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Iran gibt weniger fürs Militär aus als – Schweden!

Ein interessantes Faktum zur „iranischen Gefahr“ von Juan Cole in Salon:

Belief: Iran is a militarized society bristling with dangerous weapons and a growing threat to world peace.

Reality: Iran’s military budget is a little over $6 billion annually. Sweden, Singapore and Greece all have larger military budgets. Moreover, Iran is a country of 70 million, so that its per capita spending on defense is tiny compared to these others, since they are much smaller countries with regard to population. Iran spends less per capita on its military than any other country in the Persian Gulf region with the exception of the United Arab Emirates.

 

Iran: geheime Atomanlage entdeckt

Nach einem Bericht der New York Times wird Obama heute bekannt geben, dass die USA von einer geheimen Anreicherungsanlage in Ghom, 100 Meilen südwestlich von Teheran, wissen.

Die bereits bekannte Anlage in Natans wird seit Jahren regelmäßig inspiziert. Es war aber seit langem vermutet worden, dass Iran eine geheime Anlage betreibe, um unbeaufsichtigt sein nukleares Reservoir zu vergrößern.

Offenbar war den Iranern vor kurzem aufgefallen, dass die Amerikaner Wissen von der Anlage in einem Berg bei der heiligen Stadt Ghom haben (dem theologischen Zentrum des iranischen Schiismus). Darum hat sich die amerikanische Regierung entschlossen, ihr Wissen mit den Verbündeten zu teilen und vor den Gesprächen mit den Iranern am 1. Oktober publik zu machen.

Mit der iranischen Strategie des Ausweichens und Verheimlichens wird es nun nichts. Und es ist auch nicht denkbar, dass bei den ersten direkten Gesprächen zwischen Amerikanern und Iranern um den heissen Brei herum geredet wird.

Ein amerikanischer Regierungsvertreter wird von der NYT zitiert: „Sie haben drei Mal betrogen, und sie sind drei Mal erwischt worden.“

American officials say that they have been tracking the covert project for years, but that Mr. Obama decided to make public the American findings after Iran discovered, in recent weeks, that Western intelligence agencies had breached the secrecy surrounding the project. On Monday, Iran wrote a brief, cryptic letter to the International Atomic Energy Agency, saying that it now had a “pilot plant” under construction, whose existence it had never before revealed.

Mehr hier.

 

Warum wir jetzt gerade mit Iran reden müssen

Bezieungsweise nicht wir, die das immer schon getan haben, sondern die Amerikaner, die in 30 Jahren Diplomatiepause nichts, nichts und wieder nichts dagegen haben tun können, dass Iran zur regionalen Vormacht aufsteigt. Nicht einmal die Unterstützung eines Krieges gegen Iran hat geholfen.

Unterdessen haben die Amerikaner sei drei Jahrzehnten kein direktes Wissen über Iran aus eigenen Kontakten. Alles läuft über Mittelsmänner wie die Europäer und die Schweizer im Besonderen. Geheimdienstinformationen aus Iran sind nahe Null, weil ohne Botschaft auch das Spionage-Geschäft leidet.

Alle Infos über das Nuklearprogramm kommen von Oppostionsgruppen und Überläufern. Und man weiss in den USA eben nicht mehr, wie man mit Iranern überhaupt umgehen soll.

Das wird sich nun bald ändern, nachdem die amerikanische Regierung das Angebot der Iraner angenommen hat, im nächsten Monat  in Gespräche einzusteigen.

Roger Cohen, der während der brutalen Unterdrückung nach den Wahlen im Land war, unterstützt dies mit Bauchschmerzen:

„This is an ugly moment for diplomacy; the clampdown in Iran continues. But then nor were the situations in the Soviet Union or China propitious when breakthroughs were achieved. America must continue to press for the release of political prisoners and respect of human rights in Iran.

In the end, talks are essential because there is no viable alternative. Benjamin Netanyahu, the Israeli prime minister, said recently that “now is the time to start harsh sanctions against Iran.” But Iran is inured to sanctions after years of living with them and knows that its years of cultivating Russia and China (no mention of the plight of Chechen or Uighur Muslims) will pay. Iran is in effect a Russian ally.

I cannot see any deal that will not at some point trade controlled Iranian enrichment on its soil against insistence that Iran accept the vigorous inspections of the I.A.E.A. Additional Protocol and a 24/7 I.A.E.A. presence. The time is approaching for the United States and its allies to abandon “zero enrichment” as a goal — it’s no longer feasible — and concentrate on how to exclude weaponization, cap enrichment and ensure Iran believes the price for breaking any accord will be heavy.“

 

Israel und die iranische Drohung

David Grossman, der große israelische Autor, hat der taz ein Interview gegeben, in dem bemerkenswerte Sätze stehen. Grossman hat einen Sohn bei der israelischen Offensive im Südlibanon 2006 verloren – in einem Krieg also, den er selbst abgelehnt hatte. Sein neuer Roman handelt von einem solchen Verlust.

Aber mich interessiert hier vor allem, wie er die israelische Wahrnehmung des Iran beschreibt.

Etwas wird bald passieren, wenn man die Nachricht dazu nimmt, die ich weiter unter referiere.

Grossman:

Würden Sie zustimmen, dass die Auffassung, Israel sei existenziell bedroht, eher eine rechte ist?

Ich würde zustimmen, dass die Rechte paranoider ist, aber auch in der Linken gibt es längst nicht mehr die Sicherheit, dass Israel existieren wird. Von außen macht Israel den Eindruck, stark zu sein, militant, aggressiv, eine Supermacht. Wer hier lebt, weiß, wie sehr das israelische Lebensgefühl von Verletzbarkeit und Zerbrechlichkeit geprägt ist und von der Bedrohung, in 20 Jahren vielleicht nicht mehr zu existieren. Die Angst, nicht mehr zu sein, ist ein Grundpfeiler der israelischen Erfahrung. Die Angst, dass eine große Katastrophe bevorsteht. Es gibt kein anderes Land auf der Welt, das vom Iran bedroht wird, ausgelöscht zu werden. Gegen uns wurde das Todesurteil verhängt. Und mehr als das: Es gibt kein anderes Land auf der Welt, dem, wenn es einen Fehler macht oder es ein Verbrechen begeht, wie es Israel von Zeit zu Zeit tut, das Existenzrecht abgesprochen wird. Nach der irakischen Invasion in Kuwait, als Saddam Hussein auszog, um Tausende Kurden zu morden, hat niemand gesagt, dass der Irak kein Existenzrecht hat. Nur über Israel wird das gesagt, und das ist unerträglich.

Unterdessen berichtet die New York Times, dass Iran nach Berichten amerikanischer Geheimdienste, die dem Weißen Haus vorliegen, die so genannte „breakout capability“ erreicht habe – also eine solche Menge an Uran angereichert habe, dass es in Kürze eine Bombe bauen könnte.

Zwar sei Iran noch nicht den letzten Schritt gegangen, aber das Land könne womöglich wesentlich früher so weit sein als bisher angenommen – in weniger als vier bis fünf Jahren, die man bisher veranschlagt hatte.

Iran soll große Fortschritte bei der Anreicherung gemacht haben.

Es gibt einen Wettstreit der Deutungen zwischen Israelis und Amerikanern. Israel glaubt nicht an die diplomatische Initiative Obamas.

Bald wird sich zeigen, was sie wert ist. Ende diesen Monats läuft das Ultimatum des amerikanischen Präsidenten aus, der Iran seine „ausgestreckte Hand“ zu Gesprächen gereicht hatte:

Israeli officials say privately that the Obama administration is deluding itself in thinking that diplomacy will persuade Iran to give up its nuclear program. The Obama administration says it believes that Iran is on the defensive — fearful of more crippling sanctions and beset by internal turmoil. But even inside the White House, some officials think Mr. Obama’s diplomatic effort will prove fruitless.

Some administration officials insist Israel is throwing out worst-case possibilities to “shorten the timeline” to an Iranian bomb as a way to put pressure on the Obama administration. But some administration officials acknowledge that Israel’s impatience and hints of military action are useful because they might push Iran into negotiations, with real deadlines.

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Khatami: „Faschistische und totalitäre Methoden“ der Unterdrückung

Damit es nicht untergeht: Der ehemalige iranische Präsident Khatami hat am Sonntag in einer Brandrede gegen die Führung der Islamischen Republik Stellung genommen. Er sprach von „faschistischen und totalitären Methoden“ der Unterdrückung, mit denen die Regierung ihre Gegner abstempeln und mundtot zu machen versucht.

Das ist eine bemerkenswert klare Rede. Khatami macht sich damit sehr angreifbar. Ich finde das sehr mutig.

Und wie um diese Kritik zu bestätigen, ging die Regierung in den folgenden Tagen gegen die Opposition vor. Büros der Organisationen von Mehdi Karrubi und Mir Hussain Mussawi wurden gestürmt, Materialien beschlagnahmt. Menschenrechtsorganisationen werden an der Arbeit gehindert, Beweise über den Mißbauch und die Vergewaltigung von Gefangenen werden von den Behörden einkassiert.

Die New York Times berichtet:

Late Tuesday night, security forces arrested Alireza Hosseini-Beheshti, Mr. Moussavi’s top aide, according to mowjcamp.com, a Web site linked to Mr. Moussavi.

Earlier on Tuesday, as Mr. Karroubi watched, the authorities sealed his office, which had led the effort to document the prison abuses, the semiofficial ILNA news agency reported. Mohammad Davari, the editor of Mr. Karroubi’s Web site, was arrested during the raid, the BBC’s Persian-language Web site reported, and another aide, Morteza Alviri, was arrested at his home.

Also on Tuesday, security forces emptied and sealed the office of the Association for the Defense of Prisoners’ Rights, opposition Web sites reported. The office was founded by a reformist journalist, Emadedin Baghi.

On Monday, the authorities raided an office run by a Moussavi aide that recently said it had confirmed the deaths of 72 protesters. The government has maintained that only 30 people were killed, while some human rights organizations say hundreds may have died.

 

Iran: Verurteilung wegen Kontakt mit Jürgen Habermas?

Es wird immer absurder. Jetzt wird den Oppositionellen vorgeworfen, sich mit Jürgen Habermas getroffen zu haben, der „bürgerlichen Ungehorsam rechtfertige“. (Wenn schon, dann wohl eher „herrschaftsfreie Kommunikation“ – auch kein Lieblingskonzept der Herrschenden im Iran.) Bizarr: Kontakte mit Habermas gehabt zu haben, ist jetzt lebensgefährlich für die iranischen Intellektuellen!
Die deutsche Regierung muss sich hier endlich einschalten und laut und deutlich protestieren.
Dieser jüngste Bericht über das „Geständnis“ des geistigen Mentors der Reformer, Said Hajjarian, hat mich erschreckt: Der nach einem Attentat schwer behinderte Hajjarian distanzierte sich vor dem Teheraner Gericht von seinen politischen Aktivitäten, wie der regierungstreue Sender Press TV triumphierend berichtet.

Said Hajjarian am Dienstag vor dem Teheraner Gericht.
Das Ziel dieser Gerichtsfarce ist offenbar die Vernichtung der Oppositionsbewegung. Für Hajjarian kann es durchaus auch noch mit der leiblichen Vernichtung enden, denn der Staatsanwalt hat die Höchststrafe beantragt. Wenn das Gericht die Selbstbezichtigungen Hajjarians über seine Kontakte mit dem Ausland in Betracht zieht, ist die Todesstrafe denkbar.

Hajjarian bekannte sich schuldig, mit „falschen Analysen“ der Wahl den Aufstand mit verursacht zu haben. Er distanzierte sich von seiner Partei, der Mosharekat (Islamische Partizipationsfront), der wichtigsten Reformpartei, die auch seinerzeit Präsident Khatami gestützt hatte.
Nun wird ihm nach einem Bericht von Press TV auch noch vorgeworfen, mit dem britischen Geheimdienst kooperiert zu haben – über den britischen politischen Theoretiker John Keane.

Warum Hajjarian so eine Schlüsselfigur für die reformerischen Opposition im Iran ist, lässt sich hier und hier nachlesen.

Hier gibt es weitere Fotos von dem schändlichen Prozess.

 

Proteste vor dem Evin-Gefängnis

Dieses Video entstand am letzten Samstag vor dem Evin-Gefängnis in Teheran, in dem viele Oppositionelle gefangen gehalten werden:

 

Karrubi veröffentlicht Bericht über Vergewaltigung von Gefangenen im Iran

Nach einem Bericht der New York Times gibt der Oppositionelle Mehdi Karrubi nicht auf. Er hat den Bericht eines in der Haft Vergewaltigten veröffentlicht, der scharfe Vorwürfe gegen die Behörden erhebt. Diese Veröffentlichung ist ein Akt der Insubordination, der womöglich noch Folgen für Karrubi haben wird. (Der Parlamentssprecher Laridschani hatte versprochen, die Anschuldigungen zu untersuchen, hat sie aber mittlerweile für unbegründet erklärt – ein klares Zeichen, dass hier ein rote Linie des Systems verläuft.) Erste Ayatollahs rufen bereits zu Karrubis und Mussawis Verhaftung auf.
In dem Bericht des Inhaftierten heißt es:

“I was in prison, I was blindfolded and my hands were tied,” the young man told Mr. Karroubi. “I was beaten nearly to death, and worse than all of that, they did something to me which even unbelievers and idol worshipers would denounce.”

In his statement to Mr. Karroubi, the young man who said he was raped said that in his case, his questioners suggested he was to blame, even asking if he enjoyed the attack. Then they threatened him.
“While we were waiting, the officer told me he didn’t think anyone was capable of such an act and accused me of lying,” the man said. “He asked me if I realized the kind of trouble I would get into if I couldn’t prove the charges.”

Ich fürchte, es ist eine Frage der Zeit, bis Karrubi selber im Gefängnis landen wird.

 

Iran: Haft macht schlank

Kein Witz. Ein Presseberater des iranischen Präsidenten hat die Sorge von Menschenrechtlern über den Zustand der inhaftierten Oppositionellen folgerndermassen kommentiert: Ein Gefängnisaufenthalt sei vielleicht eine gute Gelegenheit, überflüssisges Körperfett abzubauen.

Der Kommentar bezieht sich auf Ali Abtahi, den „bloggenden Mullah“, eine der prominentesten Figuren der Opposition um Mehdi Karrubi.

Mohammed Ali Abtahi vor der Verhaftung und beim Schauprozess. Fotos: Press TV

Es war offensichtlich, dass Abtahi in der Gefangenschaft erheblich an Gewicht verloren hatte. Bei dem Schauprozess hatte er ein „Geständnis“ abgelegt, das vielen Beobachtern als wahrscheinlich erpresst gilt:

Following the televised trial, photos of Abtahi circulated the media with human rights activists and opposition figures questioning the credibility of the confessions made by Abtahi who had lost visible weight.

In an interview on Saturday, President Ahmadinejad’s advisor explained why the Reformist figure looked so frail during his appearance at court in Tehran.

„It is only natural for a person who has gained an excessive amount of weight to come to his senses in prison that being overweight is not good for your mental of physical health,“ Javanfekr reasoned.

„Maybe Mr. Abtahi has seized this opportunity and made an effort to lose weight,“ he was quoted as saying by Tabnak.

Die Evin-Schlankheitskur!

Spott und Hohn den Opfern gegenüber – der Zynismus des Regimes nimmt immer mehr Züge an, die an die totalitären Regime des letzten Jahrhunderts erinnern.