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Warum Al-Kaida Angst vor Obama hat

Auf der Website von Newsweek schreibt der marokkanische Kollege Achmed Benchemsi, Herausgeber von TelQuel und Nichane, warum Ayman Al-Zawahiri so nervös ist angesichts des kommenden amerikanischen Präsidenten:

Al Qaeda and all its followers badly need to perpetuate Samuel Huntington’s „clash of civilizations“ paradigm. The West and Islam are deadly enemies, in the radicals‘ view. The more irreconcilable the former, the happier the latter. In this regard, the agenda of Bush and the neocons was a true blessing for the terrorists. Consider this: after 9/11 and the U.S. strike on Afghanistan, Al Qaeda was badly hit and its leaders were piteously hiding in caves. Later, by attacking Iraq for no valid reason–which caused, as a direct or indirect consequence, hundreds of thousands of deaths among innocent civilians–Bush’s administration provided Al Qaeda leaders with a new rationale. They reinvigorated, prospered and recruited hundreds, if not thousands, of brand-new adeptsfollowers, infused with a strong willingness for jihad. „War on terror“? If they could, they would just keep it on forever.

Al Qaeda’s true problem with Obama has indeed nothing to do with the color of his skin. By proposing to meet Iran’s Ahmadinejad without preconditions instead of just bombing him out, the American president-elect thinks outside of the confrontation box. The radicals just hate that. And above all, they hate the idea of the United States resuming the chase of Al Qaeda operatives in the mountains of the Pakistan-Afghanistan borders. He’s coming to them, how could they not react fiercely?

There is something else, which I witness everyday in the streets of Casablanca, where I live: Muslims tend to claim Obama as their own—because he’s black, because he comes from an oppressed minority, because his middle name is Hussein. I presume this holds true for all the nonradical Muslims (the vast majority of them) throughout the world. Not that they think Obama is a Muslim himself—he made clear that he was not. Yet he could have been. His father was. Anyway, this man looks like a „brother“ to many Muslims, which is indeed a good thing for the prospect of global peace.

Not surprisingly, Zawahiri’s video message targeted this specific point: „Obama is not a Muslim, he’s a renegade who abandoned his ancestor’s religion to embrace the ‚crusaders faith‘ and the ‚Zionists‘ ideology‘,“ Zawahiri suggests. The genuine message being: please don’t like him!

Well, too bad for them: we do. We will like him more, of course, if he keeps his promise of backing out of Iraq within 16 months and putting the Israeli-Palestinian peace process back on track. Meanwhile, let’s all of us, Muslims and Westerners, take advantage of the honeymoon period. And let’s enjoy the terrorists‘ embarrassment: it’s a rare occasion.

Hier ein Interview mit dem klugen und mutigen Benchemsi (frz), dessen Zeitschriften schon verboten wurden, weil er das Königshaus kritisiert hatte.

Hier sieht man Benchemsi (rechts) beim Betreten des Gerichts in Casablanca. Er mußte sich im letzten Jahr dort verantworten wegen „mangelnden Respekts vor dem Königshaus“.

Achmed Benchemsi  Foto: AFP – Abdelhek Senna

 

Na, das hat er mal davon

Michael Kreutz schreibt im Transatlantic Forum (sehr harsch, für meinen Geschmack):

(…) wer Hoders Newsletter abonniert hatte, weiss, dass Hoder Anhänger von Ahmadi-Nejad war, den er groteskerweise als “neuen Amir Kabir” bezeichnete. Tatsächlich ist der Name des historischen Amir Kabir wie kein zweiter mit der Modernisierung des Iran in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbunden. Man vergleiche dies mit dem Kurs Ahmadinejads, die Universitäten zu islamisieren und personell zu säubern und man sieht, wes Geistes Kind Hoder ist.

(…)

Wie kommt es dann, dass Derakshan verhaftet wurde? Er sollte doch eigentlich vom Regime mit offen Armen empfangen werden. Das kann nur verstehen, wer den Charakter totalitäter Regime zur Kenntnis nimmt. Khomeini, Mao, Stalin – sie alle haben ihre engsten Mitstreiter hinrichten lassen. Sie alle nämlich waren paranoid. Und so ist ihre Paranoia auch dem Staatsapparat der von ihnen gegründeten Regime ins Fundament gegossen.

Die Moral von der Geschicht’: Anschleimen an Diktaturen lohnt sich nicht.

 

Neues zum Fall Hoder

Eine Facebook-Gruppe hat sich zusammengefunden, um Informationen über den verhafteten iranischen Blogger Hossein Derakhshan auszutauschen. Bitte zahlreich beitreten.

Ausserdem hat Abrahm Rabinovitch in der IHT seine Erfahrungen mit Hossein aufgeschrieben, den er bei seinem Israel-Besuch kennengelernt hatte. Rabinovitch, ein Reporter der Jerusalem Post, war überrascht, in Hoder einen jungen Iraner kennenzulernen, der zugleich für die Verständigung mit Israel eintrat – und für einen nuklear bewaffneten Iran:

During his visit to Israel, he spoke of establishing chat rooms in English, where Israelis could correspond with peers in Iran, and of organizing blogs where videos could be shown about each other’s country. It is not known if anything came of these ideas.

Before departing two years ago for Canada, where he had been living since 2000, Derakhshan celebrated his 32nd birthday in what he described as ‚the coolest bar in Tel Aviv‘, where he wore an ‚I love Tehran‘ T-shirt and was able to get a haircut in a side room at 10 p.m. ‚Tel Aviv is a city I could live in,‘ he said. ‚It’s a mix of Middle East and European values and lifestyle. If Iran opens up a bit more and could have public bars, Tehran would beat Tel Aviv.‘

Ausserdem lesenswert ein längerer Text im Blog „Spiegelfechter„, in dem Spekulationen wiedergegben werden, Derakhshans Kritik an Rafsandschani könne mit zu seiner Verhaftung geführt haben. Und das Regime könne eventuell vorhaben, ihn mit „Geständnissen“ über die Exilantenszene propagandistisch auszuschlachten.

Mehr zu dieser Theorie hier bei Brian Whitaker vom Guardian.

 

Der prominenteste iranische Blogger verhaftet

Hossein Derakhshan, genannt Hoder, ist in Teheran verhaftet worden. Man wirft ihm nach einem Bericht der Londoner Times vor, er habe „für Israel“ spioniert. Was das heißt, weiß man: Hochverrat.

Hossein ist ein Freund, mit dem ich mich in den letzten Jahren zwar oft gestritten habe. Er war nach meiner Meinung politisch auf Abwegen. In den letzten Jahren hat er immer mehr die Position des Regimes verteidigt.

Gerade darum kommt die Nachricht von seiner Verhaftung als ein niederschmetternder Schock. Nach Auskunft einer regimenahen Website soll Hossein „zugegeben“ haben, für Israel spioniert zu haben.

Das läßt nur einen Schluß zu: Er ist gefoltert worden. Oder man erpreßt ihn, wie schon andere Unangepaßte in den letzten Jahren, über seine Familie.

2005 habe ich ihn in der ZEIT vorgestellt. Hossein hat das Bloggen im Iran populär gemacht. Er hat das Land verlassen müssen und einige Jahre in Kanada gelebt. Dann war er als globaler Netz-Nomade unterwegs, lebte eine Weile in London und ging vor einigen Wochen in den Iran zurück. Er schrieb in seinem Blog, er sei glücklich, wieder in seiner Heimat zu leben. 

Hossein Derakhshan letztes Jahr in Berlin  Foto: J.Lau

Nun haben ihn die Machthaber verhaften lassen, wie schon so viele kritische Intellektuelle. 

Die grausame Ironie: In den letzten Jahren hatte sich Hossein immer mehr zu einem Verteidiger des Regimes gegen andere kritische Dissidenten und (in seiner Sicht) masslose Angriffe von außen entwickelt.

Es hat ihm nichts genützt. Die Machthaber interessieren sich scheinbar nicht für solche feinen Unterschiede. Sie verhaften alle, die nicht zu kontrollieren und einzuschüchtern sind. 

Und Hossein hat etwas getan, das als die größte Frechheit von allen gilt. 2006 fuhr er für einige Zeit nach Israel, als selbst ernannter Botschafter der Verständigung zwischen den beiden Ländern.

Er wollte den Israelis zeigen, dass nicht alle Iraner (in Wahrheit die wenigsten) von Judenhass getrieben sind. Und er schrieb in seinem iranischen Blog seine Eindrücke aus Israel auf, einem widersprüchlichen, aber alles in allem liebenswerten Land. (Ein Bericht der Jerusalem Post hier.)

Wer das tut, kann offenbar nicht vom Regime kontrolliert werden. Er hatte damit die rote Linie überschritten. Und so haben Hosseins sehr israelkritischen Kommentare aus der letzten Zeit offenbar nichts mehr zu seinem Schutz im Iran beigetragen. Und selbst die Verteidigung des iranischen Rechts auf Atomwaffen (das ja noch nicht einmal das Regime selbst offiziell für sich in Anspruch nimmt) hat ihm keine mildernden Umstände gebracht. 

Auch hat es ihm nichts genutzt, andere Intellektuelle, wie etwa Ramin Jahanbegloo (als der ebenfalls verhaftet worden war unter vorgeschobenen Spionage-Vorwürfen) anzugreifen. Hossein hatte über Ramin gesagt, dessen offenbar erpreßtes Geständnis (er habe für ausländische Kräfte gearbeitet und eine „samtene Revolution“ geplant) müsse man für bare Münze nehmen. Ich habe mich über diese Deutung mit ihm zerstritten. 

Nun ist er selbst in die Mühle gekommen und hat „gestanden“. 

Es ist menschenverachtend und unerträglich, wie der Iran seine besten, freiesten Köpfe zerstört.

Die Bundesregierung und die Europäische Union müssen gegen diesen Terror protestieren.

Keine Gespräche mit Iran, ohne dass dieser Vorgang auf den Tisch kommt.

(Gobal Voices)

(Dank an y.p.)

 

Iran plant Obama-Konferenz

Im Iran ist eine Konferenz zu folgender Frage geplant: „Die Wahl Barack Obamas: Was sie für die iranisch-amerikanischen Beziehungen bedeutet.“ Das berichtet ein iranischer TV-Sender nach Angaben von ABC

Letzte Woche hatte sich der stellvertretende Kommadeur der Revolutionsgarden sinngemäß so zitieren lassen: „Menschen, die die Maske der Freundschaft tragen – in der Absicht zu betrügen – und dabei von der Seite der ‚Gespräche ohne Vorbedingungen‘ kommen, sind gefährlicher.“

Was meine Ahnung bestätigt, dass ein Präsident Obama mit seiner offeneren Haltung tendenziell destabilisierender sein kann für das Regime als ein Falke, der es leicht macht, Amerika weiter als „großen Satan“ zu denunzieren.

 

Iranische Ökonomen gegen Achmadinedschad

Jetzt wird’s eng: 60 iranische Ökonomen haben einen offenen Brief verfasst, in dem sie die Wirtschaftspolitik des Präsidenten kritisieren.

Die LA Times berichtet:

„In a 30-page letter quoted by several newspapers and state-run television and published on the website of the independent Iranian Labor News Agency, the economists say Iran is in dire economic straits and must drastically change course. The letter also says Ahmadinejad’s „tension-creating“ foreign policy has „scared off foreign investment and inflicted heavy damage“ on the economy.

„Meager economic growth, widespread jobless rate, chronic and double-digit inflation, crisis in capital markets, government’s expansionary budget, disturbed interaction with the world, inequity and poverty have combined with the global economic downturn to leave undeniably big impacts on exports and imports,“ the letter says.

Zuvor hatten im Iran allenfalls Schriftsteller oder zivilgesellschaftliche Aktivisten solche Briefe zu schreiben gewagt. Wenn nun Ökonomen das Regime kritisieren, ist das aber womöglich viel wirkungsvoller. Sie können nicht als unverbesserliche Kritikaster oder Regimefeinde abgetan werden.

Achmadinedschad muss sich nächstes Jahr zur Wahl stellen. Mit dem veränderten internationalen Umfeld sieht es zur Zeit nicht gut für ihn aus. Offenbar wirken die Sanktionen doch!

Und übrigens: Iran hat freiere Debatten – trotz allem Grauen des Regimes – als die meisten Petromonarchien in seiner Nachbarschaft.

 

Lau regt sich mal wieder sinnlos auf

Martin Ebbing, Korrespondent in Teheran, kritisiert meine Kritik an Mary Robinsons Kopftuch in Teheran:

Laus Zorn erregt das oben zu sehende Foto von der Konferenz „Religionen in der modernen Welt“, die gestern in Teheran eröffnet wurde. Es handelt sich dabei um eine Dialogreihe, in der politische Größen dieser Welt in recht langweiligen Reden über die Bedeutung von Religionen und ihr Verhältnis zueinander räsonieren. In Teheran sind diesmal u.a. der ehemalige UN Generalsekretär Kofi Annan, der ehemalige italienische Ministerpräsident Romano Prodi, der ehemalige portugiesische Präsident Jorge Sampaio, der ehemalige norwegische Premier Magne Bondevik und die ehemalige irische Präsidentin Mary Robinson dabei.

Zutreffend erwähnt Lau, bei der Veranstaltung gehe es auch darum, dem „Reformer“ Khatami (die Anführungszeichen sind von Lau, der Ahmadinejads Vorgänger eine „Flasche“ nennt) eine „große Bühne zu geben, damit der 2009 vielleicht gegen Ahmadinedschad antreten kann“.

„Kann man machen“, gibt sich Lau gönnerisch, aber auf keinen Fall machen kann man seiner Ansicht nach, was Frau Robinson gemacht hat.

„Tugendterror“ und „Freiheitsberaubung“. Da schäumt die Feder.

Lächerlich erscheint mir eher, dass Lau ausgerechnet Mary Robinson, die bis zum Jahr 2002 UN Hochkommissarin für Menschenrechte war (was Lau nicht erwähnt), „Anbiederei an den Tugendterror“ vorwirft. In diesem Amt hat sie es an Kritik an der Menschenrechtspraxis des Irans nicht missen lassen. Im übrigen war zur selben Zeit Khatami Präsident.

Es sagt einiges, dass trotz dieser damals recht heftigen und öffentlich ausgetragenen Differenzen Frau Robinson bereit ist, einer Einladung nach Teheran zu folgen. Vielleicht ist Khatami doch weniger eine „Flasche“ und mehr ein „Reformer“ als Lau glauben mag.

Ja, was sagen die „jungen Frauen im Iran, die jedes Jahr zu Hunderten verhaftet werden wegen ‚bad hijab‘“ zum Tuch auf dem Kopf von Robinson? Nichts. Sie wissen nur zu genau, dass

a. das Tragen von Kopftüchern im Iran für Frauen aller Konfessionen gesetzlich vorgeschrieben ist

b. Khatami auch als Gastgeber der Konferenz keine Möglichkeit hat, dieses Gesetz aufzuheben

c. Khatami den Hardlinern die Vorlage bieten würde, auf die sie nur gewartet haben, wenn er öffentlich mit einem weiblichen Gast auftreten würde, der kein Kopftuch trägt.

Vielleicht weiß Jörg Lau das nicht und wahrscheinlich ist es ihm auch nicht klar, dass die überwiegende Mehrheit der von den politischen Verhältnissen im Land Frustrierten den Dialog auf jeden Fall einem provozierten Einreiseverbot wegen mangelndem Kopftuchs vorzieht.

Wenig vertraut scheint Lau auch mit der Praxis von IRNA, der staatlichen Nachrichtenagentur, zu sein, aus jeder Äußerung eines westlichen Staatsgastes eine Lobhudelei auf den Iran zu stricken – notfalls auch indem man Sätze aus dem Zusammenhang reißt oder sie in ihr Gegenteil verbiegt.

Ich bin fast geneigt, ein Kopftuch darauf zu wetten, dass Bondevik das nicht gesagt hat, was ihm bei IRNA in den Mund gelegt wird – oder zumindest nicht so.

Eigentlich ist DIE ZEIT doch im Durchschnitt eine ganz manierliche und manchmal auch nachdenkliche Zeitung. Mich geht es ja nichts an, aber irgendwie erscheint mir Jörg Lau da fehl am Platze. (Hier mehr.)

Bei dem letzteren Punkt bin ich zwar dezidiert anderer Meinung. Ich bin auch sehr „manierlich“, und also passe ich auch sehr gut in eine „manierliche“ Zeitung.

Aber vielleicht hat Ebbing ja Recht, und ich habe mich hier an der falschen Stelle aufgeregt.

Ich bin mir allerdings über die Vorschriften im Iran im klaren, und ich kenne auch die Praxis von IRNA. Aber auch Frau Robinson und Herr Bondevik kennt sie, und müßte entsprechend handeln.

Martin Ebbing meint, es lohne sich das Spiel der Mullahs mitzuspielen und man vergebe sich dabei nichts.

Ich habe den Eindruck, dass das so gar nichts bringt. Und dass man sich in der Tat lächerlich macht bei dieser Art Scheindialog. So läuft es nämlich jetzt schon seit ca. 3 Jahrzehnten. Und wo stehen wir? Diese europäische Anbiederei bringt genausowenig wie die totale Kontaktsperre der USA. Wir brauchen einen Neuanfang.

 

Die Selbstaufgabe des Westens im Scheindialog

Abedin Taherkenareh/European Pressphoto Agency

In Teheran haben gestern westliche Politiker an einer Konferenz teilgenommen, die vom ehemaligen Staatspräsidenten Mohammed Khatami veranstaltet wurde. Es ging um „Religionen in der modernen Welt“. Ausserdem darum, dem „Reformer“ Khatami eine große Bühne zu geben, damit der 2009 vielleicht  gegen Achmadinedschad antreten kann. Kann man machen. (Obwohl sich meine Erwartungen an Khatami, diese Flasche, sehr in Grenzen halten.)

Aber was bitte veranlasst die ehemalige irische Präsidentin Mary Robinson, sich dabei mit Kopftuch zu präsentieren? Ist sie konvertiert? Dann wäre das natürlich zu akzeptieren. Nein? Dann halte ich das für eine ziemlich abstoßende Anbiederei an den Tugendterror der Ajatollahs. Was ist das für eine Botschaft für die jungen Frauen im Iran, die jedes Jahr zu Hunderten verhaftet werden wegen „bad hijab“? Weil sie sich kleine Freiheiten herausnehmen gegen die Tugendwächter! Und Frau Robinson gibt sich her zur Rechtfertigung dieser Freiheitsberaubung.

So macht sich Europa lächerlich.

Angela Merkel hat die gesamte arabische Welt bereist, inklusive Saudi-Arabien, ohne ihr Haar zu bedecken. Hat man sie deshalb nicht akzeptiert? Im Gegenteil.

Und hier noch ein Bild von der diplomatischen Initiative der Ex-Staatsmänner und – frauen, das ich bei der iranischen Nachrichtenagentur Irna gefunden habe. Da sieht man Jorge Sampaio, den ehemaligen Präsidenten Portugals und Kjell Magne Bondevik, den ehemaligen Premier Norwegens, neben Sadiq al-Mahdi sitzen, dem ehemaligen Innenminister und Premierminister Sudans und Führer der Umma-Partei. Rechts im Bild der Gastgeber, der Revolutionsführer Khamenei. Herr Bondevik wird bei IRNA mit folgender Äusserung zitiert:

„Bondevik also said that his meeting with the Supreme Leader was a source of honor for him. He referred to growing tension between the West and the world of Islam and said, „The West’s humiliating approaches towards Muslims and presenting a distorted image of Islam were influential in emergence of problems gripping the world.“ He said that dialogue is the best option for removing misunderstandings.“

Unfasslich! In Gegenwart eines korrupten Islamisten und eines totalitären Herrschers, der sein eigenes Volk unterdrückt und Terror gegen Israel finanziert, stellt sich ein norwegischer Christdemokrat hin un macht Kotau! Der Westen erniedrigt die Muslime! Diese beiden Herren erniedrigen die Muslime.

Ein deprimierendes Zeugnis westlicher Selbstaufgabe, die sich als Dialog mißversteht:

 

Spiel, Satz, Sieg: Obama

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Gestern abend war ich auf Einladung der dort wohnenden Studenten im Lowell House, dem schönsten Studentenwohnheim („dorm“) Harvards. Zu etwa 120 sahen wir im überfüllten Junior Commons Room die erste Debatte der beiden Kandidaten. Man sitzt in gemütlichen Ledersesseln in einem holzgetäfelten Raum, der  dem Vorbild des englischen Cambridge nachstrebt. Die Studenten sind eine bunt gemischte Truppe aus all american boys und girls, vielen Asiaten und einer ansehnlichen Zahl Schwarzer.

Cameron Van Peterson, der Tutor im Lowell House, der mich eingeladen hat, ist einer von ihnen.  Die Atmosphäre gleicht einem public viewing bei der Fussball WM. Man isst Pizza und trinkt Ginger Ale dazu (kein Alkohol bei öffentlichen Studentenveranstaltungen).

Nach der Debatte sollte ich eine Einschätzung „aus europäischer Sicht“ abgeben. Na ja.

Mir sind folgende Dinge aufgefallen: McCain wirkte sehr unwohl in seiner Haut. Ständig grinste er angespannt, wenn Obama redete. Während Obama den Senator aus Arizona öfter als „John“ anredete, kam McCain „Barack“ nie über die Lippen. Nicht einmal konnte McCain es über sich bringen, Obama ins Auge zu sehen. Obama wollte sich offenbar als ein Insider darstellen, der mit McCain per Du ist, McCain wollte Obama auf Distanz halten als jemanden, der unerfahren ist, keine Ahnung hat und eigentlich nicht mit ihm auf einem Podium diskutieren sollte.

Immer wieder betonte McCain, Obama „versteht offenbar nicht, dass…“ Für sich selbst nahm er lange Erfahrung in Anspruch („I have a record“). Und zugleich stellte er sich selbst als „Maverick“ dar, als Unangepaßten. Das tut man eigentlich nicht. Das Urteil überläßt man dem Zuschauer. „Ich bin ein Unangepaßter“ – irgendwie peinlich, sowas.

Obama war recht forsch. Sehr viel aggressiver als gegenüber seiner Rivalin Clinton. Er erntete große Lacher in unserem Saal, als er auf McCains Forderun nach „prudence“ (Besonnenheit) konterte: Ja, das sei zweifellos richtig.Aber diese Forderung habe doch einen schrägen Klang, wenn sie von jemandem komme, der Nordkorea mit Auslöschung bedroht und öffentlich ein Lied über die Bombardierung Irans angestimmt habe.

Insgesamt schien mir, daß McCain auf seinem Feld, der Aussenpolitik, nicht den erwarteten Sieg erzielen konnte. Sicher wird er manchen Zuschauer mit seiner Erfahrung beeindruckt haben – er zählte wichtige Entscheidungen auf, an denen er beteiligt war, vo, ersten Golfkrieg über Bosnien, Kosovo und Afghanistan bis zum Irakkrieg.

Aber oft wirkte er eben doch als sehr sehr alter Mann – wenn er etwa Roosevelt über die Invasion in der Normandie zitierte, als wäre er dort auch schon selbst dabei gewesen.

Den Namen des iranischen Präsidenten verhaute er – Ahmadamadinedschad äh Ahmadinedschad. Beim Thema Iran wurde er richtig wach, während er zuvor über die Finanzkrise nur Unfug verbreiten konnte. (Er will die Krise überwinden, indem er die Ausgaben radikal kürzt – für alles ausser das Militär! – und zugleich stimmt er der größten Staatsausgabe aller Zeiten zu, dem 700 Milliarden-Dollar-Paket der Regierung. Die Bush-Regierung, die er selbst als Senator gestützt hat, hat das Land in ein Riesendefizit gewirtschaftet – doch die Finanzkrise an der Wall Street hat mit den Staatsausgaben herzlich wenig zu tun.)

Beim Thema Iran war McCain voll da: Immer wieder beschwor er die Szene herauf, dass Obama sich mit Ahmadinedschad an einen Tisch setzen werde – und damit dessen Position zu Israel aufwerten werde. Obama widersprach – Gespräche ohne Vorausbedingungen seien keine Anerkennung der Gegenposition und „kein Teetrinken“. Aber McCain schlug immer wieder in die gleiche Kerbe.

Man konnte hier eine klare Alternative in der Aussenpolitik sehen: McCain glaubt, er könne eine „Liga der Demokratien“ zusammenbringen, die ausserhalb der UN (und ohne Russen und Chinesen) die westlichen Politikvorstellungen erzwingen könne. (Das Problem ist nur, dass die Länder, die er dabei im Blick hat – Frankreich, Deutschland, Grossbritannien – dies allesamt für eine Schnapsidee halten.)

Obama hat erkannt, dass die Zeit für solche Hegemonieträume vorbei ist und setzt auf Diplomatie selbst gegenüber Schurken. Der alte Weg, den McCain weitergehen möchte, habe gegenüber Iran nichts gebracht, sagt er. Naiv hat er sich dabei nicht gezeigt. Wenn wir direkten Gesprächen eine Chance geben, sagt Obama, und diese scheitern, sind wir in einer sehr viel besseren Position, harte Sanktionen mit allen beteiligten Mächten durchzudrücken, als heute.

Schlauer Weise beruft Obama sich dabei auf Henry Kissinger, der länger schon eben diesem Strategiewechsel das Wort redet. Obama würde nicht sofort selber mit dem Präsidenten Irans am Tisch sitzen, sondern die Aussenminister zunächgs sprechen lassen. McCain konnte nur wütend zischend behaupten, „mein Freund“ Kissinger  sei nicht für Gespräche ohne Vorbedingungen. Stimmt aber nicht. Punkt Obama.

An diesem Punkt dachte ich: Wenn die Aussenpolitik McCains starke Seite ist, dann war das hier ein Desaster.

Obama war sehr stark in puncto Irakkrieg: Während McCain immer wieder betonte, der „surge“ wirke und man werde den Krieg gewinnen, konterte Obama, der „surge“ sei erst nötig geworden, weil man den Krieg jahrelang falsch geführt habe. Und im übrigensei der Irakkrieg selbst  eine „Ablenkung“ von der wahren Front im Kampf gegen den Terrorismus, die in Afghanistan verlaufe. Osama bin Laden ist immer noch auf freiem Fuß, und die Gefahr eines nuklearen Anschlags auf Amerika sei nicht gebannt, weil Pakistan und Afghanistan aus dem Blick geraten seien wegen des unnötigen Kriegs im Iran.

Obama sagte, er werde mehr Truppen (aus Irak) nach Afghanistan schicken, damit dieser vergessene Krieg nicht verloren gehe. Ich halte das für richtig und klug. Und ich weiß, daß unsere Regierung es genau so sieht. Für Merkel wie für Steinmeier, die sich hier absolut einig sind, wäre es großartig, jemanden im Weissen Haus zu haben, der diese Sicht teilt und damit ihre eigene Position zuhause leichter machen würde.

Als ich den Studenten diese europäische Sicht auf das Thema erklärte, fand ich weitgehend Zustimmung. Eine Studentin fragte mich, wie ich mir die Tatsache erkläre, dass Obama in Europa überwältigend vorne liege, während er hier in Amerika immer noch ungefähr gleichauf mit McCain bewertet werde.

Darauf antwortete ich mit einer Episode aus meinem Besuch in Los Angeles vorige Woche, wo ich mit einem sehr netten Republikaner über Obama debattiert hatte. Peter fragte mich, wie ich mir die 200.000 Zuhörer für Obama in Berlin erkläre: „Are they anti-american?“ Ich mußte schlucken, denn Peter meinte das ernst. Nein, gab ich zurück: das sind Leute, die sich das gute Amerika zurückwünschen. Leute, die Amerika lieben und es satt haben, immer wieder Dinge verteidigen zu müssen, die man nicht verteidigen kann. Im übrigen, und das war meine Schlussbemerkung, hat schon Winston Churchill gesagt: „The Americans will always do the right thing. After they’ve exhausted the alternatives.“ Es gab freundlichen Applaus.

Ja, man wird hier derzeit als Europäer sehr nett behandelt. Es gibt eine neue Nachdenklichkeit über das amerikanische Modell – im Zeichen der Finanzkrise, die eine sehr viel tiefere Krise in sich bereithält. Und im Zeichen des Niedergangs der amerikanischen Macht, deren Zeichen nur einer der Kandidaten zu lesen bereit ist. Was nicht bedeuten muß, dass die Leute ihn darum auch wählen werden.

Amerika ist durch die Bush-Regierung innen wie aussen unerhört geschwächt worden. Obamas Versprechen ist, diese Situation zu verstehen (statt sie wie McCain zu leugnen) und das ANSEHEN Amerikas wieder herzustellen. Ich habe den Eindruck, er hat seinen Anspruch darauf glaubhaft machen können. John McCain war ein ehrenhafter Mann, bis er vor seiner Partei in die Knie gegangen ist und auf eine unfaßlich zynische Weise die bisher unfähigste Person seit Bestehen der amerikanischen Demokratie für das Vizepräsidentenamt nominiert hat. (Dan Quayle war ein Gigant dagegen!) Und so etwas von einem Mann, der sich etwas auf seine Erfahrung und Urteilskraft zugute hält!

Mein Eindruck ist: Die Sache ist gelaufen. Obama „knocked the ball out of the ballpark“, wie man hier sagt. Wenn das mal nicht wieder typisch europäisches Wunschdenken ist.