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Kann man die Siedlungen in der Westbank auflösen?

Und was darf es bitteschön kosten? Dazu zwei interessante Fakten, die ich Haaretz von gestern und heute entnehme.

Erstens: Der Rückzug aus Gaza, den Ariel Sharon 2005 unilateral durchzog, hat den israelischen Staat im Schnitt 4.9 Millionen NIS (Schekel) pro Familie gekostet. Das sind nach heutigem Kurs 873.000 €. Bei 700-800 Familien kommt man auf über eine halbe Milliarde Euro. Aus Gaza wurden am Ende von ursprünglich etwa 8000 Siedlern rund 4000 zwangsumgesiedelt. Dazu war ein Aufgebot von über 50.000 israelischen Soldaten notwendig, die größte Militäraktion seit dem Yom Kippur Krieg von ’73.

Im Westjordanland müßten aber etwa 100.000 Siedler abgezogen werden, um etwa den Massgaben des Clinton-Plans von 2000 zu entsprechen – in anderen Worten: wir reden hier über die 25fache Dimension des Gaza-Rückzugs.

Zweites interessantes Faktum: Im Jahr 2016 werden Israelis und Palästinenser nach neuen Berechnungen demographisch gleichziehen. Die Relation der jüdischen Israelis zu den Palästinensern in Israel („israelische Araber“) und in den besetzten Gebieten beträgt heute 5.6 zu 5.1 Millionen. In sieben Jahren werden die Zahlen ausgeglichen sein wegen der höheren Geburtenraten unter den Palästinensern.

Ein binationaler Staat Israel – die Alternative zur Zweistaatenlösung, die in Anwesenheit eines Friedensprozesses immer wieder genannt wird – hätte nur eine schrumpfende jüdische Minderheit.

In anderen Worten: Ohne eine Zweistaatenlösung ist die jüdische Mehrheit in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten in sieben Jahren perdu.

 

Vor Netanjahus Besuch bei Obama: Israel unter Druck – durch seine Freunde

In der kommenden Woche wird der israelische Premier Netanjahu bei Barack Obama seinen Antrittsbesuch machen. Er wird dort den „neuen Ansatz“ in der Palästinenserpolitik vorstellen, für den seine Koalition steht. 

Ein zentraler Streitpunkt dabei wird sein, ob die israelische Regierung sich wie ihre Vorgänger die „Zweistaatenlösung“ auf die Fahne schreibt. In mehreren Interviews hatte der neue Aussenminister Avigdor Lieberman erklärt, der Annapolis-Prozess sei gescheitert (mein Bericht hier). In Berlin, bei seinem Besuch am letzten Donnerstag, hat Liebermann sich offen lustig gemacht über die „Friedens-Industrie“, die in Jahrzehnten von Verhandlungen nichts gebracht habe.

Amerikaner und Europäer haben daraufhin abermals den Druck erhöht, die Israelis sollten sich dazu bekennen, weiter die Zweistaatenlösung zu verfolgen. 

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in diesem Sinn am Montag einstimmig eine Resolution verabschiedet, die beide Seiten auffordert, auf alle Schritte zu verzichten, die das Vertrauen unterminieren. Der Generalsekretär sagte gar, es sei „an der Zeit, dass Israel sein Verhalten fundamental ändert.“ Auch die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice drängt jetzt auf „echte Ergebnisse“. So viel Druck hat Israel seit Jahren nicht von seinen Freunden zu spüren bekommen. Die eher links orientierte Tageszeitung Haaretz schrieb am letzten Freitag bereits besorgt über einen „Zusammenbruch der Kooperation zwischen den USA und Israel unter Obama“. 

Der zweite zentrale Streitpunkt wird sein, was in Israel schon „linkage wars“  genannt wird – die Debatte darüber, ob – und wenn ja, wie – die Bedrohung durch einen atomar aufrüstenden Iran mit der Frage der palästinensischen Staatlichkeit verknüpft sein sollte. 

Die israelische Regierung möchte nämlich gerne das Thema wechseln: Wir können derzeit sowieso nichts mit den Palästinensern erreichen, liebe Verbündete, also lasst uns die Augen auf die iranische Bedrohung richten. Erst wenn wir diese Bedrohung einhegen oder besser noch ausschalten, werden die Palästinenser wieder verhandlungsfähig sein, weil die radikalen Gruppen (Hisbollah und Hamas) dann ihren Hauptsponsor verloren haben werden.

Umgekehrt argumentieren derzeit Israels Verbündete: Ein Fortschritt im Friedensprozess, liebe Israelis, macht es uns sehr viel leichter, eine glaubwürdige Drucksituation gegen Iran und die von ihm gesponserten Terroristen aufzubauen. Iran wird so das Spiel verdorben, sich als einzig authentischer Pate der Palästinenser aufzuspielen, während die so genannten „moderaten“ Araber blamiert dastehen, weil nichts für ihre Klienten erreichen können.

Obamas Aussenministerin Clinton besteht darauf, dass Israel die gewünschte Unterstützung gegen die iranische Gefahr nur dann bekommen könne, wenn es nicht „an der Seitenlinie“ stehen bleibe bei der Lösung der Palästinafrage. Die arabischen Regime seien allesamt willig, so Clinton, gegen Irans Hegemonieansprüche in der Region Druck zu machen – aber nur, wenn Israel unverzüglich bereit sei, mit der PA wieder in Verhandlung zu treten. Amerika sei ausserdem bereit, eine mögliche Einheistregierung aus Fatah und Hamas zu unterstützen.

Israel lehnt letzteres ab, so lange Hamas nicht klar und deutlich die „Quartettkriterien“ erfüllt – Gewaltverzicht, Anerkennung Israels und aller bisherigen Vereinbarungen. 

Der israelische Vizeaussenminister Danny Ayalon hat gegenüber der Washington Post die amerikanische Verknüpfung des iranischen mit dem palästinensischen Problem mit einer eigenen Version des „linkage“ gekontert: 

The new Israeli government will not move ahead on the core issues of peace talks with the Palestinians until it sees progress in US efforts to stop Iran’s suspected pursuit of a nuclear weapon and limit Teheran’s rising influence in the region.

Zu Deutsch: Wenn ihr dem Iran nicht mehr Druck macht, tun wir nichts für die Palästinenser. 

Das ist eine ziemlich törichte Position, weil sie erstens Israels Hebelkraft überschätzt – und zweitens die Palästinenser zur Geisel der Iraner macht, ganz so, wie es die Iraner ja auch gern sehen. Ayalon gibt damit Iran de facto die Einflußposition auf den Nahostprozess, die sich das Land seit langem anmaßt. Und er schlägt die moderaten arabischen Partner ins Gesicht, auf die Israel sich sonst gerne bezieht, um die Breite der Front gegen Iran zu beschwören.

Ayalon muss selber gemerkt haben, dass diese Position unhaltbar ist – und so hat er sie jüngst zurückgezogen. Gegenüber der Jerusalem Post sagte er am letzten Donnerstag: „Wir müssen die iranische Bedrohung stoppen, als gäbe es keinen Konflikt mit den Palästinensern, und wir müssen mit den Palästinensern vorwärts kommen als gäbe es keine nukleare Bedrohung aus dem Iran“. 

Wie bedroht sich die Israelis unter dem Druck ihrer Freunde und der Umstände in der Region sehen, zeigt jetzt ein bereits viel diskutierter alarmistischer Essay des neuen israelischen Botschafters in den Vereinigten Staaten, Michael B. Oren in der neokonservativen Zeitschrift Commentary. Oren zählt nicht weniger als sieben existenzielle Bedrohungen Israels auf, darunter interessanter Weise nicht nur äußere, sondern auch innere Zerfallsfaktoren:

– der Verlust Jerusalem als symbolisches Zentrum des jüdischen Staates

– die demographische Bedrohung durch den arabischen Bevölkerungszuwachs (ein binationaler Staat wäre das Ende des zionistischen Projekts)

– die internationale Delegitimierung Israels wegen der Besatzung als „das neue Südafrika“

– die terroristische Gefahr durch die immer besseren Raketen der Hisbollah und Hamas

– die iranische Atombombe

– die Ausblutung der Staatssouveränität (angesichts der wachsenden Bevölkerungsteile der Araber und der jüdisch Orthodoxen, die beide illoyal zum Staat stehen)

– die moralische Erosion Israels durch seine korrupten Eliten (die Knesset ist die Institution mit dem geringsten Ansehem im Land).

Das ist ein finsteres Bild. Der Botschafter spricht von einem „Zusammenbruch der öffentlichen Moral“ in seinem eigenen Land! Er malt die Aussicht an die Wand, dass alle Israelis, die es können, das Land verlassen werden, wenn die sieben Bedrohungen nicht gekontert werden. 

Am kommenden Montag, wenn Premier Netanjahu bei Barack Obama zu Gast sein wird, kann man eine erste Ahnung bekommen, ob die neue Regierung willens und in der Lage dazu ist.

 

Die arabische Kritik an Hamas wird lauter

Tariq Alhomayed, der Kommentator der wichtigsten panarabischen Zeitung Asharq Alawsat, ist wieder einmal in großer Form.

Er hat das hier von mir analysierte Interview mit dem Hamas-Führer Khaled Meshal gelesen und mach sich nun mit gehörigem Sarkasmus darüber her. 

Die militanten Islamisten sind wirklich seltsam, schreibt er, denn am Morgen greifen sie ihre eigenen Leute an, weil sie unterwürfige Agenten Amerikas seien (das bezieht sich auf dievon den Radikalen kritisierten „moderaten“ arabischen Regime), um dann am Abend selber direkt mit den Amerikanern reden zu wollen.

Tariq Alhomayed  Foto: Asharq Alawsat

 

Alle Extremisten und Schurken (Syrien, Iran, Hamas, Muslimbrüder) wollen auf einmal mit den Amerikanern reden. Der Grund dafür ist einfach, so Alhomayed: 

The reason for this is very simple; all of the above movements and countries with counterfeit slogans want to become part of the international community. They can no longer tolerate isolation, because the price of this has become too high, but they do not want to say so [openly] otherwise people will tell them; [if that is the case] why have you shed all this blood, and why have you brought all this destruction down upon us?

And so [now] here is Khalid Mishal telling the New York Times that Hamas is eager for a ceasefire with Israel, and ready to complete the deal [for the release] of the kidnapped Israeli soldier, which is the complete opposite of what Hamas and the chorus of [other] Arab blood traders told the public at the time.

At the time they were saying to let Israel kill as many innocent people as possible, as this will force them to stop their attack due to international pressure, which is what happened in the 2006 Lebanon war. After this Hamas declared victory, which is literally what one of the Hamas leaders in New York announced on the same day that the Arabs were trying to push through a UN resolution to stop the war in Gaza.

Ausserdem macht Alhomayed sich auch her über die Behauptung Meshals, man habe den Raketenbeschuß Israels ausgesetzt, um eine Revision der Strategie zu unternehmen. Wenn das so ist, dann stellt sich folgende Frage: 

„Mein Gott! Warum haben sie uns als Verräter und Agenten fremder Mächte bezeichnet, als wir gesagt haben, dass ihre Raketen nur aus Blech bestehen und kaum das Äussere der israelischen Häuser anzukratzen vermögen – trotzdem aber eine israelische Antwort auslösen, die Hunderte das Leben kostet!“

„Warum haben Sie uns Verräter und Agenten geschimpft, als wir sagten dass Hamas kein Recht hat, Unschuldige und Wehrlose zu gefährden, während ihre Führer in ihren Kellern saßen, in Moscheen und Schulen?“

Und schließlich:

It is unfortunate that Khalid Mishal now begins to speak with reason, after nearly 1,400 Gazans were killed, more than 5,000 were wounded, and a cost to the [Palestinian] economy of almost 1.9 billion dollars.

 

Hamas-Chef: Wir wollen einen Staat in den Grenzen von ’67

Das diplomatische Geplänkel zwischen der Hamas und der neuen amerikanischen Regierung geht weiter, diesmal mit einem Vorstoß von der palästinensischen Seite.
Der Politbüro-Chef der Hamas, Khaled Meshal, hat der New York Times ein Interview gegeben, das sich ganz offensichtlich an die neue amerikanische Regierung richtet. Es fällt in eine Zeit intensiver politischer Neubestimmung im Nahost-Prozess. In zwei Wochen wird der isralische Premier Netanjahu in Washington erwartet, um Obama die neue Linie seiner Regierung vorzustellen. Von einer Zweistaatenlösung wird dabei wohl nicht mehr die Rede sein. Die neue israelische Regierung versucht das Thema zu wechseln – vom Friedensprozess weg zur iranischen Bedrohung. In dieser Woche ist Avigdor Lieberman, der neuen Aussenminister, in Europa unterwegs, um seine Antrittsbesuche zu machen.
Nun also der Hamas-Chef: Meshal ruft auf, die 20 Jahre alte Hamas-Charta zu ignorieren, in der zur Zerstörung Israels aufgerufen wird. Er bietet einen zehn Jahre langen Waffenstillstand an. Und er beschränkt die Gebietsansprüche auf die Grenzen von 1967. Er beharrt auf dem vollen Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge. Damit entspricht sein Angebot dem saudischen Friedensplan – bis auf einen Punkt: Die Anerkennung Israels ist von Meshal nicht zu haben. Arafat habe eben dies getan, argumentiert Meshal, und die Besatzung sei trotzdem weitergegangen.
Das ist nicht leicht von der Hand zu weisen.
Dieses Angebot Meshals ist bemerkenswert, obwohl es viele Hürden enthält. Es wird keinen vollständigen Rückbau aller Siedlungen geben können, sondern höchstens einen Deal, bei dem Land gegen einige wenige verbleibende Siedlungen getauscht wird. Und das vollständige Rückkehrrecht aller Flüchtlinge nach Israel ist schlicht nicht durchsetzbar, weil es das Ende des jüdischen Staates bedeuten würde. Hier wird es eine Kompensationslösung geben müssen.
Aber das Angebot eines langen Friedens ist schon bedeutsam. Es ist eine für den Hamas-Chef diplomatisch vertretbare Form der Anerkennung. Ein Land, mit dem man 10 Jahre Frieden hätte, wäre eine Realität, mit der man schließlich auch leben könnte/müsste.
Die Äusserungen können natürlich auch vorwiegend taktisch bedingt sein. Aber dass Hamas sich genötigt sieht, überhaupt Bewegungsfähigkeit zu demonstrieren, ist interessant.
Im übrigen sucht Meshal seine Ernsthaftigkeit zu untermauern, indem er auf den nahezu völligen Stopp der Raketenangriffe auf Israel im April hinweist.
Ob Hamas einen islamischen Staat in Palästina errichten wolle? Das liege am Ende in der Hand der Menschen. Hamas werde ihn nicht aufzwingen, so Meshal. Daran allerdings kann man – siehe die brutale Machtübernahme der Hamas in Gaza – Zweifel haben.

 

„In Israel wäre Guantanamo unmöglich“

Letzte Woche hatte ich Gelegenheit, mit einigen anderen Kollegen in Berlin den israelischen Sozialminister Isaac Herzog zu sprechen. Er ist der Sohn von Chaim Herzog, des sechsten Präsidenten Israels (’83-’93) und ein Hoffnungsträger der Arbeitspartei.

Herzog begründete den umstrittenen Einstieg der Sozialdemokraten in die Regierung Netanjahu/Lieberman mit zwei Umständen: Iran und Weltwirtschaftskrise. Beides seien existentielle Bedrohungen des Staates Israel, und darum müßten alle Kräfte zusammenstehen. Im übrigen sei die Arbeitspartei in  der Regierung um klar zu machen, dass Israel weiter an der Zweistaatenlösung mit den Palästinensern festhalte, für die auch eine „überwältigend Mehrheit der Israelis“ sei..

Wie eine solche Lösung möglich sein solle mit einem Aussenminister Lieberman, der den Friedensprozess offenbar für gescheitert hält? „Lieberman’s bark is bigger than his bite“, sagte Herzog. (Er liebt großspurige Ankündigungen, hinter denen seine Taten zurückbleiben.) Lieberman sei kein Extremist, sondern ein Populist, der ein breites Publikum mit seinen Sprüchen fesseln müsse. Man solle der Regierung einige Wochen Zeit geben, es würden schon bald einige „unerwartete Vorschläge“ folgen, spätestens bei Netanjahus USA-Besuch Mitte Mai.

Isaac Herzog Foto: Knesset

Menachem Begin hätte auch niemand zugetraut, dass er einmal Frieden mit den Ägyptern machen würde und den Sinai zurückgeben würde, sagte Herzog. Vielleicht könne auch Netanjahu Dinge tun, die man ihm nicht zutrauen würde.

Die Bedrohung der Region durch das neue iranische Vormachtstreben habe eine de facto-Koalition zwischen den „moderaten arabischen Staaten“ und Israel geschaffen, die es zu nutzen gelte. Man sei vereint in dem Willen, den iranischen Einfluß zurückzudrängen.

Über Obamas neuen Ansatz, den Dialog zu suchen, sagte Herzog: „Wir respektieren die Tatsache, dass Obama die Lage sondieren möchte (wants to check out things). Aber eine westlich geprägte Vorstellung von freundlichem Händeschütteln und Umarmungen führt nicht weit. Wir warnen: Tappt nicht in eine Falle!“

Der Minister äußerte sich sehr viel optimistischer über die Möglichkeit einer Einigung mit Syrien als über ein mögliches Einvernehmen mit den Palästinensern, weil die Hamas in Gaza dem entgegenstehe. Die Palästinenser in Gaza müssten erst ihre Debatte zuende führen, welche Art von Staat sie wollen: einen säkularen, demokratischen Staat, der gut nachbarschaftlich mit Israel zusammen lebt. Oder eine Theokratie iranischer Art nach dem Gusto mancher in der Hamas.

Die Verständigung mit Syrien sei bereits „somwhere out there“, man sei weit gediehen mit den Verhandlungen. Leider seien die Syrer ein bißchen zu sehr „full of themselves“, weil die ganze Welt derzeit um sie werbe.

In Gaza, so Herzog, gebe es massive Kritik an der Hamas-Führung vonseiten der Bevölkerung. Man stelle die Frage, was die Taktik der Hamas dem palästinensischen Volk gebracht habe.

In der israelischen Führung habe es während des Krieges eine heftige Debatte über die Frage gegeben, ob man Gaza vollständig erobern sollte. Man habe sich aber schließlich dafür entschieden, nur gegen die Hamas vorzugehen, der Terrororganisation eine „Lehre zu erteilen“ und auf den Abschreckungseffekt zu setzen. Maßgeblich für die Ablehung des Planes zur vollständigen Eroberung sei Ehud Barak gewesen.

Eine interessante Bemerkung des Ministers zu Obamas Ankündigung, Guantanamo zu schliessen:

„In Israel hätte eine Einrichtung wie Guantanamo keinen Tag überlebt, weil unser Verfassungsgericht diese Form der Inhaftierung sofort untersagt hätte.“

 

Zionisten gegen die Besatzung

Die neue israelische Regierung glaubt, Siedlungsbau und Besatzung des Westjordanlandes als Nebenprobleme herunterspielen zu können. Aber es gibt auch kritische Stimmen in der israelischen Öffentlichkeit, die dies als große Fehler ansehen, so wie etwa mein Held, der Haaretz-Kolumnist Bradley Burston („A Special Place in Hell“):

Both the Jews and the Palestinians have valid claims to the Holy Land. If the Holy Land is to be shared, Israelis and Palestinians both will have to sacrifice legitimate grievances for the sake of a livable future, one which honors ancestors by making it possible for children to grow and thrive.

Finally, and most importantly, it is time for Jews to recognize how lethal the occupation is, to the idea of maintaining a Jewish state.

When right-wing Jews say that all of the Holy Land, the West Bank, Gaza, and Israel proper, belongs to the Jews alone, they are in effect de-legitimizing Israel. They are adding fuel to the arguments of Hamas, which views all of Israel, West Jerusalem, Haifa, and Sderot alike, to be occupied Arab land.

In the end, the question of whether Israel will be a Jewish state will not depend on what the Palestinians say, but on what the Jews do.

It is time to follow Ariel Sharon’s example and call the occupation what it is. It is time for Zionists to stand up and declare strong support for Israel and strong opposition to the occupation. Not for the sake of the Palestinians. For Israel’s sake.

„Controlling 3.5 million Palestinians cannot go on forever,“ Sharon told a weekly meeting of stunned Likud leaders, Netanyahu among them, in May, 2003. „You want to remain in Jenin, Nablus, Ramallah and Bethlehem?“

„The idea that it is possible to continue keeping 3.5 million Palestinians under occupation – yes, it is occupation, you might not like the word, but what is happening is occupation – is bad for Israel, and bad for the Palestinians, and bad for the Israeli economy,“ Sharon said.

If the last 40 years are any indication, the Palestinians will be able to survive the occupation. A healthy state of Israel will not.

 

Ernst Nolte: Islamismus als „Widerstandsbewegung“

Aus der ZEIT Nr. 17 vom 16. April 2009, S. 51

Der Mufti von Jerusalem, Mohamemd Amin al-Husseini, war in den Kriegsjahren ein besonders loyaler Verbündeter Hitlers. Er hatte die Hoffnung, dass ein deutscher Sieg über England den Arabern im britischen Mandatsgebiet Palästina Freiheit bringen und ihnen beim Kampf gegen die Juden helfen würde, die sich im Heiligen Land ansiedelten. Husseini bekam von den Deutschen ab 1941 ein Büro in Berlin, von wo er NS-Propaganda auf Arabisch verbreitete, bei der Aufstellung einer arabischen SS-Division half und eng mit dem SS-Führer Himmler zusammenarbeitete. Am 28. November 1941 empfing Adolf Hitler den Mufti, der ihm Treue  im „kompromißlosen Kampf gegen die Juden“ gelobte.

Der Mufti spielt eine wichtige Rolle in Ernst Noltes neuem Buch über den „Islamismus“ als „dritte Widerstandsbewegung“ nach Faschismus und Kommunismus.

Wer sein Leben wie Nolte damit zugebracht hat, Nationalsozialismus und Kommunismus zu verstehen, der muss vom weltgeschichtlichen Aufstieg des politischen Islam in den letzten Jahren fasziniert sein – eine religiös grundierte Gemeinschaftsideologie, die sich – so Nolte – als eine Spielart der konservativen Revolution in der Moderne gegen die moderne Welt richtet.

Der heute 86 jährige Nolte, der sich selber gerne als „Geschichtsdenker“ bezeichnet, hat dem Islamismus darum ein umfangreiches und dem Anspruch nach gewichtiges Buch gewidmet (hier seine Selbstauskunft). Es soll den Abschluss seines Lebenswerkes bilden, wie er uns wissen lässt. In einem Nachwort rechtfertigt sich Nolte dafür, sich hier auf fachfremdem Gebiet zu tummeln. Er sei kein Islamwissenschaftler und sein Arabisch reiche nicht über die Entzifferung einfacher Worte hinaus.

Die etwas kokette Apologie wäre aus zwei Gründen nicht nötig gewesen. Denn erstens ist das Buch über weite Strecken eine beachtliche Fleissarbeit. Nolte hat sich offenbar über Jahre in die Literatur über den Islamismus versenkt und bietet eine über weite Strecken korrekte Darstellung von Strömungen und Ereignissen, die aus einer Drittwelt-Revolte einen globalpolitischen Konflikt gemacht haben. Wahhabiten, Muslimbrüder, schiitische Revolutionäre des Iran, afghanische Mudschaheddin, Al-Kaida und Taliban bevölkern dieses verstörende Werk geschichtsphilosophischer Spekulation. Doch eigentlich, das merkt man bald, geht es nicht wirklich um sie.

Dies zeigt sich etwa, wenn Nolte den oben erwähnten Großmufti einen „tapferen Vorkämpfer der Palästinenser“ nennt, dem man nicht „die Ehre verweigern“ dürfe. Der Mann, der 1942 in Berlin zum „Dschihad gegen die Juden“ aufrief („Tötet sie alle!“), der glühende Antisemit und „Endlösungs“-Befürworter, ist für Nolte ein ehrenwerter Mann? Weiter„Ernst Nolte: Islamismus als „Widerstandsbewegung““

 

Wer sich über Ahmadinedschads Rede in Genf wundert…

… hat nicht gelesen, was ich hier vor fast einem Jahr geschrieben habe – über seine Rede gegen Israel, in der er die Auslöschung des Staates Israel zur Pflicht jedes Muslims erklärte.

Ausnahmsweise also ein Selbstzitat:

–    Eingangs der Rede ermahnt Ahmadinedschad seine Zuhörer, dass sie, wenn sie die Parole “Tod Israel” [marg bar Isrāyīl] auszurufen hätten, sie diese Parole „richtig und von Herzen“ ausrufen sollten
–    wenn Achmadinedschad vom „Besatzerregime“ spricht, meint er nicht die konkrete israelische Besatzung der Westbank oder von Teilen Jerusalems, sondern Israel per se
–    er spricht in der Rede davon, dass das „Regime welches Jerusalem eroberte“ vom „hegemonialen System und der Arroganz“ (i.e. der Westen) gegründet worden sei, was ein „schweres Vergehen … gegen die islamische Welt“ darstelle: „Zwischen der Welt der Arroganz und der Welt des Islam tobt ein historischer Kampf, welcher Hunderte von Jahren zurückreicht.“ Das stellt die Gründung Israels in den Zusammenhang einer vermeintlichen Verschwörung der westlichen „Arroganz“ gegen den Islam. Die Gründung Israels ist also ein kriegerischer Akt in einem jahhrundertealten Konflikt. Es geht mithin um weit mehr als Palästina und die Rechte der Palästinenser.
–    Ahmadinedschad sagt: “Während dieser letzten 300 Jahre brachen die letzten Bollwerke der islamischen Welt zusammen und die Welt der Arroganz gründete das Regime, das Jerusalem besetzt hält als einen Brückenkopf für die Herrschaft über die islamische Welt.”
–    der Präsident führt aus, dass “Brückenkopf” ein militärischer Fachausdruck sei: “Wenn zwei Gruppen oder Heere aufeinander treffen, und eine Seite die Initiative ergreift und zur gegenüberliegenden Seite hin vorstößt, einen Abschnitt des Territoriums erobert und es befestigt; wenn sie dann zur Verstärkung dort eine Festung errichten um die [eigene] Zone auszuweiten‚ dann nennen wir dies einen Brückenkopf.” Also betrachtet er Israel im Ganzen als militärische Einrichtung des Westens. Und in einem Brückenkopf gibt es keine Zivilisten – dies ist mithin eine implizite Rechtfertigung jeglichen Angriffes auch gegen einfache Bürger Israels.
–    entsprechend heißt es in der Rede weiter: “Dieses Besatzerregime stellt tatsächlich einen Brückenkopf der Welt der Arroganz im Herzen der islamischen Welt dar. Sie haben eine Festung errichtet, von der sie ihre Herrschaft auf die gesamte islamische Welt ausdehnen wollen. Darüber hinaus gibt es weder Grund noch Zweck für dieses Land.” Weder Grund noch Zweck! Das bedeutet: Kein Existenzrecht!
–    in diesem Kontext ist nun der betreffende Satz zu bewerten, um den es in dem Streit vordergründig geht. Ahmadinedschad bezieht sich damit auf den Titel der Konferenz: „Eine Welt ohne Zionismus“. Ist das überhaupt möglich, so sagt er, fragen viele. Und dann zählt er den Niedergang des Schahregimes, den Niedergang des Kommunismus und den Fall Saddams auf – Ereignisse, die auch niemand für möglich gehalten hätte. Aber Khomeini hätte diese Dinge immer schon vorausgesagt. Dann kommt der entscheidende Satz:
–    “Unser lieber Imam [Khomeini] sagte auch: Das Regime, das Jerusalem besetzt hält, muss aus den Annalen der Geschichte [safha-yi rōzgār] getilgt werden. In diesem Satz steckt viel Weisheit. Das Palästina-Problem ist keine Frage in welcher man in einem Teil Kompromisse eingehen könnte.” Das “Palästina-Problem” besteht in der Existenz Israels.
–    man muss den Satz schon komplett aus dem Kontext reissen, um suggerieren zu können, der iranische Präsident kritisiere hier bloss die Besatzung Jerusalems und der Westbank und fordere im Einklang mit UN-Resolutionen deren Ende

–     der „unrechtmäßige Zustand“, den der iranische Präsident beenden will, ist nicht weniger als die Existenz Israels. Daran läßt seine Rede keine Zweifel. Das „Regime, das Jerusalem besetzt hält“, ist der Staat Israel. Selbst nach einem Ende der Besatzung gäbe es in Achmadinedschads Logik für Israel „weder Grund noch Zweck“

–    es geht hier also nicht um die Rückgabe besetzter Gebiete, sondern um die Auflösung des Staates Israel und mehr noch die Löschung Israels aus der Geschichte. Es ist die Pflicht der Muslime, in dem Jahrhunderte alten Kampf für diese Revision des Unrechts zu arbeiten. Das Unrecht besteht in der Existenz dieses Staates Israel per se, für den es „weder Grund noch Zweck“ gibt, ausser der Eroberung der islamischen Welt als Brückenkopf zu dienen. „Wipe off the map“ (im deutschen als „von der Landkarte tilgen“ wiedergegeben) beschreibt das Ziel Ahmadinedschads also zutreffend, selbst wenn es sich dabei nicht um eine wörtliche Übersetzung handelt. Es ersetzt eine zeitliche Metapher (”aus den Annalen oder Seiten der Geschichte tilgen”) durch eine räumliche (”von der Landkarte tilgen”).

 

Mit Hamas verhandeln, die Moderaten belohnen?

10 anerkannte Schwergewichte der amerikanischen Aussenpolitik (von beiden Seiten es Spektrums) raten Obama zu einem besser ausbalancierten Umgang mit dem palästinensischen Problem. Roger Cohen berichtet:

Without Hamas’s involvement, there can be no Middle East peace. Mahmoud Abbas, the Fatah leader and president of the Palestinian National Authority, is a beleaguered figure.

The report goes further: „Cease discouraging Palestinian national reconciliation and make clear that a government that agrees to a cease-fire with Israel, accepts President Mahmoud Abbas as the chief negotiator and commits to abiding by the results of a national referendum on a future peace agreement would not be boycotted or sanctioned.“

In other words, stop being hung up on prior Hamas recognition of Israel and watch what it does rather than what it says. If Hamas is part of, and remains part of, a Palestinian unity government that makes a peace deal with Israel, that’s workable.

Henry Siegman, the president of the U.S./Middle East Project, whose chairman is Scowcroft and whose board includes all 10 signatories, told me he met recently with Khaled Meshal, the political director of Hamas in Damascus.

Meshal told him, and put in writing, that although Hamas would not recognize Israel, it would remain in a Palestinian national unity government that reached a referendum-endorsed peace settlement with Israel.

De facto, rather than de jure, recognition can be a basis for a constructive relationship, as Israel knows from the mutual benefits of its shah-era dealings with Iran.

Moreover, Israeli governments have negotiated a two-state solution although they included religious parties that do not recognize Palestinians‘ right to statehood.

„But,“ said Siegman, „if moderates within Hamas are to prevail, a payoff is needed for their moderation. And until the U.S. provides one, there will be no Palestinian unity government.“