Ayman Mazyek, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, geht in seinem aktuellen „Islamischen Wort“ beim SWR gegen das „muslimische Fehldenken“ der Dschihadisten an:
Es ist höchste Zeit zur muslimischen Selbstkritik, die einen wunden Punkt der derzeitigen muslimischen Geisteswelt ansprechen muss. Der sogenannte islamistische Terror etwa eines Osama bin Laden ist nicht zuletzt das Produkt muslimischen Fehldenkens. Ein Denken, das nihilistische und totalitäre Züge aufweist, die in dieser Größenordnung bisher in der islamischen Welt beispiellos sind. Der Prophet – Friede sei auf ihm – hat selbst in den bedrängtesten Momenten, als die schiere Existenz seiner Gemeinde auf dem Spiel stand, kein Kamikaze- und kein Himmelfahrtskommando angeordnet.
Ayman MazyekDer Irrglaube, über terroristische Aktivitäten und die Pervertierung der eigenen religiösen Grundsätze Veränderungen herbeiführen zu können, trägt gegenwärtig leider maßgeblich zum Erscheinungsbild des Islams bei. Dabei wird bedauerlicherweise zumeist übersehen, dass die überwältigende Mehrheit der Muslime sich damit keineswegs identifiziert, sondern vielmehr Abscheu und Ekel davor empfindet.
Unser Prophet hat eindringlich vor solchen Leuten in den eigenen Reihen gewarnt, in dem er sagte: „Nein der Übertreibung in der Religion“, ( Gesammelte Hadithe, „Riyadh as-Salihin“) und er wiederholte dies dreimal hintereinander. Das arabische Wort für Übertreibung „Assabiye“, heisst auch soviel wie fanatisch, Übertreiber in der Religion.
Die Botschaft des Islams lautet heute wie früher: Nicht über die Macht, sondern über die Moral! Mit einem guten Charakter und der Hingabe an Gott sind die wahren Erfolge im Diesseits und bei Gott zu erzielen.
Doch wir scheinen geradewegs auf einen „Jakobiner-Islam“ zuzusteuern, zu dem offenbar auch manche Muslime eine gewisse Affinität entwickelt haben. Damals, nach der Französischen Revolution, errichtete Robespierre eine alleine auf Macht gegründete Schreckensherrschaft. Später versuchte er dann, das große Köpferollen nachträglich moralisch zu legitimieren. So ähnlich gebärden sich auch die Terroristen mit ihrem „Guillotinen-Islam“. Sie morden und ziehen den Islam mit ihren schändlichen Taten in den Schmutz. Alle Versuche, ihr unmoralisches Vorgehen mit islamischen Grundsätzen zu rechtfertigen, sind verwerflich und zum Scheitern verurteilt.
Solange einzelne Muslime meinen, mit allen menschlichen und zivilisatorischen Konventionen, ja mit den Geboten des Islams selbst brechen zu können, um blind zuzuschlagen, haben wir ein beträchtliches innerislamisches Problem. Die Attentäter von Glasgow kamen – so schmerzlich es für Muslime auch klingen mag – aus den Reihen der dortigen Gemeinde und waren bekannt.
Die Selbstmordattentate vor der Roten Moschee in Islamabad und die zahllosen Selbstmordanschläge im Irak sind weitere traurige Belege einer krassen Fehlentwicklung. Wir Muslime dürfen davor nicht einfach die Augen verschließen. Wir dürfen uns aus falsch verstandener Brüderlichkeit nicht scheuen, die Dinge beim Namen zu nennen. Ob das im „fernen“ England der Fall ist oder ob es die „Kofferbomber“ hierzulande sind.
Couragiert ist der, der jenen Schreibtischtätern, Halbgelehrten und sonstigen Anstiftern ein lautes Nein entgegenhält. Denn diese Leute versuchen, die vielen ungerecht behandelten, gefolterten und getöteten Muslime in der Welt für ihre finsteren Zwecke zu instrumentalisieren. Sie verweisen zwar richtigerweise auf das Unrecht, welches diesen Menschen tagtäglich zugefügt wird, aber sie stiften ihrerseits dazu an, im Namen des Islams unschuldige Menschen zu entführen, Bomben zu zünden oder andere barbarische Akte zu verüben.
Unsre gegenwärtige Lage ist dadurch gekennzeichnet, dass viele muslimische Aufklärer es nicht wagen, die Dinge beim Namen zu nennen. Doch wir müssen den Mut finden, diesen Kreis zu durchbrechen, weil es nicht nur um Moral und Unmoral, sondern um Gerechtigkeit geht.