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Türken, vergeßt die Vorurteile, schaut nach vorne!

Die frisch zur Vize-Landeschefin der Hamburger CDU gewählte türkischstämmige Aygül Özkan, appelliert heute in der türkischen Tageszeitung SABAH an türkische Bürger in Deutschland, Vorurteile ihnen gegenüber weniger Beachtung zu schenken und sich stattdessen mehr auf die eigene Zukunft zu konzentrieren.

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Es sei falsch anzunehmen, dass die Türen für Bürger mit Migrationshintergrund stets versperrt seien. Sie sei dafür der beste Beweis, dass sogar in der CDU Migranten hohe Positionen einnehmen könnten. Dafür sei es aber dringend notwendig, dass „Jugendliche mit Migrationhintergund eine Ausbildung machen oder eine Hochschule besuchen“, so Özkan.

(Özkan ist 36 Jahre alt und in Deutschland aufgewachsen. Ihr Vater war Schneider. Sie ist erfolgreiche Managerin: sie leitet die Hamburger Niederlassung des Logistikkonzerns TNT mit 400 Mitarbeitern.

Und sie steht für einen Tonwechsel in der Selbstbeschreibung der neuen deutsch-türkischen Elite. Man beachte den Kontrast zu Faruk Sen, der wie andere Migranten-Lobbyisten (wie etwa Kenan Kolat, Safter Cinar und Hakki Keskin) seiner Generation einfach nicht aus dem Opfer-Diskurs herausfindet. Dass es eine Frau und Unternehmerin ist, die hier einen anderen Ton anschlägt, ist auch kein Zufall. Hier ein Interview.)

 

Zu Faruk Sens Vergleich der Türken mit den Juden im Dritten Reich

Irgendetwas ist hier faul.

Aber man sieht es nicht auf den ersten Blick. Denn auf den ersten Blick geht es um folgendes: Der Direktor des Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sen, vergleicht in einer türkischen Zeitung die Lage der Türken in Europa mit den Juden. Darauf wird er in der Öffentlichkeit heftig kritisiert. Der Vorstand des Essener Forschunsinstituts trifft sich zu einer Dringlichkeitssitzung, kritisiert den „unverantwortlichen Vergleich“ und beantragt die Abberufung Sens von seinem Posten: dieser habe „dem deutsch-türkischen Verhältnis, der Integrationspolitik und vor allem dem Stiftungszweck schwer geschadet“. Denn: „Zweck der Stiftung ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung, mit deren Hilfe vertiefte Kenntnisse über das Zusammenleben von Türken und Deutschen, Hilfen für die Integration der Zugewanderten sowie ein gesteigertes gegenseitiges Verständnis erreicht werden sollen. Nicht nur die aktuellen Äußerungen des Direktors widersprechen dem Stiftungszweck nachhaltig. Sie schädigen darüber hinaus die Reputation des Zentrums.“

Das klingt erst einmal plausibel, und vor Kenntnis des ganzen Falles und des corpus delicti – des betreffenden Artikels aus dem Magazin „Referans“ – hätte ich hier auch zugestimmt. Es ist dumm und integrationsfeindlich, den Türken eine Opferrolle einzureden, indem man sie mit den Juden vergleicht. Wer so etwas sagt, hat an der Spitze eines Forschungsinstituts, das mit öffentlichen Geldern über Türken in Deutschland publiziert, nichts zu suchen. Erledigt.

Allerdings ist es nicht ganz so einfach. Ich habe mir den Text übersetzen lassen, er liegt mir komplett vor. (Hier eine online-Version der „WELT“.) Erstens hat Sen sich gleich für seine Äußerung entschuldigt. Faruk Sen hat auch schon mit der Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, telefoniert, um seine Absichten klarzustellen. Und da wird es interessant. Denn wer den ganzen Text liest und ihn in seinem Kontext begreift, der wird sehen, dass es Sen in seinem Kommentar eigentlich gar nicht um die Türken in Europa geht, sondern um die Juden in der Türkei. Sen hat seinen Kommentar eigentlich geschrieben, um einen türkisch-jüdischen Geschäftsmann, Ishak Alaton, in seinem Kampf gegen den Neonationalismus und Antisiemitismus in der Türkei zu unterstützen. Dabei benutzt er ein falsches und fahrlässig verzerrendes Bild der Lage der Türken in Europa. Aber er tut dies, um den Türken nahezulegen, sich mit den Juden zu indentifizieren und sich in sie hineinzudenken, statt sie als das Fremde und Feindliche abzulehnen und auszusondern.

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Osmanischer Jude

Sen erinnert an das Leid der Juden in Europa durch den Ausrottungsversuch der Nazis. Er erinnert auch an die Geschichte der Türken und Osmanen als Judenretter – 1492 vor der Reconquista und im Dritten Reich als Zuflucht für Tausende.

Und dann kommt er auf die Gegenwart zu sprechen, und da wird es hanebüchen:

Die mehr als fünf Millionen Türken in Europa seien „die neuen Juden Europas“, sie würden  “ – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlichen Erscheinungsformen – wie die Juden diskriminiert und ausgeschlossen“.

Sen schreibt dies, um folgenden Punkt zu machen: Er hat in einem Interview mit Ishak Alaton gelesen, dieser sehe sich in der Türkei von einem „staatlich gelenkten Antisemitismus“ bedroht. (Hier ein Gespräch mit dem Tagesspiegel, nach dem Skandal geführt.) Nachdem Alaton diese Äußerung getan hatte, brach eine Welle nationalistischer Empörung gegen  Alaton los. Darüber ist Sen empört und  hält nun dagegen:

“In was für eine Situation sind wir heute in der Türkei angelangt – wo es doch die Türkei war, die in den 30er Jahren den unterdrückten Juden Deutschlands die Türen geöffnet hat und sie trotz allem Druck und unverschämten Angeboten aufgenommen hat.“  Und weiter: „Dass Ishak Alaton, der in einer Liste mit den ehrenhaftesten Menschen in der Türkei in jedem Fall unter den ersten 10 erscheinen würde, sich solchen Gefühlen hingibt hat mich sehr besorgt. Der  Angriffssturm gegen ihn nach diesem Interview hat mich erinnert, welchen verschiedenen Ereignisse wir in Deutschland lebenden Türken  ausgesetzt waren und hat meine Sorge erhöht. Verehrter Ishak bey… wir als europäische Türken wissen um die Wichtigkeit Ihrer Person für dieses Land. Sie haben in Europa Fünfmillionenzweihunderttausend Gleichgesinnte – die neuen Juden Europas. Die antisemitische Einstellung einiger Gruppen in der Türkei sollte Sie nicht besorgen, das türkische Volk und wir als die neuen Juden Europas stehen hinter Ihnen.“
Also: Ich finde die Sache mit den „neuen Juden“ abenteuerlich und dumm. De facto läuft das auf eine Verharmlosung des Holocaust hinaus.

Aber: Ganz offensichtlich geht es Faruk Sen darum nicht. Nur mit viel bösem Willen kann man diese Absicht in seinen Text hineinlesen.

Er will die Türken ja gerade bei ihrer Ehre als Judenretter packen und mahnt: Wie weit ist es mit uns gekommen, die wir einst stolz waren, die Juden vor den Europäern gerettet zu haben, wenn wir jetzt den Antisemitismus bei uns zuhause hoffähig machen!

Darum finde ich, es ist genug, wenn Sen die Dummheit seines „wir-sind-die-neuen-Juden-Arguments“ einsieht, das er im übrigen gar nicht gebraucht hätte, um seinen Punkt zu machen.

Es ist genug, wenn er sich dafür entschuldigt und seinen Vergleich zurückzieht.

Darum muss man ihn nicht seines Amtes entheben.

Es wird haarsträubend, wenn einem Mann, der mutig (wenn auch mit einem unbrauchbaren Vergleich) gegen den Antisemitismus seines Herkunftslandes streitet, ausgerechnet in Deutschland dafür der Ruf eines Antisemiten oder Holocaust-Relativierers angehängt wird.

Festzuhalten bleibt: Faruk Sen hat sich vor einen jüdischen Unternehmer gestellt, der sich über wachsenden Antisemitismus in der Türkei beschwert hatte. Es gibt leider nicht viele, die so etwas tun würden.

In diesem Monat wird der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) über Faruk Sens Abberufung entscheiden müssen. Er sollte bessere Gründe haben – am besten ein paar fachliche – , sich gegen diesen Mann zu entscheiden als eine missglückte Kolumne in bester Absicht.

p.s. Der Zentralrat der Juden in Deutschland scheint unterdessen der gleichen Ansicht zu sein.

 

Warum die Europäer etwas gegen Muslime haben

In der New York Times warnt Noah Feldman die Europäer, ihre Vorbehalte gegen Muslime kritisch zu überprüfen. Feldman ist selber in einem orthodox jüdischen Umfeld aufgewachsen. Er sieht in der europäischen antimuslimischen Stimmung ein Indiz, dass Europäer es immer noch nicht gelernt haben, „mit Differenz zurecht zu kommen“. Ich wehre mich gegen die Assoziation mit dem Antisemitismus. Aber an dem Verdacht, Europäer hätten grundlegende Probleme mit der Akzeptanz einer kulturell und religiös anderen Minderheit, ist trotzdem etwas dran:

One factor that cannot be ignored is the threat of terrorism, so closely associated today with radical Islam. In London, Madrid and Amsterdam, terrorist acts have been perpetrated by Muslim immigrants or (more worrisome still) their children. Yet it must be remembered that Europe has also suffered homegrown terrorist attacks, motivated by everything from national liberation (in the cases of the Irish Republican Army or the Basque E.T.A.) to radical leftism (Baader-Meinhof and the Brigate Rosse). Europeans are, therefore, to a degree acclimated to terror, undercutting its power as an explanation. And in the U.S., which on Sept. 11 suffered much greater terrorist damage than any European country ever has, anti-Muslim bias does not have the political weight that it does in Europe.

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Noah Feldman Foto: Council on Foreign Relations

Well-meaning Europeans sometimes argue that unlike the U.S., their countries are traditionally “homogeneous” and have little experience with immigration. Generalized anti-immigrant feeling, they suggest, has come to rest on Muslims simply because they are increasingly visible. In France, the specter of the “Polish plumber” undercutting French workmen’s wages played a role in recent votes, suggesting the possibility of an equal-opportunity bias. But hostility to Eastern European migrants, though real enough, still does not run as deep as corresponding hostility to Muslims.

The perception of cultural difference may help explain this disparity. Muslim immigrants are depicted in European political rhetoric as not merely backward but also illiberal, contradicting Europe’s now-prevalent commitment to tolerance of homosexuality and sex out of wedlock. At the same time, Muslims are thought to be forcing their children to maintain practices like the head scarf, which is banned in many French schools.

Certainly it is reasonable for free societies to encourage immigrants to adopt their own liberal values. A Dutch requirement that potential immigrants view a film depicting topless bathers and gay couples may seem a little childish, but it is not a human rights violation, and it may even help prepare immigrants for the different world they are poised to enter. Schools should teach the values of the surrounding society, including respect for different lifestyles. Nevertheless, a hallmark of liberal, secular societies is supposed to be respect for different cultures, including traditional, religious cultures — even intolerant ones. There is something discomfiting about a selective respect that extends to the Roman Catholic Church, with its rejection of homosexuality and women priests, but excludes Islam for its sexism and homophobia.

This leaves another, more controversial explanation for anti-Muslim attitudes in Europe: even after 60 years of introspection about the anti-Semitism that led to the Holocaust, Europeans are not convinced that culturally and religiously different immigrants should be treated as full members of their societies. European anti-Semitism between the world wars featured accusations of criminality, religious backwardness, genetic inferiority and, above all, the impossibility of assimilation. And it is no coincidence that significant numbers of the Jews in Western Europe were immigrants or children of immigrants from farther east.

The U.S. had its own terrible legacy of legalized racism in the form of the Jim Crow laws, which Hitler imitated for his own purposes. In the aftermath of World War II, however, we began slowly and agonizingly to come to terms with this past. Racial bias is still with us, but so is self-consciousness about our problems and how they must be overcome.

In Europe, by contrast, Hitler’s horrifying success at killing so many Jews meant that the burgeoning postwar societies of the continent never had to come to terms with difference, because it was to a great extent eradicated. Today, as the birthrate for European Muslims far outstrips that for their neighbors, it is as if Europe’s discomfort with difference is being encountered for the first time. In theory, Europe remembers the Holocaust. But the depth of that memory may be doubted when many Europeans seem to have forgotten that their continent was home to other outsiders well before the arrival of today’s Muslim minority.

 

Zuwanderer besser auswählen!

Gunnar Heinsohn findet im Tagespiegel einiges Lobenswerte an der Rede des Bundespräsidenten über „Arbeit, Bildung, Integration“. Vor allem seine Einlassungen zur Einwanderungspolitik. Ich stimme zu:

„Er (der Bundespräsident, JL) erinnert uns an Nationen, die aus unserer Sicht etwas ganz Merkwürdiges tun: Sie verlangen von Fremden dasselbe wie von ihren eigenen Kindern. Diese werden es nur dann einmal besser haben, wenn sie bessere Qualifikationen erwerben als ihre Eltern. Ganz entsprechend können Neuankömmlinge dem zulassenden Gebiet und damit auch sich selbst nur dann etwas geben, wenn sie Fähigkeiten mitbringen, die über dem Niveau der zukünftigen Heimat liegen oder dort noch gar nicht vorhanden sind. In den Worten des Präsidenten: ,,Manche westlichen Demokratien wählen ihre Zuwanderer so intelligent aus, dass die höher gebildet sind als im Durchschnitt die Einheimischen.“

Natürlich hätte Horst Köhler im gleichen Atemzug solche Demokratie schelten können, dass sie einfach jene abweisen, die dann bei uns Unterhalt findet. Das zu unterlassen, hat gewiss auch die Diplomatie geboten. Aber hätte er Kanada dafür getadelt, dass fast hundert Prozent seiner Einwanderer hochqualifiziert sind und nicht nur fünf wie bei uns, dann hätte er aus Redlichkeit noch etwas hinzufügen müssen: Kanada ist weltweit die erste Nation, in der die Kinder der Zuwanderer in allen Tests intelligenter abschneiden als die Kinder der vor Ort Geborenen. In Deutschland hingegen liegt das Leistungsniveau der Migrantenkinder tiefer unter dem landeseigenen Durchschnitt als irgendwo sonst auf der Welt.

Der Bundespräsident weiß um diese Zahlen. Aber diplomatisch verhält er sich eben nicht nur gegenüber unseren Verbündeten, sondern sanft bleibt er auch im Umgang mit den Politikern der eigenen Republik. Nun bleibt abzuwarten, ob der präsidiale Takt zum Anlass genommen wird, seine Ermutigung gleich wieder in den Wind zu schlagen oder dazu, auch hierzulande mit einer ,,kluge Einwanderungspolitik“ zu beginnen.“

 

Warum ein Einbürgerunsgtest gut für Migranten ist

Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime hat seine Interviewäußerung zu einem Einbürgerungstest jetzt noch einmal in einem Editorial für die WELT präzisiert. Sehr gut. Weiter so:

„Als ich vor ein paar Tagen einen neuen bundesweiten Einbürgerungstest begrüßte, erlebte ich eine Welle der Entrüstung in meiner Community und in den türkischen Medien. Da war die Rede davon, dass ich naiv sei zu glauben, dass hier eine neue sachliche Seite aufgeschlagen werde. Oder: Alles, was die CDU vorschlägt, kann nur gegen uns sein. Viele sind auch fälschlich davon ausgegangen, dass ich einen Gesinnungstest gutheiße.

Wir brauchen in unserem Land beim Thema Einwanderung Identitätsstiftung und eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung und Wertschätzung.
Ich bin überzeugt, dass ein Einbürgerungsritual ein wichtiger Bestandteil dieser neuen Integrationskultur sein kann. …

Ich appelliere dafür, Parteitaktik und ideologische Scheuklappen einmal zu Hause zu lassen und einen Einbürgerungstest nicht per se abzulehnen. Vielmehr sollten wir unseren Sachverstand bei der Beurteilung der Fragen und bei der Umsetzung der Tests anbieten.

Ein Blick über den Teich zeigt, wie identitätsstiftend und erfolgreich eine funktionierende Einwanderungspolitik, zu der auch ein Test gehört, ist. Der Einbürgerungswillige bereitet sich dort intensiv auf den Test vor. Er freut sich zusammen mit Kind und Kegel, in einem feierlichen Akt seinen Beitritt zu den Vereinigten Staaten von Amerika zu bekunden – keine Naivität, sondern gelebte Praxis.

Ich frage mich, warum können wir in Deutschland nicht auch einen Feiertag daraus machen? Darüber sollten wir allesamt nachdenken und nicht miesepetrig dagegen opponieren.“

Völlig anderer Meinung ist Ekrem Senol in seinem JurBlog: Er hält auch den neuen Test für eine Schikane, ganz wie damals den Baden-Württembergischen Gesinnungstest.
Ganz grundsätzlich lehnt er Einbürgerungstests aber auch nicht ab, und das ist allerdings etwas Neues:
„Es muss aber auch festgehalten werden, dass generelle Kritik an Einbürgerungstest nicht der richtige Weg ist. Jedes Land sollte das Recht haben, seinen künftigen Bürger auszuwählen. Die Ausgestaltung der Auswahl kann auch in Form eines Einbürgerungstest geschehen. Erforderlich wäre aber ein gewisses Augenmaß, Sachlichkeit und Fingerspitzengefühl. Um Gefühle geht es schließlich nicht selten bei einer Einbürgerung für den Einbürgerungsbewerber. Begriffe wie Heimatgefühl, Loyalität, Solidarität finden nicht selten Verwendung in diesem Kontext. Die erneut an den Tag gelegte kühle, unsensible Vorgehensweise der CDU aber zeigt alles andere, als dass die CDU aus den Fehlern der jüngsten Vergangenheit gelernt hätte.“
Ich teile das nicht. Aber wir sind von einer abstrakten Debatte mit verallgemeinernder Kritik auf dem Weg zu einem zielführenden Streit um die Erfordernisse eines Einbürgerungslandes. Fortschritt ist machbar, Herr Nachbar.

 

Muslime für Einbürgerungstest

Was ist denn jetzt los? Aiman Mazyek, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland, stellt sich hinter den neuen Einbürgerungstest, wie der Tagesspiegel heute berichtet.

Der Zentralrat der Muslime begrüßt den neuen Einbürgerungstest, der ab 1. September Voraussetzung für den deutschen Pass werden soll. Der Test gehe „eindeutig in die richtige Richtung“, sagte Generalsekretär Aiman A. Mazyek. „Wir haben immer gesagt, dass Fragen zu Staatskunde, deutscher Geschichte und Verfassung nicht nur zulässig, sondern auch notwendig sind.“

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Aiman Mazyek Foto: Zentralrat

Mazyek kritisierte zugleich den Türkischen Bund, der das Vorhaben des Innenministeriums kürzlich massiv abgelehnt hatte. „Ein angemessenes Einbürgerungsritual“ sei „wichtiger Bestandteil einer Kultur der Anerkennung“, gegen den man „nicht per se aus Parteitaktik oder aus fehlgeleitetem Lobbyinteresse polemisieren sollte“ sagte Mazyek. Ein feierlicher Akt, mit dem ein Einbürgerungswilliger seinen Beitritt zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik bekunde, trage zur Identitätsstiftung bei, „und ich kann das nur gutheißen“. Es sei auch gut, wenn man sich auf diesen Akt gründlich vorbereite.

Jawohl, das ist derselbe Mazyek, der in diesem Forum – fälschlicher Weise – immer wieder gerne als Agent der Finsternis hingestellt wird.

Zugleich kann er es sich nicht verkneifen, die Leitkultur-Debatte noch einmal „unsäglich“ zu nennen und für das Gefühl des Ausgegrenztseins verantwortlich zu machen. Das halte ich schlicht für Quatsch.

Ohne eine recht verstandene Leitkultur, das habe ich hier schon oft genug begründet, keine erfolgreiche Integration. Und im übrigen bewegt Mazyek sich mit seiner Einlassung über den Einbürgerungstest eigentlich genau auf dieser Linie.

Trefflich auch, dass er den Türkischen Bund Berlin-Brandenburg für seine reflexhafte Kritik rannimmt und ihm „fehlgeleitetes Lobbyinteresse“ vorwirft. Wir brauchen die Debatte über diese Dinge innerhalb der islamischen Verbände – und darüber hinaus unter Migranten überhaupt.

 

Türkisch als Fach wenig nachgefragt

Hürriyet berichtet, dass die Türkisch-Kurse einer Schule in Offenbach, an der man Türkisch als zweite Fremdsprache erlernen kann, aufgrund der geringen Nachfrage eingestellt werden sollen. An der Schule wird als einzige in Hessen die Sprache als zweite Fremdsprache angeboten. Darüber hinaus ist an dieser Schule die Note im Türkisch-Kurs auch versetzungsrelevant. Wie die Zeitung berichtet, haben sich türkische zivilgesellschaftliche Organisation eingeschaltet und wollen mit einer breiten Werbekampagne unter türkischen Eltern für den Erhalt der Kurse kämpfen.

Das ist eine interessante Nachricht: Sie spricht dafür, dass den türkischen Schülern das Thema der nationalen Herkunftskultur offenbar weniger wichtig ist als den Verbänden und Lobbygruppen, die jetzt zur „Rettung des Türkischen“ aufrufen. Für die Integrationswilligkeit ist das wohl eher eine positive Meldung. Die Tendenz zur national-kulturellen Abschottung ist offenbar viel geringer als oft suggeriert wird.

Um das Türkische als Element einer höheren Bildung ist es dennoch schade. Es wäre wünschenswert, dass die türkische Sprache in Deutschland – selbstverständlich nach dem Erwerb exzellenter Kenntnisse in der Verkehrssprache Deutsch – mehr gepflegt würde. Im Moment stehen aber andere Dinge im Vordergrund für die türkischen Schüler: Kein Fortkommen ohne gute Deutsch- und Englischkenntnisse, offenbar kommt die Botschaft langsam an.

 

Die Zahl der Einwanderer geht weiter zurück

Ein paar Fakten aus dem Migrationsbericht 2006 (das ist der aktuellste, Ende letzten Jahres erstellt), der am Freitag im Bundestag Thema sein wird:

– Der Wanderungssaldo Deutschlands war im Jahr 2006 auf seinem bisher niedrigsten Stand seit 1984 (plus 23 Tsd. Personen).
– Hinsichtlich der Wanderung von Deutschen ergibt sich für das Jahr 2006 ein Wanderungssaldo von minus 59 Tsd. Personen. Hauptzielland für deutsche Auswanderer, aber auch Hauptherkunftsland für Rückkehrer sind die USA.
– Auffällig ist eine weiter gesunkene Zahl von Spätaussiedlern, womit der Trend aus den vergangenen Jahren fortgesetzt wurde.
– Migration hat einen positiven Einfluss auf die Altersstruktur der Bevölkerung.

Durch die gegenüber der Vergangenheit verbesserte Datenlage (neue Speichersachverhalte auf Grund der Änderung durch das Zuwanderungsgesetz) kann eine differenziertere Darstellung der einzelnen Zuwanderergruppen nach Aufenthaltszwecken erfolgen:

– Die Zahl ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen hat sich seit 1993/94 kontinuierlich erhöht. Etwa 2000 ausländische Absolventen machten 2006 von der neuen Möglichkeit, nach dem Studium eine Aufenthaltserlaubnis zur Suche nach einem adäquaten Arbeitsplatz zu erhalten, Gebrauch.
– Seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 erhielten bis Ende 2006 1.123 hochqualifizierte Ausländer eine Niederlassungserlaubnis nach § 19 AufenthG. Gegenüber 2005 war im Jahr 2006 eine leichte Steigerung bei der Ersteinreise von Hochqualifizierten zu verzeichnen.
– Der seit 1993 anhaltende Rückgang bei Asylantragstellern hat sich weiter fortgesetzt (21 Tsd. Personen im Jahr 2006).
– Nachdem im Jahr 2005 nur zögerlich von der Härtefallregelung Gebrauch gemacht wurde, erhielten im Berichtsjahr 3.021 Personen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG (2005: 454 Personen).
– Der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der Gesamtbevölkerung Deutschlands liegt konstant bei 8,8%. Die größte Ausländergruppe bildet nach wie vor die türkischer Staatsangehöriger (25,6%). Fast gleich viele sind Unionsbürger (24,4%).
– Zwei Drittel der ausländischen Bevölkerung lebt seit zehn oder mehr Jahren, fast 70 % seit acht oder mehr Jahren in Deutschland (letztere erfüllen damit zumindest eine der Einbürgerungsvoraussetzungen).
– Seit Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsrechtes im Jahr 2000 wurden ca. 1 Mio. Personen eingebürgert.

Im Jahr 2006 wurden 50.300 Visa zum Ehegattennachzug erteilt. Ein Jahr zuvor waren es noch 52.300 gewesen. Im Vergleich zum Höchststand von 2002 (85.305 erteilte Visa) läßt sich 2006 ein Rückgang um 41 % feststellen. Im Jahr 2006 übersteigt der Zuzug von Ehegatten zu deutschen Partnern erstmals die Zahl des Zuzugs zu ausländischen Partnern. Dies ist teilweise auf die erfolgte Einbürgerung von Ausländern unter dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht zurückzuführen.
Zwischen 1998 und 2003 schwankte die Zahl der Visa für türkischen Familiennachzug zwischen 21.000 und 27.000. Bis 2006 ist sie auf 11.980 Visa zurückgegangen.

Das sind die Fakten. Nachzulesen im Migrationsbericht auf den Seiten 106-109.

 

Ja, wir sind assimiliert

Zu meinem Text von letzter Woche und zur Zeit-Umfrage schreibt mir ein Leser :

„Es ist unsere ganz eigene Identität, die uns ausmacht. Eben diese, die durch keine andere ersetzbar ist. Vielleicht sind wir „überintegriert“, „deutlich deutsch“. Deutscher als ein Deutscher oder eine Deutsche. Wir tragen den Stolz in uns – fern von jeglicher Vergangenheit. Wir sind nicht belastet. Wir wissen, dass Deutschland in der Vergangenheit Belastungsgrundlagen geschaffen hat, sehen jedoch die Deutschen in der Gegenwart und erleben sie auf human und sozial sehr hohem Niveau. Alle, so wie sie sind. Mit ihren Unterschieden, ihren Dialekten und ihrem Ehrgeiz. Nehmen wir mal die Bayern, sie sind authentisch, sie sind die deutlichsten Deutschen könnte man meinen. Aber ehrlich und direkt muss man auch dazu sagen. Deshalb ist Roland Koch eigentlich ein Bayer, er weiß es nur nicht. Die „Hardliner, die Dinge ansprechen, welche in den Köpfen des Volkes für Unruhe sorgen, brauchen wir genauso, wie die Köpfe, die Deutschland vor allem in der Sozialdemokratie und bei den Grünen präsentiert. Die aktuelle sozialdemokratische Perspektive ist natürlich eine Ausnahme.
Deutschland ist eine perfekte Integrationsbasis. Sie bietet diese Plattform jedem, der Interesse zeigt. Wer das nicht versteht, hat ein Defizit im Erkennen von Möglichkeiten. Und es ist eindeutig: Die Sprache öffnet alle Türen. Sie ist der Schlüssel zum Erfolg. Das kann man wohl weltweit übertragen. Wenn man die Haupttür geöffnet hat, stehen weitere Türen offen. Niemals habe ich in den 40 Jahren Deutschland eine große Benachteiligung erfahren. Die kleinen Dinge, die Schikanen in der beruflichen Ausbildung oder die in der Kindheit erlebten Probleme sind nicht der Rede wert.

Ja, wir sind assimiliert. Wir sind deutsch. Wir können nicht anders. Schon gar nicht in der Türkei. Wir müssten dort Integrationsseminare wahrnehmen, um unser Leben als Türken führen zu können. Nur würde uns das nicht unbedingt zufrieden stellen, denn unsere demokratische Sozialisation hat uns geprägt, und wird uns weiterhin im Denken und Empfinden leiten. Nicht zu unterschätzen sind die sozialen Kontakte. Die Freunde und die Familie. Denkstrukturen, die unisono sind, die die gleiche nonverbale Sprache sprechen. Eigentlich ist alles super. Hoffentlich bleibt es auch so!

 

Seyran Ates über unsere Umfrage

Zitat aus Spiegel Online:

SPIEGEL ONLINE: Eine neue Umfrag der Wochenzeitung „Zeit“ hat ergeben, dass die Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken Angela Merkel misstraut und sie nicht als ihre Kanzlerin empfindet. Wie erklären Sie sich das?

Ates: Dieses Ergebnis erstaunt mich überhaupt nicht – vor 40, 30 oder 20 Jahren wäre genau das gleiche herausgekommen. Es ist Fakt, dass das gegenseitige Misstrauen zwischen den in Deutschland lebenden Türken und der Mehrheitsgesellschaft riesig ist. Es gibt keine Vertrauensbasis, weil man nicht miteinander lebt. Viele hier lebende Türken sehen Deutschland als Gegner, hinzu kommen Kräfte, die den Migranten erschweren, hier anzukommen – wie die Verbände, die türkische Regierung, aber auch türkische Medien.

SPIEGEL ONLINE: Welche Verantwortung trägt die deutsche Regierung für dieses Ergebnis?

Ates: Die deutsche Regierung trägt eine Mitverantwortung, weil sie jahrzehntelang keine Integrationspolitik gemacht hat. Wir diskutieren doch erst seit dem 11. September 2001 über das Thema Islam in Deutschland.

Ein Grundsatztext von Seyran Ates zum Thema kommt in der nächsten ZEIT. Ich konnte ihn leider nicht mehr in unserem Schwerpunkt diese Woche unterbringen.