Der Islamwissenschaftler Martin Riexinger gibt wertvolle Hinweise für eine differenziertere Betrachtung des Antisemitismus in der islamischen Welt, der wohl doch nicht nur als eine Übernahme westlicher Ideologien zu erklären ist.
Wer wissen will, warum wir diesen Aussenminister noch gut gebrauchen können, lese sein exzellentes, absolut unpopulistisches Interview mit der arabischen Zeitung Al Hayat (Englisch) hier. Ein Zitat:
Al-Hayat: Who do you think is to blame for the war in Lebanon in July-August last year: Israel or Hezbollah? And is there any justification for Israel to bomb Lebanon’s infrastructures during the summer?
FM Steinmeier: The confrontation last summer was clearly started by Hezbollah, who in blunt violation of UN-resolutions kidnapped two Israeli soldiers from Israeli territory. There is no justification what so ever for this action. During the subsequent fighting, we underlined our conviction that all military action must be proportionate and spare innocent civilians. I would like to draw your attention to another consequence of Hezbollah’s attack: In Israeli public opinion, the result was that more and more people believe that any withdrawal of Israeli troops will not lead to peace, but to further violence. Israel withdrew from South-Lebanon – Hezbollah attacked. Israel withdrew from the Gaza-Strip – Kassam-rockets continue to be fired. How to you expect any Israeli government to convince its people that withdrawal from occupied territories is a recipe for peace? Those who justify their attacks by continued occupation don’t understand that they are actually sabotaging the chances of further withdrawal.
Solche klaren Worte werden auch in der arabischen Öffentlichkeit goutiert.
Der amerikanische Präsident tastet sich im Interview mit PBS an die Wirklichkeit heran: MR. LEHRER: How do you feel about the way the Iraqi government handled the hangings of Saddam Hussein, and now more recently, two of his top aides?
Die Website des „Zentralrats der Muslime“ veröffentlicht ein Gutachten der „Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen“, in dem sich einige wichtige Klarstellungen finden:
„Die Praxis der Zwangsverheiratung ist ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und das Selbstbestimmungsrecht betroffener Personen und deshalb eine schwere Form der Menschenrechtsverletzung… Weiter„Deutsche Muslime gegen die Zwangsehe“
Ein Beitrag von Raja Ben Slama, Professorin für arabische Literatur in Tunis und Kairo, auf Qantara.de. Sie kritisiert zunächst das Verfahren gegen Saddam und seine Exekution, ganz wie auch auf diesem Blog geschehen. Und dann macht sie folgenden Punkt:
„Angenommen, das Gerichtsverfahren gegen Saddam Hussein wäre fair gewesen, die Akten, die die Verstrickung westlicher Staaten in die Verbrechen Saddam Husseins behandeln, wären nicht geschlossen und das Urteil gegen Hussein vorschriftsmäßig vollstreckt worden – wären die arabischen Eliten und Völker dann bereit, aus dieser Lektion zu lernen?
Seit der Vollstreckung des Todesurteils gegen Saddam Hussein habe ich zahllose politische Kommuniqués und Gedichte erhalten, in denen er betrauert und beweint wird. Offenbar lieben die Araber ihre Diktatoren mehr als sich selbst. (In diesem Zusammenhang fällt mir Sigmund Freuds Kommentar über seine psychisch kranken Patienten ein, der gesagt hat, dass sie ihre Wahnvorstellungen mehr lieben als sich selbst).
Wenn politische Parteien, die sich als demokratisch bezeichnen, darunter auch islamistische, um den ‚Märtyrer und Helden‘ Saddam Hussein trauern, der für das Gesetz des Dschungels und das Fehlen jeglicher Demokratie stand, müssen wir uns fragen, welches politische Denken diese Eliten aufweisen und welche politische Zukunft uns noch erwartet.“
BBC berichtet, dass Saddam Hussein im nordindischen Dorf Lakhanow grossen Nachruhm geniesst. In dem kleinen Provinznest des Staates Bihar gebe es bereits 20 Saddam Husseins unter den einheimischen Jungen. Die Bevölkerung habe beschlossen, so die BBC, alle neugeborenen Jungen nach dem hingerichteten Diktator zu benennen.
Der Vater eines Dreijährigen, Ejaj Alam (s. Foto) wird zitiert, er habe sich nach der Exekution entschlossen, seinen Jungen in Saddam Hussein umzubenennen, um den Widerstandsgeist des irakischen Diktators gegen die Amerikaner zu ehren.
Die Dörfer der näheren Umgebung sollen es zusammen auf bis zu 100 Saddams bringen. „George Bush kann einen Saddam umbringen, wir werden eine Armee von Saddam Husseins schaffen. Wir werden Ihnen zeigen, dass Saddam Hussein niemals hingerichtet werden kann“, so Ayub Khan, einer der Dorfsprecher, zur BBC.
Nur die Kindergärtnerin beschwert sich, dass sie manchmal die vielen Saddams nicht auseinander halten kann, die sich im Sandkasten jagen.
Ein zweites Video von Saddam Husseins Exekution ist aufgetaucht. Man könnte es als Fortsetzung des ersten sehen: Es zeigt den toten Körper des Diktators unter einem Tuch. Am Hals sind die Einwirkungen des Strangs in einer etwa drei Zentimeter grossen Wunde zu erkennen.
Das Video ist zuerst auf einer Website von Baath-Partei Loyalisten aufgetaucht. Womöglich ist es in einer Leichenhalle aufgenommen worden.
Es könnte sein, dass es sich hier um einen Versuch handelt, die schiitische Propaganda mit sunnitischer Gegenpropaganda zu kontern. Auf der Website, die das Video veröffentlichte, wurde Saddam als „unsterblicher Märtyrer“ des Irak gepriesen.
„It takes real genius to create a martyr out of Saddam Hussein. Here is a man dyed deep with the blood of his own people who refused to fight for him during the United States-led invasion three-and-a-half years ago. His tomb in his home village of Awja is already becoming a place of pilgrimage for the five million Sunni Arabs of Iraq who are at the core of the uprising.
During his trial, Saddam himself was clearly trying to position himself to be a martyr in the cause of Iraqi independence and unity and Arab nationalism. His manifest failure to do anything effective for these causes during the quarter of a century he misruled Iraq should have made his task difficult. But an execution which vied in barbarity with a sectarian lynching in the backstreets of Belfast 30 years ago is elevating him to heroic status in the eyes of the Sunni – the community to which most Arabs belong – across the Middle East.“