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Iran: „Marwa“-Stipendium für Kopftuchstudentinnen

Die Islamische Republik möchte den Mord an Marwa El-Scherbiny in Dresden noch eine Weile lang propagandistisch ausnutzen. Neueste Idee: Ein Stipendium an der Kashan-Universität für Studentinnen, denen es in Europa untersagt werde, mit Kopftuch zu studieren.

Die semioffizielle Fars Nachrichtenagentur verbreitet die Meldung, ein „Marwa El-Scherbiny“ Stipendium für Studentinnen, die in Europa nicht mit Kopftuch studieren dürften, sei eingerichtet worden.

In Deutschland gibt es kein Kopftuchverbot für Studentinnen. Nur Frankreich hat eine entsprechende Regelung. Und bekanntlich die laizistische Türkei,  über deren europäische Aspirationen die Meinungen noch heftig auseinander gehen. Aber solche Details werden dem iranischen Volk nicht mitgeteilt.

Iran hingegen hat einen Kopftuchzwang, nicht nur an Universitäten. Der ist weidlich bekannt. Und da Iran auch sonst kein sehr attraktives Land für Studenten ist, prophezeie ich einen propagandistischen Rohrkrepierer.

 

Türken werden nicht bedient

Ein Artikel auf der Achse des Guten über die Diskriminierung von Türken durch die Firma SIXT:

… einen gut gekleideten jungen Mann mit perfekten Manieren und einem akzentfreien Deutsch. Nur aufgrund des Namens war anzunehmen, dass es sich hierbei um einen jungen Mann mit türkischen Wurzeln handeln könnte.

Bestätigung sowie Mietwagenvoucher der Firma Sixt wurden dem Kunden per Mail zugestellt.

Der Kunde traf pünktlich bei der Mietwagenstation von Sixt ein, um den Wagen zu übernehmen.

Das Personal ließ sich, wie üblich, den Führerschein sowie die Personalien des Fahrers geben. Dann begann das Unglaubliche.

Der Fahrer besaß einen gültigen deutschen Führerschein, außerdem einen Personalausweis, ausgestellt vom türkischen Generalkonsulat in Deutschland.

Mit anderen Worten, wir haben es hier mit einem Deutsch-Türken zu tun, der junge Mann ist in Deutschland geboren, hier aufgewachsen, zur Schule gegangen und hat hier studiert.

Das Personal der Firma Sixt übergab den Wagen nicht an den Kunden, sondern verlangte die Aufenthaltsgenehmigung für die BRD, um dann zu prüfen, ob er berechtigt ist, hier bei uns in Deutschland einen PKW anmieten zu dürfen. Diese Aufenthaltsgenehmigung, logischerweise unbefristet, befand sich jedoch im Reisepaß des Kunden, und der Reisepaß wiederum lag am Wohnort des jungen Mannes, ca. 40 km von Frankfurt entfernt.

Sixt stellte ihn vor die Alternative: Entweder Sie fahren nach Hause und holen die Aufenthaltsbescheinigung oder es gibt kein Auto.

Vollkommen hilflos rief der Kunde in seinem Reisebüro an. Die Mitarbeiterin war völlig sprachlos und verstand die Welt nicht mehr. (…)  Welche Möglichkeit gäbe es, damit der Kunden das Auto übernehmen kann? Das Reisebüro hätte für alles gebürgt. Aber nein, erfuhr sie, es gäbe eine Anweisung aus München, verfaßt von Herrn Erich Sixt persönlich, dass türkische Staatsbürger bei Sixt keine Mietwagen anmieten dürfen!

(…)

 

Hoder: Ein Jahr in Haft

Ich kann mir die großen Worte sparen zu diesem traurigen Anlass: Der Kollege Niklas Hofmann hat in der Süddeutschen Zeitung einen gründlich recherchierten Artikel zum Fall des inhaftierten iranischen Bloggers Hossein Derakhshan geschrieben. Ich werde darin ein paar Mal mit Einschätzungen zitiert. Die maßgebliche Arbeit aber hat Niklas Hofmann alleine getan. Er hat im Gespräch mit Freunden, mit der Familie Hosseins und auch mit seinen Gegnern das bisher komplexeste Bild des traurigen Falles gezeichnet:
Wie jemand, der sich vom reformerisch gesinnten Abweichler zum loyalen Systemfreund gewandelt hatte, dennoch von eben diesem System eingebuchtet wurde. Das ist nur eines der vielen iranischen Rätsel in diesem denkwürdigen Jahr.
(Hier meine zahlreichen Beiträge zum Thema.)

 

Ist ein schwuler Außenminister ein Problem (in der Türkei zum Beispiel)?

Wohl eher nicht, wie gestern die Milliyet berichtete:

„Der homosexuelle Freund und das diplomatische Protokoll. Was passiert, wenn der schwule Minister in die Türkei kommt?“, fragt sich die liberale Tageszeitung angesichts der Tatsache, dass der mögliche zukünftige deutsche Außenminister, Guido Westerwelle, seinen Lebensgefährten zu Staatsbesuchen mitnehmen werde. Ein Zuständiger aus dem türkischen Außenministerium habe dazu folgendes erklärt: „Wir haben noch nie eine derartige Erfahrung gemacht. Wir haben keine vorgefertigten Pläne, wie wir handeln würden. Weltweit gibt es keinen einheitlichen Umgang damit. Wenn Herr Westerwelle mit seinem Lebensgefährten kommt, werden wir einen Mittelweg finden und eine angemessene Behandlung dieses Umstands vornehmen“.

In anderen Worten: Das Protokoll wird stillschweigend so angepaßt, dass dann eben Michael Mronz ins Begleitprogramm des Staatsbesuchs integriert wird.

Es wird also überhaupt kein Problem sein. Westerwelle wird auch kein großes Thema daraus machen, möchte ich wetten. Warum sollte er auch?

Schwulsein ist nicht abendfüllend, wie der göttliche Max Goldt einmal gesagt hat. Es wird also auch keine „schwule Aussenpolitik“ geben, ebenso wie es unter Fischer keine grün-alternative gab. Es gibt nur eine deutsche Aussenpolitik.

Sollte irgendein Land signalisieren, dass es Probleme mit der sexuellen Orientierung des wahrscheinlichen deutschen Aussenministers hat, kann ihm das hierzulande nur nützen: Guido Westerwelle als Opfer von Diskriminierung – er würde endlich als Mensch wahrgenommen werden, nicht mehr nur als neoliberale Terminatormaschine, die sich bloss menschelnd umprogrammieren hat lassen.

Die bloße Tatsache allerdings, dass mit Westerwelle ein geouteter Schwuler unterwegs ist, der kein Aufhebens von seiner Orientierung macht, ohne sie aber zu verstecken, wird in vielen Ländern, besonders in den islamischen (aber auch z. B. in Schwarzafrika), eine kulturrevolutionäre Wirkung haben.

Es hat weltweit noch keinen offen schwulen Vizekanzler gegeben. Mich macht das ein bisschen stolz auf Deutschland, bei aller Skepsis gegenüber der Person. Das wird nolens volens eine stumme Menschenrechtspolitik werden.

(Und ich weiß genau, welche Mitblogger mir das nun wieder als „Obsession“ auslegen werden…)

 

Die Münchener S-Bahn-Schläger

So viel Aktualität für meinen Aufsatz im neuen Merkur hätte ich mir eigentlich nicht gewünscht: Wir wissen noch nicht genug über den Vorfall in der Münchener S-Bahn, bei dem ein Fünfizigjähriger erschlagen wurde, der die allseits gewünschte Zivilcourage an den Tag gelegt hatte.

Es heißt, der Mann habe sich richtig verhalten – eingegriffen, ruhig auf die prügelnden Jugendlichen eingeredet, die bedrohten Kinder beschützt und die Polizei gerufen. Dennoch folgten ihm die jungen Schläger und brachten ihm Verletzungen bei, denen er erlag.

Eines läßt sich aber schon feststellen: Es handelt sich hier nicht um ein Problem „junger krimineller Ausländer“. Die beiden mutmaßlichen Mörder sind Deutsche. Und im Lichte dieser Tatsache zeigt sich auch, wie fragwürdig die Koch’sche Instrumentalisierung des Falles war, den ich hier ausführlich besprochen habe.

Es geht um die Verteidigung des öffentlichen Raumes, um die Verteidigung der bürgerlichen Freiheit gegen alle ihre Feinde.

 

Pathos des Eigensinns

Dieser Tage erscheint das Doppelheft des Merkur zum Thema „Heldengedenken“. Ich habe eine Aufsatz über „Heldentum und Zivilcourage“ geschrieben, der das Heft eröffnet. Es folgt ein Auszug: (Das Heft lohnt sich zu kaufen!)

Am 20.Dezember 2007 kehrt der pensionierte Realschulrektor Hubert N.
von einer Weihnachtsfeiermit seinen alten Kollegen heim. AmMax-Weber-Platz steigt er um in die U4 Richtung Arabellapark und nimmt im letzten Wagen Platz, in der letzten Sitzreihe, wie er es immer tut. Zwei angetrunkene junge Männer setzen sich ihm gegenüber, Serkan A. und Spyridon L. Die beiden zünden sich eine Zigarette an und blasen den Rauch in Richtung des Rentners. Der sagt irgendwann den Satz, der sich als fatal erweisen wird: »In der U-Bahn wird nicht geraucht.« Die beiden beschimpfen ihn daraufhin als »deutsches Arschloch« und »scheiß Deutscher«. Als er aussteigt, folgen sie ihm und stoßen ihn, wie sich auf Überwachungsvideos beobachten lässt, von rückwärts zu Boden. Dann traktieren sie ihn mit Tritten gegen Kopf und Bauch. »Sie spielten Fußball mit meinem Kopf«, erinnerte sich der Lehrer. Er erleidet einen dreifachen Schädelbruch.
Der Fall Hubert N. wurde sehr schnell zu einem Politikum. Bald ging es um »kriminelle Ausländer« und eine vermeintlich allzu lasche Justiz. Das Getöse der Parteien um den Vorfall hat es bald unmöglich gemacht, ihn als
eine Episode zu sehen aus dem ganz normalen Alltag unserer Städte, die von ethnisch motiviertem Hass, Feigheit und Zivilcourage handelt. Wenn Roland Koch den Vorfall nicht für seine populistische Wahlkampagne zu vereinnahmen versucht hätte, fiele es leichter zu erkennen, dass das Schicksal des Hubert N. symptomatisch für unseren merkwürdigen Diskurs über »Zivilcourage« hierzulande ist.
Lassen wir die ganze hochideologische Debatte über den Fall beiseite: Auf
dem Überwachungsvideo aus der U-Bahn-Station kann man deutlich erkennen, wie einer der beiden Täter Anlauf nimmt und mit voller Wucht gegen den Kopf des liegenden Sechsundsiebzigjährigen tritt. Die außergewöhnliche Aggressivität der beiden jungen Männer führte zu einer monatelangen, republikweiten Debatte. Weiter„Pathos des Eigensinns“

 

Khatami: „Faschistische und totalitäre Methoden“ der Unterdrückung

Damit es nicht untergeht: Der ehemalige iranische Präsident Khatami hat am Sonntag in einer Brandrede gegen die Führung der Islamischen Republik Stellung genommen. Er sprach von „faschistischen und totalitären Methoden“ der Unterdrückung, mit denen die Regierung ihre Gegner abstempeln und mundtot zu machen versucht.

Das ist eine bemerkenswert klare Rede. Khatami macht sich damit sehr angreifbar. Ich finde das sehr mutig.

Und wie um diese Kritik zu bestätigen, ging die Regierung in den folgenden Tagen gegen die Opposition vor. Büros der Organisationen von Mehdi Karrubi und Mir Hussain Mussawi wurden gestürmt, Materialien beschlagnahmt. Menschenrechtsorganisationen werden an der Arbeit gehindert, Beweise über den Mißbauch und die Vergewaltigung von Gefangenen werden von den Behörden einkassiert.

Die New York Times berichtet:

Late Tuesday night, security forces arrested Alireza Hosseini-Beheshti, Mr. Moussavi’s top aide, according to mowjcamp.com, a Web site linked to Mr. Moussavi.

Earlier on Tuesday, as Mr. Karroubi watched, the authorities sealed his office, which had led the effort to document the prison abuses, the semiofficial ILNA news agency reported. Mohammad Davari, the editor of Mr. Karroubi’s Web site, was arrested during the raid, the BBC’s Persian-language Web site reported, and another aide, Morteza Alviri, was arrested at his home.

Also on Tuesday, security forces emptied and sealed the office of the Association for the Defense of Prisoners’ Rights, opposition Web sites reported. The office was founded by a reformist journalist, Emadedin Baghi.

On Monday, the authorities raided an office run by a Moussavi aide that recently said it had confirmed the deaths of 72 protesters. The government has maintained that only 30 people were killed, while some human rights organizations say hundreds may have died.

 

Doch keine Peitsche wegen Hosentragens

Manchmal bringt es eben doch etwas, wenn sich unsereiner aufregt. Lubna Hussein, die im Sudan wegen „unislamischen Verhaltens“ angeklagte ehemalige UN-Mitarbeiterin, wird nun doch nicht ausgepeitscht.

Und dass die Sache solche internationale Aufmerksamkeit hatte, wird dazu beigetragen haben, dass diese Frau (diesmal) nicht die Rute zu spüren bekommt – wie leider viele andere.

Dass sie dennoch verurteilt wurde, ist anstössig genug. Aber vielleicht wankt die Terrorherrschaft der bärtigen Herren gegen selbstbewußte Frauen doch ein wenig.

DPA meldet: Die sudanesische Journalistin Lubna Hussein ist am Montag wegen «unanständigen Verhaltens in der Öffentlichkeit» zur Zahlung von umgerechnet 140 Euro verurteilt worden. Auf eine Auspeitschung verzichtete das Gericht, berichtete der britische Rundfunksender BBC.
Hussein war im Juli zusammen mit zwölf anderen Frauen von der Religionspolizei festgenommen worden, weil sie Hosen trugen. Die meisten der Frauen, einige von ihnen minderjährig, hatten sich nach der Festnahme als schuldig bezeichnet und waren mit jeweils zehn Peitschenhieben bestraft worden.

Hussein, die von Frauengruppen aus dem Sudan und mehreren arabischen Ländern unterstützt wird, bestand auf einem Prozess und nutzte das Verfahren, um eine Streichung des Gesetzes zu fordern. Sie hatte sogar ihre Arbeit für die UN im Sudan gekündigt, da das Verfahren sonst wegen ihrer diplomatischen Immunität eingestellt worden wäre. Mehrere Frauen, einige von ihnen in Hosen gekleidet, wurden am Montag daran gehindert, das Gerichtsgebäude zu betreten.

 

Iran: Verurteilung wegen Kontakt mit Jürgen Habermas?

Es wird immer absurder. Jetzt wird den Oppositionellen vorgeworfen, sich mit Jürgen Habermas getroffen zu haben, der „bürgerlichen Ungehorsam rechtfertige“. (Wenn schon, dann wohl eher „herrschaftsfreie Kommunikation“ – auch kein Lieblingskonzept der Herrschenden im Iran.) Bizarr: Kontakte mit Habermas gehabt zu haben, ist jetzt lebensgefährlich für die iranischen Intellektuellen!
Die deutsche Regierung muss sich hier endlich einschalten und laut und deutlich protestieren.
Dieser jüngste Bericht über das „Geständnis“ des geistigen Mentors der Reformer, Said Hajjarian, hat mich erschreckt: Der nach einem Attentat schwer behinderte Hajjarian distanzierte sich vor dem Teheraner Gericht von seinen politischen Aktivitäten, wie der regierungstreue Sender Press TV triumphierend berichtet.

Said Hajjarian am Dienstag vor dem Teheraner Gericht.
Das Ziel dieser Gerichtsfarce ist offenbar die Vernichtung der Oppositionsbewegung. Für Hajjarian kann es durchaus auch noch mit der leiblichen Vernichtung enden, denn der Staatsanwalt hat die Höchststrafe beantragt. Wenn das Gericht die Selbstbezichtigungen Hajjarians über seine Kontakte mit dem Ausland in Betracht zieht, ist die Todesstrafe denkbar.

Hajjarian bekannte sich schuldig, mit „falschen Analysen“ der Wahl den Aufstand mit verursacht zu haben. Er distanzierte sich von seiner Partei, der Mosharekat (Islamische Partizipationsfront), der wichtigsten Reformpartei, die auch seinerzeit Präsident Khatami gestützt hatte.
Nun wird ihm nach einem Bericht von Press TV auch noch vorgeworfen, mit dem britischen Geheimdienst kooperiert zu haben – über den britischen politischen Theoretiker John Keane.

Warum Hajjarian so eine Schlüsselfigur für die reformerischen Opposition im Iran ist, lässt sich hier und hier nachlesen.

Hier gibt es weitere Fotos von dem schändlichen Prozess.

 

Proteste vor dem Evin-Gefängnis

Dieses Video entstand am letzten Samstag vor dem Evin-Gefängnis in Teheran, in dem viele Oppositionelle gefangen gehalten werden: