett

Guillaume Morand, Inhaber einer Schuhladenkette nahe von Lausanne, hat einen Fabrikschlot zum Minarett umbauen lassen, um seinem Unmut über das Schweizer Referendum Ausdruck zu verleihen.

Somit verfügt die Schweiz nun über fünf Minarette. Ob man Herrn Morand zwingen wird, es wieder abzureißen?

Herr Morand ist kein Muslim. Was die Frage aufwirft: Ist es ok, wenn Nichtmuslime Minarette zu nichtreligiösen Zwecken errichten? Und wenn ja, warum?

Mehr hier.

 

Muslime, baut vaterländische Moscheen!

Gestern war ein lesenswerter Text von Dieter Bartetzko in der FAZ, in dem auf die auch von mir schon gelegentlich erwähnte Parallele zwischen Synagogenarchitektur (im 19. Jhdt.) und der Moscheebaudebatte heutzutage hingewiesen wurde.

Die Juden bauten in Deutschland teils orientalisierende, teils „vaterländische“ Synagogen. Die „maurischen“ Elemente standen für die Wiederentdeckung des Andersseins der Juden, die sich als Emanzipierte trauten, Distanz zu den deutschen Sakral-Baustilen zu markieren. Manche Synagoge sah dann aus wie eine Moschee (etwa die Kölner Hauptsynagoge, hier zu besichtigen).

Bild 1

Rekonstrukton der Kölner Hauptsynagoge im orientalischen Stil

Auf diesen Stil antwortete der assimilierte Stil mit romanischen oder gotischen Elementen. Diese Synagogen waren teils von Kirchen nicht mehr zu unterscheiden. Berühmtestes Beispiel: Die Dresdener Synagoge von Gottfried Semper, von den Nazis 1938 zerstört. Sie war aussen wie eine romanische Kirche gestaltet, verbarg in ihrem Innern aber einen orientalisierenden Raum.

alte_synagoge_dresden_1860

Alte Synagoge in Dresden, Achitekt: Gottfried Semper

Hierzu nun schreibt Bartetzko:

„Den Orientalismus der Synagogen lösten seit etwa 1872 “vaterländische” Tendenzen ab, vorgezeichnet in Dresdens Hauptsynagoge von 1840, die Gottfried Semper entworfen hatte. Innen maurisch, glich sie außen den Kaiserdomen von Speyer, Mainz und Worms. Als im zweiten Kaiserreich Romanik und Gotik Inbegriff nationaler Identität wurden, entstanden in Bingen, Schweidnitz, in Lüneburg, Breslau, München oder Düsseldorf neoromanische und neogotische Synagogen, oft zweitürmig, die sich kaum noch von Kirchen unterschieden.
Der Appell dieser Synagogen war eindeutig: Integration. Das gilt sogar für den altorientalischen Monumentalismus der um 1900 entstandenen, heute wieder berühmten Großsynagogen in Essen, Berlin oder Frankfurt-Westend. (…) Wie sehr Synagogen integraler Teil der deutschen Kultur geworden waren, zeigte sich nach 1918. Während in Wilmersdorf 1923 Deutschlands erste von einer islamischen Gemeinde errichtete Moschee als Kopie der heimatlichen Moscheen errichtet wurde, bauten jüdische Gemeinden teils im konservativen Heimatschutz-, teils im umstrittenen avantgardistischen Bauhausstil und teilten so die ästhetischen und ideologischen Konflikte der Weimarer Republik.
Diese fast vollständige ästhetische Integration überdauerte selbst den Judenvernichtungsterror der Nationalsozialisten: Als nach 1945 wieder Synagogen in Deutschland gebaut wurden, entstanden sie, zuweilen mit dezent orientalisierenden Details versehen, im Stil der deutschen Wiederaufbaumoderne. Dass die Traumata des Massenmords nachwirkten, drückt sich außer in der zurückhaltenden Gestaltung auch in den zurückgezogenen, oft zusätzlich von Mauern geschützten Standorten der Synagogen aus.
Diese Isolation, die in den neuen Synagogen überwunden scheint, drückt sich aber in den älteren Moscheebauten in Deutschland immer noch aus. Verantwortlich für ihre Lage in Randgebieten und Hinterhöfen ist die Geldknappheit der auf Spenden angewiesenen islamischen Gemeinden, aber auch beiderseitige Ausgrenzung. Dieses Nischendasein, gepaart mit traditionellem Konservatismus und dem Nichtwissen um hiesige Berührungsängste, dürfte mitbewirkt haben, dass die Mehrzahl der Moscheen der ersten und zweiten Generation reine Orientkopien sind. Der Streit um Minarette geht von den neuen Moscheen aus, die zwar den Hinterhof, aber nicht das architektonische Außenseitertum verlassen haben. So kommt es, dass die nichtislamische Öffentlichkeit selbst in Paul Böhms unbestreitbar modernem Entwurf für die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld nicht eine expressive Neudeutung der Blauen Moschee sieht, sondern einfach ein drohendes Monument, das den Orientalismus in Riesendimensionen treibt. Dem entspricht auf islamischer Seite, dass die Mehrheit der Gläubigen, obwohl der Islam außer der Ausrichtung nach Mekka keine Regeln für den Moscheebau kennt, Abweichungen vom Gewohnten strikt ablehnt.“

Ich bin, wie ich bereits an der Penzberger Moschee erklärt habe, durchaus ein Freund des „integrativen“ Baustils. Aber ich finde es sehr problematisch, den Muslimen die jüdisch-deutsche Erfahrung normativ vorzuhalten.

Denn: Was war die Antwort der deutschen Gesellschaft auf die Botschaft der „Integration“? Brennende Synagogen und Völkermord. Es hat den Juden nichts gebracht, sich in die deutsche Gesellschaft einzufügen und ihre ästhetischen Vorlieben zu teilen.
Es gibt eigene, heutige Gründe für einen neuen islamischen Baustil, wie er in Penzberg versucht wurde.
Die deutsche Gesellschaft kann es sich aber nicht so einfach machen, die Vorbehalte gegen Moscheen allein (und in jedem Fall)  auf die „Selbstausgrenzung“ der Muslime zu schieben (die es natürlich auch gibt). Dass man etwa in der modernen Böhm’schen Moschee für Köln ein „drohendes Monument“ sieht, liegt sehr wohl im Auge des Betrachters.
Im übrigen sind es ja gar nicht so viele, die sich in Köln bedroht fühlen.
Man könnte darin ja auch eine lange Erinnerung an die Vorgeschichte sehen, in der orientalisierende Synagogen ebenso verbrannt wurden wie die hoch angepassten vaterländischen Exemplare. Vielleicht gibt es in Köln ein Gefühl für den Verlust, den man sich seinerzeit selbst beigebracht hat durch die Vertilgung des gebauten Orients?

 

Minarette: Wie du mir, so ich dir?

Guter Artikel zur Schweizer Minarett-Entscheidung auf dem immer wieder lesenswerten „Transatlantic Forum“ von Michael Kreutz:

Obwohl auf dem Boden der gesamten Schweiz gerade einmal vier Minarette ihr Dasein fristen (weswegen die meisten Einwohner Minarette wohl nur aus dem Fernsehen kennen), ist das Alpenland, dessen gefühlte Grösse etwa der Liechtensteins entspricht, schon jetzt schwer überfremdet. Oder jedenfalls beinahe. Vier Minarette sind immerhin vier Minarette.

Freiheit verteidigt man daher am besten durch praktizierte Sippenhaftung: Weil in Dubai keine Kirchen gebaut werden dürfen, darf es in der Schweiz keine weiteren Minarette mehr geben. Symmetrie nennt man das. Symmetrie ist die neue Waffe im Kampf gegen die Islamisierung, wenngleich diese bislang eher darin bestand, dass ein Teil der Muslime sich selbst ausgrenzt (bis jetzt jedenfalls wurde noch keine Nicht-Muslimin unter die Burka gezwungen)…

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Ganz ähnlich übrigens argumentiert Yassin Musharbash auf SPON.

 

Minarettverbot – Krise des Liberalismus?

Themenvorschlag: siehe Überschrift. Ist vorerst nur so eine Intuition, dass sich in dem Vorschlag, die Verfassung der Schweiz durch ein Verbot zu ergänzen, Türmchen an Moscheen zu bauen, die Krise des Liberalismus in Europa zeigt.

Denn: Wir kritisieren den Islam doch (seit Jahren, auch hier) im Namen des liberalen Rechtsstaats. Wir sind ja skeptisch, was die Integrierbarkeit dieser Religion in unsere Werte- und Rechtsordnung angeht, weil wir im Islam Defizite beim Verständnis der individuellen Freiheitsrechte erkennen, Defizite bei der Gleichbehandlung der Geschlechter, Defizite bei der Religionsfreiheit etc.

Allerdings bringt diese Kritik im Namen des Liberalismus immer mehr problematische Zuckungen des Antiliberalismus zum Vorschein. Überall soll verboten, erzogen und reglementiert werden.

Und es wird massiv herumfantasiert über die Einschränkung der Rechte einer Minderheit.

Den Koran verbieten. Gebete auf Arabisch verbieten. Schächten verbieten. Minarette ab einer bestimmten Höhe verbieten. Ach was, alle Minarette verbieten. Zwangsehen verbieten. Ach was, auch arrangierte Ehen verbieten. Kopftücher verbieten. Befreiung vom Schwimmunterricht und von der Sexualkunde verbieten. Burka verbieten. Moscheebauten verbieten. Und so weiter. Noch Vorschläge?

Kann es sein, dass der westliche Liberalismus sich selbst aufgibt, weil er seiner Kraft und Attraktivität nicht mehr vertraut? Das wäre doch ein ziemliches Paradox, dass diejenigen, die sich in eine Notwehrsituation gegenüber dem Islam hineinfantasieren und im Namen des Liberalismus gegen ihn zu kämpfen glauben, eben jenen Liberalismus leichtfertig aufgeben?

In ganz Europa gibt es schon diese Parteien, deren sog.  Liberalismus sich auf zwei Punkte konzentriert: Staatsfeindlichkeit (Steuern runter!) und Islamfeindlichkeit (Koran verbieten etc.). Nur Deutschland hat so etwas (noch) nicht. Und ich sage: zum Glück.

Also: Wie wäre ein liberaler Umgang mit der Herausforderung Islam möglich, der ohne Selbstaushöhlung auskäme?

 

Mein Lieblings-Minarett

Gestern habe ich in dem Thread über die Schweizer Volksbefragung zum Minarettverbot geschrieben, ich sei kein „Minarettbefürworter“. Damit war gemeint: Wer für das Recht auf Moscheebau mit Minarett eintritt, muss nicht zugleich für jedes Minarett in jedem städtebaulichen Kontext sein. Es ist legitim, gegen konkrete Bauvorhaben zu argumentieren und auch zu mobilisieren, wenn man dafür andere Gründe hat als den Generalverdacht gegen „den Islam“. Moscheebauvorhaben müssen sich in den städtebaulichen Kontext einfügen.

Nun bin ich aber Befürworter eines ganz bestimmten Minaretts und der dazugehörigen Moschee. Es steht im bayrischen Voralpenraum, in Penzberg.

So sieht es aus:

Postkarte$20minarett

Und siehe da: Die oberbayrischen Alteingesessenen sind mittlerweile regelrecht stolz auf „ihre Moschee“. Das Minarett besteht vollständig aus stilisierten Schriftzügen. Das Moscheegebäude hat auch keine osmanische Kuppel. (Mehr hier.)

Es wurde gestaltet von dem jungen bosnischstämmigen Architekten Alen Jasarovic, der mit seinem Moschee-Design auch ein Zeichen für eine genuin europäisch-muslimische Baukultur geben will, die sich nicht sklavisch an einem traditionellen osmanischen oder maurischen Stil orientiert.

Das Gebäude ist sehr licht und hell. Es öffnet sich auch bausprachlich der Umgebung.

Die Gemeinde hat das Bauprojekt sehr stark mit der Bevölkerung debattiert. Es gab zwar einige Vorbehalte, aber kaum Proteste. Man kennt sich von der Arbeit und aus der Nachbarschaft.

Merkwürdig: In Penzberg ist eine größere Offenheit für die islamische Gemeinde spürbar, als etwa in Köln. Die Penzberger Muslime haben selber einen grossen Anteil daran, weil sie  Offenheit für ihre Umgebung zeigen – schon in der Architektur.

Ich zitiere den Architekten Alen Jasarevic:

„Wir sind der festen Überzeugung, dass sich ein mitteleuropäischer Moscheetyp entwickeln wird, mit dem sich die muslimischen Einwanderer, vor allem der dritten und vierten Generation, wie auch die nichtmuslimischen Bürger leichter identifizieren können als mit Übernahmen traditioneller Moscheetypen aus der islamischen Welt.

Neben der Kirche und dem Rathaus wird sich die Moschee wie auch die Synagoge als selbstverständlicher Bestandteil unserer Städte etablieren. Wir stehen noch ganz am Anfang dieser Entwicklung. Über Generationen gefestigte Bilder von Moscheen und Vorurteile müssen auf beiden Seiten aufgebrochen werden.
Noch gilt die osmanische Interpretation mit Zentralkuppel und spitzem Minarett als einzig legitimer Typ für einen Moscheebau. Sogar die Moscheegegner berufen sich auf ihren Protestplakaten auf dieses Bild. Dabei ist dieser Typ nur ein Element im weiten Spektrum der islamischen Architekturvielfalt.
Die erste Moschee war das Wohnhaus des Propheten Mohammed: ein einfaches, teilweise überdachtes Hofgeviert. Der Muezzin rief vom Dach des Hauses zum Gebet. Das Minarett und die Kuppel entwickelten sich erst in der Folgezeit unter den ersten Kalifen.
Die folgenden Jahrhunderte brachten ganz unterschiedliche Moscheetypen hervor. So erinnert uns ein chinesisches Minarett eher an eine Pagode oder eine schwarzafrikanische Lehm-Moschee an einen Ameisenhaufen.
Dennoch erfüllen alle Moscheen die gleiche Aufgabe, sie sind Gebetsplätze und Orte der Niederwerfung (arabisch für Moschee) und damit gleichwertig. Eine mitteleuropäische Moschee mit eigenen Gestaltungsmerkmalen ist daher genauso legitim wie etwa die Hallenmoschee im Maghreb. Umgekehrt wäre eine traditionelle chinesische Moschee in der Türkei genauso deplatziert wie eine traditionelle osmanische Moschee in Deutschland.

Moscheen waren immer Orte der Kommunikation und nicht primär Orte der Repräsentation. Gerade in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft ist die kommunikative Aufgabe von grundsätzlicher Bedeutung. Fruchtbare Gespräche gelingen gerade in einer ungezwungenen und vorurteilsfreien Atmosphäre. Gebäude, die auf Traditionen beharren, können dagegen zu Barrieren werden.
Als mich die islamische Gemeinde Penzberg das erste Mal zu einem Gespräch in ihre Räumlichkeiten einlud, wunderte ich mich über den provisorischen Charakter der Gebetsstätte. Er überträgt sich mit der Zeit auf die Arbeit der Gemeinde und ihres Vorstandes. Alles ist ein Provisorium.
Doch in Penzberg war alles im Fluss. Der junge, charismatische Imam entwickelte in unserem Gespräch eine mitreißende Vision von der Zukunft der Muslime in Deutschland. Endlich! Eine Gemeinde, die sich und ihre Religion als selbstverständlichen Teil der deutschen Gesellschaft sieht.
Während des Schlussspurtes waren auch wir Architekten täglich auf der Baustelle, um die Arbeiten zu koordinieren und zu überwachen. In dieser Zeit fiel mir ein älterer Herr auf, der regelmäßig die Baustelle besuchte. Eines Tages nahm er mich zur Seite und fragte nach dem Minarett, wann es denn komme und ob es in die Umgebung passe.

Es stellte sich heraus, dass er genau gegenüber der Moschee wohnte und zusammen mit seiner Frau besorgt war. Ich versicherte ihm, dass ich nach wie vor zu meinem Wort stünde und dass die Gemeinde der Stadt mit dem Minarett ein bemerkenswertes Kunstwerk schenken würde.
Der Nachbar bedankte sich nach der Eröffnung beim Vorstand und erzählte, dass er nun mit seiner Frau abends seinen Kaffee am Fenster mit zurückgezogenen Gardinen trinkt und die schöne Aussicht genießt.
Ich frage mich häufig, welchen Anteil am Erfolg der islamischen Gemeinde die Architektur tatsächlich hat. Das Haus ist natürlich nur ein Passepartout, ein Rahmen für die Gemeinde, und ohne die Aktivität und Offenheit ihrer Mitglieder wäre auch die schönste Moschee kein Erfolg.
Allerdings trägt die Architektur entscheidend dazu bei. Ein ungewöhnliches, kunstvoll, offen und transparent gestaltetes Gebäude verhilft der Gemeinde zu Identität und Selbstbewusstsein.
Rückblickend lässt sich sagen, dass der Vorstand klug und vorausschauend gehandelt hat. Die Befürchtungen der Bevölkerung wurden von allen ernst genommen und in vielen gemeinsamen Gesprächen entkräftet. Insgesamt wurde ein Projekt realisiert, das Leuchtturm-Qualität besitzt und hoffentlich auch andere Städte und Gemeinden inspiriert.“

 

Wo man Minarette verbietet

Braucht ein Land mit 4 (!) Minaretten ein Gesetz gegen den weiteren Bau solcher Türme?  Ist es überhaupt statthaft, ein Sonder-Gesetz gegen bestimmte religiös motivierte Bauformen zu erlassen? Gibt es in der Schweiz etwa kein Baurecht, in dem alles Nötige ohnehin geregelt ist?

Das sind alles ebenso naheliegende wie sinnlose Fragen. Denn der siegreichen Initiative zum Minarettverbot geht es ja gar nicht um dieses spezielle Bauwerk. Und dass ein Europäischer Gerichtshof die Sache wahrscheinlich stoppen wird, ist den Initiatoren um die SVP natürlich sehr recht: Wieder einmal wäre bewiesen, dass Europa schlecht für die Schweizer ist, weil es ihre Souveränität einschränkt.

Sie haben die Volksabstimmung ja gerade so formuliert, dass sie quer zu den obigen Fragen das Unbehagen am Islam und an den Fremden im Lande abfragt: Ein Minarett, so die Suggestion, ist ja eben nicht einfach Teil einer üblichen Sakralarchitektur, sondern Symbol einer mit den schweizerischen Werten nicht vereinbaren Ideologie namens Islam. Letztlich heißt das: Islam ist keine Religion, sondern eine politische Idee, die zurückgewiesen werden muss und mit allen Mitteln bekämpft werden darf. Für den Islam gilt die Verfassung nicht, gilt das Religionsprivileg nicht, gilt die Religionsfreiheit nicht.

Das ist die radikale Kampfansage, die in dem Volksbegehren steckt.

Es gibt sicher Leute, die diese Botschaft verstehen werden. Dann beginnt eine andere Debatte.

 

Minarette verbieten?

Die schweizerische SVP hetzt wieder.

Ich bin bekanntlich der Meinung, dass der Widerstand gegen bestimmte Moscheebauten gerechtfertigt sein kann – wenn etwa eine intransparente und verdächtige Gruppe dahinter steckt, oder wenn man weiß, dass es sich um eine radikale, verfassungsfeindliche Organisation handelt.

Ich bin auch der Meinung, dass über die Höhe von Minaretten debattiert werden kann – wie jeder andere Bau muss sich eine Moschee ins Umfeld einfügen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Minarette per se verboten werden können. Ein religiöser Baustil kann überhaupt nicht Gegenstand von Gesetzgebung sein. Es gelten die üblichen Auflagen des Baurechts und  der öffentlichen Raumordnung.

Wer für eine größere Freiheit zum Kirchenbau in der Türkei oder in islamischen Ländern eintritt, kann Moscheebauten hier nicht per se verbieten.

Darum ist diese Schweizer Initiative der SVP ein Angriff auf die europäische Aufklärung und den säkularen Staat, den man doch angeblich vor den Muslimen schützen will.

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Die Bildsprache muss man nicht kommentieren.

 

Der Islam, eine asiatische Religion

Interessante neue Fakten:

While Muslims are found on all five inhabited continents, more than 60% of the global Muslim population is in Asia and about 20% is in the Middle East and North Africa. However, the Middle East-North Africa region has the highest percentage of Muslim-majority countries. Indeed, more than half of the 20 countries and territories in that region have populations that are approximately 95% Muslim or greater.

Richtig: Aber die 60 % sind doch der eigentliche Knüller.

Und überhaupt das historische Faktum der riesigen mulsimischen Diaspora, das erst langsam ins Bewußtsein sinkt:

In Deutschland leben mehr Muslime als im Libanon. Und in Russland mehr als in Libyen und Jordanien zusammen.
Das sind Resultate der Untersuchung des unabhängigen Pew Forums für Religionen.

Ein Fünftel aller Muslime – 300 Millionen – wohnt in Ländern, in denen der Islam nicht die Mehrheitsreligion darstellt.  In anderen Worten: Das Problem der Diaspora, für die es immer noch nicht ausreichende theologische Grundlagen gibt, ist immens.

Es wird größer werden. Es wird für diese Hunderte Millionen Menschen und ihre Nachkommen kein anomaler, vorübergehender Zustand sein, in dieser Lage zu leben.

Bild 2

Wie (ob?) dieser de facto Pluralismus mit den Grundlagen des Glaubens und der traditionellen islamischen Theologie und Rechtswissenschaft in Einklang zu bringen ist, ist eines der großen Menschheitsrätsel der nächsten Jahrzehnte.