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Was macht eigentlich Hisbollah?

Das fragt sich auch der saudische Journalist Tariq Alhomayed von der semi-offiziellen Tageszeitung Al Sharq Al Awsat: Hisbollah versucht, das Leiden in Gaza für seine eigenen Aussichten bei den nächsten Wahlen auszuschlachten, aber ansonsten ist man auffällig vorsichtig. Offenbar ist Israels Botschaft im Südlibanon und auch im Iran angekommen.

Auch dieser sehr kritische Kommentar zeigt: Etwas hat sich gedreht im arabischen Lager, spätestens seit der Libanon-Krise vor zwei Jahren, als Hisbollah einen Krieg gegen Israel vom Zaun brach. Die arabische Welt will nicht länger hinnehmen, dass Iran über seine Terror-Organisationen im Nahen Osten über Krieg und Frieden bestimmt – über die Köpfe der Araber hinweg.

Und so wird sehr genau unterschieden zwischen der Solidarität mit dem leidgeprüften Volk von Gaza und seinen von Iran unterstützten terroristisch-mafiotischen Geiselnehmern, die es ins Unglück gestürzt haben.

Es könnte sein, dass Israel hier trotz aller Kritik ein Kriegsziel erreicht.

Zitat:

„When one speaks the language of reason in order to spare Gaza and its people from tragedy and massacre he is levied with the worst accusations, yet at the same time the Hezbollah leadership is exploiting this Palestinian wound with total impunity in order to strengthen their troops and presence in Lebanon.

And that’s not all, but on Saturday an advisor to the Iraqi Prime Minister [Nouri Al Maliki] revealed that the Iranian President [Mahmoud Ahmadinejad] and his deputy [Iranian Vice-President Parviz Davoudi] had congratulated Al Maliki on the signing of the US – Iraq Security Pact during their meeting in Tehran. This is the same agreement that Iran had previously described as surrender, so why did demonstrations not take place in Iran against Ahmadinejad as they did a few days previously against Saudi Arabia and Egypt?

It is clear that some have not waited for the war to end to exploit what has happened; rather they do so candidly taking advantage of the thunderous noise of the brutal Israeli military machine in the ravaged Gaza Strip to cover up their deeds.

So we must monitor them.“

 

Israels riskanter Krieg in Gaza

Schmerzhafte Wahrheiten in einem Kommentar von Thomas Schmid in der Berliner Zeitung:

„Kaum ein Israeli kennt die Lebensumstände der Palästinenser in Gaza – kaum ein Palästinenser das Leben in Israel. Das war nicht immer so. Bis zum Ausbruch der ersten Intifada 1987 arbeiteten hunderttausende Palästinenser aus den besetzten Gebieten in Israel und viele Israeli gingen in Ramallah einkaufen. Heute gibt es keine Kontakte mehr und eine gespaltene Wahrnehmung: Auf beiden Seiten sieht man nur die eigenen Opfer. Und mit jedem Krieg wächst der mit Antisemitismus vermischte Hass auf der einen Seite ebenso wie die von Rassismus nicht freie Verachtung auf der anderen.

Ein Bonmot besagt: Im Nahostkonflikt wurde keine Gelegenheit verpasst, eine Gelegenheit zu verpassen. Das gilt für die Palästinenser, die 1948 den UN-Friedensplan abgelehnten, und für die PLO, die Jahrzehnte brauchte, bis sie das Existenzrecht Israels anerkannte. Und es gilt für Israel, das einst die Hamas gezielt förderte, um die PLO zu schwächen. Es hat systematisch verhindert, dass der palästinensische Präsident Mahmud Abbas politische Erfolge vorzeigen konnte. Israel hat damit zur Wahlniederlage der gemäßigten PLO beigetragen und sieht sich jetzt mit der Hamas konfrontiert, deren Popularität mehr in ihrer Hilfe bei der Bewältigung des schweren Alltags als in den Hassreden auf den jüdischen Staat gründet.

Wie eine Friedenslösung im Nahen Osten aussehen wird, ist längst klar: Israel wird die meisten Siedlungen im Westjordanland räumen müssen. Und es kann die völkerrechtswidrig annektierten Gebiete – die Golanhöhen und Ostjerusalem – nicht behalten. Zudem muss es den Palästinensern einen überlebensfähigen Staat zugestehen. Im Gegenzug wird es in anerkannten sicheren Grenzen leben. Die Hamas muss dementsprechend das Existenzrecht Israels anerkennen. Vor drei Jahren deutete eine Fraktion der Islamisten immerhin an, dass sie dazu bereit sei. Die Weigerung Israels, der USA und der EU, mit der Hamas, die die Wahlen gewonnen hatte, in Dialog zu treten, hat seitdem jedoch die Hardliner gestärkt.“

Und dahinter steckt eine riskante Alternative, vor die sich Israel durch die Intervention in Gaza gestellt hat: Entweder Hamas wird vernichtet (und ersetzt, aber mit wem?), oder man wird Hamas am Ende de facto legitimieren müssen (durch eine Vereinbarung).

 

Israel will „regime change“ in Gaza

Das meint jedenfalls Martin Kramer, der in seinem Blog eine ausführliche Analyse der Gaza-Operationen vorlegt. Kramer ist überzeugt, dass es Israel um sehr viel mehr gehe als bloss um das Ende des Raketenbeschusses.

Israel wolle Gaza wieder unter die Oberhoheit der PA (Autonomiebehörde) stellen, um (eines Tages) den Friedensprozeß wieder aufnehmen zu können und einen palästinensischen Staat unter einer einheitlichen Regierung zu ermöglichen.

The Israeli operation is meant to impress on Hamas that there is something far worse than the sanctions—that Israel is capable of hunting Hamas on air, sea, and land, at tremendous cost to Hamas and minimal cost to Israel, while much of the world stands by, and parts of it (including some Arabs) quietly applaud. Israel’s aim is not to bring down Hamas at this stage, but to compel it to accept a cease-fire on Israel’s terms—terms that leave the sanctions in place.


Many Western and Arab governments see the logic of this. They would like to see Abbas and the Palestinian Authority back in authority over Gaza, thus restoring credibility to the „peace process.“ Because they wish to see Hamas contained if not diminished, they have moved slowly or not at all to respond to calls for action to stop the fighting. The question now is how Israel turns its military moves into political moves that achieve the shared objectives of this coalition of convenience.

Kramer ist sich allerdings auch nicht sicher, ob man dieses Ziel durch einen Krieg erreichen könne.

Zu seiner Analyse paßt ein Post des ehemaligen Israel-Korrespondenten des New Yorker, Jeffrey Goldberg, der einen befreundeten Fatah-Anhänger ziitiert, der den Israelis Erfolg wünscht bei ihrem Versuch, die Hamas zu vernichten:

I’ve been talking to friends of mine, former Palestinian Authority intelligence officials (ejected from power by the Hamas coup), and they tell me that not only are they rooting for the Israelis to decimate Hamas, but that Fatah has actually been assisting the Israelis with targeting information. One of my friends — if you want to know why they’re my friends, read this book — told me that one of his comrades was thrown off a high-rise building in Gaza City last year by Hamas, and so he sheds no tears for the Hamas dead. „Let the Israelis kill them,“ he said. „They’ve brought only trouble for my people.“

 

Arabische Zeitung: Die Schuld der Hamas

Abdul lRahman Al-Rashed, der Hauptgeschäftsführer von Al-Arabiya TV, schreibt in der arabischen Tageszeitung Alsharq Alawsat folgendes Erstaunliche über die Schuld an der Krise. (Hintergrund: Hamas beschuldigt den ägyptischen Aussenminister Ahmed Aboul Gheit der Komplizenschaft mit den Israelis, weil er nicht laut genug gegen die Angriffe protestiert habe.)

The truth is that Hamas does not want to take responsibility for the crisis, as it has found that attacking Egypt is the best defence policy in the context of the ongoing battle that has lasted for months at the hands of the Syrian and Iranian allies against Egypt.

Al-Rashed

Therefore, we must blame Hamas because its goals are clear. It seeks a battle with Israel, and doesn’t care about the results even if it means Israel annihilates Gaza, and this is what its prime minister, Ismail Haniyeh said. Hamas wants a fight to put pressure on Arab countries to take action in its favour. It wants to appoint itself as a political power in spite of the Palestinian Authority based on the pretext of confronting the enemy and it doesn’t care how many Palestinians are killed in the process.

With the exception of the Egyptian Foreign Minister Ahmed Aboul Gheit, everybody is standing behind Hamas that has starved 1.5 million Palestinians for months and has led them to destruction today. Stupidly, Hamas is launching rockets towards Israel and Israel is responding with bloody attacks so everybody is forced to remain silent about what Hamas has done so as not to be accused of siding with Israel.

Minister Aboul Gheit is facing the mob of Arabs alone and the political organisation wants to settle its accounts with the blood of Palestinians.

 

Zur Berliner Palästina-Konferenz

Und noch ein Text von mir aus der morgigen Ausgabe der ZEIT:

Schon das ist etwas Neues: Es findet eine Nahostkonferenz statt, und alle wollen die Idee dazu gehabt haben. Das Kanzleramt und das Auswärtige Amt konnten sich gerade noch zurückhalten, öffentlich über die Urheberschaft für die »Berliner Konferenz zur Unterstützung der palästinensischen zivilen Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit« zu streiten. Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier wollten beide zuerst auf die Idee gekommen sein, dem stockenden Friedensprozess durch eine große internationale Geberkonferenz aufzuhelfen. Nahostkonferenzen sind meist quälende Angelegenheiten, bei denen die Höhe der ausgestellten Schecks kaschiert, wie wenig die Spender noch daran glauben, dass sie einen palästinensischen Staat erleben werden. An diesem Dienstag in Berlin aber war es ganz anders.
Zwar gab es auch hier die unvermeidlichen Schlagwechsel: Der palästinensische Premier Fajad beschwerte sich über israelische Angriffe, die israelische Außenministerin Liwni konterte mit einer Klage über Raketenbeschuss aus Gaza. Der Russe Lawrow malte das Leid der Palästinenser aus, die Amerikanerin Rice hielt die Sicherheitsbedürfnisse der Israelis hoch. Aber etwas war neu. Und das hat mit dem Berliner Ansatz zu tun.
Man konnte deutsche Diplomaten erleben, die federnden Schritts über die Gänge des Auswärtigen Amtes auf- und abliefen und selbstbewusst eine neue Rolle im Nahostprozess reklamierten. Zwar sprachen sie natürlich korrekt von einer »neuen Rolle der Europäer«. Aber sie meinten schon ein wenig sich selbst dabei, auch wenn Niederländer und Briten mitorganisiert hatten. Es war kein Zufall, dass diese Konferenz in Berlin stattfand. In Europa genießen nur die Deutschen gleichermaßen das Vertrauen der Israelis und Palästinenser. Und jetzt wollen sie offenbar auch endlich mehr daraus machen. »Wir bewegen uns stärker in die Operative«, beschreibt es ein Beteiligter mit sichtlicher Freude. »Weg vom Deklaratorischen, hin zur Gestaltung von Realität.« Europäische Beteiligung sei nun auch bei Kernaufgaben erwünscht: beim Aufbau des Rechtsstaates in den palästinensischen Gebieten.
In Berlin wurden von 46 teilnehmenden Staaten 242 Millionen Dollar Aufbauhilfe zugesagt – 30 Millionen mehr als geplant. Damit das Geld nicht wie früher irgendwo versickert, soll es konkreten Maßnahmen zugeführt werden, die rasch für mehr Sicherheit auf den Straßen des Westjordanlandes sorgen: Wiederaufbau von Polizeistationen – 7 Millionen Dollar; neue Gefängnisse – 23 Millionen Dollar; zwei Kriminallabore – 8 Millionen Dollar; eine KFZ-Werkstatt für Polizeifahrzeuge – 2 Millionen Dollar; Aufbau der Verkehrspolizei – 17 Millionen Dollar.
Eine Verkehrspolizei als Schlüssel zum Nahostkonflikt? In der Tat: Es geht darum, Staatlichkeit möglichst schnell im Alltag spürbar zu machen. Mit dem integren Premierminister Fajad weht ein neuer Geist in Ramallah. »Sicherheit ist die wichtigste Dienstleistung, die ein Staat seinen Bürgern schuldet«, sagte er in Berlin. Unerhört: der Staat nicht mehr als Selbstbedienungsladen und Kampfverband, sondern als Dienstleister! In Palästina ist das freilich noch eine Utopie.
Ein Vorgeschmack von Eigenstaatlichkeit soll bei den Palästinensern die Hoffnung auf die Zweistaatenlösung wachhalten. Von israelischen Widerständen und Schikanen dagegen – Checkpoints, Siedlungsbau, Straßenblockaden – war in Berlin viel die Rede.
Aber war da nicht noch etwas? Gaza wird ja nun schon ein Jahr lang von Hamas zu einer Art Ha­mas­tan umgebaut, einer islamistischen Theokratie. Droht darum nicht längst die Dreistaatenlösung? Davon wollte man in Berlin nichts hören. Doch der ausgeschlossene Dritte bestimmte aus der Abwesenheit die Debatte mit. Wie soll man mit den Islamisten umgehen? Die Frage wurde ausgeklammert. Mancher hegt die Hoffnung, spürbare Staatlichkeit im Westjordanland werde Hamas verhandlungsbereit machen.
Wahrscheinlich ist das nicht, gegen den Berliner Ansatz spricht es aber auch nicht. Auf die Frage, was ein Scheitern der Friedensgespräche für die in Berlin angeschobenen Projekte bedeuten würde, sagte Frank-Walter Steinmeier: »Wir brauchen eine Struktur, um Rückschläge im Friedensprozess aufzufangen.« Gerade wenn die zarten Hoffnungen sich zerschlagen sollten, käme es auf Keimzellen eines funktionierenden palästinensischen Staates an.