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Richard Rorty ist tot

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Richard Rorty, 1931-2007

Der grosse Philosoph Richard Rorty ist tot. (Hier ein Zitat, das zu den Diskussionen auf diesem Blog passt.)

Aus: Achieving our Country
„Nationalstolz ist für ein Land dasselbe wie Selbstachtung für den einzelnen: eine notwendige Bedingung der Selbstvervollkommnung. Zuviel Nationalstolz kann Aggressivität und Imperialismus erzeugen, genau wie übermäßiges Selbstgefühl zu Überheblichkeit führen kann. Doch zuwenig Selbstachtung kann den einzelnen daran hindern, moralischen Mut zu zeigen, und ebenso kann mangelnder Nationalstolz eine energische und wirkungsvolle Diskussion über die nationale Politik vereiteln.

Eine Gefühlsbindung an das eigene Land – daß Abschnitte seiner Geschichte und die heutige Politik intensive Gefühle der Scham oder glühenden Stolz hervorrufen – ist notwendig, wenn das politische Denken phantasievoll und fruchtbar sein soll. Und dazu kommt es wohl nur, wenn der Stolz die Scham überwiegt […] Wer eine Nation dazu bringen möchte, sich anzustrengen, muß ihr vorhalten, worauf sie stolz sein kann und wessen sie sich schämen sollte. Er muß etwas Anfeuerndes über Episoden und Figuren aus ihrer Vergangenheit sagen, denen sie treu bleiben sollte. Einer Nation müssen Künstler und Intellektuelle Bilder und Geschichten über ihre Vergangenheit erschaffen. Der Wettbewerb um politische Führungspositionen ist zum Teil ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Vorstellungen von der Identität der Nation und verschiedenen Symbolen ihrer Größe.“

Ich habe hier versucht, das mit unseren Leitkultur-Debatten zu verbinden.

 

Italien: Werte für die Einwanderungsgesellschaft

Italien hat seit dieser Woche eine „Charta der Werte, der Bügerschaft und der Integration“. Der italienische Inneminister Giuliano Amato stellte das Dokument am Montag in Rom vor.

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Giuliano Amato

Die Charta soll gemeinsame Werte für eine Einwanderungsgesellschaft definieren. Migrantenorganisationen waren an der Formulierung beteiligt.

Sie versteht sich als Angebot an Neu-Italiener, denen sie einen Weg zur Erlangung der Staatsbürgerschaft in Aussicht stellt. Es werden aber auch Forderungen formuliert, wie etwa Grundkenntnisse der italienischen Sprache sowie der italienischen Geschichte, Politik und Kultur.

Die Charta betont die sozialen Rechte der Migranten und die Funktion der Bildung dabei, die Bürger einer Einwanderungsgesellschaft mit den nötigen Kenntnissen übereinander zu versorgen.

Alle religiösen Meinungen sollen im Bildungswesen unparteiisch mit Respekt behandelt werden, heißt es.

In Familiendingen wird betont, dass Gewalt und Zwang unvereinbar mit dem italienischen Werten sind, und die Charta spricht sich auch gegen jede Separation der Geschlechter aus, weil sie mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar sei.
Gesichtsverhüllung und Polygamie werden als unvereinbar mit den italienischen Werten definiert.

Es finden sich noch weitgehende Bekräftigungen der Religionsfreiheit und Bekenntnisse zur Gewaltlosigkeit in internationalen Konflikten.

Insgesamt erscheint mir das ein interessanter Ansatz, ganz ähnlich wie die deutschen Versuche, per Integrationsgipfel und Islam-Konferenz zu einer neuen gemeinsamen Verbindlichkeit zu kommen.

Interessanter Weise schnurrt die 7 Seiten lange Charta in der Berichterstattung von Islamonline auf zwei Punkte zusammen: die Ablehnung der Verhüllung und der Polygamie.

 

Jugendgewalt als kulturelle Herausforderung – erschreckende Zahlen aus Berlin

(Diesen Beitrag, einen Kommentar im Deutschlandradio, können Sie hier hören.)

Die Berliner Schulverwaltung hat kürzlich die neuen Zahlen ihrer Gewaltstatistik veröf­fentlicht. Im Schuljahr 2005/2006 wurden 1573 Vorfälle gemeldet.

Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 76 Prozent. Die Hälfte der Vorfälle sind Körperverletzungen, ein knappes Fünftel schwere Köperverletzungen. Das bedeutet, mehrere Täter sind beteiligt oder Waffen kommen zum Einsatz.

Das klingt bereits alarmierend… Weiter„Jugendgewalt als kulturelle Herausforderung – erschreckende Zahlen aus Berlin“

 

Tony Blair bestimmt Integration und Multikulturalismus neu

Die Debatte über den Gesichtsschleier (Nikab) in England war nur der Anfang einer grundlegenden Revision des britischen Multikulturalismus:

In einer ungewöhnlich scharf formulierten Rede hat Tony Blair letzte Woche gesagt, Immigranten hätten „die Pflicht sich zu integrieren“ und sollten „lieber wegbleiben“, wenn sie nicht bereit seien, die traditionelle britische Toleranz gegenüber anderen Religionen zu akzeptieren.

Blair verteidigte das Verbot des Gesichtsschleiers als „puren Commonsense“  in Jobs, die auf Kommunikation beruhen (wie etwa Lehrerin, Verkäuferin etc.). Er erteilte allen Vorschlägen, die Scharia-Gesetze in Grossbrittanien anzuwenden, eine Absage und appellierte an Moscheen, die keine Frauen zum Gebet zulassen, ihre Position zu überdenken.

Minderheitenorganisationen, die nicht für die Integration ethnischer oder religiöser Minderheiten arbeiten, sollen künftig von öffentlicher Förderung ausgeschlossen werden. Staatliche Förderung sei viel zu freigiebig an Organisation verteilt worden, „die eng um religiöse, rassische oder ehtnische Identitäten gruppiert sind“.
Blair vergleicht in der Rede die weissen Rassisten der Britisch National Party mit der radikalen Minderheit unter den Muslimen, die sich der Integration verweigert.

Blair sieht seine Intervention nicht als  Abschied vom Multikulturalismus, sonder als dessen Neubestimmung. Er feiert ausdrücklich  das buntere, ethnisch und religiös diversifizierte England  von heute – „not the stuffy old Britain that used to be sent up in the comedy sketches of the 1970s.

Aber dieses England braucht eine neue Vergewisserung seines Zusammenhalts. Und hier ist Blair wieder einmal unerreicht in seiner politisch-moralischen Klarheit. Was dieses multikulturelle England zusammenhält, sind gemeinsame Werte, die neu bekräftigt werden müssen.

The 7/7 bombers were integrated at one level in terms of lifestyle and work. Others in many communities live lives very much separate and set in their own community and own culture, but are no threat to anyone.But this is, in truth, not what I mean when I talk of integration. Integration, in this context, is not about culture or lifestyle. It is about values. It is about integrating at the point of shared, common unifying British values. It isn’t about what defines us as people, but as citizens, the rights and duties that go with being a member of our society.

Christians, Jews, Muslims, Hindus, Sikhs and other faiths have a perfect right to their own identity and religion, to practice their faith and to conform to their culture. This is what multicultural, multi-faith Britain is about. That is what is legitimately distinctive.

But when it comes to our essential values – belief in democracy, the rule of law, tolerance, equal treatment for all, respect for this country and its shared heritage – then that is where we come together, it is what we hold in common; it is what gives us the right to call ourselves British. At that point no distinctive culture or religion supercedes our duty to be part of an integrated United Kingdom.

Zu Recht weist Blair darauf hin, dass dies keine rein britische Debatte sei. In Deutschland würden ähnliche Themen im Rahmen der „Islam Konferenz“ behandelt, in Italien im neu gegründeten Consulta Islamica.

Wenn unsere Kanzlerin es irgendwannn über sich bringt, sich zu dieser Schicksalsfrage des Landes zu äussern und neu zu bestimmen, was Integration in Deutschland eigenlich heissen soll, dann liegt die Latte jetzt ziemlich hoch.

 

Wie die deutschen Parteien ihre Einwanderungspolitik neu sortieren

Diesen Text habe ich auf Einladung der Deutschen Botschaft Washington und der dortigen Heinrich-Böll-Stiftung am Mittwoch, den 15. November 2006, vor dem „Human Rights Caucus“ im amerikanischen Kongress vorgetragen. (Zum Rückübersetzen fehlt mir leider die Geduld.)

Testimony before Congressional Human Rights Caucus, Washington, November 15.

Ladies and Gentlemen,

the issue of national identity and belonging – who we are as a nation and what keeps us together – has always been a crucial and delicate one in Germany.

It has been delicate for ethnic Germans during the postwar era for obvious reasons.

And it is also a pretty tough one for those who migrated to Germany in the last decades. There is a lot of talk about integration in Germany today. The word is often used as if it was a self-evident term. The foreigners, the „Ausländer“, the migrants, the muslims, the Turks are told they’re supposed to better integrate into German society.

This concept is hardly ever questioned anymore. And why should it be? It really sounds self-evident, doesn’t it? Well, of course, it isn’t. Because if you want someone to be better integrated, this supposes that you have a fairly clear idea of what he should integrate himself into.

Let me tell you a little story to show you how tricky and ironic these things can get in Europe, and in Germany especially… Weiter„Wie die deutschen Parteien ihre Einwanderungspolitik neu sortieren“

 

Warum ein Einwanderungsland Patriotismus und Leitkultur braucht

Der Patriotismus der Berliner Republik

Es gibt einen neuen Patriotismus in Deutschland. Er hat sich seit Jahren herausgebildet und sucht doch immer noch seine Form. Er ist eine Art Suchbewegung, keine festgefügte Ideologie. Darum läßt er sich auch parteipolitisch nicht einfach verorten. Konservative möchten ihn natürlich gerne für sich reklamieren, doch Linke, Liberale und neuerdings selbst Grüne mischen beim Wettstreit um den richtigen Patriotismus mit.

Dieser neue Patriotismus…

Ein Essay aus dem neuen Merkur. Lesen Sie mehr:
merkurpatriotismus.pdf