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Ajatollah im Iran zum Tode verurteilt

Es trifft nicht nur Säkulare, Linke und Feministinnen: Im Iran ist ein Ajatollah zum Tode verurteilt worden, der für die Trennung von Politik und Religion eintritt. Kazemeini Borudscherdi, Sohn eines berühmten Ajatollahs, wurde in einer geheimen Sitzung des Kleriker-Sondergerichts zusammen mit siebzehn seiner Anhänger zum Tod verurteilt.
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Seit Jahren sieht sich Borudscherdi Schikanen duch die Geheimdienste ausgesetzt.
Im letzten Herbst wurde er verhaftet, im Evin-Gefängnis gefoltert und zu einer öffentlichen „Beichte“ gezwungen.
Gegen ihn wurden 30 Anklagepunkte erhoben, die teilweise bekannt wurden:
Sie umfassen:
„1) Wegen des Kampfes und anderer Maßnahmen gegen die nationale Sicherheit.
2) Wegen der Abhaltung von Vorträgen und der Aufwiegelung der Bevölkerung gegen die politische Ordnung.
3) Wegen der Bezeichnung der „Welayate Faqih“, d.h. der Herrschaft des Klerus als illegitim.
4) Wegen der Bezeichnung des [Staats-] Klerus als Vertreter des Geheimdienstministeriums.
5) Wegen der Bezeichnung des Begründers der Islamischen Revolution und des Revolutionsführers als einen religiösen Ketzer und Lügner.
6) Wegen des Kontakts zu bekannten konterrevolutionären Personen und wegen geheimdienstlicher Tätigkeit und Information dieses Personenkreises über die inneren Zustände des Landes.
7) Wegen der Bezeichnung von hochrangigen Staatsbeamten als unverantwortliche Personen, die sich nicht um die Rechte und Forderungen des Volkes kümmern und wegen der Benutzung des Begriffes „religiöser Diktatur“ statt „islamische Republik“ in Interviews mit ausländischen Radio- und Fernsehsendungen.
8) Wegen der Gründung einer neuen Religion, die sich ‚traditionelle Religion’ nennt.
9) Wegen des Missbrauchs der klerikalen Kleidung.
10) Wegen der Benutzung von Kleinwaffen in Konfrontation mit Beamten der Justiz und der Ordnungskräfte.“

Mir gefällt vor allem der 9. Punkt: Mißbrauch der klerikalen Kleidung!

Der Ajatollah kritisiert das Grundprinzip der theokratischen Herrschaft im Iran – Welajat-e-fakih – die Herrschaft der Rechtsgelehrten. Für ihn, den frommen Mann, ist dies eine Sünde wider den Islam. Er spricht sogar von „Vielgötterei“, weil die Verehrung Khomeinis der Verehrung im Wege stehe, auf die Gott allein Anspruch hat.
„Das größte Opfer dieser Theokratie ist Gott selbst“, hat Borudscherdi einmal gesagt.
Es ist klar, dass so ein Mann weg muss. Er ist noch viel gefährlicher als die weltliche Opposition.

 

Die palästinensische Selbstzerstörung

Zitat des Tages:

It is time for plain talk. I accuse Hamas and Fatah movements of doing a more serious damage to the Palestinian Cause than the Israeli enemy never managed to do.

Schreibt der Chefredakteur von Al-Hayat, Ghassan Charbel, in seinem wütenden, verzweifelten Kommentar.

Das wirft die Frage auf: Was werden die Palästinenser (und die Araber) tun, wenn die externen Erklärungen für ihre Misere nicht mehr ziehen? Weiter in Richtung Selbstzerstörung marschieren? Oder endlich den Fakten ins Auge sehen?

 

Ohne Worte

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Nur damit nicht der Eindruck entsteht, die Absurdität der zitierten Fatwas wäre kein Thema für die ägyptische Öffentlichkeit. Karikatur aus dem Daily Star, Kairo.

 

Der heilende Urin des Propheten

Keine Satire: Erst kam die Still-Fatwa (die Mann und Frau das Zusammenarbeiten in einem Raum erlaubt, wenn die Frau ihn stillt und somit zum „Milchbruder“ macht), dann die Urin-Fatwa. Das Trinken des Urins des Propheten, erklärte einer der höchsten Theologen Ägyptens, sei ein Segen.
Wer braucht da noch Mohammed-Karikaturen? Die Theologie erledigt das Geschäft der Verhöhnung des islamischen Glaubens ganz alleine.
Man fragt sich fast, ob man so etwas überhaupt noch berichten soll.
Aber die Welle von durchgeknallten theologischen Gutachten, die derzeit in Ägypten für Aufruhr sorgt, steht für etwas: die totale Verwirrung und Selbst-Delegitimierung der höchsten theologischen Autorität des sunnitischen Islams, der Al-Azhar-Universität.
Die peinliche Fatwa des ägyptischen Grossmuftis Ali Gomaa, über die sich die arabische Öffentlichkeit erregt, steht für den erschreckenden Zustand der amtlichen islamischen Theologie. Das wirft die Frage für den interreligiösen Dialog auf: Mit wem soll man eigentlich reden, wenn hohe Amtsträger sich so diskreditieren?

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Ali Gomaa

Es ist eigentlich gar keine neue Fatwa, über die sich die arabische Presse jetzt mokiert. Vor sechs Jahren wurde die Meinung, die Körperausscheidungen des Propheten seien „rein“ gewesen und könnten denjenigen reinigen, der sie aufnimmt, in einem Buch des Muftis vertreten. Das Buch über „Religion und Leben“ mußte der Mufti jetzt aus dem Handel nehmen lassen.
Der Streit um die alberne Fatwa hat einen ernsten theologischen Hintergrund. Mohammed ist – in deutlicher Absetzung zu dem Jesus der Christen – ein Mensch mit ganz normalen menschnlichen Attributen (wenn auch ein außergewöhnlicher Mensch, ein Vorbild, ja der ideale Mensch überhaupt). Der Mufti macht ihn zu einem Heiligen, zu einem Gott-Menschen, und das ist ziemlich nahe an der Häresie.

Ali Gomaa war zuletzt durch seine Hymen-Fatwa aufgefallen, die die Rekonstruktion des Jungfernhäutchens gutgeheissen hatte, um den jungen Frauen zu ermöglichen , trotz vorehelichen Geschlechtsverkehrs islamisch korrekt in die Ehe zu gehen. Er hatte sich auch gegen Genitalverstümmelungen ausgesprochen. Er war auch unter den 38 islamischen Theologen, die dem Papst nach der Regensburger Rede antworteten.
Ali Gomaa ist einer der wenigen hohen Würdenträger des Islam, die sich klar gegen Terrorismus aussprechen. Er hat das kürzlich erst in London auf Einladung der britischen Regierung getan.

 

Araber, gesteht endlich eure Niederlage ein!

Der grosse Liberale unter den arabischen Journalisten, Hazem Saghieh von Al Hayat, schreibt in einem Essay auf Opendemocracy.net: „Wir Araber sollten lieber unsere Niederlage eingestehen, als so weiterzumachen wie bisher“.
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Hazem Saghieh

Wenn die Japaner aus ihrer totalen Niederlage im Zweiten Weltkrieg gelernt und ihre Gesellschaft umgesteuert haben, warum dann nicht die Araber?

Sie haben sogar vier Kriege verloren – 48, 67, 73 und 82 – und wiegen sich trotzdem immer noch im illusorischen Gefühl des Triumphes:

The current situation in the Arab world, or at least in the middle east proper (the Mashreq), is the result of a cultural crisis which we will underestimate if we examine it only from a political standpoint. It is no coincidence, for example, that Arab intellectuals in their broadest terms still reject any normalisation of relations with „the Zionist enemy“. Nor is it insignificant that the fundamentalist movements are getting stronger and stronger. Take Egypt, which despite having signed the Camp David accords with Israel in 1978, has not budged one inch from its so-called „cold peace“ with its neighbour. Or Lebanon, which clings to the rhetoric of „resistance“ to Israel, despite the fact that Israeli troops withdrew to the international borders seven years ago. As for Syria, it remains highly doubtful whether it really wants to give up its quasi-imperialist role in the region and recover the Golan Heights, or maintain its current stance and thus ensure the opposite outcome.This willingness of both the general populace and the intelligentsia to tolerate despotic regimes merely because they claim to stand up to „imperialism and Zionism“ is extremely indicative. People, all over the region, are more than ready to excuse blatantly backward and fanatical movements on the flimsy basis that they are the product of „the resistance“. Or they refuse to criticise foreign interference in the Arab world – such as Iranian meddling – when they know full well that there is nothing to be gained from such „anti-imperialist“ meddling economically or in any other way, and that it can only lead to violent and costly repercussions.


In addition, there is the Arabs‘ penchant for claiming „victory“ when in reality the reverse is invariably the case. This chronic need for triumph was seen most recently in the conflict between Israel and Hizbollah in July-August 2006, which the latter claimed as a „divine victory“ despite the devastation wreaked on Lebanon.

Hazem Saghieh folgert daraus:

We must stop denying our defeat: the sooner all sections of Arab societies face up to the truth, the sooner we will bring a halt to our agony and humiliation. The rising chorus of those who claim that our predicament is the product of American and Israeli policies is itself another incentive to admit our defeat openly, and the sooner the better. Things cannot go on as they are.

 

Wie die deutsche Linke Israel im Stich liess

Ein exzellenter Artikel von Martin Kloke im neuen Merkur rekonstruiert, wie die deutsche Linke vor 40 Jahren antizionistisch wurde.
Wie konnte es kommen, dass die deutsche Neue Linke ihre Sympathien für Israel während des Sechstagekrieges aufgab und „das zionistische Gebilde“ auf einmal nur mehr als „Brückenkopf des Imperialismus“ sehen mochte?

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Mosche Dajan, israelischer Verteidigungsminister
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Gamal Abdel Nasser, ägyptischer Präsident

Wie konnte man bloss darauf verfallen, die arabischen Militärdiktaturen und die PLO als „tendenziell progressiv“ zu sehen und in den Israelis – gerade zum Zeitpunkt ihrer drohenden Vernichtung – die neuen Nazis?
Stimmen wie diese hier blieben ungehört:

Im Winter 1967/68 formierten sich namhafte linke Persönlichkeiten, um die antiisraelischen Vorwürfe führender studentischer Linker zu entkräften. Sie warnten in den Neuen Deutschen Heften (März 1968) vor einem ahistorischen und doktrinären »Antiimperialismus«, da dieser in seiner israelfeindlichen Konsequenz »zum Ventil des uneingestandenen Antijudaismus« zu verkommen drohe: »Weil die Araber zur Dritten Welt gehören, sind sie noch nicht eo ipso die reinen Engel. Die Israelis sind die Gefährdeten, die Araber dagegen sind es, die Angriff, Vertreibung und Ausrottung planen. Die Parteinahme muß primär der Progressivität, dem Recht, der Humanität gelten, nicht einer bestimmten Volksgruppe. So wie aus diesen Ideen die Stellungnahme gegen die USA für das vietnamesische Volk folgt, so folgt aus ihnen auch die Stellungnahme gegen Nasser für Israel.«

Ließe sich das nicht auch auf heute übertragen, wenn man für Nasser Achmadinedschad, Hamas und Hisbollah einsetzt?

Der gesamte Text ist hier frei online zu lesen.

 

Der Architekt der Kölner Moschee spricht

Ein Interview mit Paul Böhm, dem Architekten der Ehrenfelder Moschee, über die wir hier auch schon viel debattiert haben, auf ZEIT online.
Auszug:
ZEIT online: Statt eines alltäglichen, entspannten Umgangs, gibt es derzeit eher heftige Proteste gegen die Moschee. Der Publizist Ralph Giordano etwa nannte die Moschee ein „falsches Signal“ und prognostizierte „Unfrieden und Unruhe“. Wie sehen Sie das?

Böhm: Nein, im Gegenteil. Ich glaube, dass solche Aussagen wie die von Ralph Giordano Öl ins Feuer gießen. Dass man mit dem Islam Probleme hat, kann ich verstehen, genauso wie ich auch verstehen kann, wenn man Probleme mit der Geschichte des Christentums hat. In dem Moscheebau eine Manifestation des Islamismus zu sehen, finde ich falsch. Ich sehe darin eher eine Öffnung dieser Religion in die Moderne. Natürlich gibt es vielerlei zu kritisieren. Dabei ist die Stellung der Frau nur ein Aspekt.

Ganzer Text: Link oben anklicken.

 

Richard Rorty ist tot

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Richard Rorty, 1931-2007

Der grosse Philosoph Richard Rorty ist tot. (Hier ein Zitat, das zu den Diskussionen auf diesem Blog passt.)

Aus: Achieving our Country
„Nationalstolz ist für ein Land dasselbe wie Selbstachtung für den einzelnen: eine notwendige Bedingung der Selbstvervollkommnung. Zuviel Nationalstolz kann Aggressivität und Imperialismus erzeugen, genau wie übermäßiges Selbstgefühl zu Überheblichkeit führen kann. Doch zuwenig Selbstachtung kann den einzelnen daran hindern, moralischen Mut zu zeigen, und ebenso kann mangelnder Nationalstolz eine energische und wirkungsvolle Diskussion über die nationale Politik vereiteln.

Eine Gefühlsbindung an das eigene Land – daß Abschnitte seiner Geschichte und die heutige Politik intensive Gefühle der Scham oder glühenden Stolz hervorrufen – ist notwendig, wenn das politische Denken phantasievoll und fruchtbar sein soll. Und dazu kommt es wohl nur, wenn der Stolz die Scham überwiegt […] Wer eine Nation dazu bringen möchte, sich anzustrengen, muß ihr vorhalten, worauf sie stolz sein kann und wessen sie sich schämen sollte. Er muß etwas Anfeuerndes über Episoden und Figuren aus ihrer Vergangenheit sagen, denen sie treu bleiben sollte. Einer Nation müssen Künstler und Intellektuelle Bilder und Geschichten über ihre Vergangenheit erschaffen. Der Wettbewerb um politische Führungspositionen ist zum Teil ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Vorstellungen von der Identität der Nation und verschiedenen Symbolen ihrer Größe.“

Ich habe hier versucht, das mit unseren Leitkultur-Debatten zu verbinden.

 

Was würden die Araber eigentlich ohne den „zionistischen“ Feind tun?

Weil allzu oft der Eindruck entsteht, die arabische Öffentlichkeit bestünde bloss aus ressentimentgeladenen Stimmen, stelle ich hier immer wieder auch selbstkritische Autoren vor, die leider viel zu wenig Gehör bei uns finden. In diese reihe gehört auch Abdul Rahman Al-Raschid, der Chefredakteur von Al-Arabiya TV und ehemalige Chefredakteur von Asharq Alawsat, der größten panarabischen Tageszeitung.

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Abdul Rahman Al-Raschid

Dort fragt er zum 40. Jahrestag des Sechstagekrieges, was die Araber eigentlich ohne den „zionistischen“ Feind machen würden. Können sie sich einen Frieden überhaupt noch vorstellen? Die gesamte arabisch Politik mit all ihrem verhängnisvollen Fehlern, schreibt Al-Rashed, beruht auf der Möglichkeit, alles auf den Palästinakonflikt zu schieben:

So, having based their existence, positions, leaderships and literature on the enemy, how can we imagine that those institutions can adapt when the day comes that we no longer have an enemy?

We have nursed animosity to the extent that anything else is almost impossible. Animosity has developed into a complete institution without which survival is not possible. It is not concocted animosity considering that Israel is not a peaceful state and has forced itself into the occupied territories in front of the world that it has defied for over four decades. Israel itself is benefiting from the state of animosity with the Arabs by unifying Jews and profiting from Western support in the name of confronting the Arab enemy.

We can understand Israeli adherence to animosity as it wants to keep the stolen land, retain the US $3 billion in annual aid from the United States and continue to receive Jewish support from around the world. These are all real Israeli gains that justify the invention of a scarecrow enemy even though it could sign a peace agreement that is based on returning occupied territory and ending the entire crisis in one day rather than 40 years.

However, we cannot understand the Arab wisdom behind maintaining such animosity. The Arabs have neither fought to liberate their territories nor sought peace to regain these territories and continue to call for confronting the enemy. Therefore, territories in three states have remained occupied, with one million people in camps and another two million displaced people in different parts of the world suffering on a daily basis. Today, 40 years after the Six-Day War defeat, we can find no logic for those rejecting peace and no reason for blaming all these sins on the [Palestinian] issue and the [Israeli] enemy.