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Papaturka

Der Papst wird es wohl nicht mehr schaffen, sich bis zum Ende seines Aufenthalts in der Türkei eine Schnauzbart wachsen zu lassen.

Aber in der passenden Stimmung scheint er schon.

Erst das abgehängte Kruzifix bei der Ankunft (bayrische Klassenzimmer sind überall).

Dann die Sache mit den guten Wünschen für die Türkei auf dem Weg in die EU (während die letzten CSU-ler gerade noch mal auf Antitürkenkurs gehen wollten – schade!).

Dann der Respekt für Atatürk (war der nicht Laizist?).

Das geduldige Ertragen des Geschimpfes von Herrn Bardakoglu (der seinerzeit zugeben musste, die Regensburger Rede nicht gelesen zu haben, bevor er sich vor der Weltpresse über sie empörte).
Und schliesslich immer, immer wieder das Zitat seines Vorgängers, der „die Türken liebt“. (Und der Papst betonte auch noch geflissentlich, diesmal meine er das Zitat wirklich.)
Schließlich gestern der absolute Höhepunkt nach der Predigt in Ephesus beim Haus der Mutter Maria:

Der Papst hält eine riesengrosse türkische Fahne in der Hand.

Dieselben türkischen Zeitungen, die vor Tagen noch absurde Verschwörungstheorien über die Resurrektion Ostroms durch ein Gebet des Papstes in der Hagia Sophia verbreiteten, überschlagen sich jetzt vor Begeisterung. Was ja auch wieder etwas Sympathisches hat.
Nur die rechtsradikale Vakit steht am Rande und fantasiert sich hilflos Papstfeindliches zusammen: „Grausamkeiten“ und „Folterungen“ des türkischen Volkes durch Strassensperren (!) will man nun entdeckt haben.
Das konservative Boulevardblatt Star titelt in aller Schlichtheit ergriffen: Papaturka.

Die liberale Radikal schreibt: „Alle sind zufrieden.“

Hürriyet hingegen ärgert sich nun mit Erdogan, dass das Gespräch am Flughafen, in dem der Papst angeblich die Türken in der EU sehen wollte, „nicht live ausgestrahlt“ wurde.

Tja.

 

Papst nimmt Islamisten und Nationalisten in der Türkei den Wind aus den Segeln – er ist jetzt für den EU-Beitritt

Update 29.11.:

Nun ist die türkischen Öffentlichkeit perplex:

Der Papst ist für den EU-Beitritt!

Behauptet jedenfalls Erdogan nach seinem informellen Treffen auf dem Flughafen, das eigentlich eine Brüskierung darstellte.

Mehmet Yilmaz, Kolumnist der Hürriyet, spricht davon, dass Erdogan eine Chance für die Türkei verpasst habe. Man werde in der internationalen Berichterstattung trotz des Zusammentreffens weiterhin davon sprechen, dass Erdogan den Papst „gezwungenermaßen getroffen“ habe.

Der Kreuzzugspapst wünscht also den Türken alles Gute auf dem Weg in die EU! Wer hätte das gedacht.

Sehr peinlich für den lautstarken rechten Rand der türkischen Öffentlichkeit.

Der Papst hat sogar, wie die Zeitung Sabah vermerkt, auf das offene Tragen des Kreuzes verzichtet, als er in Ankara ankam.

Die islamische Zaman bescheinigt dem Papst nun eine „konstruktive Haltung“ und ferut sich über seine „warmen Worte“ über den Islam.

Millyet geht von der Hysterie vor dem Papst-Besuch gleich zum Selbstlob über:
Der bekannte Kolumnist Güneri Civaoglu fragt, welches andere muslimische Land der Papst derzeit besuchen könne, in welchem Land er vom Ministerpräsidenten einer muslimischen Partei empfangen werden könne. Und in welchem anderen muslimischen Land er sich mit den religiösen Würdenträgern zusammensetzen und auch Moscheen besuchen könne. Damit zeige die Türkei der westlichen Welt, welchen „enormen Unterschied“ das Land ausmache und wie es sich um einen „Ausgleich der Zivilisationen“ bemühe.

Da sollte man denn wohl auch den beitrag des Papstes erwähnen:

Er hat sich vor Atatürk verneigt (einem Säkularisten!), er hat den Islam eine „Religion des Friedens“ genannt, und er hat sich geduldig angehört, wie Ali Bardakoglu, der Chef des Dyanet (der türkischen Religionsbehörde), ihn noch einmal unverhohlen für die Regensburger Rede kritisierte.

Er hat seinen Willen zu einem „aufrichtigen Dialog“ bekundet und die Türkei für eine Religionsfreiheit gelobt, die es de facto in dem Land nur sehr eingeschränkt gibt. Sogra von einer „Liebe“ zur Türkei war die Rede.
Das sollte vielleicht vorerst reichen, um die „Kränkung der Muslime“ (Bardakoglu) auszubügeln.
Update vom 28.11.:

Heute versuchen alle massgeblichen türkischen Blätter, die Aufregung der letzten Tage wieder einzufangen (siehe unten). Nur die rechtsradikal-islamistische Vakit hetzt weiter. Und auch die Milli Gazete , die der Saadet Partei nahesteht, bläst weiter ins Horn. „Erzwungener Besuch“ titelt Vakit. „Wir wollen eine Entschudligung“, heisst es in der Milli Gazete.

Hürriyet, das grösste Massenblatt, geht hingegen bemerkenswert forsch auf Gegenkurs: Der Kolumnist Mehmet Yilmaz wundert sich über die neusten Verschwörungstheorien, die unterdessen im Umlauf sind: Der Papst werde während seines Besuchs der Blauen Moschee anfangen zu beten und damit die Moschee zu einer Kirche machen.

Dabei erinnert Yilmaz an den Besuch Papst Paul VI., der auch während seines Besuchs in der Moschee gebetet habe. Sehr bitter sei es zu sehen, was im Namen des Islam seit 1967 passiert sei, so dass den Menschen mit einem Gebet Angst gemacht werden könne.

Vor dem Hintergrund der „unsäglichen und fanatischen“ Demonstrationen freut sich Hürriyet-Chefredakteur Ertugrul Özkök in seiner Kolumne, dass Erdogan sich von solchen Leuten in den vergangenen Jahren losgesagt habe und sich sogar jetzt als einer der Vorreiter des Dialogs zwischen den Religionen profiliert.

Sabah macht heute mit einem freundlichen „Benvenuto“ auf und würdigt, dass der Papst die Blaue Moschee besuchen werde.

Allerdings meint der Chefredakteur der Zeitung, Fatih Altayli, dass Benedikt XVI. daran interessiert sei, dass es zu einer Frontstellung zwischen dem Islam und dem Christentum komme. Deshalb komme es dem Vatikan entgegen, dass es in der Türkei zu unschönen Demonstrationen gekommen sei. (So wird man dann schnell wieder zum Opfer!) Er sei „willkommen“, solle aber danach wieder gehen, so Altayli.

In der liberalen Zeitung Radikal wird immerhin vorgeschlagen, die Hagia Sophia für Gottesdienste sowohl von Christen als auch Muslimen zu öffnen.

In Türkiye wird der Justiminister Cicek zitiert, der den Papst-Besuch als Chance beschreibt und betont, dass es auch auf die Botschaften und Erklärungen ankommt, die „von hier abgegeben werden“.

Die regierungsnahe YENI SAFAK weiß zu berichten, dass Ali Bardakoglu, Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten, dem Papst bei ihrem Zusammentreffen erläutern werde, dass der Islam eine „Religion des Friedens“ sei.
Die Proteste gegen den Papst-Besuch in Istanbul haben vor allem dies erreicht: Sie haben das Maulheldentum der türkischen religiösen Rechten mal wieder entlarvt.

Eine Million Demonstranten hatte die Saadet Partei (SP) angekündigt. Am Ende kamen nur etwa 15.000.

Die Zeitung Hürriyet, das größte Massenblatt der Türkei, machte sich denn auch gestern über den mickrigen Auflauf lustig.

Trotzdem bleibt die Erregbarkeit dieses Teils der türkischen Öffentlichkeit besorgniserregend: Viele der Parolen, unter denen die Demonstranten sich sehen liessen, waren unwürdig. Schon das Motto setzte den Ton: „Der Papst ist nicht willkommen!“

Der Ministerpräsident Erdogan scheint den Ernst der Lage – wenn auch spät – verstanden zu haben. Er kann den lautstarken Ultras im islamisch-nationalistischen Lager nicht überlassen, den Ton während des Papst-Besuchs zu bestimmen.

Und so entschloss er sich, Benedikt doch nicht die kalte Schulter zu zeigen (er hatte eigentlich seine Anwesenheit beim NATO-Gipfel in Riga vorgeschützt, um den Papst nicht empfangen zu müssen). Erdogan heisst den Papst heute am Flughafen willkommen.
Recai Kutan, Vorsitzender der Glückseligkeitspartei (SP) bezeichnete bei seiner Ansprache den Papst als „Vertreter des Imperialismus, der den Propheten Mohammed als Terroristen beschimpft“.

Daran ist aber auch gar nichts richtig. Wird einer der sonst so regen türkischen Staatsanwälte – jedenfalls wenn es um die „Beleidigung des Türkentums“ geht – Anklage wegen Volksverhetzung erheben?
Der frühere islamistische Ministerpräsident Erbakan behauptete, der Papst „missachte das türkische Volk“ und wolle mit seinem Besuch in der Hagia Sofia die „Eroberung Istanbuls leugnen“.

Wie bitte? Der Papst wird sich mit einem Besuch der benachbarten Blauen Moschee vor dem Islam Istanbuls verneigen.

Und natürlich durfte das Lieblingsmotto der Christenhasser-Propaganda nicht fehlen: Der Papst führe „die Allianz der Kreuzfahrer“ an.

Auf Plakaten war Benedikt in Ritterrüstung zu sehen – was ziemlich albern wirkt bei diesem typisch deutschen Professor, dessen einzige Lanzen und Pfeile historische Zitate und spitze Fussnoten sind.

Es ist in der Türkei offenbar vergessen, dass der Vorgänger dieses Papstes von der Hand eines Türken – Mehmet Ali Agca – beinahe ermordet worden wäre. Und dass Johannes Paul II. die fast übermenschliche Grösse hatte, seinem Attentäter bei einem persönlichen Gespräch zu vergeben.

Wenn nun der Nachfolger dieses Papstes zu einem Pastoralbesuch kommt, um die bedrängte orthodoxe Minderheit zu würdigen, sollte eigentlich statt hysterischer natiolnal-islamistischer Propaganda eine gewisse Demut zu erwarten sein – Regensburg hin oder her.

Stattdessen schreiben sich die Kommentatoren in Rage. Sie fühlen sich wohl, wenn sie Türken und Muslime als verfolgt, missverstanden und bedrängt hinstellen können.

So meint der Kolumnist der Zeitung SABAH, Erdal Safak, dass „wir es mit einem kriegerischen Papst zu tun haben“. Seit der Eroberung Konstantinopels durch Fatih Sultan Mehmet habe es keine derart wichtige Begegnung gegeben, wobei der Papst in seinen Vorurteilen dem Islam gegenüber den Kreuzzüglern nicht nachstehe.

Auch der ehemalige Ministerpräsident Demirel, der in der Kolumne Yavuz Donats in der SABAH zitiert wird, bemüht den historischen Vergleich. So habe Fatih bei der Eroberung Konstantinopels nur sechs von 26 Kirchen zu Moscheen umfunktioniert, „die anderen hat er nicht angerührt. Das ist Toleranz!“

Und wie sieht es heute aus: In Istanbul stehen zwei zum Christentum Konvertierte vor Gericht, weil sie durch Ihren Akt die „Würde des Türkentums“ beleidigt haben sollen.

Auch wenn die Demonstranten nur wenige waren: Die immer engere Verbindung von Nationalismus und Islamismus in der derzeitigen Aufgeregtheit der türkischen Debatte ist Anlass zur Sorge.

Das nationalistische Boulevardblatt AKSAM zitiert Ali Bardakoglu, Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten, der den Besuch des Papstes als „wichtig“ empfindet, aber nicht dran glaubt, dass dadurch die „Kränkung der islamischen Welt“ aufhören wird.

Ach ja, die Kränkung der Muslime! Man kann es einfach nicht mehr hören! Wie kann man nur einerseits immer auf Stolz, Ehre und Würde setzen – und andererseits immer wieder den Gekränkten und Beleidigten geben – eine reichlich unwürdige Haltung?

Übrigens ist dieser Herr Bardakoglu, der da mit der „Kränkung der islamischen Welt“ herumzündelt, als türkischer Religionsminister – vermittelt durch die Ditib – auch für die Mehrzahl der Moscheen in Deutschland zuständig.


 

Kairo: Islamische Gelehrte verdammen weibliche Genitalverstümmelung

Durchbruch für Frauenrechte im Islam – oder doch nicht?
Hoch angesehene muslimische Theologen aus dreizehn Ländern haben in Kairo die weibliche Genitalverstümmelung – oft als „Beschneidung“ verharmlost – als einen unislamischen Brauch verurteilt.

Das Treffen fand an der Al-Azhar Universität statt, der höchsten sunnitischen Autorität in Glaubensfragen. Der Scheich der Azhar, Mohammed Sayed Tantawi, war anwesend, ebenso der bekannte Prediger Jussuf Al-Karadawi und der ägyptische Grossmufti Ali Gomaa.

Die Initiative zu dem Treffen ging von dem deutschen Abenteurer und Menschenrechtler Rüdiger Nehberg aus.

Die Genitalverstümmelung verursacht grosses köperliches und seelisches Leid bei den betroffenen Frauen, stellen die Theologen fest – „und muss deshalb gestoppt werden, denn der Islam ist ganz und gar gegen die Verletzung unschuldiger Menschen.“

Eltern begründeten ihre Befürwortung der Klitoralektomie oft damit, heisst es im Pressekommuniqué, „dass damit promiskuitivem Verhalten ihrer Töchter vorgebeugt werden könne“.

Es gebe keinen Beleg für diese Praxis im Koran und in den Hadithen. Der Prophet habe seine vier Töchter nicht beschneiden lassen.

Ägyptische Frauenrechtsorganisationen feierten die Aussagen der Gelehrten als grossen Schritt für die Menschenrechte und verlangten eine Kriminalisierung der Genitalverstümmelung.
An der männlichen Beschneidung als religiöser Pflicht wird weiter festgehalten.

p.s. Merkwürdiger Weise hat Jussuf Al-Karadawi, der auch in Europa einflussreiche Prediger, am 23. November, also während des Kairoer Treffens, eine Fatwa veröffentlichen lassen, in der er wieder ein paar Schritte rückwärts macht.

Da heisst es, „die gemäßigte und wahrscheinlich korrekte Meinung spricht für den gemässigten islamischen Weg bei der Beschneidung, wie er in manchen Hadithen des Propheten angedeutet ist – obwohl diese Hadithe nicht als authentisch bestätigt sind: ‚Reduziere die Grösse der Klitoris, aber überschreite nicht die Grenze, denn das ist besser für ihre Gesundheit und wird von Ehemännern bevorzugt.‘ Der Hadith bedeutet, dass Beschneidung besser für die Gesundheit der Frau ist und ihre ehelichen Beziehungen mit ihren Mann verbessert… Wie auch immer, es ist keine Pflicht, doch wer auch immer glaubt, es diene den Interessen seiner Töchter, soll es tun, und ich persönlich unterstütze dies unter den gegenwärtigen Umständen in der modernen Welt. Wer sich entscheidet es nicht zu tun, hat keine Sünde getan, denn es dient hauptsächlich dem Zweck, die Würde der Frauen zu fördern, wie die Gelehrten sagen.“

Die Würde und Gesundheit der Frauen, die Interessen der Töchter? Weiss der Mann noch, wovon er redet?

 

Der Niedergang der arabischen Liberalen

Während die westliche Öffentlichkeit die Abstrafung Bushs und das Ende der Neocons feiert, breiten sich finstere Gefühle unter den Liberalen des Nahen Ostens aus.

Denn Demokratisierung heisst offenbar auf absehbare Zeit Islamisierung.

Und während wir uns nun im Lichte der irakischen Selbstmordattentate, des Hamas-Wahlerfolgs, der iranischen und ägyptischen Islamisierung auf einen aussenpolitischen Neorealismus einstellen, sollten wir diejenigen nicht vergessen, die in der Region (und im Exil) trotz alledem an einen freiheitlichen und demokratischen Nahen Osten glauben – und oft genug mit Leib und Leben dafür kämpfen.

Zwei Erinnerungen: Ein hervorragender Aufsatz in Opendemocracy über den grossen Autor Nagib Machfus als Verkörperung des arabischen Liberalen. Und einen traurigen Zwischenruf von Michael Young im immer lesenswerten Forum Middle East Transparent über das Ende der Hoffnungen auf einen „liberalen Nahen Osten“.

 

Kopftuchstreit in Ägypten: Kulturminister soll gehen

International verschäft sich zusehends die Kopftuchdebatte:

In Ägypten haben 130 Parlamentarier den Rücktritt des Kulturministers gefordert, weil dieser das islamische Kopftuch als Symbol für die Rückschrittlichkeit des Landes bezeichnet hatte, berichtet dpa. Die Zeitung »Al-Masry Al-Yom« berichtete am Dienstag, bei der Kampagne gegen Faruk Husni arbeiteten die Abgeordneten der Muslimbrüder und der Nationaldemokratischen Partei (NDP) erstmals zusammen. Auch 50 NDP-Abgeordnete hätten die Rücktrittsforderung unterzeichnet. Die NDP von Präsident Husni Mubarak hat die absolute Mehrheit im Parlament.

Der Minister hatte vergangene Woche in einem Interview darüber geklagt, dass immer mehr Ägypterinnen das Kopftuch anlegen. Islamische Religionsgelehrte und die Muslimbruderschaft erklärten daraufhin, als Kulturminister habe er kein Recht, öffentlich seine persönliche Meinung zu religiösen Fragen zu äußern.

Die Nationalisten und die Islamisten ziehen immer häufiger an einem Strang, ganz wie auch in der Türkei. Rückzugsbastionen wider die schleichende Islamisierung werden geschliffen.

 

Britischer Muslimführer unterstützt Holocaustleugner David Irving

Nach einem Bericht des Observer vom Wochenende hat einer der Vorsitzenden der einflussreichen britischen Moslemorganisation MPAC (Muslim Public Affairs Committee), Asghar Bukhari, dem in Österreich wegen Holocaustleugnung zu einer Gefängnisstrafe verurteilten britischen Historiker David Irving einen Scheck geschickt und ihn seiner Solidarität versichert.

„Sie mögen glauben, Sie seien allein, doch seien Sie versichert, dass viele Menschen zu Ihnen stehen auf Ihrer Suche nach der Wahrheit“, zitiert der Observer Asghar Bukharis Email an Irving. Bukhari versichert Irving in einem Brief, er habe „viele islamische Websites aufgefordert, Links zu Ihrer eigenen (i.e. Irvings Website) zu setzen und zu Spenden aufzurufen.“

Gegenüber der Zeitung verteidigt sich Asghari damit, er habe Irving für einen „Anti-Zionisten“ gehalten, der von der „Israel-Lobby nur für seinen Anti-Zionismus bekämpft wurde“.

Da kann man sehen, was sich unter dem scheinbar politisch korrekten Label des Anti-Zionismus zusammenbraut. Es ist meist eben doch nur ein Deckbegriff für ganz normalen Antisemitismus. Asghari ist einer derjenigen, die immer wieder argumentieren, sie verurteilten Antisemitismus, aber auch den Zionismus, der eine ebenso rassistische Ideologie darstelle.

Nun sieht man: Ein Leugner der Gaskammern wie Irving wird für diese Leute zum Helden, der mannhaft und auf einsamem Posten der „Israel-Lobby“ widersteht. Nach Aussen tut man ganz p.c. und verurteilt den Antisemitismus. Hintenrum werden Kampagnen für Holocaustleugner organisiert. Und dabei ist es bei lauter Ressentiment gegen Juden und Israel wohl auch egal, dass der Unterstützte ein bekannter Rassist ist, der für dunkelhäutige Muslime eigentlich nicht viel übrig hat.

Asghar Bukhari ist keine unwichtige Figur. Er gilt als junger Moderater unter den politisch aktiven Muslimen Grossbritanniens. Seine Organisation MPAC hat unter jungen Muslimen immer mehr Einfluss. Bei der letzten Wahl veröffentlichte MPAC eine Liste von Labour-Abgeordneten, die „Verbindungen nach Israel“ unterhalten und forderte Muslime auf, nicht für sie zu stimmen.
Man fragt sich: Wenn so die Moderaten agieren, was mag dann wohl noch von den Radikalen zu erwarten sein?

 

Muslimische Selbstkritik: Wir hätten Zwangsheiraten längst schon selber anprangern müssen

Zaghaft, vorsichtig, aber immerhin beginnt eine Debatte unter deutschen Muslimen über die Mißstände, die ihnen seit langem von aussen vorgehalten werden.

Einen mutigen Ansatz zur Selbstkritik und zur Öffnung der innerislamischen Streitkultur macht Mohamed Laabdalloui, der Redakteur des Internet-Auftritts des Zentralrats der Muslime, www.islam.de. „Wovor fürchten wir uns?“ fragt er, „um das Kopftuch geht es längst nicht mehr“:

„Wir müssen einräumen, dass es Zwangsverheiratung, Entmündigung, Benachteiligung gibt. Auch wir beobachten die Frauen, die im Abstand von fünf Metern ihren Männern folgen, manchmal dabei auch noch die schwere Einkaufstüte tragend, während der Mann außer einem Rosenkranz oder einer Zigarette nichts trägt. Auch wir müssen zugeben, dass die Zustände im Afghanistan der Taliban voller Entwürdigung und Demütigung der Frauen war. Es stimmt, dass wir sagen, dass diese Verhältnisse uns Muslime zutiefst schmerzen, dass wir sie ablehnen, gerade weil wir Muslime sind. Und es stimmt, dass wir uns in einem ungleichen Kampf gegen die Macht der Medien und Vorurteile dagegen wehren, dass der Islam, den wir so lieben und verehren, oft gegen besseres Wissen mit diesen Zuständen gleichgesetzt wird. Es stimmt, dass die Berichterstattung oft sensationsfixiert übertreibt, aus Einzelfällen algemeingültige Bilder produziert, die Dinge einseitig darstellt und verzerrt. Aber der Islam ist zu anspruchsvoll, als dass wir alles damit abtun könnten. Wir machen es uns zu einfach, viel zu einfach, wenn wir behaupten, das eigentliche Problem bestehe in den Medien, nicht in unserer Wirklichkeit.“

Und weiter:

„Zum Beispiel die unselige Zeit der Taliban in Afghanistan: Wir Muslime waren nicht diejenigen, die sich die Widerherstellung der Menschenwürde der Frau – und auch des Mannes – auf die Fahnen geschrieben hätten. Hatten wir Angst, unseren Brüdern am Hindukusch in den Rücken zu fallen, wo sie sich noch wenige Jahre zuvor so vorbildlich gegen den russischen Imperialismus gestellt hatten? Oder hatten wir gar Angst, uns und der Welt einzugestehen, dass ein Volk, dass sich für den Islam entschieden hat, nicht gleich auch eine ‚beste Umma‘ ist?

Zum Beispiel die Zwangsverheiratung türkischer Mädchen mit Männern, die sie nicht kennen und nicht wollen. Wir, ich meine damit die praktizierenden Muslime und seine Apologeten, die Moscheen, Prediger und islamischen Organisationen, wir waren es nicht, die das Problem aufgegriffen hätten, zum Beispiel in Freitagspredigten, wo wir es wahrscheinlich effektiver als Andere hätten bekämpfen können. Wir haben darauf gewartet, dass darüber von anderen Romane und Studien verfasst und Reportagen ausgestrahlt wurden. Erst dann riefen wir, der Islam kenne die Zwangsheirat nicht. Zu spät. Pfiffigere Leute waren da längst sogar mit erlogenen Autobiografien zu Helden im Kampf gegen den ‚archaischen Islam‘ geworden.

Schließlich noch das Beispiel des Siebenmeterabstands: Wir haben zu diesem Thema keine Satiren verfasst, keine Theatersketche aufgeführt und keine statistischen Erhebungen gemacht. Wir warten darauf, dass das Thema im Kabarett des deutschen Fernsehens aufgegriffen wird, vielleicht so unsensibel, dass es uns verletzt und wir auch dazu aufgeregt Stellung beziehen und sogar demonstrieren. Diese Beispiele haben zwar nicht alle etwas mit dem Kopftuch zu tun, sind aber das, was andere in die Welt des Kopftuchs projizieren und was wir uns anrechnen lassen müssen, weil wir es so gern verdrängen.“

Ich finde zwar, man hätte den kleinen Tritt gegen die „pfiffigen Leute“ lassen sollen, die mit ihren Zwangsverheiratungsbüchern Geld verdienen, aber davon abgesehen sind das bemerkenswerte neue Töne. Vor allem lässt die Tatsache hoffen, dass Satire hier ausdrücklich erwünscht wird.

 

Islamgelehrte: Selbstmordanschläge im Irak sind Sünde

Noch eine innerislamische Debatte, auf die wir lange gewartet haben:

In der saudiarabischen Pilgerstadt Mekka haben sunnitische und schiitische Religionsgelehrte aus dem Irak in der Nacht zum Freitag über eine Erklärung diskutiert, in der Selbstmordattentate und Anschläge auf Muslime im Irak zur Sünde erklärt werden.

Er gehe davon aus, dass die Religionsführer den vorbereiteten Text akzeptieren und heute verabschieden würden, sagte der Generalsekretär der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), Ekmeleddin Ihsanoglu, dem Fernsehsender Al-Arabija.

Die Erklärung war von der OIC vorbereitet worden, die das Treffen der Religionsführer auch organisiert hatte. «Die Botschaft der Erklärung von Mekka soll auch von den Predigern im Irak weitergetragen werden», fügte der Generalsekretär hinzu. In der Erklärung heißt es auch, die Iraker sollten daran arbeiten, ihr Land politisch, militärisch und wirtschaftlich selbst zu kontrollieren «und somit die Besatzung beenden».

 

Muslimische Gelehrte antworten dem Papst – und verurteilen gewaltsame Reaktionen auf seine Regensburger Rede

Der Fortschritt nährt sich manchmal auch von Missverständnissen. In einem Offenen Brief setzen sich 38 theologische Kapazitäten aus der gesamten islamischen Welt intensiv mit der Regensburger Vorlesung des Papstes und deren politischen Folgen auseinander.
Sie verurteilen den Mord an der katholischen Nonne in Somalia „und alle anderen gewaltsamen Akte, die ‚in Reaktion‘ auf Ihre Rede an der Regensburger Universität geschehen sind, als vollständig un-islamisch“.

Bemerkenswert: Der Ton der Beleidigtheit und des willentlichen Mißverstehens, der die Reaktionen der ersten Tage kennzeichnete, ist wie weggeblasen. In einem ruhigen, verbindlichen Ton antworten die Gelehrten Punkt für Punkt auf die pästlichen Einlassungen.

Sie gehen auf die Frage der Gewalt ein, auf die Frage der „absoluten Transzendenz“ Gottes, auf die Rolle der Vernunft in der Religion. Sie definieren „Dschihad“ im Rahmen einer islamischen Theorie des Gerechten Kriegs, und sie nehmen Stellung zu der Frage, was (und ob) der Islam Neues gebracht habe im Vergleich zum Judentum und Christentum.

Der Papst sei das „Oberhaupt für mehr als eine Milliarde Katholiken und ein moralisches Beispiel für viele andere weltweit“: „Wir teilen Eure Sehnsucht nach einem offenen und ehrlichen Dialog, und anerkennen seine Bedeutung in einer zunehmend vernetzten Welt.“

Zu den Unterzeichnern gehören Scheich bin Bayyah aus Saudi-Arabien und der Grossmufti von Bosnien-Herzegowina, Mustafa Ceric (eine der höchsten theologischen Autoritäten des Islams in Europa). Weiter vertreten sind der Grossmufti von Ägypten, Scheich Ali Gumah, sowie Scheich Hamza Yusuf Hanson aus Kalifornien – dessen Handschrift die Erklärung trägt. Die arabische Welt ist sehr breit repräsentiert, vom Maghreb bis in den Irak. Und auch ein iranischer Ayatollah ist dabei, Mohammed Ali Taschkiri, ein enger Berater des Revolutionsführers Chamenei.

Im einzelnen geht der Brief auf folgende Punkte ein:

  • Die Gelehrten bestreiten die Auffassung des Papstes, der Koranvers darüber, dass „kein Zwang in der Religion“ sei, stamme aus der Zeit, als der Prophet noch machtlos und unter Druck gewesen sei. Sie deuten den Vers vielmehr als eine Aufforderung an den aufstrebenden Islam, auch aus einer Position der Stärke nicht zum Mittel der Gewalt zu greifen, um den Glauben durchzusetzen – nicht einmal gegenüber den eigenen Kindern
  • Sie treten dem Argument des Papstes entgegen, der Gott der Muslime sei „asbolut transzendent“ und daher ohne Beziehung zu den menschlichen Kategorien der Vernunft, des Guten und Wahren. Wer den Gott der Muslime als kapriziösen Willkür-Gott darstelle, vergesse, dass Gerechtigkeit, Güte und Milde seine wichtigsten Attribute im Koran seien
  • Die intellektuelle Tradition des Islam sei stets zwei Extrempositionen entgegentreten: „Die eine macht den analytischen Geist zum letzten Schiedsrichter in Wahrheitsfragen, und die andere besteht darin, die Kraft des menschlichen Geistes zu verleugnen, die letzten Fragen zu stellen.“ Der Hauptstrom des islamischen Denkens habe vielmehr darauf bestanden, dass es einen Einklang zwischen den Wahrheiten der koranischen Offenbarung und den Ansprüchen der menschlichen Vernunft gebe: „Die Vernunft selbst ist eines der vielen göttlichen Zeichen in uns, die Gott uns einlädt zu betrachten – wie er uns einlädt, mit ihrer (der Vernunft) Hilfe die Wahrheit zu bedenken.“
  • Der Begriff „Heiliger Krieg“ existiere im Islam nicht. Dschihad bedeute „Bemühung, Anstrengung“, im besonderen auf dem Wege Gottes. Diese Anstrengung könne viele Formen annehmen, auch des gewaltsamen Kampfes. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Islamische Kriegsregeln lassen sich so zusammenfassen: Zivilisten sind keine legitimen Ziele. Religiöse Gründe allein rechtfertigen keinen Angriff. Muslime können und sollen in Frieden mit ihren Nachbarn leben. Ausnahmen sind nur als Selbstverteidigung und zur Erhaltung der Souveränität erlaubt
  • Der Islam habe sich zwar als politische Einheit „teilweise durch Eroberungen“ ausgebreitet, doch der größere Teil seiner Verbreitung gehe auf Predigt und Missionstätigkeit zurück. Der Islam kenne nicht das Gebot, die eroberten Völker in die Konversion zu zwingen. Jahrhundertelang hätten eroberte Völker als nicht-Muslime unter muslimischer Herrschaft gelebt. Allerdings hätten „einige Muslime“ in der Geschichte die islamischen Vorschriften gegen erzwungene Konversion verletzt. Diese Ausnahmen bestätigten aber die Gültigkeit der Vorschriften
  • Der Prophet habe niemals den Anspruch gehabt, „etwas Neues“ zu bringen, was der vom Papst zitierte Kaiser ihm bekanntlich als Indiz der Minderwertigkeit seiner Religion auslegt. Nach islamischem Glauben lehrten vielmehr alle wahren Propheten zu ihrer Zeit die gleiche Wahrheit des Glauben an den einen Gott

Abschließend zitieren die Scheichs und Muftis das Zweite Vatikanische Konzil, das erstmals die hohe Wertschätzung der Kirche für die Muslime ausdrückte und die Gemeinsamkeiten zwischen den abrahamitischen Religionen herausstellte (während Papst Benedikt heute mehr die Unterschiede betont). Sie zitieren auch Papst Johannes Paul II., der vor zwanzig Jahren in einer Generalaudienz betonte, „wir glauben an den gleichen Gott“.

Die Evidenz dieses Satzes ist in den letzten Jahren in die Luft gesprengt worden. Die muslimischen Gelehrten fürchten sich zu Recht vor einer Welt, in der er niemandem mehr einleuchtet. Ihre Antwort auf den Papst läßt hoffen, dass ein echter Dialog beginnen kann, nachdem der unaufrichtige Scheindialog ans Ende gekommen ist.

 

Der Papst erklärt sich

Auf der Website des Vatikan ist jetzt die neue, kommentierte Version der Regensburger Vorlesung zu finden, die im September so heftige Reaktionen in der muslimischen Welt ausgelöst hatte.

Benedikt XVI. erläutert in den Fussnoten noch einmal die Absicht seines Zitats:

Dieses Zitat ist in der muslimischen Welt leider als Ausdruck meiner eigenen Position aufgefaßt worden und hat so begreiflicherweise Empörung hervorgerufen. Ich hoffe, daß der Leser meines Textes sofort erkennen kann, daß dieser Satz nicht meine eigene Haltung dem Koran gegenüber ausdrückt, dem gegenüber ich die Ehrfurcht empfinde, die dem heiligen Buch einer großen Religion gebührt. Bei der Zitation des Texts von Kaiser Manuel II. ging es mir einzig darum, auf den wesentlichen Zusammenhang zwischen Glaube und Vernunft hinzuführen. In diesem Punkt stimme ich Manuel zu, ohne mir deshalb seine Polemik zuzueignen.

Wird es zur Kenntnis genommen werden? Dieser Papst ist unverkennbar deutscher Professor: Kritik wird in Form eines Zitats gekleidet, Rechtfertigung erfolgt als Fussnote.