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Youtube als arabische Menschenrechtsmaschine

Das Handy-Video aus dem Irak droht dies zu verdrängen: Es gibt seit kurzem auch eine andere Weise, in der Video und Internet in der arabischen Welt heute zusammenwirken – anders als die Terrorpropaganda in den Märtyrer- und Kopfabschneidervideos und auch anders als das Hinrichtungsvideo von Saddam Hussein.

Hier geht es nicht darum, Hass zu sähen und Gewalt zu predigen, sondern im Gegenteil um die Kritik von Gewalt und Willkür im Namen der Menschenrechte. Es ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, was Blogs und Videoplattformen wie etwa Global Voices hier leisten können.
Furchtlose Blogger in Ägypten stellen immer mehr Beweise für grässlichste Menschenrechtsverletzungen des Mubarak-Regimes ins Netz. Wer starke Nerven hat, möge sich diese Videos anschauen.

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Sie zeigen Foltermethoden des ägyptischen Regimes, gegen die immer mehr Menschen aufbegehren: Die Vergewaltigung und sexuelle Demütigung eines Gefangegen, Schläge gegen eine Frau, Ohrfeigen und Demütigungen gegen andere Gefangene.

Am 9. Januar findet in Kairo ein erster Prozess gegen einen der beteiligten Polizisten statt. Auch das ist Web 2.0, auch das ist der Neue Nahe Osten.

 

Das Hinrichtungsvideo wird Saddam Hussein verewigen – und viele Opfer kosten

Soll man dafür nun dankbar sein?

Ein Handy-Video hat die Wahrheit über die Hinrichtung Saddam Husseins an den Tag gebracht. Die regierungsamtliche Propaganda der irakischen Administration, es habe sich um einen korrekten Urteilsvollzug gehandelt, wurde durch das auf zahllosen Webseiten verbreitete Video durchkreuzt.

So hat die Weltöffentlichkeit nun das zweifelhafte Vergnügen, die ganze Schäbigkeit des Vorgangs mitverfolgen zu können… Weiter„Das Hinrichtungsvideo wird Saddam Hussein verewigen – und viele Opfer kosten“

 

Saddams Exekution – ein schäbiger Rache-Akt

Das neue Handy-Video von der Exekution Saddam Husseins lässt keinen Zweifel daran, dass es sich nicht um einen (wie auch immer grausamen und kritikwürdigen) Gründungsakt für eine unabhängige irakische Justiz handelt, sondern vielmehr um eine bis zum letzten Augenblick schäbige Rache-Aktion.

Anwesende riefen den Namen des Anführers der Mahdi-Armee, Moqtada Al Sadr, Saddam Hussein antwortere, den Strick bereits um den Hals, „Benehmen sich so Männer?“

Darauf wurde ihm zugerufen, er werde in der Hölle schmoren. Nicht einmal ein Gebet konnte er zuende sprechen, beim Namen Mohammed wurde die Klappe geöffnet, und er stürzte in den Tod.

Auch bereits die Auswahl des Datums für die Exekution ist nicht anders denn als absichtliche Provokation der Sunniten zu verstehen – ausgerechnet am ersten Tag des Opferfestes!

Am Opferfest wird die Verschonung des Sohnesopfers Ibrahims – jüdisch/christlich Abrahams – durch den gnädigen Gott gefeiert, der keine Menschenopfer will.
Wie kann man – ausser in bewusster Provokations-Absicht – darauf kommen, ausgerechnet an diesem Tag eine Exekution zu vollziehen, die damit wie ein religiöser Frevel wirken muss?
Und schließlich die Tatsache, dass das Mitschneiden per Video-Handy erlaubt wurde, mit den Folgen der Publikation im Internet.

Eine Republik, die sich auf einen solchen Akt gründet, wird noch viel Blut fliessen lassen.

 

Saddam Husseins Exekution wird die Zerstörung des Irak besiegeln

p.s. am 31.12. Angesichts der vielen Verurteilungen der Exekution seitens der Leser (s.u.) sollte vielleicht ein Standpunkt in Erinnerung gerufen werden, von dem aus sie trotz allem einen moralischen Sinn haben könnte. An der allgemeinen Verurteilung der Exekution ist etwas sehr Eilfertiges, das mich stört.
Es fehlt uns nämlich die Perspektive des Geschundenen, des Opfers, der seinen Folterer leiden und sterben sehen will, um ihn damit zugleich in die gemeinsame Menschlichkeit zurückgerissen zu sehen… Weiter„Saddam Husseins Exekution wird die Zerstörung des Irak besiegeln“

 

Spanische Muslime bitten den Vatikan: Wir wollen in der Kathedrale von Cordoba beten!

Al Dschasira (English) berichtet, dass spanische Muslime beim Vatikan ersucht haben, dass man sie in der Kathedrale von Cordoba beten lassen solle. Am Dienstag sei ein entsprechendes Schreiben beim Papst eingegangen.

„Wir wollen die heilige Stätte nicht übernehmen“, wird ein Sprecher der spanischen Muslime zitiert, „sondern zusammen mit Ihnen und anderen Glaubensrichtungen einen ökumenischen Ort schaffen, der in der Welt einmalig ist und große Bedeutung für den Weltfrieden hat.“

Eine ähnliche Bitte sei früher bereits vom spanischen Klerus abgewiesen worden. Mansur Escudero, der Generalsekretär des spanischen Muslimrates, beschwerte sich über „reaktionäre Elemente“ in der katholischen Kirche, die gegen Moscheebauvorhaben, Kopftücher und islamischen Religionsunterricht in staatlichen Schulen seien.

Die Kathedrale von Cordoba war ursprünglich eine Moschee, die im 13. Jahrhundert zum christlichen Gotteshaus konvertiert wurde. 

Die Moschee wiederum war auf dem Platz errichtet worden, auf dem zuvor die St. Vincent-Kathedrale stand, die von den muslimischen Eroberern Spaniens zerstört worden war.

Immer wieder versuchen Muslime, in der Kathedrale zu beten. Sie werden von Wärtern aufgefordert, dies zu unterlassen.

Die spanische Bischofkonferenz hatte im Dezember eine Empfehlung an die spanischen Muslime veröffentlicht, in der sie von Gebeten in der Kathedrale abrät.

Erinnert dieser Streit nicht von fern an die Aufregung während des Papst-Besuchs, als türkische Islamisten die Angst schürten, Benedikt werde die Hagia Sophia durch ein Gebet wieder in eine Kirche zurückverwandeln? Und an die merkwürdige Hysterie der türkischen Medien, als der Papst dann in der Blauen Moschee – ja, was denn? – gebetet oder meditiert hatte?

Es ist schon erstaunlich, wie leicht es Muslimen fällt, Ökumene in Cordoba einzufordern, und sie im Gegenzug überall anderswo zu verweigern. Was, wenn etwa der Papst auf die Idee gekommen wäre, die Verwandlung der Hagia Sophia in ein ökumenisches Zentrum zu verlangen?

 

 

Mozart als Muslim-Test. Die Berliner Wiederaufnahme des „Idomeneo“

In Berlin geht man jetzt nicht mehr einfach in die Oper. Man checkt ins Opernhaus ein wie am Flughafen.

Metalldetektoren, Taschenkontrollen, grimmig dreinschauende Herren mit Kabel hinterm Ohr. Und da kommt auch schon der Innenminister mit seinem Tross, für den sich magische VIP-Schleusen öffnen.
So war es jedenfalls am Montag, als an der Deutschen Oper der »Idomeneo« zur Wiederaufführung kam, der im September in vorauseilender Selbstzensur abgesetzt worden war.

Man hatte Anschläge von Islamisten befürchtet, weil in der Schlusszene die abgetrennten Häupter von Poseidon, Buddha, Jesus und Mohammed zu sehen waren. Den weltweiten Aufruhr nach der Absetzung der Oper hatte Wolfgang Schäuble elegant gekontert, indem er die gesamte Islam-Konferenz zum gemeinsamen Besuch der Wiederaufnahme einlud – eine schöne Gelegenheit, etwas für die Rede- und Kunstfreiheit zu tun.
Schäuble hat damit auch etwas für die Deutsche Oper getan, wie sich zeigte: So voll war das krisengeschüttelte Haus seit Jahren nicht mehr. Man sollte in Betracht ziehen, das Kulturressort wieder ins Inneniministerium zurückzuverlegen.
Denn dieser Minister kann kulturpolitische Weihnachtswunder bewirken. Zum Beispiel vermag er halbtote Opern zum Leben erwecken. Die Berliner Gesellschaft war vollständig erschienen, um sich zur Kunstfreiheit zu bekennen. Und um die anderen dabei zu beobachten, wie sie es tun.

Und ein wenig auch um selbst dabei gesehen zu werden. Ist das nicht der Kulturstaatsminister Neumann, der da auf Englisch mit Al-Dschasira parliert? Und das ist wohl die Integrationsministerin Böhmer, die dem japanischen Fernsehen Rede und Antwort steht? Und dies dort muss der Autor Peter Schneider sein, der, ebenfalls auf Englisch, einen Vortrag über Idomeneo und Abraham hält.Sie waren alle gekommen – die Stölzls und Döpfners, die Künasts und Pflügers, die Lammerts und Körtings und Wowereits.
Schäuble hatte viel riskiert mit seiner Einladung an die Muslimvertreter, sich einen Ruck zu geben und demonstrativ die Oper zu besuchen. Das wurde gerade in den letzten Tagen deutlich, als die Repräsentanten des Zentralrats der Muslime und des Islamrats ihren Boykott verkündeten.

Mit einem mal schien nicht nur die symbolische Opern-Aktion, sondern das ganze große Islam-Projekt des Innenministers auf Messers Schneide zu stehen. Doch es war nur Theaterdonner, und am Ende hatte Schäuble alles richtig gemacht.
Ali Kizilkaya vom Islamrat hatte Schäubles Einladung »ein wenig populistisch« genannt: »Jetzt läuft es nach dem Motto: Nur wer zur Oper geht, ist integriert. Die anderen sind noch nicht so weit.«

Und Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime fühlte sich gar »politisch instrumentalisiert«: »Ich gehe in die Oper, um mich zu entspannen und nicht, um Religion, Kunst und Poltitik in einen Topf zu werfen.«

Mazyek blieb trotzig weg. Kizilkaya aber kam zur Oper, und blieb doch der Aufführung fern. Er war freilich gerne bereit, seine Haltung vor Journalisten zu begründen. So kam es, dass der Muslimvertreter, der die Oper nicht gesehen hatte, am meisten auf Sendung war.
Schäuble gab sich nachher im Gespräch zufrieden selbst mit dieser Haltung: Wenn jemand durch seine Anwesenheit dafür eintrete, dass die Oper aufgeführt werden könne, reiche ihm das.
Und die Opernverweigerer vom Zentralrat der Muslime? Haben Sie nicht auch das gute Recht, fernzubleiben? Niemand sollte zum Besuch einer Oper genötigt werden, um seine freiheitliche Gesinnung zu beweisen.

Der Regisseur Hans Neuenfels hat selbst bekannt, es gehe in seiner Inszenierung »um die Infragestellung von Autorität, von politischer wie geistlicher, denn hier kämpft ein Menschenkönig gegen einen Gott.«

Es wäre widersinnig, ausgerechnet ein Kunstwerk, das kritisch-subversiv sein will wie diese Neuenfels-Inszenierung, zum Geßlerhut der politischen Korrektheit zu machen, vor dem sich jeder zu verneigen hat, der dazugehören will.

Wer Mozart als Muslim-Test benutzt, tut der Kunst einen Tort an. »Als Vertreter einer Religionsgemeinschaft bin ich weder Kunstkritiker noch zuständig für Geschmacksfragen«, hatte Aiman Mazyek, der Generalsekretär des Zentralrats seine Absage begründet.
Im Karikaturenstreit hatten die beiden Muslimvertreter, die sich jetzt so zurückhaltend gaben, allerdings wenig Hemmungen gezeigt, als Kunst- und Geschmacksrichter im Namen einer ganzen Weltreligion aufzutreten. Man wird sie daran erinnern müssen.
Der Abend in der Oper hat gezeigt, dass es unter Muslimen viele nuancierte Haltungen zur Freiheit der Kunst gibt.

Bekir Alboga, Vertreter des größten Moscheeverbandes, der türkeinahen Ditib, stand die ganze Vorstellung mannhaft und mit guter Laune durch, wenn auch am Ende ein wenig mit zusammengebissenen Zähnen, als die blutigen Köpfe auf die Bühne kamen. Geklatscht hat er bei dieser Szene nicht. Aber es scheint, als hätte auch ihn das Stück nicht kalt gelassen.

Es geht darin – sehr ernst und unmozartisch – um einen Vater, der in die tragische Lage geraten ist, seinen Sohn opfern zu sollen – und die grausamen Götter um Gnade bittet. Das ist ein Thema, das wahrlich auch Muslime angeht. Bei Mozart sind die Götter am Ende gnädig, unter der Bedingung, dass König Idomeneo auf die Macht verzichtet.
Manche Muslimvertreter scheint der Prozess, den Wolfgang Schäuble durch die Einberufung der Islam-Konferenz gestartet hat, einstweilen zu überfordern. Sie kommen noch nicht mit der neuen Situation klar, dass sie nun Partner sind und sich nicht mehr als mißverstandene Opfer sehen können.

Zentral- und Islamrat haben Probleme mit der Zusammensetzung der Islam-Konferenz. Es paßt ihnen nicht in den Kram, daß die Konferenz die ganze breite des muslimischen Lebens in Deutschland zu repräsentieren versucht – Konservative, Liberale, Säkulare und Islamkritikerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ates. Sie werden damit leben müssen.
Wolfgang Schäuble spielt einen hohen Einsatz, indem er die Islam-Konferenz zu seinem großen persönlichen Projekt gemacht hat.

Er hat die Teilnehmer nicht in die Oper eingeladen, um sie moralisch zu erpressen, sondern um zu beweisen, dass auch Muslime Rede- und Kunstfreiheit zu schätzen wissen – selbst da, wo es weh tut.

Dass der Kulturkampf bei einem gemeinsamen Opernbesuch beigelegt wird – bestrickt von Mozarts Musik, die die Verschonung eines Opfers durch gnädige Götter feiert – ist sicher eine sehr deutsche Idee. Doch der sympathische kulturprotestantische Idealismus des Innenministers ist diesmal aufgegangen.

p.s. Man kann das ja jetzt so sagen, da wir diesen Pseudo-Kulturkampf überstanden haben: Die Neuenfels’sche Schluss-Idee mit den abgeschlagenen Köpfen ist einfach nur Blödsinn: Die Versöhnung hat ja in der Oper schon stattgefunden. Idomeneo wird von der Blutttat verschont, wenn er die Macht aufgibt.

Die Götter wollen bei Mozart kein Blut sehen. Dass der König den Religionsstiftern dann trotzdem die Köpfe abschlägt, ist eine aufgesetzte Religionskritik für Dumme. Und im Falle von Jesus, wenn ich das so sagen darf, leuchtet es am allerwenigsten ein. Er hat sich schließlich schon kreuzigen lassen.

 

Kritisches zum Mufti Ceric

Dies hier schreibt eine Leserin aus Wien zu meinem Porträt des Grossmuftis Ceric, die sich „ein differenzierteres Porträt“ wünscht und auf Äusserungen hinweist, die nicht mit den von mir zitierten reformerischen Erklärungen des Muftis zusammenpassen:

Am 25.11.06 veröffentlichte der Islamwissenschaftler Prof. Rešid Hafizović in der Tageszeitung „Oslobodjenje“ einen offenen Brief, in dem er die Haltung des Großmuftis und seines „Riaset“, des vierzehnköpfigen Gelehrtenrats, dem er vorsitzt, anprangert. Es handelt sich um deren Verhalten gegenüber den fundamentalistischen Wahabiten und den Saudis, die diese Wahabiten in Bosnien eingeschleust haben und sie unterstützen…. Weiter„Kritisches zum Mufti Ceric“

 

„Erklärung der europäischen Muslime“

Hier – als Hintergrund zu meinem Porträt des Grossmufti Mustafa Ceric aus der aktuellen ZEIT – der Text seiner „Erklärung“. Eine arabische Version findet sich unter www.rijaset.ba, der Website der bosnischen Muslime:

DECLARATION OF EUROPEAN MUSLIMS

Expressing the sense of the European Muslims regarding the attack in New York in September 2001, the massacre in Madrid in March 2004, and the bomb explosion in London in July 2005.

Whereas on 11th September 2001 thousands of men and women who had worked at the World Trade Center in New York were killed by a terrorist attack, and on 11th March 2004 hundreds of people who had traveled by a train in Madrid were massacred, and on 7th July 2005 in London many innocent passengers were victims of bomb explosions in London, and whereas all these acts of violence against humanity have been ascribed to “Islamic terrorism”….

Weiter„„Erklärung der europäischen Muslime““