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Olmert: Ohne Zweistaatenlösung „wäre Israel am Ende“

Ein erstaunliches Interview des israelischen Premiers in Haaretz: Wenn die Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt nicht kommt, sagt Ehud Olmert nach dem Annapolis-Gipfel in Washington, „dann sehen wir einem Kampf nach südafrikanischem Muster für das Wahlrecht auch in den besetzten Gebieten entgegen – und dann ist Israel am Ende“.
Warum? Weil dann die amerikanische Israel-Lobby aufhören würde einen solchen Staat zu unterstützen, der seinen Bürgern keine Demokratie und kein Wahlrecht für alle geben könne.

Zitat: „If the day comes when the two-state solution collapses, and we face a South African-style struggle for equal voting rights (also for the Palestinians in the territories), then, as soon as that happens, the State of Israel is finished,“ Prime Minister Ehud Olmert told Haaretz Wednesday, the day the Annapolis conference ended in an agreement to try to reach a Mideast peace settlement by the end of 2008.

„The Jewish organizations, which were our power base in America, will be the first to come out against us,“ Olmert said, „because they will say they cannot support a state that does not support democracy and equal voting rights for all its residents.“

Wer sagt da, der Mann meint es nicht ernst? Er spricht von Südafrika und zieht damit die Apartheids-Parallele! Der Premier Israels bringt sein eigenes Land in Vebindung mit der Rassenunterdrückung gegen die Schwarzen! Bei alle, was schief läuft, ist Israel eben doch ein tolles, freies Land.
Der Rest des Interviews findet sich hier.

 

Bushs Kehrtwende in Annapolis

Annapolis – Bescheidenheit war bisher keine Tugend der Bush-Regierung. Doch vor der Nahost-Friedenskonferenz in Annapolis waren der Präsident und die Aussenministerin manchmal bemüht, den Anspruch so weit herunterzudefinieren, dass es schon fast ans Absurde grenzte. Von einem „Gipfel“ durfte längst nicht mehr die Rede sein. Annapolis, hieß es, sei nur ein „Meeting“.
Das kontrastierte merkwürdig mit der Tatsache, dass Monate damit verbracht worden waren, jene Delegationen aus 49 Ländern nach Washington einzuladen, die am Montag und Dienstag das politische Leben und den Verkehr in der amerikanischen Hauptstadt lahmlegten.
Hinter der strategischen Bescheidenheit steckte die allzu berechtigte Angst vor einem Scheitern auf offener Bühne. Bis zuletzt war unter Druck von Condoleezza Rice an einer gemeinsamen Erklärung der Israelis und der Palästinenser gearbeitet worden. Zugleich bemühten sich die Spin Doctors des Weissen Hauses, die Erwartungen an eine solche Erklärung so weit wie möglich herunterzuschrauben.
Sie ist dann doch gelungen, zu allgemeinem Erstaunen, denn sie enthält eine Festlegung beider Seiten, auf die schon nicht mehr zu hoffen war. Am Dienstagmittag trat Präsident Bush sichtlich erleichtert und stolz mit Abbas und Olmert vor die Kameras und verkündete die Bereitschaft beider Seiten zu sofortigen Verhandlungen über „alle offenen Fragen“ – also Terrorismus, israelische Siedlungen, Grenzen eines palästinensischen Staates, Status Jerusalems und Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge – und zwar in der Absicht, bis zum Ende 2008 eine Übereinkunft zu erreichen. Die Steuerungskomittees aus beiden Parteien soll schon am 12. Dezember 2007 zum ersten Mal tagen. Olmert und Abbas umarmten sich zwar nicht, aber es gab doch einen herzlichen Händedruck.
Das taktische Erwartungsmanagement der Amerikaner ist aufgegangen. Dass es zu einer gemeinsamen Erklärung gekommen ist, die ein Datum nennt, an dem der Prozeß sich wird messen lassen müssen, ist „zwar noch kein Durchbruch“, wie Aussenminister Steinmeier in Washington sagte, „aber eine gute Grudlage für die schwere vor uns liegende Arbeit“. Es gibt nun zwar keinen klaren Zeitplan, aber doch ein Limit für Verhandlungen, das durch das Ende der Amszeit Bushs gegeben ist. Die Israelis waren vor Annapolis strikt gegen eine solche Festlegung.
In Annapolis ist kein einziges Problem des Friedensprozesses auch nur in Umrissen gelöst worden, wie alle Beteiligten zugestehen. Vielleicht war es aber auch weise, das gar nicht erst zu versuchen. Denn weder Abbas noch Olmert wären stark genug, ihren Völkern jetzt schon die schmerzhaften Zugeständnisse abzuverlangen – Aufgabe des Rückkehrrechts hier, Aufgabe eines Teils Jerusalems und vieler Siedlungen dort – , ohne die ihr Einverständnis am Ende null und nichtig wäre. Eine substantiellere gemeinsame Erklärung als die in Annapolis gefundene Formel – so paradox ist die Lage – könnte beide gefährden, weil sie dann von ihren jeweiligen Extremisten zuhause als Verräter und Ausverkäufer abgestempelt würden.
Die Riesen-Inszenierung von Annapolis drehte sich nicht um die strittigen Endstatusfragen, sondern eigentlich nur um ein Commitment für kommende Verhandlungen. So bot sich das seltsame Schauspiel einer Konferenz mit Rekordbeteiligung – von der arabischen Welt bis nach Senegal, Griechenland und Brasilien – von der alle Beteiligten eifrig versicherten, sie selbst sei gar nicht so wichtig wie der durch sie angestoßene Prozeß.
Annapolis aber war, wie es jetzt scheint, keineswegs nur eine Art Meta-Ereignis, eine Konferenz über die Unmöglichkeit einer Konferenz. So hatten es abgebrühte Beobachter wie jener israelische Delegierte erwartet, der Annapolis sarkastisch zur „Mutter aller Gruppenfotos“ erklärte. Zweifellos sei es auch darum gegangen, die finstere Nahost-Bilanz von Bush und Rice aufzuhellen, war in der deutschen Delegation zu hören. Aber die verbreitete zynische Lesart der Konferenz laufe Gefahr, betonten deutsche Diplomaten, dass ein veritabler Politikwechsel durchs Wahrnehmungsraster falle.
Noch vor wenigen Monaten, sagte der deutsche Aussenminister Steinmeier in Washington, wäre es undenkbar gewesen, dass Olmert und Abbas auch nur diesen ersten Schritt gehen würden. Nun haben sie Verhandlungen eröffnet, flankiert und unterstützt von „Staaten, die nicht einmal diplomatische Beziehungen miteinander unterhalten“ (Steinmeier). Steinmeier machte sich in Washington für den „Post-Annapolis-Prozess“ stark. Am Dienstagnachmittag gelobte er in seiner Rede für die deutsche Seite Unterstützung bei der Gestaltung des „Follow-Up“.
Annapolis, so sieht es Steinmeier, hat sich schon im Vorfeld der Konferenz positiv ausgewirkt. Das zeige die Freilassung palästinensischer Gefangener durch Israel und „eine spürbare aber noch nicht ausreichende Verbesserung in den palässtinensischen Gebieten“. „Noch nie habe ich so viel Willen zum Erfolg gesehen wie hier“, sagte Steinmeier in Washington. Deutschland will helfen, die palästinensischen Sicherheitskräfte besser auszustatten und auszubilden. Die Deutschen prüfen bereits Wirtschaftshilfe-Maßnahmen für die palästinensischen Gebiete, wie etwa die Entwicklung eines Industrieparks im nordpalästinensischen Dschenin.
Neben der überraschenden Einigung in letzter Minute regt vor allem die Teilnahme der Syrer die politische Phantasie an, noch so eine Undenkbarkeit, die in letzter Minute kurzerhand umgestoßen wurde.
Steinmeier verfolgt seit Jahren das Ziel, Damaskus einzubinden und hat sich dafür harsche Kritik eingefangen. Wenn er die Einladung der Syrer nach Annapolis als Sieg der pragmatischen Vernunft über die Freund-Feind-Logik der früheren Bush-Politik lobt, dann ist darin auch ein wenig Eigenlob enthalten. Steinmeier kann sich durch die Wende der Amerikaner zu Recht bestätigt fühlen, hat er doch schon für die Einbeziehung Syriens plädiert, als dies noch tabu war. Aus Washington – und auch aus dem Kanzleramt – hatte es seinerzeit massive Kritik an seiner Reisediplomatie nach Damaskus gegeben. Er sei aber „niemals naiv“ an die Syrer herangegangen, sagt er heute mit sichtlicher Genugtuung. Die deutschen Damaskusbesuche waren keine Umarmungsstrategie, sondern Tests der syrischen Bereitschaft, Teil einer Lösung des Nahostkonflikts statt nur Teil des Problems zu sein, heißt es in der deutschen Delegation. Die Entsendung des syrischen Vizeaußenministers nach Annapolis wird als Zeichen gedeutet, dass Damaskus immerhin darüber nachdenke, „ob sein Glück auf Dauer an der Seite Teherans liegen kann“, sagt ein deutscher Diplomat. Der Aussenminister liest die syrische Gesprächbereitschaft auch als Signal an die Hamas, dass die Putschisten von Gaza sich ihrer syrischen Freunde nicht allzu sicher sein sollen.
Für Steinmeier hat es auch einen innenpolitischen Nebeneffekt, dass die Amerikaner nun die syrische Karte spielen wollen – er sieht in dem Umdenken von Rice und Bush einen Beleg für die Richtigkeit seiner Haltung, dass die Aussenpolitik „mehr dürfen und mehr versuchen“ muss, Gespräche mit „schwierigen Partnern“ inklusive. Ein Schelm, wer darin ein Echo der Debatte zwischen Steinmeier und Merkel um den Umgang mit Chinesen und Russen erkennt.
Es sei bei den arabischen Teilnehmern sehr positiv aufgenommen worden, sagte Steinmeier an der Kaimauer der Naval Academy, daß Olmert nicht nur zum eigenen Volk geredet habe, sondern „sehr verständnisvolle Worte für das Leiden der Palästinenser gefunden“ habe. Es könnte „ein Signal der Hoffnung für die Region ausgehen“, sagt der Aussenminister. Für den geborenenen Pathos-Feind Steinmeier ist das schon hart an der Grenze: Von einem wirklichen Durchbruch, schiebt er denn auch gleich nach, könne man aber erst dann reden, „wenn wir bei den Grundproblemen echte Fortschritten auf beiden Seiten sehen“.
In Wahrheit aber ist Annapolis ein höchst riskanter Versuch, dieses Kalkül hinter sich zu lassen. Die nach Syrien ausgestreckte Hand ist ein Indiz dafür. Ein anderes liegt darin, dass an die Stelle jener unerfüllbaren Vorbedingungen – „totales Ende des Terrors“, „völliger Baustop in den Siedlungen“, die beiden Seiten immer wieder als bequeme Ausrede fürs Nichtstun dienen konnten, jetzt sofortige, voraussetzungslose Verhandlungen über die Kernfragen treten sollen. George W. Bush hat in letzer Minute etwas Erstaunliches getan: Er hat sein politisches Schicksal mit einem neuen Friedensprozess verbunden, der mit der Logik seiner bisherigen Nahostpolitik bricht.

 

Israelische Aussenministerin: Iranische Nuklearwaffen „keine existentielle Gefahr“

Aus Haaretz:

Foreign Minister Tzipi Livni said a few months ago in a series of closed discussions that in her opinion that Iranian nuclear weapons do not pose an existential threat to Israel, Haaretz magazine reveals in an article on Livni to be published tomorrow.

Livni also criticized the exaggerated use that Prime Minister Ehud Olmert is making of the issue of the Iranian bomb, claiming that he is attempting to rally the public around him by playing on its most basic fears. Last week, former Mossad chief Ephraim Halevy said similar things about Iran.

 

Israelischer Militärexperte: Wir können mit der iranischen Bombe leben

Israels bekanntester Militärhistoriker Martin van Creveld empfindet die Aufregung um das iranische Atomprogramm als Hysterie. In einem seiner berüchtigten, kalt analysierenden Artikel im jüdischen „Forward“ geht er der iranischen Stärke nach:

Mahmoud Ahmadinejad looks and sounds as if he is in a panic — and the Iranian president, on tour in New York this week, has very good reason to be.

Israel, which Ahmadinejad regards as his country’s great enemy, has just carried out what seems to be a very successful strike against an important Syrian installation. And behind Prime Minister Ehud Olmert stands President Bush — the same President Bush who four years ago needed no reason at all to take on Iran’s neighbor to the west and demolish it to the point where it may never rise again.

Both Olmert and Bush have repeatedly signaled their determination to prevent Iran from going nuclear, using force if necessary, and they may very well carry out their threats. Should they do so, then Iran — so often presented as some kind of regional juggernaut — will have little to put in their way.

Though rich in oil, Iran is a third-world country with a population of 80 million and a per capita income of $2,440. By the best available figures, those of the London-based International Institute of Strategic Studies, its annual defense budget stands at about $6.3 billion — a little more than half of Israel’s and a little less than 2% of America’s.
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Martin van Creveld von der Jerusalemer Hebrew University

Iran, in fact, spends a smaller percentage of its resources on defense than any of its neighbors except the United Arab Emirates. And while Iran might very well operate covert programs whose cost would bump up its total defense expenditures, the same can be said of many other countries.

Should the United States strike at Iran — and let’s be clear here, we are talking about a strike by cruise missiles and manned aircraft, not about an invasion for which Washington does not have the troops — then Tehran will have almost no way to hit back.

….

In case Bush does decide to attack Iran, it is questionable whether Iran’s large, well-dispersed and well-camouflaged nuclear program can really be knocked out. This is all the more doubtful because, in contrast to the Israeli attacks on Iraq back in 1981 and on Syria three weeks ago, the element of surprise will be lacking. And even if it can be done, whether doing so will serve a useful purpose is also questionable.

Since 1945 hardly one year has gone by in which some voices — mainly American ones concerned about preserving Washington’s monopoly over nuclear weapons to the greatest extent possible — did not decry the terrible consequences that would follow if additional countries went nuclear. So far, not one of those warnings has come true. To the contrary: in every place where nuclear weapons were introduced, large-scale wars between their owners have disappeared.

General John Abizaid, the former commander of United States Central Command, is only the latest in a long list of experts to argue that the world can live with a nuclear Iran. Their views deserve to be carefully considered, lest Ahmadinejad’s fear-driven posturing cause anybody to do something stupid.

 

Muslime, lernt von den Juden: Selbsthass (in Maßen) ist eine gesunde Sache

Sehr guter Punkt von Bradley Burston in Haaretz:

Self-hate, after all, has been a staple of Jewish life since Jewish life began. Moses had to face the Children of Israel’s dissent, discomfort, discontent and distaste, much more often than he would have liked (witness Korach, Datan and Aviram, Numbers 16:1-33 or the episode of the golden calf, Exodus 32: 1-35).

It may be argued that an element of self-hate could benefit the contemporary Muslim world no less.

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Bradley Burston. Foto: Varda Spiegel

The sense of moral superiority and ultimate entitlement is strong within Islam as well. This has proven no healthier for Muslims than it has for Jews. It has reached its most extreme form in jihadism, and an explicit goal of eventual domination of all areas once ruled by Muslims. But in making war on the West, Al-Qaida has effectively touched off a war against Islam. For quite some time, the vast majority of victims of worldwide Islamic terror have been Muslims.

Recently, perhaps as a result, there are signs that Muslims in growing numbers are questioning the sheikhs, mullahs and ayatollahs who preach Muslim superiority and Islamic entitlement. The same Internet and satellite television that drove jihadist terror forward are serving as platforms for Muslims who question, critique and counter the extremists.

May we, Muslim and Jew, have the wisdom to address our own failings with the vigor with which we attack each others‘.

Let’s hear it for healthy self-hate. It may just be what the world needs now.

 

Die arabische Niederlage

Ich habe mit Hazem Saghiehs Einverständnis folgenden Text für unsere morgige Print-Ausgabe übersetzt. Dort wird er mit leichten Kürzungen erscheinen.
Hazem Saghieh wurde 1951 im Libanon geboren. Er ist Meinungsredakteur von Al-Hayat, der zweitgrößten pan-arabischen Tageszeitung mit Sitz in London. 1997 erschien sein Buch „Eine Verteidigung des Friedens“ (arabisch). Hier eine (etwas wirre, aber informative) Magisterarbeit über seine Position in der arabischen Debatte.

Besser wir Araber gestehen unsere Niederlage ein, als dass wir so weitermachen wie bisher. Keiner der vier arabisch-israelischen Kriege – 1948, 1967, 1973 und 1982 – konnte uns davon überzeugen, dass wir verloren hatten. Gaza wird von einer Mischung aus Mafia und Taliban regiert, der Irak ist zerstört, der Libanon am Abgrund. Eine Welle des Fanatismus bedroht unsere Länder, Blutvergiessen ist der Alltag, die Freiheit der Frau wird beschnitten, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung befinden sich im Verfall. Was fehlt eigentlich noch, um uns zum Eingeständnis der Niederlage und zu einem Geisteswandel zu drängen?
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Hazem Saghieh

Mancher verweist auf die amerikanische und israelische Politik, die kaum je verhandlungsbereite und selbstkritische Positionen auf arabischer Seite gefördert hat. Wohl wahr: Diese Politik war oft so brutal, eigennützig oder einfach dumm, dass sie ohnehin schon feindselige Haltungen unter den Arabern nur verstärken konnten.
Aber dieses Argument droht den Kern der Sache zu verschleiern. Die gegenwärtige Lage im Nahen Osten ist das Ergebnis einer Kulturkrise, die man nicht sieht, wenn man die Lage nur von einem politischen Standpunkt aus betrachtet.

Es gehört mit ins Bild, dass die meisten arabischen Intellektuellen immer noch jede Normalisierung mit dem »zionistischen Feind« ablehnen und die fundamentalistischen Bewegungen immer weiter wachsen. Ägypten hat zwar 1978 die Camp-David-Vereinbarungen mit Israel unterschrieben, ist aber seither keinen Zentimeter von der Position des »kalten Friedens« mit dem Nachbarn abgerückt. Libanon hängt weiter der Rhetorik des »Widerstands« an, obwohl die israelischen Truppen schon vor 7 Jahren abgezogen wurden. Und im Falle Syriens bleibt zweifelhaft, ob das Regime seine quasi-imperialistische Rolle in der Region aufgeben wird, um den Golan zurückzubekommen.

Es ist kein Zufall, dass unser arabischer »Widerstand« immer nur Chaos und Fragmentierung produziert – im Irak, in Palästina und im Libanon. Man kann eben keinen »nationalen Befreiungskrieg« führen, wenn man keine Nation ist. Wir haben vorstaatliche Formationen (Sekten, Stämme, Ethnien), die mit poststaatlichen Ideologien hantieren (Panarabismus, Panislamismus). Das ist ein Rezept für ewige gegenseitige Rachefeldzüge.

Der tiefere Grund für die heutige Misere vom Irak über Libanon bis nach Gaza liegt hier: Die arabischen Gesellschaften haben es nicht geschafft, eine moderne säkulare Legitimationsbasis für ihre Staaten zu entwickeln. Sie blieben beim Islam oder bei tribalen Loyalitäten als Quellen der Legitimität stehen. Der Nationalstaat hat im arabischen Boden nie tiefe Wurzeln schlagen können. Die vielen konkurrierenden Identitäten – man ist gleichzeitig Muslim, Araber, Bürger eines Landes und Mitglied einer religiösen und ethnischen Gruppe – führen dazu, den politischen Bereich unter Druck von seiten lauter nichtpolitischer Faktoren zu setzen. Eine säkulare, ausdifferenzierte, rationale Politik kann so nicht funktionieren.

Unsere Bereitschaft, despotische Regime zu akzeptieren, bloss weil sie behaupten, gegen »Imperialismus und Zionismus« zu stehen, ist extrem bezeichnend. Überall im Nahen Osten sind Menschen bereit, erschreckend rückständige und fanatische Bewegungen auf der Basis zu verteidigen, sie seien ein Produkt des »Widerstands«. Sie weigern sich, etwa die iranische Einflußnahme in arabische Angelegenheiten – durch die Unterstützung der Hamas – zu kritisieren, obwohl sie wissen, das dieser »Anti-Imperialismus« nichts bringt und brutale Rückschläge heraufbeschwört. Wir neigen dazu, Siege auszurufen, wo es sich um das Gegenteil handelt. Diese chronische Sucht nach Triumphen konnte man zuletzt im Konflikt zwischen Israel und Hisbollah am Werk sehen. Hisbollah erklärte einen »göttlichen Sieg«, obwohl der Libanon, mein Heimatland, verwüstet worden war.

Ja, es ist wahr: Die Denkmäler amerikanischer und israelischer Brutalität erstrecken sich von Abu Ghraib nach Guantanamo Bay, über das Flüchtlingslager Dschenin in der Westbank und Qana im Südlibanon. Diese Grausamkeiten verstärken die Argumente derjenigen in der arabischen und muslimischen Welt, die den Konflikt verlängern wollen, sie werden benutzt, um diktatorische Regimes zu legitimieren, und sie nützen den Interessen des militärischen Establishments.

Dennoch: Wir müssen aufhören, unsere selbst bereitete Niederlage zu verleugnen. Je eher alle Teile der arabischen Gesellschaften der Wahrheit ins Gesicht sehen, um so eher werden wir unsere Qual und unsere Demütigung überwinden.

Der lauter werdende Chor derjenigen, die unsere Lage allein als Produkt amerikanischer und israelischer Politik sehen, ist selbst ein Anlass, unsere Niederlage offen einzugestehen. Wir Araber verdammen die Vereinigten Staaten wegen ihrer bedingungslosen Allianz mit Israel seit 1967. Zugleich beschweren wir uns, die USA seien »unfair« in ihrer Haltung zum arabisch-israelischen Konflikt – als ob man von einem Gegner etwas anderes erwarten könnte.

Dieser Widerspruch zeigt eine dahinter liegende Verwirrung im arabischen Verständnis der modernen Welt. Es ist, als würden wir Araber unseren Gegner bekämpfen, um ihn gerechter zu machen – wie ein Kind, das alles kaputtmacht, was es in seine Hände bekommt, um die Aufmerksamkeit seiner hartherzigen Eltern auf sich zu ziehen. Doch wenn das Kind nichts mehr zum kaptuttmachen hat, nehmen die Eltern keine Notiz mehr von ihm.

Die arabischen intellektuellen tragen eine besondere Verantwortung, weil sie dieses Verhalten jahrzehntelang entschuldigt haben. Sie haben Despotismus und Bürgerkrieg so lange gerechtfertigt, wie sie glaubten, dass es ihrer Agenda nütze.

So kann es einfach nicht mehr weitergehen. Wir werden morgen nicht auf einem Bett aus Rosen aufwachen. Wahrscheinlich wird die Lage sich noch lange weiter verschlechtern. Ein Grund mehr, endlich mit einer realistischen Selbsterforschung zu beginnen.

 

Warum es keinen palästinensischen Staat geben wird

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Hof der Mukata in Ramallah, Mahmud Abbas‘ Dienstgebäude. Foto: Lau

In der israelischen Tageszeitung Haaretz hat Bradley Burston 13 triftige Gründe gefunden, warum eine palästinensische Staatlichkeit, die den Namen verdient, nicht kommen wird.

1 Weil die Israelis nicht wissen, was Sie wollen

(Sie wollen zwar die Besatzung beenden, aber vor den Folgen haben Sie Angst.
Der Preis der Beendigung der Okkupation könnte höher sein als der ihrer Fortführung.)

2 Weil die Palästinenser nicht wissen, was sie wollen

(Wollen Sie nun Frieden mit Israel, oder wollen Sie es durch einen palästinensischen Staat ersetzen?)

3 Weil beide Seiten sich nicht an Friedensabkommen halten

(weil sie glauben, dass die andere Seite sich eh nicht daran hält)

4 Weil beide Seiten besser in Rache sind als in Vergebung

5 Weil wir unsere Extremisten zu sehr lieben

(Auf der einen Seite Selbstmordattentäter, auf der anderen Seite „hilltop youth or those suffering from Temple Mount delusions“)

6 Weil die Politik beider Seiten die jeweiligen Extremisten der anderen stärkt

(„Hamas is Hamas because of Israel. And no group in the Holy Land has done more to bolster the Israeli far right than Hamas.“)

7 Weil die muslimische Welt es braucht, dass die Palästinenser leiden

8 Weil der Westen die Palästinenser jetzt als Terroristen sieht,
nicht mehr als Widerstandskämpfer

(Die Selbstmordanschläge waren eine Fehlentscheidung.)

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In der Mukata: Träume von Jerusalem Foto: Lau

9 Weil Arafat sie belogen hat

(Er hat seinen Leuten viel zu viel versprochen (Jerusalem, Rückkehrrecht) und dann auch noch ein korruptes System aufgebaut.)

10 Weil sie alleine nicht mehr aufhören können mit ihrem Bürgerkrieg

11 Weil die Besten Palästina schon verlassen haben

12 Weil jede Seite glaubt, sie sei moralisch absolut im Recht

13 Weil das Heilige Land die Welthauptstadt des „wishful thinking“ ist

(„Deep down, both sides secretly believe that they will get what they wanted all along, whether it’s Greater Israel or Greater Palestine, complete sovereignty over Jerusalem or the right of return.“)

Der ganze Text hier auf Englisch zum Nachlesen.

 

Wie die deutsche Linke Israel im Stich liess

Ein exzellenter Artikel von Martin Kloke im neuen Merkur rekonstruiert, wie die deutsche Linke vor 40 Jahren antizionistisch wurde.
Wie konnte es kommen, dass die deutsche Neue Linke ihre Sympathien für Israel während des Sechstagekrieges aufgab und „das zionistische Gebilde“ auf einmal nur mehr als „Brückenkopf des Imperialismus“ sehen mochte?

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Mosche Dajan, israelischer Verteidigungsminister
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Gamal Abdel Nasser, ägyptischer Präsident

Wie konnte man bloss darauf verfallen, die arabischen Militärdiktaturen und die PLO als „tendenziell progressiv“ zu sehen und in den Israelis – gerade zum Zeitpunkt ihrer drohenden Vernichtung – die neuen Nazis?
Stimmen wie diese hier blieben ungehört:

Im Winter 1967/68 formierten sich namhafte linke Persönlichkeiten, um die antiisraelischen Vorwürfe führender studentischer Linker zu entkräften. Sie warnten in den Neuen Deutschen Heften (März 1968) vor einem ahistorischen und doktrinären »Antiimperialismus«, da dieser in seiner israelfeindlichen Konsequenz »zum Ventil des uneingestandenen Antijudaismus« zu verkommen drohe: »Weil die Araber zur Dritten Welt gehören, sind sie noch nicht eo ipso die reinen Engel. Die Israelis sind die Gefährdeten, die Araber dagegen sind es, die Angriff, Vertreibung und Ausrottung planen. Die Parteinahme muß primär der Progressivität, dem Recht, der Humanität gelten, nicht einer bestimmten Volksgruppe. So wie aus diesen Ideen die Stellungnahme gegen die USA für das vietnamesische Volk folgt, so folgt aus ihnen auch die Stellungnahme gegen Nasser für Israel.«

Ließe sich das nicht auch auf heute übertragen, wenn man für Nasser Achmadinedschad, Hamas und Hisbollah einsetzt?

Der gesamte Text ist hier frei online zu lesen.

 

Was würden die Araber eigentlich ohne den „zionistischen“ Feind tun?

Weil allzu oft der Eindruck entsteht, die arabische Öffentlichkeit bestünde bloss aus ressentimentgeladenen Stimmen, stelle ich hier immer wieder auch selbstkritische Autoren vor, die leider viel zu wenig Gehör bei uns finden. In diese reihe gehört auch Abdul Rahman Al-Raschid, der Chefredakteur von Al-Arabiya TV und ehemalige Chefredakteur von Asharq Alawsat, der größten panarabischen Tageszeitung.

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Abdul Rahman Al-Raschid

Dort fragt er zum 40. Jahrestag des Sechstagekrieges, was die Araber eigentlich ohne den „zionistischen“ Feind machen würden. Können sie sich einen Frieden überhaupt noch vorstellen? Die gesamte arabisch Politik mit all ihrem verhängnisvollen Fehlern, schreibt Al-Rashed, beruht auf der Möglichkeit, alles auf den Palästinakonflikt zu schieben:

So, having based their existence, positions, leaderships and literature on the enemy, how can we imagine that those institutions can adapt when the day comes that we no longer have an enemy?

We have nursed animosity to the extent that anything else is almost impossible. Animosity has developed into a complete institution without which survival is not possible. It is not concocted animosity considering that Israel is not a peaceful state and has forced itself into the occupied territories in front of the world that it has defied for over four decades. Israel itself is benefiting from the state of animosity with the Arabs by unifying Jews and profiting from Western support in the name of confronting the Arab enemy.

We can understand Israeli adherence to animosity as it wants to keep the stolen land, retain the US $3 billion in annual aid from the United States and continue to receive Jewish support from around the world. These are all real Israeli gains that justify the invention of a scarecrow enemy even though it could sign a peace agreement that is based on returning occupied territory and ending the entire crisis in one day rather than 40 years.

However, we cannot understand the Arab wisdom behind maintaining such animosity. The Arabs have neither fought to liberate their territories nor sought peace to regain these territories and continue to call for confronting the enemy. Therefore, territories in three states have remained occupied, with one million people in camps and another two million displaced people in different parts of the world suffering on a daily basis. Today, 40 years after the Six-Day War defeat, we can find no logic for those rejecting peace and no reason for blaming all these sins on the [Palestinian] issue and the [Israeli] enemy.