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Wiedergeborene Muslime

Dies hier ist der bahnbrechende Aufsatz von Malise Ruthven, gleich nach dem 11. September 2001 veröffentlicht, in dem der Begriff born-again-muslims geprägt wurde. Von Ruthven stammt übrigens auch die Prägung „Islamofascism“ – und zwar schon aus dem Jahr 1990.
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Malise Ruthven

 

Dschihadisten als Herausforderung für Muslime

Leser und Mitblogger emcee schreibt zu den Dschihadisten Fritz und Daniel:

Ich bin selber Konvertit und bin von fundamentalistischer Vereinnahmung bisher verschont geblieben. Alhamdulillah. Ich bin immer noch schockiert von den Ereignissen der Sauerländer Mujahidiin. Hier gibt es etwas, was wir Muslime mit zu verantworten haben. Hier wäre eine deutlichere Sprache des KRM sehr angebracht.
Wir Muslime haben deutlicher und energischer als je zuvor dieses Problem endlich zu lösen.

Möge ALLAH diesen Verblendeten das Handwerk legen. Amin.

 

Der Dschihad der Bürgerkinder

Mein Artikel aus der ZEIT von morgen, Donnerstag, 13. September 2007

Der Dschihad spricht jetzt auch deutsch und hört auf Namen wie Fritz und Daniel. Das ist nicht nur für die deutsche Mehrheitsgesellschaft ein Schock. Für die Islamverbände hierzulande hatte die Nachricht, dass zwei deutsche Konvertiten daran gehindert wurden, in Deutschland verheerende Anschläge zu begehen, eine ebenso bittere wie heikle Seite. Unter den hiesigen Muslimen machen Neubekehrte schätzungsweise höchstens zwei bis drei Prozent aus. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil Moscheegemeinden keine Mitgliedslisten führen. Doch im Zentralrat der Muslime, dessen Vorsitzender Ayyub Axel Köhler auch den neuen Koordinationsrat der Muslime (KRM) anführt – Innenminister Schäubles Gegenüber in der Deutschen Islamkonferenz –, haben auffällig viele Konvertierte das Sagen.
Vielleicht fällt darum die Stellungnahme des KRM zu den abgewehrten Anschlägen so merkwürdig klamm und schmallippig aus. Man verurteilt zwar den »erneuten Versuch des Missbrauchs der friedlichen und friedliebenden Religion des Islams für extremistische und terroristische Interessen«. Und appelliert, »jeglichen extremistischen Ideologien eine deutliche Absage zu erteilen und ihnen keinen Platz in Moscheen zu gewähren«. Doch die größte Sorge des KRM ist offenbar, dass durch die Terroristen »alle Muslime unter Generalverdacht« geraten könnten. Pflichtschuldig Distanz markieren und flugs in die Opferrolle abtauchen – so wird das peinliche Thema schnell entsorgt. Der Ball wird ins Feld der Nichtmuslime geschlagen, die bitte ihre Vorurteile im Blick behalten sollen: »Die Vorstellung, dass insbesondere Konvertiten anfällig für extremistische Positionen sind«, so Köhler, »weise ich entschieden zurück.«

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Adam Gadahn alias Azzam Al-Amriki Fotos: FBI Most Wanted

Konvertiten suchen den echten, unverdünnten Stoff
Hat Köhler nicht recht? Die große Mehrheit der Konvertiten hierzulande findet schließlich durch die weltliche Liebe zum Islam – meist deutsche Frauen, die einem Muslim heiraten. Und viele der Wortführer des deutschen Islams – neben Köhler etwa der frühere deutsche Botschafter Murad Winfried Hofmann oder der Berliner Imam Mohammed Herzog – sind spirituelle Sucher, keine politischen Islamisten. Sie haben in den glücklichen Tagen den Glauben gewechselt, als die deutsche Orientromantik – eine alte Tradition von Goethe über Friedrich Rückert und Karl May bis zu Annemarie Schimmel – noch nicht vom Qaida-Terror überschattet war. Sie sind Konservative, aber zweifellos keine Extremisten: Wer konvertiert, hat meist kein Interesse an Reform und Erneuerung. Man wechselt den Glauben nicht, um sich gleich wieder mit Zweifeln und Ambivalenz herumzuschlagen. Man sucht den echten, unverdünnten Stoff.
Viele von ihnen sind enttäuschte Christen, die im Islam den »reineren« Monotheismus fanden. Keine umständlichen theologischen Kon­struk­tio­nen wie die Dreifaltigkeit, keine haarspalterischen Debatten über die Natur Jesu als »wahrer Sohn und Mensch zugleich«. Und vor allem keine Ursünde, keine Kreuzigung, keine Auferstehung, keine Erlösung. Die Schöpfung ist gut und gerechtfertigt, wie sie von Allah erschaffen wurde. Der Koran ist das unverfälscht erhaltene Wort Gottes. Halte dich an die fünf Säulen und die sechs Glaubensgrundsätze, und du bist auf der sicheren Seite.
Doch in diese heile Welt des orientalistischen Gottsuchertums sind nun Fritz und Daniel eingebrochen, Deutschlands erste echte homegrown terrorists. Sie haben mit dem Islam Handfesteres vor als die früheren islamophilen Deutschen, die in der untergegangenen Welt des West-östlichen Diwans Erlösung suchten.
Es ist nicht viel damit gewonnen, wenn die Islamverbände erklären, Fritz G. und Daniel S. seien qua Terrorismus keine Muslime, denn der Islam verbiete »Gewalt gegen Zivilpersonen«. Jene sehen sich durchaus als Muslime, und es hängen Menschenleben davon ab, ob man es verstehen lernt, wie sie und andere zu diesem radikalen Glauben kommen.
Was treibt sie? Wer auf die Suche nach inneren Motiven geht, wie es inzwischen eine ganze Horde von Islamwissenschaftlern tut, wird immer wieder auf den recht banalen Befund treffen, es handele sich meist um junge Männer aus der Mittelschicht, die religiös vorgeprägt sind und in eine Lebenskrise geraten. Marc Sageman, ein forensischer Psychiater und früherer CIA-Mitarbeiter, hat Dutzende von Konversionen zum radikalen Islam analysiert. Das einzige gemeinsame Merkmal, so Sageman, sei, dass es sich durchweg um »isolierte, einsame und emotional entfremdete junge Männer« handelt. Anfangs sei darum für diese Verlorenen die Aufnahme in eine verschworene Gruppe sehr viel wichtiger als die dschihadistische Ideologie. Wenn sich erst einmal die Vorteile des Aufgehobenseins in der Gruppe bemerkbar machen, tritt die Ideologie in den Vordergrund: Durch regelrechte Übertrumpfungswettbewerbe signalisieren die Neubekehrten in der Gruppe ihre Zugehörigkeit. In den sich radikalisierenden Zirkeln ist ab einem bestimmten Punkt nicht mehr wichtig, wer Konvertit und wer als Muslim geboren ist: Denn alle sind im Geiste der Dschihad-Ideologie »wiedergeborene Muslime«. Die einen haben die Ungläubigkeit überwunden, die anderen die Trägheit ihrer traditionalistischen Glaubensbrüder, die im Blick des radikalen Islamismus noch schlimmer ist als Unglaube. Mit der Herkunft gebrochen zu haben verbindet neue Muslime wie Fritz G. und Daniel S. mit »born again muslims« wie dem türkischstämmigen Adem Y., der zusammen mit ihnen verhaftet wurde.
Aber dies sind Mechanismen der Radikalisierung in Gruppen, die nicht spezifisch islamistisch sind. Man kennt sie auch aus der Beziehungsdynamik der RAF. Was ist das besondere Angebot, das jene Konvertiten ergreifen, die sich nicht so sehr zum Islam, sondern gleich zum Islamismus bekehren? Sie würden, wie es Benno Köpfer vom baden-württembergischen Verfassungsschutz ausdrückt, »nicht so sehr vom Islam als Religion angezogen, sondern vom Islam als Ideologie«. Und in diesem Sinn markiert die Verhaftung der Gotteskrieger Fritz und Daniel einen Einschnitt in der deutschen Protestgeschichte: »Der Dschihadismus«, stellt der Extremismusforscher Eberhard Seidel fest, »ist kein Importartikel mehr, sondern ein einheimisches Ideologieangebot. In Deutschland gibt es zurzeit zwei Heilsversprechen, die die Systemüberwindung und die Erhöhung der eigenen Person in Aussicht stellen: den Rechtsextremismus und den Islamismus. Der Islamismus verzichtet auf die Exklusivität des Blutes und lädt jeden ein, der sich in einem Akt des Voluntarismus zu ihm bekennt. Als Internationalismus des 21. Jahrhunderts ist der Islamismus deshalb auch für Sinn- und Aktionssuchende attraktiv, denen der Islam nicht in die Wiege gelegt wurde.«
In der jüngsten Videobotschaft Osama bin Ladens ist dieser Internationalismus mit Händen zu greifen. Wer sich nicht vom gefärbten Bart des Terrorpropheten ablenken lässt, kann in der Ansprache den geschickten Versuch eines ideologischen Relaunches erkennen: Bin Laden präsentiert sich als Globalisierungskritiker. Er lobt Noam Chomsky und schimpft auf das amerikanische Kapital, das für die Erderwärmung verantwortlich sei. Bush klagt er an, als Büttel der Industrie das Kyoto-Protokoll zu missachten und Millionen Tote – »vor allem in Afrika« – in Kauf zu nehmen. Er hetzt nicht einmal mehr gegen die »Zionisten«, sondern betont die Toleranz des Kalifats gegenüber Minderheiten. Die europäischen Juden könnten noch leben, wären sie Schutzbefohlene unter islamischer Herrschaft gewesen. Der Islamismus löst sich vom Nahostkonflikt und erfindet sich neu als eine um­fas­sen­de, alternative Form der Globalisierung im Zeichen der imaginären Umma.
Der Islam hat heute einen
Nimbus des »radical chic«
Bin Laden hat sein Angebot für ein neues Publikum überarbeitet: Die Al-Qaida-Rekruten für die neue Phase des Kampfes sind nicht mehr wütende junge Männer aus den Tyranneien des Nahen Ostens oder aus palästinensischen Flüchtlingscamps. Bin Laden zielt auf europäische Migranten der zweiten Generation wie die Londoner Rucksackbomber und auf Konvertiten, die beim Kampf in den westlichen Metropolen besonders nützlich sind.
Der Islam hat heute einen unvergleichlichen Nimbus des radical chic. Mit jedem Anschlag von Terroristen und mit jeder Anfechtung durch islamfeindliche Rechtspopulisten wird dieser Nimbus weiter gesteigert. »Mit einem Punk«, sagt ein deutscher Konvertit aus ländlich-konservativem Elternhaus, »hätte meine Familie noch leben können. Aber der Übertritt zum Islam war nicht zu toppen.« Islamisten bieten neue Zugehörigkeit mit klaren Regeln für jede Lebenssituation, kombiniert mit größtmöglicher Andersheit gegenüber der Herkunft und radikalstmöglicher Ablehnung des bestehenden Weltsystems. Für einige junge Männer ist dies eine unschlagbares Angebot: Dabeisein und Dagegensein, Außenseitersein und Auserwähltsein in einer unaufschnürbaren Packung.
Es gibt ein in Deutschland wenig bekanntes Vorbild für Konvertiten wie Fritz und Daniel: den Amerikaner Adam Gadahn, der es als ­Azzam al-Amriki bis ins »Medienkomittee« von al-Qaida geschafft hat. Gadahn stammt aus einer Familie von Hippies und linken Aktivisten mit einem jüdischen Zweig. Er war als Teenager eine Größe in der lokalen Death-Metal-Musikszene von Orange County und nahm sogar selbst Musik auf. Wie viele Konvertiten durch­lief er eine Phase innerer Leere und brennender tanszendentaler Obdachlosigkeit. Bei einer evangelikalen Gruppe stieß ihn das »apokalyptische Geschwafel« ab. Dann las er im Koran und fand sich fasziniert von der totalen Transzendenz und Entrücktheit Allahs. Dass der Islam den Ruf hatte, mit der westlichen Moderne nicht in Einklang stehen zu können, machte ihn gerade anziehend. Die lange Mähne des Metal-Fans fiel, der Bart wuchs. Adam Gadahn hatte eine neue Form von Dissidenz gefunden, gegen die sich die Höllenmusik des Death Metal kindisch ausnahm. Über eine radikale Moschee kam er in Kontakt mit Dschihadisten, die ihm eine Reise nach Pakistan organisierten. Wenige Jahre später war Adam alias Azzam mit Ende zwanzig der jüngste Terrorist auf der »Most Wanted List« des FBI. Als erster Amerikaner seit 50 Jahren ist er des Hochverrates angeklagt worden.
Genau wie den friedliebenden Muslimen fällt es auch dem nichtmuslimischen Mainstream einstweilen schwer, zur Kenntnis zu nehmen, dass entfremdete Bürgerkinder, die aus Weltekel, Selbsthass und Bravado vor Jahrzehnten vielleicht noch zu Linksradikalen geworden wären, heute ihren Blutdurst unter dem Banner des Propheten stillen.

 

Beim Barte des Propheten

Es ist in den letzten Tagen viel über das tiefe Schwarz des Bin Laden’schen Bartes spekuliert worden, das an Stelle der ehrwürdigen grauen Strähnen getreten ist. osamabart.jpg

Hier ist die Auflösung:
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Dank an Andrew Sullivan.

 

Was ist ein moderater Muslim?

Die verhinderten Anschläge haben wieder einmal zu Appellen geführt, die moderaten Muslime sollten sich von radikalen Islamisten distanzieren, mehr noch: Sie sollten diese zur Anzeige bringen.
Das Neue und Erfreuliche: Nicht bloss von Aussen, sondern auch aus den Reihen der Islamverbände kamen solche Forderungen. Es sei „Bürger- und Muslimpflicht“, Extremismus zu melden, sagte Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime.
Aber was ist eigentlich ein moderater Muslim? Auf Kopftücher, Nikabs, Miswaks und Dschilbabs als Unterscheidungsmittel ist dabei kein Verlass, wie wir seit letzter Woche wissen. Der Dschihad spricht Deutsch, hat lange Haare und hört auf den Namen Fritz, wenn es der Konspiration nützt.
Ich kenne keine bessere Checkliste als die (zu ergänzende) Frageliste von Daniel Pipes:

Useful questions might include:

* Violence: Do you condone or condemn the Palestinians, Chechens, and Kashmiris who give up their lives to kill enemy civilians? Will you condemn by name as terrorist groups such organizations as Abu Sayyaf, Al-Gama’a al-Islamiyya, Groupe Islamique Armée, Hamas, Harakat ul-Mujahidin, Hizbullah, Islamic Jihad, Jaish-e-Mohammed, Lashkar-e-Tayyiba, and al-Qaida?
* Modernity: Should Muslim women have equal rights with men (for example, in inheritance shares or court testimony)? Is jihad, meaning a form of warfare, acceptable in today’s world? Do you accept the validity of other religions? Do Muslims have anything to learn from the West?
* Secularism: Should non-Muslims enjoy completely equal civil rights with Muslims? May Muslims convert to other religions? May Muslim women marry non-Muslim men? Do you accept the laws of a majority non-Muslim government and unreservedly pledge allegiance to that government? Should the state impose religious observance, such as banning food service during Ramadan? When Islamic customs conflict with secular laws (e.g., covering the face for drivers‘ license pictures), which should give way?
* Islamic pluralism: Are Sufis and Shi’ites fully legitimate Muslims? Do you see Muslims who disagree with you as having fallen into unbelief? Is takfir (condemning fellow Muslims with whom one has disagreements as unbelievers) an acceptable practice?
* Self-criticism: Do you accept the legitimacy of scholarly inquiry into the origins of Islam? Who was responsible for the 9/11 suicide hijackings?
* Defense against militant Islam: Do you accept enhanced security measures to fight militant Islam, even if this means extra scrutiny of yourself (for example, at airline security)? Do you agree that institutions accused of funding terrorism should be shut down, or do you see this a symptom of bias?
* Goals in the West: Do you accept that Western countries are majority-Christian and secular or do you seek to transform them into majority-Muslim countries ruled by Islamic law?

Hier auf Deutsch und in anderen Sprachen.

 

Bin Laden: Konversion zum Islam bringt Steuervorteile

Osama Bin Laden empfiehlt Noam Chomsky zur Lektüre.

Ausserdem macht er sich in seiner neuen Ansprache Sorgen um die Umwelt: Das Weisse Haus blockiert den Post-Kyoto-Prozess!

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Schlaflos beim Gedanken an Kyoto: Osama Bin laden

Und Bin laden lädt die westliche Welt zur Konversion zum Islam ein: „

Zu lesen, um sich mit dem Islam bekannt zu machen, erfordert nur eine kleine Anstrengung. Und die Belohnung ist groß.“

Das beste Argument kommt ziemlich gegen Ende seiner Predigt: „Es gibt keine Steuern im Islam. Nur eine beschränkte Almosensteuer (Zakat) von 2,5%.“

Der volle Text seiner Ansprache im Original CIA-Transskript hier.

 

Dschihadismus und Rechtsextremismus

Da meine alte taz hier ja immer so abfällig zitiert wird, hier mal wieder – als Störfeuer für das beliebte Linkenbashing – etwas Anregendes von Eberhard Seidel von der heutigen Seite 3:

Fritz und Daniel waren nicht die ersten Konvertiten, und sie werden nicht die letzten sein, die den Terrorfahndern in die Hände fallen. Der Dschihadismus ist kein Importartikel mehr, sondern ist inzwischen fester Bestandteil des einheimischen Ideologieangebots. Es gibt in Deutschland hinreichend zornige, junge Männer, die nichts mehr lieben als den spektakulären, ultimativen Auftritt und die von der heroischen Tat träumen. Wer sich in den Niederungen der Republik umschaut, die Augen vor den dramatischen Auswirkungen der sozialen Spaltung nicht verschließt, der kann sich eigentlich nur wundern: Warum gibt es nicht mehr Fritz, Daniels und Adems?

In Deutschland gibt es zurzeit zwei Heilsversprechen, die die Systemüberwindung und die Erhöhung der eigenen Person in Aussicht stellen: den Rechtsextremismus und den Islamismus. Der Rechtsextremismus mit seinem ideologischen Fundament, dem Völkischen, ist für Jugendliche und junge Erwachsene aus Migrantenfamilien aus nahe liegenden Gründen unattraktiv. Der Islamismus dagegen verzichtet auf die Exklusivität des „Blutes“ und lädt jeden ein, der sich in einem Akt des Voluntarismus zu ihm bekennt – unabhängig von der nationalen, religiösen, sozialen und ethnischen Herkunft. Als Internationalismus des 21. Jahrhunderts ist der Islamismus deshalb auch für Sinn- und Aktionssuchende attraktiv, denen der Islam nicht in die Wiege gelegt wurde.

Mehr hier.

 

Islamisten sehen sich als Sieger

Aus einem Interview mit dem Grünen Tom Koenigs, Leiter der UN-Mission in Afghanistan, das ich zusammen mit Bernd Ulrich für die heutige ZEIT gemacht habe:

Koenigs: Zu einer erfolgreichen Aufstandsbe­wegung gehören drei Dinge: ein charismatischer Führer, eine attraktive Ideologie und ein Hinterland. Der Taliban-Führer Mullah Omar aber ist ein Obskurant. Er stellt sich nicht an die Spitze der Bewegung. Die Aufstandsideologie ist schwammig. Ist es eine lokale oder weltweite Bewegung? Will sie die Regierung stürzen oder nur destabilisieren? Sie sind radikale Islamisten, da­rüber hinaus haben sie kein Programm.
ZEIT: Das ist ja schon mal was.
Koenigs: Der Islamismus verbindet sie mit einer Bewegung, die sich im ganzen Orient verbreitet. Vor allem aber haben sie ein Hinterland in Pakistan. Dort breitet sich eine Dschihadisten-Kultur aus, deren Ziel Afghanistan ist. Dort ruft man zum Heiligen Krieg auf, dort wähnt man sich auf der Seite der Sieger der Geschichte. Dieses Gefühl ist eine gefährliche Droge. Schon wer sich an diesem Kampf beteiligt, fühlt sich als Sieger.
ZEIT: Wer die Menschen derart mobilisieren kann, ist doch nicht schwach!
Koenigs: Taliban-Propaganda sagt, Afghanistan sei besetzt von einer Armee der Ungläubigen. Die Zustimmung zu diesem Satz liegt bei 10 Pro­zent im ganzen Land, im Süden vielleicht bei 20. Wir wissen das aus Meinungsumfragen. Die Menschen wollen die Taliban nicht zurück.
ZEIT: Warum macht dann der Aufstand den internationalen Truppen solche Schwierigkeiten?
Koenigs: Als Taliban kämpfen sehr verschiedene Gruppen. Das sind die Veteranen der Bewegung, wie Mullah Omar und seine Umgebung. Hinzu kommen die fanatisierten Schüler der Me­dres­sen. Sie bilden den ideologischen Kern. Dann gibt es den großen Kreis von entfremdeten Stämmen. Nicht zu unterschätzen ist die Zahl der Söldner, die dabei sind, weil die Taliban besser zahlen als die Polizei. Dann sind da noch bewaffnete Banden, die den Opiumhandel sichern. Manche Aufständische sind Opportunisten. Sie schauen nach Gaza und Irak und sagen sich: Die Islamisten sind die Sieger der Geschichte, da machen wir besser mit. Und dann gibt es schlichte Kriminelle, die von der Unsicherheit profitieren.

Der Rest ist in der Print-Ausgabe zu lesen.