Diese Rede hat die Künstlerin Parastou Forouhar am 12. Dezember in Berlin gehalten – zum Gedenken an ihre vor zehn Jahren im Iran ermordeten Eltern. Dariush und Parvaneh Forouhar waren führende Oppositionelle der national-demokratischen Opposition im Iran. Es wurde später ermittelt, was für die Tochter sofort offensichtlich war: Der iranische Staat steckte hinter den Morden. Bis heute lässt die bekannte Künstlerin nicht nach darin, das Regime zur Verantwortung zu ziehen.
Ich dokumentiere die Rede hier mit freundlicher Genehmigung von Parastou Forouhar.
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„10 Jahre sind nun seit den politischen Morden im Herbst 1998 im Iran vergangen.
Meine Eltern, Dariush und Parvaneh Forouhar, zwei führende oppositionelle Politiker, die seit Jahrzehnten für die Demokratie und die Trennung vom Religion und Staat gekämpft hatten, waren die ersten Opfer dieser Kette von Morden.
Mohammad Mokhtari und Mohammad Djafar Pouyandeh, zwei Mitglieder des Schriftstellerverbandes, Madjid Sharif und Piruz Dawani, politische Aktivisten und der Dichter, Hamid Hadjizadeh, zusammen mit seinem zehnjährigen Sohn, Karoun, waren weitere Opfer dieser politischen Verbrechen.
Die Opfer vom Herbst 1998 waren nicht die ersten in der Reihe der politischen Morde. Bereits Jahre zuvor wurden Dissidenten, die sich aktiv für Meinungsfreiheit eingesetzt hatten, sowohl innerhalb Irans als auch im Ausland, Opfer solcher organisierter staatlicher Gewalttaten.
Diesmal aber reagierte die Öffentlichkeit sehr bestürzt. Tausende demonstrierten, zahlreiche Artikel erschienen, die die Hintergründe zu beleuchten versuchten. Gemeinsam wurde der bislang größte Protest gegen die Verletzung der Menschenrechte in der Geschichte der Islamischen Republik vorangetrieben.
Parvaneh und Dariush Forouhar
Diese wachsende Protestwelle im Iran, aber auch im Ausland, machte es dem Regime unmöglich, seine übliche Taktik der Vertuschung, Manipulation und Unterdrückung von Wahrheiten aufrechtzuerhalten.
Im Januar 1999 gestand der staatliche Geheimdienst in einer offiziellen Erklärung, dass Angehörige des Ministeriums die Morde zu verantworten hatten.
Das zunächst gegebene Versprechen zur Aufklärung seitens der Machthaber im Iran diente aber mehr der Besänftigung der Protestwelle und entpuppte sich im Laufe der Zeit als eine politische Hinhaltestrategie.
Bereits zu Beginn wurden die Ermittlungen der Militärstaatsanwaltschaft übergeben.
Dieser gesetzeswidrige Vorgang ermöglichte es den Verantwortlichen, sämtliche Ermittlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen. Die Proteste gegen diese Geheimhaltung wurden überhört.
Die Ermittlungen dauerten zwei Jahre lang und waren von widersprüchlichen Aussagen der Verantwortlichen gekennzeichnet.
Beispielsweise hat der religiöse Führer der Islamischen Republik zunächst die Geheimdienste Israels und der USA als Drahtzieher benannt. Die reformorientierten Politiker jedoch sahen ihre Rivalen von der fundamentalistischen Fraktion als die Hintermänner dieser Verbrechen.
Während dieser zwei Jahre reiste ich mehrmals in den Iran. Ich habe unzählige Male die für die Ermittlungen zuständigen Beamten aufgesucht aber nie eine zuverlässige Information erhalten. Ich wurde als lästige Person behandelt, die die volle Härte und Arroganz einer Justizbürokratie zu spüren bekam, der nicht daran gelegen war, die Morde aufzuklären.
Der Rechtsweg hat dem Regime nur als Fassade gedient, die eine Aufklärung vortäuschen sollte.
„Freitag“ – Arbeit von © Parastou Forouhar
Im September 2000 wurden die Ermittlungen als abgeschlossen erklärt und für die Anwälte der Angehörigen der Opfer eine zehntägige Frist zur Akteneinsicht anberaumt.
Ich reiste erneut in den Iran, um die mehr als tausend Seiten starke Akte selbst zu lesen. Während dieser Frist haben wir, ich und die Anwälte der Angehörigen, versucht, ausführliche Notizen zu machen, da kopieren nicht erlaubt war.
Fehlende Daten und widersprüchliche Aussagen ließen auf zahlreiche Vertuschungen schließen.
Was die Drahtzieher und die ideologischen und bürokratischen Strukturen, die den Morden zu Grunde lagen, betraf, so war hier nicht ermittelt worden:
Die Beschuldigten sagten aus, dass die Mordbefehle vom amtierenden Informationsminister ausgesprochen worden sei. Dieser blieb aber von den üblichen Vernehmungsmethoden verschont. Die Vernehmungsprotokolle eines Beraters des Ministers, der zeitweilig offiziell als der Hauptbeschuldigte genannt wurde, waren aus der Akte herausgenommen worden. In den übrigen, existierenden und zugänglichen Vernehmungsprotokollen der anderen 18 Beschuldigten, fehlten zahlreiche Seiten.
Die schrecklichen Aussagen der Täter, ein Teil ihres Aufgabenfeldes beim Informationsministerium sei seit Jahren gewesen, systematisch „die physische Vernichtung“ von Oppositionellen durchzuführen, wurden außer Acht gelassen.
Die offensichtlichen Verschleierungsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren stießen bei der Öffentlichkeit auf Unglauben und Protest.
Wir, die Familienangehörigen der Opfer und unsere Anwälte, weigerten uns aufgrund dieser mangelhaften Ermittlungen, an dieser Farce vom Prozess teilzunehmen.
„Schrift Raum“ – Arbeit von © Parastou Forouhar
Der Prozess wurde hinter verschlossenen Türen und in unserer Abwesenheit abgehalten. Von den achtzehn in der Akte genannten Tätern wurden drei Personen, die die Morde ausgeführt hatten, zum Tode verurteilt. Die anderen Beteiligten bekamen unterschiedliche Haftstrafen oder kamen frei.
Das Recht auf die Vollstreckung der Todesstrafe wurde, islamischem Recht folgend, den erstrangigen Familienangehörigen der Opfer zugesprochen und ihnen damit auf perfide Weise auch noch die Verantwortung der Todesstrafe aufgedrückt.
Das Gericht verhielt sich in der Sache so, als seien die Morde aus privaten Beweggründen geschehen. Die den Mordfällen zugrunde liegenden politischen und religiösen Motive blieben unerwähnt. Die Tatsache, dass diese Verbrechen von einem staatlichen Organ geplant und durchgeführt worden waren, wurde außer Acht gelassen.
Wir, die Familienangehörigen, erklärten, dass es uns nicht an persönlicher Rache gelegen ist, sondern an der Aufklärung der politischen Morde. Wir betonten, dass wir uns den politischen Zielen der Ermordeten verbunden fühlen und aus diesem Grund die Todesstrafe ablehnen.
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