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Schauprozess im Iran – ein Bilderrätsel

Mohammed Ali Abtahi, der ehemalige Vizepräsident Irans unter Khatami und bekannt als der „bloggende Mullah“, vor dem Teheraner Revolutionsgericht am Montag. Dort wird gegen die führenden Figuren des Aufstands nach den Wahlen vom 12. Juni verhandelt. Man erkennt sie an der demütigenden Häftlingskleidung, die an Schlafanzüge erinnert.

Mich erinnert diese Szene allerdings fatal an die Ikonografie früherer Schauprozesse – wie etwa im Stalinismus und Nationalsozialismus.

Diesen Angeklagten während der Moskauer Schauprozesse der 30er Jahre wurde vorgeworfen, den Kapitalismus einführen zu wollen und darum den Sozialismus stürzen zu wollen.

Vor dem Volksgerichtshof wurden 1944 Mitglieder des Widerstands gegen Hitler abgeurteilt, hier Adolf Reichwein.

p.s. Was Abtahi im Gericht „beichtete“, berichtet Juan Cole auf seiner Website: Abtahi said after the 12 June presidential election, the reformists tried to insinuate the „illusion“ that there was a „fraud“ in the election. Abtahi said that it is impossible to have „fraud“ when there was an 11 million difference between the votes cast for Mir Hoseyn Musavi and that of Mahmud Ahmadinezhad. He said that spreading such ideas showed that some reformist leaders do not know society very well. Abtahi quoted the late Ayatollah Khomeyni saying that preservation of the system is the most important issue for all political groups. He added that thanks to the „strong position“ of the supreme leader, the damage caused by „the elite’s mistakes“ were compensated. Abtahi said that it was better for Musavi to send a congratulatory message to President Ahmadinezhad when he realized that the incumbent president had won the election by a difference of 13 million votes. He added that the political elites made a „big mistake“ by saying that the election was „rigged.“ Abtahi said that from a certain moment onward, the fraud became a „password for riots“ in Iran and criticized Mir Hoseyn Musavi for believing in such „illusions.“

Asked if his current position was under the effect of his imprisonment, Abtahi said the situation in the prison helped him to reach a conclusion about the recent incidents. Abtahi said he had no problems and concerns in the prison and praised his „courteous and polite interrogators.“ He added that his friends who have not been arrested yet share the same idea. He concluded, however they „have not the courage to express the same ideas.“

 

Steinmeiers letzte Nahostreise

Von Sonntag bis Dienstag war ich mit dem Aussenminister unterwegs in Israel, Syrien und Libanon. Ich will keinen Reisebericht schreiben, sondern werde mir die Eindrücke aufheben für ein späteres Stück. Darum habe ich mich für eine Bildergeschichte entschieden, um der lieben Blog-Gemeinde meine vorläufigen Impressionen mitzuteilen. Es ist Steinmeiers 14. Nahostreise, und womöglich seine letzte.

Am Montagmorgen, gleich nach dem Besuch beim israelischen Präsidenten Peres, geht Steinmeier nach Yad Vashem, um der Opfer des Holocaust zu gedenken. Ins Kondolenzbuch schreibt er den trockenen und doch eben drum auch angemessenen Satz: Das Gedenken an die Schoah führt uns nach Israel. Die Gedenkfeier ist streng ritualisiert – Kranzablage, Entzünden der Gedenkflamme, Schweigeminute, fertig. Sie hat auch die Funktion, eine Quelle der Legitimität des Staates Israel zu bekräftigen – das „Nie wieder“.

Unmittelbar nach dem Gedenkakt läßt sich Steinmeier auf den Mount Scopus fahren, von wo aus man Siedlungsaktivitäten in den Blick nehmen kann. Sein  Nahostspezialist, Botschafter Andreas Michaelis, erklärt ihm anhand von Karten, wie die Siedlungen das Westjordanland zerschneiden. Natürlich ist das eine politische Geste vor dem folgenden Besuch bei Benjamin Netanjahu in der Knesset: Dass wir uns ohne Einschränkung zur Legitimität des Staates Israel bekennen, heisst eben nicht (mehr), dass wir die Siedlungspolitik hinnehmen. So ein Zeichen zu setzen hat sich die Bundesregierung bisher nicht getraut.

Bei Netanjahu und – später am Tag – Lieberman geht es sehr frostig zu. Steinmeier nutzt jede Gelegenheit, um die Worte „Zweistaatenlösung“ und „Siedlungspolitik“ zu sagen. Er ist gekommen, um dafür zu werben, dass man die neue Nahostpolitik Obamas als Chance begreifen möge. In Israel wird in diesen Tagen über einen Militärschlag gegen Iran spekuliert. Hat der amerikanische Vizepräsident Biden mit seinen Äusserungen vom Sonntag dafür grünes Licht gegeben? Oder hat er eigentlich sagen wollen: Wenn ihr (Israel) das macht, seid ihr auf euch allein gestellt? Über Lieberman schreiben die israelischen Zeitungen, er sei als Aussenminister irrelevant: Barak verhandelt als Verteidigungsminister mit Mitchell über die Siedlungen, Netanjahu ist fürs Verhältnis mit Amerika zuständig, und die Araber wollen mit Lieberman nicht reden, weil er einen Wahlkampf mit rassistischen Untertönen gegen sie gemacht hat. Lieberman will unbedingt eine Pressekonferenz mit Steinmeier, um endlich wieder einmal mit einem anderen Aussenminister ins Bild zu kommen. Israel, scheint mir, ist in einem Zustand äusserster Verwirrung: Unter Druck durch seine Freunde, und dies in einem Moment, in dem die iranische Gefahr die öffentliche Debatte bestimmt – und dann auch noch regiert von einer Koalition der Angst und des Kleinmuts. Schlechte Voraussetzungen für den Wandel, den Steinmeier predigt.

In der Jerusalemer Altstadt verkaufen (siehe Fotos oben und unten) arabische Händler diese T-Shirts mit zionistischen Spassbotschaften. Verrückte Stadt.

Man kann nicht direkt von Israel nach Syrien fliegen, nicht einmal mit einer Regierungsmaschine, weil zwischen beiden Ländern seit 1973 der Kriegszustand herrscht. Dabei wäre es von Jerusalem nach Damaskus nur ein paar Stunden Autofahrt. Also muss auch der deutsche Aussenminister eine Schleife über Zypern fliegen, um dann den syrischen Luftraum anzusteuern. Beim Anflug auf Damaskus erwische ich mich beim Suchen nach Bombenkratern in der syrischen Wüste (Foto unten). Aber natürlich werden die Geheimdienste dafür gesorgt haben, dass man nicht mehr sieht, wo die Israelis das syrische Atomprogramm beendet haben.

Der Präsident grüßt allenthalben in Damaskus, so auch hier auf dem Hausberg der Stadt, dem 1200 Meter hohen Kassioun. Aber es heißt, ihm gefalle der Personenkult nicht, und darum habe er die meisten Plakate in der Stadt abmontieren lassen.

Hier residiert nicht Dr. No, sondern Präsident Assad. In dem monumentalen Palast empfängt er seine (wenigen, aber es werden mehr) Gäste. Seine Wohnung liegt allerdings mitten in der Stadt, in einem besseren Viertel.

Das syrische Aussenministerium ist von erstaunlicher Schäbigkeit. Nicht mehr als ein umgebautes Apartmenthaus im Diplomatenviertel der Stadt. Seit den siebziger Jahren ist hier nicht mehr renoviert worden. Auf dem Foto ist das Foyer zu sehen, in dem Steinmeier seine Pressekonferenz mit dem Aussenminister Muallim abhalten wird. In dem Warteraum, in dem wir Journalisten auf die Minister warten, steht die „Great Soviet Encyclopedia“ in den Regalen, staubbeladen.

Schärfer könnte der Kontrast nicht ausfallen als zu dem Palast der Familie Hariri in Beirut, wo Steinmeier den designierten Ministerpräsidenten trifft, Saad Hariri, Sohn des (vermutlich von syrischer Hand) ermordeten Rafik Hariri. Ein wunderschöner Stadtpalast, mitten im mediterranen Gewimmel Beiruts, bewacht von Dutzenden schwer bewaffneter Männer. Der junge Hariri will einen nationalen Versöhnungsprozess beginnen. Seine Wahl ist erst möglich geworden durch die Nichteinmischung der Syrer, die den Libanon offenbar langsam aufzugeben bereit sind. Die Belohnung dafür ist das Nachlassen der diplomatischen Isolation. Steinmeier hat diese Politik schon früh forciert, als sie noch sehr unpopulär war. Jetzt erweist sie sich auch als klug, weil Syrien damit aus der iranischen Umklammerung geholt werden kann – und der Iran somit weiter isoliert.

Allerdings hat das Setting im Hariri-Palast etwas von „Der Pate 2“. Überall hängen die Bilder des ermordeten Vaters, und der Sohn füllt nun seine Fußstapfen aus. Wird er sich mit dem Oberhaupt der anderen großen Familie vertragen, die seinen Vater hat ermorden lassen (siehen oben)? Der junge Hariri macht den Eindruck, die Dinge anders angehen zu wollen. Aber kann er der Clanpolitik entkommen?

Alle Fotos: Jörg Lau

 

Iraner protestieren weiter

Welcher Mut: Trotz der ankündigung des Regimes, die Proteste mit aller Härte niederzuschlagen, waren wieder Tausende Iraner in Teheran auf den Strassen:

 

Marjane Satrapi: Nicht ist mehr wie es war im Iran!

Die großartige iranische Zeichnerin und Filmemacherin Marjane Satrapi lebt nun schon seit mehr als 10 Jahren im Exil. In der New York Times hat sie aufgeschrieben, was die Demonstrationen der Opposition in ihr auslösten. (Unten ein Trailer für ihren Film „Persepolis“ – über das Aufwachsen mit der Revolution – und gegen die Revolution – muss man gesehen haben!)

The question much of the media asked before the election was: “Are Iranians ready for democracy?”

“YES!” came the answer, loud and oh, so clear.

With a voter turnout of 85 percent, they started to dream that change was possible.

They started to believe “Yes they can,” too.

It’s likely needless to remind you that this was not the first time Iranians showed how much they love freedom. Look only at the 20th century: They launched the Constitutional Revolution of 1906 (the first in Asia); nationalized the oil industry in 1951 (the first Middle Eastern country to do so); mounted the revolution of 1979; and engineered the student revolt of 1999. Which brings us to now, and that deafening cry for democracy.

Almost 20 years ago, when I started studying art in Tehran, the very idea of “politics” was so frightening that we didn’t even dare think about it. To talk about it? Beyond belief!

To demonstrate in the streets against the president? Surreal!

Criticize the supreme leader? Apocalyptic!

Shouting “Down with Khamenei”? Death!

Death, torture and prison are part of daily life for the youth of Iran. They are not like us, my friends and I at their age; they are not scared. They are not what we were.

They hold hands and scream: “Don’t be afraid! Don’t be afraid! We are together!”

They understand that no one will give them their rights; they must go get them.

They understand that unlike the generation before them — my generation, for whom the dream was to leave Iran — the real dream is not to leave Iran but to fight for it, to free it, to love it and to reconstruct it.

They hold hands and scream: “We will fight! We will die! But we won’t be humiliated!”

They went out knowing that going to each demonstration meant signing their death warrants.

Today I read somewhere that “the velvet revolution” of Iran became the “velvet coup,” with a little note of irony, but let me tell you something: This generation, with its hopes, dreams, anger and revolt, has forever changed the course of history. Nothing is going to be the same.

From now on, nobody will judge Iranians by their so-called elected president.

From now on, Iranians are fearless. They have regained their self-confidence.

Despite all the dangers they said NO!

And I’m convinced this is just the beginning.

From now on, I will always say: Once you leave your homeland, you can live anywhere. But I refuse to only die in Iran. I will one day live in Iran…or else my life will have had no meaning.

 

Zakaria: Wie weiter mit Iran

Zum Glück gibt es nicht nur Stimmen wie John Bolton in der amerikanischen Debatte über unser weiteres Vorgehen gegenüber dem Iran – sondern auch noch Commonsense, wie abermals Fareed Zakaria demonstriert. Er antwortet implizit auf Boltons Forderung, Iran jetzt zu bombardieren:

CNN: What is the likely outcome of events in Iran?

Fareed Zakaria: The situation is fluid. The challenger, Mir Hossein Moussavi, and the former president, Khatami, are still criticizing the government for stealing the election.

That is an extraordinary level of dissent at the highest levels of the establishment. But the most likely outcome remains that for now, the regime will be able to reassert order.

But it has become a naked dictatorship, losing the facade of the Islamic and democratic political ideals that are important to it.

CNN: But the nuclear program continues?

Zakaria: Exactly. We still have a problem with Iran, and we have to have a strategy in dealing with it. The nuclear program continues to grow, and refusing to negotiate will not do anything to stop it.

On the other hand, it seems wrong to pretend that nothing has happened in Iran. And it also disregards the reality of a divided leadership.

CNN: So, what to do?

Zakaria: I would say do nothing. Inaction can be a strategy. The five major powers on the U.N. Security Council (plus Germany) have given Iran a very generous offer to restart the nuclear negotiations. It has not responded. So, the ball is in its court.

Until it does, the West should build support for tougher sanctions and more isolation. Until we hear from Tehran, there is no reason for the United States or the others to get engaged.

CNN: Is this from a position of weakness, because the West has so few options?

Zakaria: Not really, because while it might seem like the West has few options, in reality, Iran has fewer. Its economy is doing badly, the regime is facing its greatest challenge since its founding, and its proxies in Lebanon, Iraq and elsewhere are all faring worse than it had expected. Let the supreme leader and President Ahmadinejad figure out what they should do first. Time might not be on their side.

CNN: What about a military strike?

Zakaria: It would be bizarre to bomb Iran– which means bombing Iranians — now that we have seen the inside of that country. Moussavi and his supporters want a less confrontational approach to the world. So do many members of the establishment.

Moussavi attacked Ahmadinejad repeatedly for his aggressive foreign policy. So we now know the answer to the question, „Are there moderates in Iran?“ Yes, millions of them.

 

Eine super Gelegenheit, Iran zu bombardieren

Hat John R. Bolton entdeckt, ehemals eine hohe Figur im republikanischen Siherheitsestablishment und schließlich UN-Botschafter George W. Bushs.

Seit Jahren ist Bolton – ein Erz-Falke – unterwegs, um für einen Krieg gegen Iran zu werben, wie ich persönlich bezeugen kann.

Anders als manche Kommentatoren, die das neue Gesicht Irans – durch die lebendige Zivilgesellschaft, die dem Wahlbetrug tapfer entgegenhielt – für einen Grund halten, eine militärische Option auszuschliessen, will Bolton jetzt erst recht Bomben fallen sehen.

Und zwar sollen die Israelis es machen (da auf Obama offenbar nicht zu setzen ist):

Time is too short, and sanctions failed long ago.

Only those most theologically committed to negotiation still believe Iran will fully renounce its nuclear program. Unfortunately, the Obama administration has a „Plan B,“ which would allow Iran to have a „peaceful“ civil nuclear power program while publicly „renouncing“ the objective of nuclear weapons. Obama would define such an outcome as „success,“ even though in reality it would hardly be different from what Iran is doing and saying now. A „peaceful“ uranium enrichment program, „peaceful“ reactors such as Bushehr and „peaceful“ heavy-water projects like that under construction at Arak leave Iran with an enormous breakout capability to produce nuclear weapons in very short order. And anyone who believes the Revolutionary Guard Corps will abandon its weaponization and ballistic missile programs probably believes that there was no fraud in Iran’s June 12 election. See „huge credibility gap,“ supra.

In short, the stolen election and its tumultuous aftermath have dramatically highlighted the strategic and tactical flaws in Obama’s game plan. With regime change off the table for the coming critical period in Iran’s nuclear program, Israel’s decision on using force is both easier and more urgent. Since there is no likelihood that diplomacy will start or finish in time, or even progress far enough to make any real difference, there is no point waiting for negotiations to play out. In fact, given the near certainty of Obama changing his definition of „success,“ negotiations represent an even more dangerous trap for Israel.

Bolton hat schon zwei Kriege bekommen in seiner aktiven Laufbahn unter George W.

Aber genug ist nicht genug.

Warum glaubt Bolton, jetzt könne man dem iranischen Volk besser klarmachen, dass ein Schlag gegen das Atomprogramm nicht gegen die Bevölkerung, sondern gegen das Regime gerichtet sei?

Significantly, the uprising in Iran also makes it more likely that an effective public diplomacy campaign could be waged in the country to explain to Iranians that such an attack is directed against the regime, not against the Iranian people. This was always true, but it has become even more important to make this case emphatically, when the gulf between the Islamic revolution of 1979 and the citizens of Iran has never been clearer or wider.

Das ist eine absurde Fehleinschätzung der Folgen eines Militärschlages: Der Graben zwischen Regime und Volk würde sich sofort wieder schliessen, wenn ein Angriff stattfände. Denn selbst die Kritiker des Regimes unterstützen den ursprünglichen Impuls der Revolution: Unabhängigkeit und Souveränität des iranischen Volkes. Auch die Gegner des Atomprogramms sind gegen einen Krieg um seinetwillen.

 

Joschka Fischers langes Rohr

Ein Kommentar aus der ZEIT von morgen:

Joschka Fischer kümmert sich jetzt auch um eine Pipeline. Und sie ist sogar bedeutend länger als die seines früheren Chefs: Das »Nabucco«-Rohr soll Gas vom Kaspischen Meer bis nach Österreich führen – über 3300 Kilometer. Gerhard Schröders »Nord Stream«, die russisches Gas über die Ostsee nach Greifswald bringen wird, ist nur 1200 Kilometer lang. Der alte rotgrüne Knatsch darum, wer von beiden »Koch und Kellner« sei, geht in die nächste Runde – und zwar volles Rohr.
Schon erstaunlich, wie viele Wege aus dem rotgrünen Kabinett in die Energiewirtschaft führen: Schon die Minister Müller und Clement machten in Kohle und Atom, und Kanzler Schröder in Gas. Und nun eben Joschka Fischer: Anders als Gerhard Schröder, der übergangslos vom deutschen Regierungschef zum Interessenvertreter Gasproms mutierte, hat er drei Jahre Schamfrist verstreichen lassen. Und er wird immerhin nicht unter Verdacht stehen, als Einflussagent einer fremden Regierung arbeiten.
Der Ex-Außenminister wird Berater für das große Zukunftsprojekt der europäischen Energieversorgung: »Nabucco« soll zentralasiatisches Gas über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Europa bringen. Die Kanzlerin, wird gemunkelt, hat Fischers neuen Job abgesegnet, im Zeichen schwarz-grüner Harmonie. Das Nabucco-Projekt soll Europa aus der russischen Energie-Umklammerung befreien. (Und die Russen arbeiten, wo immer sie können, dagegen an.) Die Assoziation an den Gefangenenchor aus Verdis Oper, der über die babylonische Gefangenschaft klagt, ist Absicht. Während der Ex-Bundeskanzler mit der Unterwasser-Röhre den westeuropäischen Markt immer fester an Russland bindet, wird sein Ex-Vizekanzler nun daran arbeiten, Russlands Marktdominanz im wahrsten Wortsinn zu untergraben.
Fischers Mission hat geopolitische Tücken. Das wichtigste Transitland für Nabucco ist die Türkei. Und dort betrachtet man die Pipeline als Mittel, den EU-Beitritt zu beschleunigen. Joschka Fischer war als Aussenminister schon Befürworter dieses Beitritts. Nun aber hat er einen guten Grund mehr, dafür zu trommeln. Dass er es sich ansehnlich (»sechsstellig«) bezahlen läßt, hat einen faden Beigeschmack.

Der eigentliche Haken aber liegt hier: Iran hat nach Rußland die zweitgrößten Gasreserven. So richtig rentabel kann Nabucco auf Dauer nur sein, wenn dereinst nicht nur turkmenisches und aserbaidschanisches, sondern iranisches Gas durch sie fließt. Iran als Lösung unserer Energieprobleme? Nach den brutalen Szenen der letzten Wochen ist das ein schwer erträglicher Gedanke. Herr Fischer, übernehmen Sie.

 

Iran: Der Weg zum islamischen Faschismus

Gary Sick, der amerikanische Präsidentenberater für iranische Angelegenheiten unter Ford, Carter und Reagan, sieht es so: Im Iran hat die Machtergreifung der Revolutionsgarden stattgefunden. Alles hier lesen:

Needless to say, it also provides tangible benefits to very specific groups: the leader himself, who is thus promoted to a position not simply as first among equals but as the equivalent of an absolute monarch; the top leadership of the Revolutionary Guards, whose profitable dominance of all aspects of the government’s operations is guaranteed; and the conservative, politically minded clergy, who want a true theocracy with no meddling by those who are not properly anointed. The objective, quite simply, was to remove the “republic” from the Islamic republic.

This is a formula for the kind of militarized and nationalist corporate state under a single controlling ideology that is not dissimilar to fascist rule in an earlier day. Like fascism, it defines itself not only in terms of its own objectives but even moreso by what it opposes: liberalism, individualism, unfettered capitalism, etc. There is no need to push the definition too far, since fascism tended to be specific to a particular time and set of historical circumstances. But the resemblance in nature and practice seems to justify use of the term.

Regardless of what one calls it, this perspective helps to illuminate some puzzling aspects of the current circumstances. Why did the regime resort to such a frantic manipulation of the vote when it was entirely possible that Ahmadinejad would have made a respectable showing—or possibly even have narrowly won—a fair election, and when the opposition in any event was devoted to the concept of the Islamic republic as it existed? The answer may be that the corporate entity saw this election as one of the final steps in cementing its absolute control. Accepting the Islamic republic as it is and not as they wanted it to be was simply unacceptable. The emergence of a relatively mild reformer—or even a substantial reformist vote—would undercut the kind of absolute authority that they were getting ready to assert. It would, in a word, complicate the coup that they were in the process of carrying out.

Why have they taken such drastic and brutal action against their own people and why have they been so determined to blame everything on outsiders? Because any hint of compromise or doubt would have suggested that their level of support among the Iranian people was far short of their own self-defined (and largely self-delusional) pretenses of absolute popular support for absolute theocratic corporate rule.

 

Der Protest im Iran geht weiter

Eine Szene von gestern bei der Ghoba Moschee in Teheran, wo eine Trauerfeier für die Opfer der Unruhen abgehalten wurde (zu der Mussawi aufgerufen hatte, aber nicht selber erschien). Die Menge ruft „Oh Hussein. Mir Hussein.“ Ersteres bezieht sich auf den schiitischen Märtyrer Hussein, den Enkel des Propheten. Zweites auf den unterlegenen Kandidaten Mir Hussein Mussawi.

 

Teheran: Brutalität geht weiter

Immer noch werden Demonstranten von bewaffneten und behelmten Milizen malträtiert. Aufnahmen angeblich von gestern (Datum nicht prüfbar):