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Erdogan: Türkische Verbände betreiben „Ghettoisierung“

Die Debatte geht weiter, auch in den türkischen Medien: „Unsere Verbände betreiben Ghettoisierung“ ist heute in großen Lettern auf der Titelseite der HÜRRIYET zu lesen, die damit auf Aussagen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan aufmerksam macht. So habe Erdogan in einem Fernsehinterview die türkischstämmigen Verbände in Europa beschuldigt, nicht modern genug zu sein und sich gegenüber der Mehrheitsgesellschaft zu verschließen. Mit diesem Konzept der „geschlossenen Gesellschaft“ komme aber weder die türkischstämmige Bevölkerung noch die Integration in den entsprechenden Ländern weiter. Damit erfüllten die Verbände nicht ihre eigentliche Aufgabe und betreiben mit den Worten Erdogans eine „Ghetttoisierung“, so die Zeitung.

Das ist ein notwendiges Wort des Ministerpräsidenten.

Aber welches Spiel spielt er in der Türkei? Die säkulare Elite macht sich große Sorgen, daß die Freigabe des Kopftuches der Beginn einer Islamisierungskampagne ist. Der Hürriyet-Kolumnist Mehmet Y. Yilmaz berichtet von einem Empfang im Präsidentenpalast Cankaya, bei dem Erdogan demonstrativ nicht die Hand von Hayrunissa Gül schüttelte, der Ehefrau von des Staatspräsidenten Abdullah Gül. Das Kopftuch von Frau Gül war seinerzeit als Argument gegen die Berufung Güls zum Staatspräsidenten gebracht worden. Es war nicht das erste Mal, dass Erdogan Frau Gül nicht die Hand reichte. Bei dem Empfang war auch der sudanesische Staatschef Bashir anwesend, dessen Frau das Händeschütteln ablehnt.
Mehmet Yilmaz wundert sich:
„What’s more, we know from experience that Hayrunnisa Gul is not a woman who shies away from handshakes normally. So it must of been Erdogan who decided not to shake. Which is why, the only thing I can make out of this is that Erdogan must of been „playing to the tribunes“ (since on that evening, Cankaya was hosting Sudanese leader El Beshir, whose wife does not shake the hands of men). If this is the case, it is not behavior acceptable in a leader.“

Es geht hier nicht um Petitessen – sondern um die Frage, ob der türkische Regierungschef sich vor einem der schlimmsten Diktatoren unserer Tage verneigt, der Sudan den Islamisten überantwortet hat und die Verantwortung für den Völkermord in Darfur trägt.

 

Endlich: Die Bluetooth-Burka ist da

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Foto: Markus Kison
Der in Berlin lebende Künstler Markus Kison hatte die Idee zum digitalen Upgrade eines islamischen Kleidungsstücks, das unsere westliche Phantasie sehr beflügelt: „CharmingBurka“ ist da.
Die Bluetooth-Burka sendet ein selbst definiertes Bild ihrer Trägerin an alle umstehenden Bluetooth-Handys.
So ist es endlich möglich, ein strenggläubiges Leben mit dem Wunsch vieler modernen Muslimas zu versöhnen, dennoch am öffentlichen Verkehr teilzunehmen. Dank moderner Technik ist es ebenso möglich, ein Foto von der Trägerin selbst wie auch das Bild eines elktronischen Avatars zu senden. Großartig!
Scharia und Second Life, das Mittelalter und die digitale Ära endlich versöhnt!
Hier die Website des Projekts, hier die des Künstlers.

 

Scharia zulassen – Kopftuch verbieten?

Zwei Beispiele für die europäische Ratlosigkeit im Umgang mit der neuen Religion Islam:
Der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, will das Schariarecht (oder jedenfalls einige Aspekte davon) in Grossbrittanien akzeptieren.
Die spanischen Konservativen wollen im Falle eines Sieges bei der Parlamentswahl in einem Monat ein Kopftuchverbot an Schulen durchsetzen. Ausnahmen solle es nur an Lehranstalten geben, in denen die muslimischen Schülerinnen in der Mehrheit seien, berichtete die Zeitung «El Mundo» am Freitag. Dies könne etwa in den nordafrikanischen Exklaven Ceuta und Melilla der Fall sein.
Das sind zwei Beispiele für die europäische Selbstzerstörung – und zwar einmal unter eher linkem, einmal unter rechtem Vorzeichen.
Der Bischof glaubt die Kohärenz der Gesellschaft stärken zu können, indem er das religiöse Recht einer Teilgruppe anerkennt.
Die spanischen Konservativen glauben die spanische Identität zu stärken, indem sie eine Teilgruppe der Gesellschaft zur Assimilation zwingen und ihre religiösen Symbole aus dem öffentlichen Leben verbannen. Wie inkohärent der Vorschlag ist, zeigt sich, wenn die Konservativen bei muslimischer Mehrheit bereit sind, das Kopftuchverbot aufzuheben. Wieso eigentlich? Darin steckt die Desintegrations- Botschaft: Bleibt unter Euch, dann könnt ihr machen, was ihr wollt.
Die Scharia anerkennen und das Kopftuch verbieten – das ist zusammengenommen ein Rezept fürs Desaster.

Umgekehrt wäre es richtig: Es gilt e i n Recht für alle, und jeder ist gleich vor diesem Gesetz. In diesem Rahmen können religiöse Symbole nach Belieben getragen werden. Die Nicht-Anerkennung der Scharia als Rechtsquelle, die Verweigerung rechtlicher Sonderzonen – ist die Voraussetzung für die Freiheit der Religionsausübung. Wer rechtliche Sonderzonen (man denke an den Frankfurter Fall!) akzeptiert, zerstört den freiheitlichen Rechtsstaat. Wer mit dem Recht gegen die religiösen Symbole einer bestimmten Gruppe vorgeht, ebenfalls.

 

Entfernt die Bilder des Propheten aus Wikipedia!

Dies fordern mittlerweile über 98.000 Muslime aus aller Welt in einer Petition. Es geht dabei um diesen englischsprachigen Artikel über Muhammad.
Hier ist die Petition.
Hier ist der Artikel auf Islamonline (gehört zum Al-Karadawi-Netzwerk).
Und hier ist das Bild, das angeblich Anstoß erregt.

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Der Prophet auf einer Miniatur des 15. Jahrhunderts, lehrend in Mekka

Es geht also nicht einmal mehr um Karikaturen, sondern sogar um respektvolle Darstellungen aus früheren Zeiten der islamischen Geschichte. Alles wollen diese Bilderstürmer in ihrem Furor vernichten, selbst die einstige Pracht ihres eigenen Glaubens. Kein Schritt breit diesem Hetzmob!

 

Niemand hat die Absicht, Roland Koch zu kritisieren

Die Distanzierung mancher Unterzeichner von dem gestern hier angekündigten Brief – beziehungsweise von der Deutung, es handele sich um eine Distanzierung führender Unionspolitiker von Roland Koch – ist ein klassisches Beispiel für Bullshit.
Was denn sonst soll das wohl sein?
Warum steht Ole von Beust an erster Stelle der Unterzeichner? Na klar, weil sein Name mit B anfängt!
Oder vielleicht auch deshalb, weil er in Hamburg bald die Grünen zum Regieren brauchen könnte? Die FDP wirds womöglich in Hamburg nicht schaffen.
Der Brief ist auch ein deutliches Signal in den Hamburg-Wahlkampf hinein: Die Union steht nicht für die Koch-Art des Wahlkämpfens. Sie will für die Grünen gesprächsfähig bleiben.
Der ursprüngliche Appell stammt schließlich von dem Berliner Grünen Özcan Mutlu.
Ich bin nicht davon überzeugt, dass die Grünen im Hamburg sich auf Schwarz-Grün einlassen würden. Aber von Beust muss sich diese Möglichkeit theoretisch offenhalten, um überhaupt eine Machtperspektive zu haben.

Davon abgesehen ist der Brief ein (spätes!) Lebenszeichen der liberalen Unionisten, die unter dem Koch-Kurs gelitten und ihm den Misserfolg heimlich gewünscht haben.
Sollen andere ihnen ihre taktische Feigheit vorhalten: Ich finde es super, dass sie jetzt wenigstens aus den Löchern kommen. Deutschland bewegt sich doch.

 

Ein Visum für den Prediger der Muslimbrüder?

Jussuf Al-Karadawi ist krank und möchte sich in England behandeln lassen. Die britische Regierung steht einem Visum wohlwollend gegenüber. Die Konservativen kritisieren dies.

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Jussuf Al-Karadawi

Mehrmals gab es bereits Streit um Karadawi. Der Londoner Bürgermeister Livingstone hatte ihn vor Jahren eingeladen. Die britische Regierung hatte seine Reisekosten für eine Konferenz in Istanbul übernommen (ich war dort, mein Bericht hier).
Seit 1999 darf Al-Karadawi nicht in die USA einreisen.
Frankreich sieht es nicht so eng. Im Januar dieses Jahres durfte der Prediger einreisen. (Die Muslimbrüder dominieren dort die islamische Szene.)
Er ist einer der populärsten sunnitischen Prediger durch sein Programm auf Al-Dschasira. Er ist spiritus rector der Muslimbruderschaft und ergo der Hamas. Seine Befürwortung von Selbstmordattentaten in Israel hat er trotz Kritik auch aus dem islamischen Lager nie zurückgenommen.
Ich finde: Das ist keine Frage von freier Meinungsäußerung. Karadawi ist – so lange er sich nicht klar von Mordaktionen gegen Israelis distanziert – ein Hetzer, der als solcher ausgeschlossen gehört.
Er ist kein Partner für irgendeinen sinnvollen „Dialog“.
Außerdem finde ich es unfaßlich, daß solche Leute den dekadenten Westen, den sie bekämpfen, immer dann gern in Anspruch nehmen, wenn es ihnen dreckig geht.

 

Der elektronische Mufti kommt

Kein Witz:Ein Team von Forschern in Frankreich ist nach Informationen der panarabischen Tageszeitung Asharq Alawsat dabei, einen Fatwa-Automaten zu konstruieren, der durch künstliche Intelligenz religiöse Gutachten zu jedem beliebigen Thema erstellt.
Keine Hymen-Fatwas, keine Kamel-Fatwas, keine Still-Fatwas mehr? Oder vielleicht noch mehr vom gleichen halbgescheiten Zeug, wie es die ehrenwerte Al-Azhar in letzter Zeit immer wieder publiziert?
Der ernste Hintergrund dieser kuriosen Geschichte: Die Erosion der religiösen Autoritäten im sunnitischen Mainstream-Islam setzt sich rasend fort. Sonst könnte niemand auf eine so schrille Idee kommen:

„The device deduces the expected response through consulting thousands of examples that have been uploaded on to the machine, pertaining to that person whilst taking into account their reactions so that it may relate the expected response in accordance with their personality as created by the Artificial Intelligence apparatus,“ explained Dr. Fawzi.

 

Das dumme Wort „Islamofaschismus“

Der streitbare Publizist James Carroll – einst war er katholischer Priester – wendet sich im Boston Globe gegen die im amerikanischen Wahlkampf grassierende Rede vom „Islamofaschismus“, und er hat Recht, finde ich:

„The pairing of ‚Islam‘ and ‚fascism‘ has no parallel in characterizations of extremisms tied to other religions, although the defining movements of fascism were linked to Catholicism – indirectly under Benito Mussolini in Italy, explicitly under Francisco Franco in Spain. Protestant and Catholic terrorists in Northern Ireland, both deserving the label ‚fascist‘, never had their religions prefixed to that word. Nor have Hindu extremists in India, nor Buddhist extremists in Sri Lanka.

In contrast to the way militant zealotries of other religions have been perceived, there is a broad conviction, especially among many conservative American Christians, that the inner logic of Islam and fascism go together. Political candidates appeal to those Christians by defining the ambition of Islamofascists in language that makes prior threats from, say, Hitler or Stalin seem benign. The point is that there is a deep religious prejudice at work, and when politicians adopt its code, they make it worse.

The Democrats gain little by shaping their rhetoric to appeal to the Republicans‘ conservative religious base, but a readiness to denigrate Islam shows up on their side, too. In last week’s debate, moderator Brian Williams put to Barack Obama a question about Internet rumors that claim he is a Muslim. The tone of the question suggested that Obama was being accused of something heinous. He replied with a simple affirmation that he is a Christian. He did not then ask, „And what would be wrong if I were a Muslim?“ Had he done so, it seems clear, he would have cost himself votes in the present climate.

The present climate is my subject. In recent years, the public realm has been invaded by a certain kind of narrow Christian enthusiasm, made up partly of triumphalistic self-aggrandizement (exclusive salvation), and partly of the impulse to denigrate other religions, especially Islam. This phenomenon has been centered in, but not limited to, evangelical fundamentalism. The United States cannot have a constructive foreign policy in religiously enflamed regions like the Middle East, northern Africa or South Asia if the American presence in such conflicts is itself religiously enflaming.

Thus, how could the United States advance the Israeli-Palestinian peace process if its government upholds, however implicitly, the Christian Zionist dream of a God-sponsored Jewish state from the Jordan River to the Mediterranean? Where is the two-state solution then? How, for that matter, is the traditional American commitment to the Jewishness of Israel advanced if the Christian Zionist vision of ultimate Jewish conversion to Jesus is achieved?

The issue is larger. The intellectual and moral paralysis of all major candidates from both parties on the subject of the war in Iraq is mainly a result of their religion-sponsored imprisonment in the Islamofascism paradigm, whether they use the word or not. By emphasizing that the goal of Muslim terrorists is to wage what John McCain calls a „transcendent“ war against „us,“ candidates miss the most important fact about the conflicts in Iraq and throughout the Muslim world – that militant Muslim zealots are primarily at war with their own people, most of whom they regard as decadent apostates.“