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Auf dem Weg zur zweiten deutschen Einheit – die dritte Deutsche Islam Konferenz

Der Innenminister sagte gleich im ersten Satz der Pressekonferenz, es sei „streckenweise sehr strittig“ zugegangen. Aber daß man sich mittlerweile so unbefangen und offen die Meiunung sagen könne, sei eben auch ein bedeutender Fortschritt, so Schäuble. Recht hat er.

Die Deutsche Islam Konferenz hat sich heute zum dritten Mal im Plenum getroffen. Bei der anschließenden Pressebegegnung im Berliner Logenhaus zeigten sich alle Beteiligten bemüht, die Tatsache, daß es in manchen Fragen noch zu keiner Einigung gekommen sei, nur ja nicht als Mißerfolg darzustellen.

Was ist beschlossen worden? Erstens ist jetzt klar, daß islamischer Religionsunterricht überall eingeführt werden soll, wo Bedarf besteht. Die Länder werden – wegen ihrer Kulturhoheit – diesen Ball weiterspielen.

In Deutschland wird bekenntnisorientierter Religionsunterricht aber bekanntlich nicht vom Staat in Alleinregie organisiert, sondern in Verantwortung der Religionsgemeinschaften und unter Aufsicht des Staates. Dies erfordert, dass die islamischen Organisationen sich den Status von Religionsgemeinschaften erarbeiten.

Sie müssen sich jetzt auf der Ebene der Länder als verläßliche Partner des Staates organisieren. Ein Dachverband wie der Koordinierungsrat der Muslime kann nicht als Religionsgemeinschaft gelten, darüber herrsche Konsens, sagte der Minister. Und Bekir Alboga, der derzeitige Sprecher, nickte einvernehmlich dazu. Die Verbände müssen sich also in den Ländern von unten her neu aufbauen, und dabei auch Transparenz über ihre wahre Mitgliederzahl schaffen. Dann wird man auch endlich sehen, für wieviele Muslime sie wirklich stehen. Nach manchen Schätzungen sind bloß 10-20 Prozent in den Organisationen vertreten.
Das ist der richtige Weg: Die Muslime sind bescheiden geworden, sie wollen jetzt nicht mehr sofort den gleichen rechtlichen Status wie die Kirchen und die jüdischen Religionsgemeinschaften (Körperschaft öffentlichen Rechts). Sie wissen, dass sie dies überfordern würde. Die Bildung regionaler Zusammenschlüsse ist besser, weil transparenter und näher an den jeweiligen Bedürfnissen der Gläubigen vor Ort.

Des weiteren wird ab sofort eine „Clearingstelle“ beim BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) geschaffen, die die Zusammenarbeit der Muslime mit den Sicherheitsbehörden organisiert. Offenbar ist man sich über den militanten Islamismus als gemeinsamen Feind also einig geworden. Auch das ist sehr gut. Man denke bloss zum Vergleich an England, wo tiefes Mißtrauen die Kooperation zwischen Moscheen und Polizei verhindert.

Die Vereinbarung, mit der die Deutsche Islam Konferenz Zwischenbilanz zieht, erwähnt außerdem den Moscheebau als „wichtigen Schritt zu Integration des Islam in Deutschland“. Das ist sehr weitgehend, wenn man an die vielen lokalen Konflikte denkt. Ich finde es richtig und mutig. Auch islamische Bestattungen sollen erleichtert werden. Auch dies ist wichtig: Wenn Muslime ihre Toten in deutschem Boden begraben, ist das ein Riesenschritt dazu, dieses Land als ihres anzunehmen und sich ihm verbunden zu fühlen.

Im Gegenzug enthält das Bulletin ein Bekenntnis der Muslime zur „vollständigen Beachtung der deutschen Rechtsordnung und der Werteordnung des Grundgesetzes“. An die Mehrheitsgesellschaft ergeht die Forderung, „in Deutschland lebende Muslime als gleichberechtigten Teil der deutschen Gesellschaft anzuerkennen und zu respektieren“.

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Die Islamkonferenz tagt. Foto: BMI/photothek

Es wurde allerdings schnell deutlich, dass trotz der gefundenen Kompromissformeln noch eine Menge zu tun bleibt: Bekir Alboga betonte, man habe sich gerne noch einmal zum Grundgesetz und seinen Werten bekannt, und dies sei keine leere Fomel: „Für uns sind Mann und Frau nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch vor Gott gleich, der sie beide erschaffen hat.“

Man konnte sehen, wie Necla Kelek litt, als Alboga dieses Bekenntnis ablegte. Sie meldete sich denn auch und stellte heraus, es habe eben keinen Konsens in der Wertefrage gegeben, und was Herr Alboga eben gesagt habe, sei ein blosses Lippenbekenntnis. In den Gemeinden und den Familien sehe es bekanntlich anders aus, da könne von der Gleichheit von Mann und Frau keine Rede sein. Womit sie allerdings auch Recht hat.

In diesem Moment hatte ich wieder das Gefühl, die DIK sei eine sehr gute Sache, weil sie diese unterschiedlichen Kräfte an einen Tisch zwingt, die das muslimische Leben in Deutschland ausmachen. Nirgendwo sonst in Europa (in der Welt?) gibt es ein solches gewagtes, aber nötiges Experiment.

Kelek sagte, es seien Forderungen gestellt worden nach Kopftüchern im Kindergarten und nach Schariagerichten. Alboga sagte, dies seien keineswegs die Forderungen der Muslime im KRM: „Ja, es gibt Buchstabengläubige. Aber wir wollen so etwas nicht. Wir sind zufrieden mit den deutschen Gerichten.“

Als freier Kopf zeigte sich wieder einmal der Sprecher der Aleviten, Ali Ertan Toprak. Er sagte, dies ist unser Land, kein fremder Boden, kein Feindesland, und wir sind stolz, endlich auf Augenhöhe mit unserem Staat zu sprechen. Schäuble sei als der Architekt der deutschen Einheit bekannt. Wir wünschen uns eine zweite deutsche Vereinigung als Ergebnis dieser Konferenz.

Eine Sache aber hat mich ziemlich aufgeregt: Die allgemeine Medienschelte, besonders auf die deutschen Medien bezogen. Wir sollen nicht so viel von der Gewalt sprechen. Wir sollen „alltagsnahe Themen“ suchen. Wir sollen „die kulturelle Vielfalt muslimischer Mitbürger … in dem Sinne darstellen, dass sie zu unserer Kultur in Deutschland als Ganzes beiträgt“.( An die türkischen Medien mit ihrer derzeit unfasslich tendenziösen Meinungsmache hat niemand appelliert!)

Ich bin bekanntlich nicht der Meinung, dass es den „bereichernden“ Beitrag der Muslime nicht gibt. Und es gibt auch manchmal überzogene Dramatisierung in der Berichterstattung über Integration und Islam.
Aber wenn die Politik anfängt, von uns das Positive zu fordern, werde ich hellhörig. Wir sind für die Kritik und nicht fürs Predigen und Gesundbeten zuständig – im nie erreichten Idelafall für die Dinge, so wie sie halt sind.

Positive Diskriminierung in der Berichterstattung ist das letzte, was eine Gruppe brauchen kann, die sich mal zu Recht, aber oft auch zu Unrecht, diskriminiert fühlt. Wir müssen heraus aus dieser paternalistischen Behandlung. Wir müssen die Debatte als (angst)freies Gespräch unter Erwachsenen führen, die sich die Meinung sagen und auch einmal eine Polemik der anderen Seite aushalten. Die Deutsche Islam Konferenz bringt uns dabei voran, Schritt um Schritt.

 

Der deutsche Staat betreibt Faschismus…

… gegenüber den Türken hierzulande, ist Hürriyet-Kommentator Yigit Bulut überzeugt:

„Entweder Assimilation oder Streichholz“ ist die heutige Kolumne  Buluts in der HÜRRIYET überschrieben: „Die Deutschen assimilieren die Türken, und wo sie es nicht können, verbrennen sie sie“, schreibt Bulut. Europas Politiker, „die bei jeder Gelegenheit auf das Demokratiedefizit in der Türkei aufmerksam machen, sind bei Deutschland, das sich auf die Losung eingeschworen hat: ‚Die beste Integration ist Assimilation’ sprachlos.“ Hinter den Vorkommnissen der letzten Zeit – Bulut meint die Brände in von Türken bewohnten Häusern – stecke „eine bewusste Politik“, so Bulut weiter, die sich nicht zuletzt an Sprachverboten in Schulen und dem reformierten Zuwanderungsrecht deutlich mache. „Der Deutsche Staat betreibt Türken gegenüber einen bewussten ‚Faschismus’ und der türkische Staat zeigt keinen Widerstand, oder ist sich der Sache gar nicht erst bewusst.“

Solche Polemik ist in meinen Augen eine Form der Volksverhetzung, und dies sollte endlich den Presserat und die Gerichte beschäftigen.

 

Gericht: Berliner Schulen müssen Gebetsräume für Muslime einrichten

Ein Schüler des Diesterweg-Gymnasiums in Berlin-Wedding hat vor dem Verwaltungsgericht Berlin erwirkt, daß ihm ein Gebetsraum bereitsgestellt werden muss, weil er seiner Pflicht zum fünfmaligen Gebet nachkommen müsse.
Das Verwaltungsgericht entschied gestern zugunsten des Schülers. Die Begründung findet sich hier. Ich finde das stark, besonders angesichts der Politik des Berliner Senates, den Religionsunterricht aus den Berliner Schulen zu verdrängen und durch „Ethik“ zu ersetzen. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung von Ethikunterricht an Stelle des Religionsunterricht wurde abgewiesen. Während es also von höchsten Gerichten unterstützt wird, den christlichen Religionsunterricht aus den Berliner Schulen zu verdrängen, wird eine Schule im Wedding gegen den erklärten Willen der Leitung verpflichtet, einen islamischen Betraum einzurichten.
Spinne ich, oder gibt es da eine gewisse Asymmetrie?
Besonders (irr)witzig finde ich, daß das Berliner Gericht in seiner Begründung (S.3), warum das 5malige tägliche Beten für den jungen Mann unabdingbar sei, sich auf die Schrift von Christine Schirrmacher beruft – einer Islamexppertin, die dem evangelikalen Spektrum zugerechnet wird. (Schirrmacher ist etwa Mitautorin der letzten EKD-Schrift zum Dialog mit dem Islam, die von den islamischen Verbänden als Ausdruck einer islamkritischen Wendung der EKD gewertet wurde und fast zum Abbruch der Dialogbemühungen führte.) Nun also ist ausgerechnet Frau Schirrmacher zur Wegbereiterin der Islamisierung des Berliner Schulsystems geworden!
Der Irrsinn ist perfekt!

Das Verwaltungsgericht folgt der strengen Auslegung der „fünf Säulen“ und sagt, die Schule müsse sich darauf einstellen, daß die Schüler danach leben können. Im übrigen gebe dies den anderen Schülern ja eine wunderbare Gelegenheit, sich in interkultureller Kompetenz und Toleranz zu üben.
Der Gedanke, daß es hier vielleicht auch darum geht, in den weltanschaulich neutralen Raum einer öffentlichen Schule eine kleine Bastion mit Sonderrechten einzubauen, ist den Richtern offenbar nicht gekommen. Sie sollten Ed Husains „The Islamist“ lesen. Da wird genau beschrieben, daß dies die Strategie der Islamisten in England war, den säkulären, neutralen öffentlichen Raum zu durchwirken und zu besetzen.

Hier die kurze Begründung in der Pressemitteilung:

„Der Antragsteller hatte geltend gemacht, sich nach seinem Glaubensbekenntnis verpflichtet zu sehen, fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten das islamische Gebet zu verrichten; er praktiziert dies nach seinem Vortrag auch so. Die Schulleitung hatte ihm das Beten in der Schule untersagt und sich hierfür auf das Neutralitätsgebot des Staates in dessen Einrichtungen berufen.

Die 3. Kammer des Gerichts folgte dieser Argumentation nicht. Der Antragsteller könne sich auf seine Religionsfreiheit nach Art. 4 des Grundgesetzes berufen. Dieses Grundrecht erstrecke sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden. Hierzu gehöre – zumal die Gebetspflicht zu den fünf Säulen des Islam zähle – insbesondere auch das Beten. Demgegenüber habe die Schule konkrete und nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen des Bildungs- und Erziehungsauftrags und des Schulbetriebes nicht dargelegt. Insbesondere würden Mitschüler oder Angehörige des Lehrpersonals der Verrichtung des Gebets durch den Antragsteller nicht unentziehbar ausgesetzt. Schließlich könne die Schule dem Schüler durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen ein ungestörtes Beten in einem für andere nicht ohne weiteres zugänglichen Bereich des Schulgeländes ermöglichen und so der von ihr gesehenen Gefahr einer demonstrativen bzw. werbenden Präsentation des Gebets begegnen. Im Übrigen erfordere das friedliche Zusammenleben in einer bekenntnisfreien Schule, dass die Schüler lernten, die religiöse Überzeugung anderer zu tolerieren und zu respektieren.“

Diese Berliner Strategie ist meiner Meinung nach der sichere Weg in die Selbstaufgabe: Keinen ordentlichen (christlichen und islamischen) Religionsunterricht unter Aufsicht der Schulbehörde, dafür aber Preisgabe des öffentlichen Raums an die reaktionärsten Kräfte des Islams.
Umgekehrt wäre es richtig: Religionsunterricht nach Curriculum für alle Interessierten, bei entschiedener Verteidigung des neutralen öffentlichen Raumes der Schulen!

p.s. Die klügste Reaktion zu diesem skandalösen Urteil kommt von dem Grünen Özcan Mutlu:
„Es muss darum gehen, die Prinzipien des Grundgesetzes wie Gleichberechtigung der Geschlechter, Religionsfreiheit und weltanschauliche Neutralität des Staates mit der interkulturellen Realität in Übereinstimmung zu bringen. Daher war z.B. die
gesetzliche Reglementierung religiös-weltanschaulicher Symbole in Bildungseinrichtungen richtig und wichtig. Hier überwiegt eben die negative Religionsfreiheit aller am Schulleben Beteiligten, wie LehrerInnen, SchülerInnen etc. und diese ist uneingeschränkt einzuhalten.
Deshalb haben Kreuze, Kopftücher, Kutten und andere sichtbaren religiös-weltanschaulichen Symbole in den Schulen nichts zu suchen. Aus diesem Grund haben auch Beträume, Beichtstühle, Kruzifixe und ähnliche religiöse Anordnungen in der Schule nichts verloren.
Das Urteil des Verwaltungsgericht, dass Schulen muslimischen Kindern und Jugendlichen Gebetsräume zur Verfügung stellen sollen, ist Gift für die Integration und wird die Kluft zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen in dieser Stadt vertiefen, statt Gräben zuzuschütten! Der weltfremde Ratschlag der Richter im Urteilsspruch, die Schule könne dem Schüler durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen ein ungestörtes Beten in einem für andere nicht ohne weiteres zugänglichen Bereich des Schulgeländes ermöglichen, zeugt von gravierenden Fehlinformationen bezüglich der räumlichen Situation vieler Berliner Schulen. Hinzu kommt, dass Gebetzeiten im islamischen Glauben stets variieren und es den Schulen unmöglich sein dürfte, auf derart
religiös-weltanschaulicher Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, falls die Schule ihren Bildungsauftrag erfüllen und eine Stundenplan aufstellen will.

Die Schulverwaltung muss im Interesse der negativen Religionsfreiheit aller im Schulleben Beteiligten sowie im Interesse des Schulfriedens das Urteil anfechten.“

 

Die Deutschtürken – eine Umfrage

Morgen in der ZEIT: Eine repräsentative Umfrage unter Deutschtürken nach dem Erdogan-Besuch und der Koch-Kampagne, die wir durch das Meinungsforschungsinstitut Emnid haben durchführen lassen. Es geht um das Deutschlandgefühl der trükischen Einwanderer.
Ich habe dazu einen deutenden Text geschrieben. Sechs prominente Deutschtürken geben in kurzen Statements zu Protokoll, wie sie zu Deutschland und zum Deutschsein stehen.
Hier der Einstieg, morgen mehr:

Ein paar Momentaufnahmen aus einer umkämpften Zone: Jeder zweite Deutsch­türke hat das Gefühl, in Deutschland unerwünscht zu sein. Doch zwei Drittel sagen auch: Es war alles in allem gut, dass meine Familie hierhergekommen ist. Die überwältigende Mehrheit der Türken in Deutschland wünscht sich, dass auf ihre Eigenheiten mehr Rücksicht genommen wird. Doch fast die Hälfte hat Schwierigkeiten mit der Vorstellung, einen deutschen Schwiegersohn oder eine Schwiegertochter zu akzeptieren. Das sind Ergebnisse einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Auftrag der ZEIT durchgeführt hat. Wir haben versucht, die Gefühlswelt der Bürger zu vermessen, die einen »türkischen Migrationshintergrund« haben. Und weil das so ein hässliches Wort ist, das den Krampf der deutschen Debatte schon in sich trägt, sprechen wir lieber von den Deutsch­türken.
Nach den Ereignissen der letzten Wochen konnte man ahnen, dass ein Aufruhr in den Köpfen und Herzen der Deutschtürken tobt. Gleich zweimal in kurzer Zeit war die Trennlinie zwischen »den Deutschen« und »den Türken« neu gezogen worden. Auf Roland Kochs Kampagne gegen »kriminelle Ausländer« folgte Recep Erdoğans Vereinnahmungsfeldzug nach dem Brand von Ludwigshafen.
Wie verorten die Deutschtürken sich selbst? Wie sehen sie Deutschland? Wo liegen ihre Lo­yalitäten? Wie deutsch sind sie selbst geworden, wie viel Türkisches haben sie bewahren können? Fühlen sie sich durch deutsche Politiker vertreten und ernst genommen? Unsere Umfrage ergibt das Bild einer Gruppe, die zwischen Zu-
gehörigkeitswünschen und Selbstverlustängsten zerrissen ist.
Man will anerkannt werden, fürchtet aber, dass dies nur um den Preis der Selbstaufgabe möglich sei. Die Deutschtürken haben ein mehrheitlich positives Bild von Deutschland und nehmen – vielleicht ebendarum – erschrocken und teils trotzig zur Kenntnis, dass dies nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Nicht nur die erste, auch die zweite Generation sieht sich in erschreckendem Maß als unerwünscht. Irritierend sind jedoch auch die selbstabschottenden Gegenreaktionen darauf – womöglich Kompensation empfundener Missachtung…

 

Rosige Zeiten für Ethno-Nationalisten

In einem Grundsatzartikel für Foreign Affairs beschreibt Jerry Z. Muller, warum die Todesanzeigen für den Nationalismus als politische Kraft voreilig sein könnten. Einen Hauptgrund sieht er in der Einwanderung und ihrer Herausforderung des europäischen politischen Konsenses. Besonders interessant dabei der Gedanke, daß Einwanderung – lange von seiten der Linken gutgeheißen – insbesondere die Grundlagen linker Politik unterminiert:

„The most dramatic transformation of European ethnic balances in recent decades has come from the immigration of people of Asian, African, and Middle Eastern origin, and here the results have been mixed. Some of these groups have achieved remarkable success, such as the Indian Hindus who have come to the United Kingdom. But in Belgium, France, Germany, the Netherlands, Sweden, the United Kingdom, and elsewhere, on balance the educational and economic progress of Muslim immigrants has been more limited and their cultural alienation greater.

How much of the problem can be traced to discrimination, how much to the cultural patterns of the immigrants themselves, and how much to the policies of European governments is difficult to determine. But a number of factors, from official multiculturalism to generous welfare states to the ease of contact with ethnic homelands, seem to have made it possible to create ethnic islands where assimilation into the larger culture and economy is limited.

As a result, some of the traditional contours of European politics have been upended. The left, for example, has tended to embrace immigration in the name of egalitarianism and multiculturalism. But if there is indeed a link between ethnic homogeneity and a population’s willingness to support generous income-redistribution programs, the encouragement of a more heterogeneous society may end up undermining the left’s broader political agenda. And some of Europe’s libertarian cultural propensities have already clashed with the cultural illiberalism of some of the new immigrant communities.

Should Muslim immigrants not assimilate and instead develop a strong communal identification along religious lines, one consequence might be a resurgence of traditional ethnonational identities in some states — or the development of a new European identity defined partly in contradistinction to Islam (with the widespread resistance to the extension of full EU membership to Turkey being a possible harbinger of such a shift).

Since ethnonationalism is a direct consequence of key elements of modernization, it is likely to gain ground in societies undergoing such a process. It is hardly surprising, therefore, that it remains among the most vital — and most disruptive — forces in many parts of the contemporary world.“

Alles lesen.

 

Ludwigshafen: Kein Brandanschlag!

Der Brand in Ludwigshafen ist mit höchster Wahrscheinlichkeit kein Brandanschlag, wie die dortige Polizei soeben mitteilt:

Der Leitende Oberstaatsanwalt Lothar Liebig bezeichnete ein vorsätzlich gelegtes Feuer am Dienstag als «äußerst unwahrscheinlich». Einen technischen Defekt – beispielsweise einen Kurzschluss in dem mehr als 100 Jahre alten Haus – schließen die Behörden aus. Am wahrscheinlichsten sei, dass das Feuer durch ein wie auch immer geartetes fahrlässiges Verhalten entstanden sei.

Liebig sagte, der Brand sei sehr langsam unter der Kellertreppe des Mehrfamilienhauses ausgebrochen. Er habe nach einem Gutachten mindestens 15 Minuten und bis zu drei Stunden geschwelt. Auch das spreche gegen einen Brandanschlag, bei dem die Täter gewöhnlich anders vorgingen. Zwei Mädchen, die ursprünglich einen Brandstifter gesehen haben wollen, hätten ihre Angaben inzwischen korrigiert.

Bei dem Feuer waren am 3. Februar neun türkischstämmige Frauen und Kinder getötet worden. Zwei acht und neun Jahre alte Mädchen hatten kurz darauf erzählt, dass sie einen Mann beim Zündeln beobachtet hätten. Dies hatte insbesondere in der Türkei zu Vermutungen geführt, dass der Brand auf das Konto von ausländerfeindlichen Brandstiftern gehen könnte.

Und nun bin ich auf die morgigen Ausgaben der türkischen Zeitungen gespannt, die hier seit Wochen fahrlässige Hetze betrieben haben. Heute (!) noch ist in Hürriyet ein Kommentar zu lesen, in dem es heißt, die Brände in Deutschland seien die „Konsequenz der ausgrenzenden Politik“. Unfaßlich.

 

Integrationsbarrieren

Mitbloggerin „Miriam“ schreibt mir:

„Ich bin zwar nicht aus der Türkei, aber ich komme aus einem Land, das damals, als ich die Flucht ergriff, in mancher Hinsicht so traditionell war wie Anatolien. Ich weiß, wie Tradition sich anfühlt, und ich mache drei Kreuze, dass ich in der Moderne lebe.

Und meine Tochter, die sowohl die deutsche Staatsbürgerschaft hat als auch die meines Herkunftslandes. Auf meine Frage, welche von beiden sie behalten würde, wenn sie nur eine haben dürfte, antwortete sie:” Die deutsche, natürlich! Ich bin ja Deutsche!” Sie ist voll integriert, weil sie sich voll integrieren darf. Die größte Integrationsbarriere, mit der integrationswillige Migranten türkischer Herkunft zu kämpfen haben, ist die Tatsache, dass sie sich von ihren Familien und Communities aus oft gar nicht voll integrieren dürfen: sprachliche, Bildungs- und berufliche Integration ist durchaus erwünscht, soziale Integration besonders im Sinne von Ehen mit Deutschen wird meist nicht gern gesehen; auch Wertintegration im Sinne von der Übernahme der individualistischen Werte der Moderne wie Selbstbestimmung und Eigenverantwortung gilt oft als Verrat an den kollektiven Werten der Tradition. Das Problem ist nur: Ohne Wertintegration und soziale Integration können Bildungs- und Berufsintegration nicht gelingen.“

 

Erdogan kritisiert die türkischen Medien

Soeben im Kanzleramt: Bei einer Debatte mit Jugendlichen hat Ministerpräsident Erdogan neben den deutschen auch die türkischen Medien kritisiert, sie zögen voreilige Schlüsse: „Wir haben noch keine Beweise, wir wissen noch nicht, was die Gründe für dieses Geschehen sind. Doch die Medien machen große Worte. Wir kennen das schon. Aber ich fordere zur Sachlichkeit auf.“
Allerhand!

 

Neue türkische Hoffnungen auf die CDU…

… hat der Kolumnist der türkischen Zeitung Zaman („Zeit“), Hasan Kanbolat, ausgemacht. Er kommentiert den Besuch Erdogans in Deutschland, der heute beginnt. Sein Fazit scheint im Moment – nach dem Koch-Wahlkampf und mit den gegenwaärtigen Spannungen durch Ludwigshafen – etwas gegen den Strom gedacht.
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Hasan Kanbolat
Aber ich glaube, er hat Recht. Die Integration der wählenden Deutschtürken ins deutsche Parteiensystem kann eigentlich nur die Union schaffen. Die meisten Deutschtürken sind eher konservativ und schätzen „family values“. Viele von ihnen sind religiös, und Selbständigkeit hat einen hohen Status (wie die vielen Geschäfte und Unternehmensgründungen zeigen).
Zitat:
Turkish-German relations are very important for both of these nations. A full quarter of Germany’s immigrant population is composed of Turks. With a population that includes 3.5 million Muslims, Germany currently has 1.7 million Turkish residents and 1 million German citizens with Turkish roots. In addition, there are 65,000 Turkish businesses in Germany that provide employment to 400,000 people. As for Turkey, over the past decade it has become a favorite country for both retired and educated young Germans to come live and work.

Talks between Erdoğan and German Chancellor Angela Merkel are expected to focus primarily on bilateral relations and current international matters. The two leaders will also be speaking to around 300 German and Turkish students from a variety of schools in Germany. On Saturday, Feb. 9, Erdoğan will be in Munich to deliver the opening address at the 44th Munich Security Policies Conference, though his German counterpart, Merkel, will not be attending this conference. On Sunday, Feb. 10, Erdoğan will visit Cologne, where he will address a mostly Turkish crowd in the 18,000-person capacity Cologne Arena. It is anticipated that he will discuss his plan to permit Turks living outside of Turkey to vote in elections from abroad.
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