Lesezeichen
 

Sarah Palins Afrika-Unwissen: ein Hoax

Die kürzlich von Fox News verbreiteten Gerüchte, Sarah Palin habe Afrika nicht als einen Kontinent, sondern als ein Land bezeichnet, sind jetzt zum Anlaß für einen ziemlich bösen Hoax geworden.

Gegenüber dem Sender MSNBC hat sich Martin Eisenstadt, ein  „Berater der McCain-Kampagne“  als Quelle dieser üblen Nachrede geoutet.

Das Problem: „Martin Eisenstadt“ existiert nicht. Er und sein rechtslastiger Think Tank „Harding Institute“ sind die Erfindung einer Gruppe von Medien-Guerilleros. Trotzdem wurden ihre absurden Behauptungen immer wieder willig aufgegriffen. (Die wahre Quelle der Palin-Gerüchte ist weiter im Dunkeln.)

Was lernt uns das? Vorsichtig mit dem Internet umzugehen. Und Statements aus der weiten Welt der Think Tanks zu mißtrauen.

Hier seine Website. Hier ein Stück aus der NYT zum Casus.

 

Die Obamas – eine schwarze Familie im Weißen Haus

Mein Artikel aus der ZEIT von heute:

Als die Bushs am Montag ihre Nachmieter für das Haus an der Pennsylvania Avenue 1600 begrüßten, standen beide Paare für einen kurzen Moment im Blitzlicht der Kameras. Es war das normale Washingtoner Übergangsritual, und doch war alles anders. Die Fotografen am South Portico des Weißen Hauses wußten, dass sie Bilder fürs Geschichtsbuch schossen.
Amerika wundert sich seit dem grandiosen Sieg Obamas über sich selbst wie lange nicht mehr. Es ist, als müsse sich das Land immer noch vergegenwärtigen, was letzte Woche geschah: Wir haben es wirklich getan! Wir haben einen Schwarzen und seine strahlend schöne Frau ins Weiße Haus gewählt! Die Bilder des Ehepaars Bush, das neben den Obamas plötzlich grau und aschfahl wirkte, machten den Umbruch spürbar, der Washington bevorsteht.

Foto: Getty Images
Die athletisch hochgewachsene Michelle Obama im flammend roten Kleid überragte beide Bushs. Diese Frau, daran gibt es keinen Zweifel, wird das Bild der kommenden Präsidentschaft mitprägen. Sie wird sich nicht verstecken.
Wie denn auch? Jeder Schritt des neuen First Couple in diesen ersten Tagen wird zum Gleichnis. Barack Obama versucht die Sache zwar leicht zu nehmen. Bei seiner ersten Pressekonferenz kam er ironisch auf den Hund zu sprechen, den er seinen Töchtern schon lange versprochen hatte, zum Ausgleich für die Entbehrungen des Wahlkampfs. Es werde „wahrscheinlich ein Mischling, wie ich“, scherzte der Sohn einer Weißen aus Kansas und eines Kenianers.

Tatsächlich werden Fragen wie die Kür des „Ersten Hundes“, Michelle Obamas Kleidergeschmack und die Wahl einer Washingtoner Schule für die beiden Töchter Malia (10) und Sasha (7) derzeit mit beinahe dem gleichen Ernst verfolgt wie der Kampf um die Ministerposten. Die Kleider sucht Michelle Obama übrigens selbst aus. Sie stammen meist von wenig bekannten Designern. Nicht nur die bunten Blätter interessieren sich für die Familie, die Amerikas Bild in der Welt verändern wird.
Vor kurzem noch wurde angstvoll spekuliert, dass die Vorstellung einer schwarzen Familie im Weissen Haus zu viele Wähler – vor allem ältere Weiße – überfordern würde. In Wahrheit wirken die Obamas mit ihren quirligen Kindern, die wie alle Mädchen in ihrem Alter die Jonas Brothers und Beyoncé verehren, normaler, authentischer und bodenständiger als die McCains, die Bushs und auch die Clintons. Weiter„Die Obamas – eine schwarze Familie im Weißen Haus“

 

Obama wird an Deutschland scheitern

Meint das Wall Street Journal (mit grimmiger Genugtuung). Denn die Deutschen werden Obama hängenlassen bei seinem Versuch, die Kriegsanstrengungen von Irak auf Afghanistan umzusteuern:

„During his Presidential campaign, Barack Obama expressed confidence that his penchant for diplomacy would change German minds. Apparently not. Sending more soldiers, or troops who actually fight, remains anathema in Germany. „There is a limit,“ Peter Struck, the parliamentary head of the ruling Social Democrats and former Defense Minister, said this week when asked whether Germany could do more to help defeat the Taliban. Maybe Mr. Obama’s speech before adoring crowds in Berlin last summer was not so effective after all.

When Europeans talk about „multilateralism,“ they typically don’t mean agreeing on a common policy to carry out together. They mean defaulting global security to the United Nations, where Russian and Chinese vetoes curtail effective action. At best, multilateralism à la Paris and Berlin is short for European approval for where and how Americans may intervene around the world.“

 

Amerikanisches Krisentagebuch VII

Starbucks schließt 600 Läden in Amerika. Der Profit ist im Vergleich zum Vorjahr um 97 Prozent gefallen. 1000 Angestellte werden entlassen. Zugleich berichtet McDonalds, dass sein Premium-Kaffeprogramm dem Konzern neue Gewinne bringt. Hier bekommt man den Latte deutlich günstiger als bei Starbucks. Die gut verdienende Mittelschicht fängt an, bei den kleinen Freuden des Lebens zu sparen.

*

In der Kirche, deren Gottesdienst ich besuche, wird an diesem Sonntag nach der Wahl bei den Fürbitten für diejenigen gebetet, die „vom Wahlausgang verbittert und verzweifelt zurückgelassen worden sind“. Auch das gehört zum Verhältnis von Religion und Politik in Amerika: Es muss  keineswegs immer auf erbitterten Kulturkampf herauslaufen. Religion kann eine zivigesellschaftliche Resource für Zusammenhalt sein.

*

General Motors und zwanzig andere größere Firmen haben begonnen, die Zahlungen für die betriebliche Alterversorgung (401(k)) auszusetzen. Seit dem 11. September hat es das nicht mehr gegeben. Die Menschen haben ohnehin schon Verluste zu verkraften, weil die Pensionspläne meist in den Aktienmarkt investiert sind. Jetzt wird der Arbeitgeberanteil schlichtweg nicht mehr eingezahlt. Man kann sich ungefähr ausmalen, was das für die Konsumbereitschaft der Leute vor Weihnachten bedeuten wird.

*

Die Konsumgesellschaft konsumiert nicht mehr. Einer der größten Elektronikhändler, Circuit City, ist bankrott. General Motors steht vor dem Bankrott und verlangt sofortige Geldspritzen aus dem „Bailout-Fund“ der Regierung, der eigentlich das Finanzsystem stützen sollte. Autoverkäufe sind im dritten Quartal (!) um 32 Prozent gefallen. Die Ausgaben der Konsumenten werden im nächsten Jahr voraussichtlich zum ersten Mal seit 1980 zurückgehen, und zwar um die größte Summe seit dem Jahr 1942. Ob daraus Konsequenzen für die amerikanische Mentalität erfolgen? Vielleicht wird sich alles wieder umkehren beim ersten Zeichen, dass die Krise doch nicht so tief geht und so lange dauert wie befürchtet. Aber vielleicht ist es diesmal anders.

Roger Cohen schreibt in der Times: „It would be an exaggeration to say people are happier now that we have less money, but accurate to say there’s a surfacing of shame about the extent of our spend-spend-spend excesses.

The check on this shopping spree stands at $2.6 trillion in American personal debt. That’s a staggering sum.

You can’t wish away debt with a magic wand. The toll for all those home-equity paid Disney vacations will be heavy. Yet I would resist the temptation to say that economic crisis defines our times. No, as Bill Clinton might have said, “It’s the culture, stupid.”

The culture that said the most patriotic act was to shop. The culture that sent the best and the brightest to Wall Street to concoct toxic securities. The culture that said there was no need to balance individual rights and community needs. The culture that replaced thrift with thrills and hope with hype. The culture that said a country at war is not a country that needs to pull together in sacrifice.

Goodbye to all that.“

 

Multikulturalismus und Rassismus – Brüder im Geiste?

Im neuen Merkur nimmt Kenan Malik die destruktive Logik ins Visier, die sich entfaltet, wenn politische Konflikte in Kultur-Kategorien formuliert werden:

„Der argumentativen Logik der Kulturschützer zufolge hat jede Kultur eine unverderbte Form, ihren ursprünglichen Zustand. Sie verfällt, wenn sie sich nicht länger in diesem Zustand befindet. Das erinnert an den Begriff des »Typus«, der im Mittelpunkt der Rassenkunde des 19. Jahrhunderts stand. All dem Gerede über die Veränderungen der Kultur und ihre flüssige Identität zum Trotz veranlasst der Multikulturalismus nicht weniger als der altmodische Rassismus die Menschen unweigerlich dazu, von menschlichen Gruppen in festen Begriffen zu denken. Beide Seiten der Rassismusdiskussion sprechen ihren eigenen Dialekt der Differenz. Die Rechte hat sich die Sprache der Diversität zu eigen gemacht, um ihre Botschaft rassischer Ausgrenzung zu propagieren. Die Liberalen bedienen sich oft der Mundart der Ausgrenzung, um eine pluralistische Idee von Kultur zu formulieren.

Kenan Malik

»Jede Gesellschaft, jede Nation ist einzigartig«, behauptete Enoch Powell, der lautstärkste Gegner der Immigration von Schwarzen in das England der Nachkriegszeit. »Sie hat ihre eigene Vergangenheit, ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Erinnerungen, ihre eigenen Sprachen oder Sprechweisen, ihre eigene – wenn ich es wagen darf, dies Wort zu benutzen – Kultur.« Deshalb, so sein Argument, könnten Einwanderer, die unterschiedlichen Kulturen und unterschiedlichen Traditionen angehörten, niemals vollständig Engländer werden. Weiter„Multikulturalismus und Rassismus – Brüder im Geiste?“

 

Die Gefahr des „populistischen Chic“

Mark Lilla, Professor an der Columbia Universität, besichtigt im Wall Street Journal die Überbleibsel einer einstmals erfrischenden konservativen Denktradition. Mark Lilla tut dies mit einer gewissen Trauer, denn er hat seinerzeit selber von der neokonservativen Wende profitiert. (Ein früherer Post zu ihm hier.)

Mark Lilla

Wie konnte es passieren, dass Intellektuelle einer ernstzunehmenden Denktradition schließlich eine populistische, geist- und ahnungslose Kandidatin wie Sarah Palin unterstützten? Dazu muss man ein wenig zurückgehen. (Der ganze Text hier. Wer nicht durch den englischen Text forsten will, kann eine Übersetzung in der ZEIT am Donnerstag finden.)

„Conservative politics mattered less to me than the sober comportment of conservative intellectuals at that time; I admired their maturity and seriousness, their historical perspective, their sense of proportion. In a country susceptible to political hucksters and demagogues, they studied the passions of democratic life without succumbing to them. They were unapologetic elites, but elites who loved democracy and wanted to help it.

Back in the ’70s, conservative intellectuals loved to talk about „radical chic,“ the well-known tendency of educated, often wealthy liberals to project their political fantasies onto brutal revolutionaries and street thugs, and romanticize their „struggles.“ But „populist chic“ is just the inversion of „radical chic,“ and is no less absurd, comical or ominous. Traditional conservatives were always suspicious of populism, and they were right to be. They saw elites as a fact of political life, even of democratic life. What matters in democracy is that those elites acquire their positions through talent and experience, and that they be educated to serve the public good. But it also matters that they own up to their elite status and defend the need for elites. They must be friends of democracy while protecting it, and themselves, from the leveling and vulgarization all democracy tends toward.

Writing recently in the New York Times, David Brooks noted correctly (if belatedly) that conservatives‘ „disdain for liberal intellectuals“ had slipped into „disdain for the educated class as a whole,“ and worried that the Republican Party was alienating educated voters. I couldn’t care less about the future of the Republican Party, but I do care about the quality of political thinking and judgment in the country as a whole. There was a time when conservative intellectuals raised the level of American public debate and helped to keep it sober. Those days are gone. As for political judgment, the promotion of Sarah Palin as a possible world leader speaks for itself. The Republican Party and the political right will survive, but the conservative intellectual tradition is already dead. And all of us, even liberals like myself, are poorer for it.“

 

Sidney Poitier sagt Obamas Wahlsieg voraus

Und zwar schon sehr viel früher als ich, nämlich 1967, in dem Film „Guess who’s coming to dinner“. Spencer Tracy fragt Poitier, der seine (weiße) Tochter heiraten will, ob seine Kinder nicht Schwierigkeiten haben werden. Poitier antwortet: „Joey glaubt, jedes unserer Kinder wird Präsident der Vereinigten Staaten werden“.
Später witzelt er: Aussenminister würde mir auch reichen.


Und so geht der Film aus.
(Und 17 Tage später war der große Spencer Tracy tot. Welch ein Testament.)

 

Iranische Ökonomen gegen Achmadinedschad

Jetzt wird’s eng: 60 iranische Ökonomen haben einen offenen Brief verfasst, in dem sie die Wirtschaftspolitik des Präsidenten kritisieren.

Die LA Times berichtet:

„In a 30-page letter quoted by several newspapers and state-run television and published on the website of the independent Iranian Labor News Agency, the economists say Iran is in dire economic straits and must drastically change course. The letter also says Ahmadinejad’s „tension-creating“ foreign policy has „scared off foreign investment and inflicted heavy damage“ on the economy.

„Meager economic growth, widespread jobless rate, chronic and double-digit inflation, crisis in capital markets, government’s expansionary budget, disturbed interaction with the world, inequity and poverty have combined with the global economic downturn to leave undeniably big impacts on exports and imports,“ the letter says.

Zuvor hatten im Iran allenfalls Schriftsteller oder zivilgesellschaftliche Aktivisten solche Briefe zu schreiben gewagt. Wenn nun Ökonomen das Regime kritisieren, ist das aber womöglich viel wirkungsvoller. Sie können nicht als unverbesserliche Kritikaster oder Regimefeinde abgetan werden.

Achmadinedschad muss sich nächstes Jahr zur Wahl stellen. Mit dem veränderten internationalen Umfeld sieht es zur Zeit nicht gut für ihn aus. Offenbar wirken die Sanktionen doch!

Und übrigens: Iran hat freiere Debatten – trotz allem Grauen des Regimes – als die meisten Petromonarchien in seiner Nachbarschaft.

 

Obamas Sieg – und seine Kosten für uns

Die ersten Rechnungen für den historischen Sieg trudeln ein. Hier Thomas Friedman in der heutigen Times:

„To all those Europeans, Canadians, Japanese, Russians, Iranians, Chinese, Indians, Africans and Latin Americans who are e-mailing their American friends about their joy at having “America back,” now that Obama is in, I just have one thing to say: “Show me the money!”

Don’t just show me the love. Don’t just give me the smiles. Your love is fickle and, as I said, it will last about as long as the first Obama airstrike against an Al Qaeda position in Pakistan. No, no, no, show me the money. Show me that you are ready to be Obama stakeholders, not free-riders — stakeholders in what will be expensive and difficult initiatives by the Obama administration to keep the world stable and free at a time when we have fewer resources.


President Bush, because he was so easily demonized, made being a free-rider on American power easy for everyone — and Americans paid the price. Obama will not make it so easy.

So to everyone overseas I say: thanks for your applause for our new president. I’m glad you all feel that America “is back.” If you want Obama to succeed, though, don’t just show us the love, show us the money. Show us the troops. Show us the diplomatic effort. Show us the economic partnership. Show us something more than a fresh smile. Because freedom is not free and your excuse for doing less than you could is leaving town in January.“