Ajatollah Christina

Christina von Braun, Gender-Forscherin,
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sagt auf „Muslimische Stimmen„:

„Zum Beispiel das Bild von der unterdrückten Frau im Islam. Solche Behauptungen werden einfach in den Raum geworfen, und keiner hinterfragt sie. Und wenn man nachfragt: Wen meinst du genau? Heißt es als Antwort: Die Frauen mit Kopftuch. Und dann soll das Kopftuch als ‚eindeutige‘ Symbolik diese Behauptung belegen. Man muss einfach mal in Erinnerung rufen, dass auch in deutschen und amerikanischen, wie natürlich auch in muslimischen, Haushalten Gewalt am weiblichen Körper verübt wird. Die Projektionen auf ‚Die Frau im Islam’ sind Ablenkungsmanöver von den Problemen in den westlichen Ländern.“

Das hätte der iranische Revolutionsführer nicht besser sagen können, dass der Westen bloss von eigenen Problemen ablenken möchte, wenn er immer auf die Lage der islamischen Frauen verweist.
Ich finde allerdings, man sollte das konsequent zuende denken: Nur das Kopftuch – nein, der Vollschleier, kann die Frau davor beschützen, zum Sexualobjekt degradiert zu werden, wie es im Westen gang und gäbe ist. Der Westen (i.e. der verhasste westliche Mann) mit seinem Fortschrittglauben und seinen kolonialen Eroberungen will nun auch noch die muslimische Frau befreien (und so genannte Feministinnen helfen ihm dabei!): Denn die muslimische Frau mit Kopftuch ist der letzte noch nicht kolonialisierte Flecken dieser Erde!

Unterm Dirndl wird gejodelt, doch unterm Schleier wächst der Widerstand!

Dies hier ist meine Lieblingspassage, schöner kann man es sich nicht ausdenken:

Der fremde Kontinent, der erobert werden musste, war ein weiblicher Körper, der schwarze Kontinent und natürlich auch die Kolonien waren weibliche Körper, die man imaginär befruchten, penetrieren und erobern musste. Diese Fantasie hat im Westen eine lange Geschichte. Wenn im Westen der weibliche Körper so rasant schnell und radikal entblößt worden ist, steckt keine Befreiung der Frau dahinter, sondern vielmehr ein Wunsch, auch hier am weiblichen Körper einen bestimmten Fortschrittsgedanken festzumachen. In dem Zusammenhang muss man auch über die weiblichen Essstörungen reden, die zuerst in den westlichen Industrieländern aufgetaucht sind. Magersüchtige Frauen wollen nicht – wie so oft behauptet – einem Schönheitsideal entsprechen, sondern wenn man mit ihnen spricht, sagen sie, sie wollen ‚leicht’, ‚dünn’ oder ‚unsichtbar’ sein. Das heißt, sie wollen sich einem Druck auf den weiblichen Körper entziehen, diesen als nackte Wahrheit – als entblößtes Fleisch – im öffentlichen Raum auszustellen.“

Wenn die Frauen im Westen also entweder „radikal entblösst“ werden, oder sich nur durch Magersucht dem Sex-Terror entziehen können, folgt zwingend:

„Am Problematischsten (…) ist, dass so ein bestimmter westlicher Feminismus sich hinstellt und sagt: Ihr braucht nur so zu werden wie wir, dann seid ihr glücklich.

Wir schließen:
Magersucht und Kolonialismus – dagegen hilft nur Totalverschleierung.
Freiheit ist Sklaverei, Anpassung ist Widerstand, Kopftuchtragen ist der wahre Feminismus! Das Kopftuch ist der Aufstand gegen die Eroberungslust des westlichen Mannes!
Scheich Karadawi, übernehmen Sie!

 

Fachliche Kooperationen

In der Pressemitteilung der Uni Osnabrück hatte es geheissen, „fachliche Kooperationen bestehen mit der Islamischen Religionspädagogischen Akademie in Wien und theologischen Fakultäten in der Türkei“.

Nun teilt die Uni mit, „Kooperationsverträge zwischen der Universität Osnabrück oder einzelnen ihrer Fächer und Fachbereiche einerseits und der IRPA Wien andererseits bestehen nicht und sind auch nicht beabsichtigt“.

Heisst das nun, dass man zwar fachlich kooperiert, aber keine Verträge bestehen?

Am Ende läuft die Stellungnahme der Universität darauf hinaus, dass eine Institution, die in Österrreich anerkannt sei, wohl irgendwie schon in Ordnung sein müsse und als Partner in Frage komme. Sonst wäre es nicht sinnvoll, in der Stellungnahme erst so lang und umständlich die Islamische Religionsgemeinschaft, die IRPA und das IRPI zu verteidigen – bevor man dann klarstellt, es gebe keine Verträge.

Die institutionelle Trennung zwischen IRPA und IRPI, die sorgsam darauf bedacht sind, sich nur durch einen Buchstaben zu unterscheiden, ist kein Argument. Denn die beiden Institutionen teilen sich nicht nur drei Buchstaben, sondern eine Adresse und sogar ein Faxgerät.

Amir Zaidan prägt als Direktor und theologische Autorität des IRPI mit seinen Unterrichtsmaterialien wesentlich das Curriculum, nach dem durch IRPA Religionslehrer ausgebildet werden. Wie die „Klarstellung“ aus Osnabrück darlegt, soll IRPA demnächst aufbauend auf dem IRPA-Studium noch Weitergehendes eingerichtet werden:

Die Universität Wien plant, zum Wintersemester 2007/2008 einen Master- Studiengang „Islamische Religionspädagogik“ einzurichten, der, aufbauend auf den Abschluss des Studiums an der IRPA oder einem vergleichbaren Abschluss, für das Lehramt an österreichischen staatlichen Höheren Schulen und für das Management von Islamischen Organisationen qualifiziert.

Soll das etwa eine gute Nachricht sein, die uns über IRPA/IRPI beruhigt? Das ist haarsträubend. Die Verbindungen zur Muslimbruderschaft liegen bei Zaidan offen zutage. Er schreibt in seinem Lebenslauf, dass er 1993-1996 in Chateau Chinon Islamologie studiert habe. Das Institut Européen Schiences Humaines, an dem er seinen B.A. gemacht hat, steht dem U.O.I.F. nahe (der Bruderschaft-nahen Moslemorganisation in Frankreich) und ist nach eigener Aussage dem Europäischen Fatwa-Rat verpflichtet, dem langen Arm des Muslimbruder-Scheichs Jussuf Al-Karadawi in Europa.
Auf der Website des Instituts steht im Bereich „Fatwa und Theologie“ zu lesen:

Le conseil de la fatwa en Europe sera notre référant dans ce domaine.

Il est composé d’éminents savants parmi eux :

* Le Cheik Youssef El QUARADHAWI (Président du conseil)

Es ist nicht verboten, solche Verbindungen zu unterhalten. Aber Leute mit solchen Verbindungen haben in unserer Ausbildung von Religionslehrern nichts zu suchen.

 

Geistliches Gipfeltreffen zwischen Sunniten und Schiiten

Hashemi Rafsandschani und Jussuf Al-Karadawi haben sich in Kairo getroffen, um ein Zeichen gegen die sunnitisch-schiitische Spaltung zu setzen. Das bedeutet mit Bezug auf Iran, dass Rafsandschanis Gewicht weiter wächst und der aggressive Kurs von Achmadinedschad, der sich zum Champion der unterdrückten Muslime überall aufzuwerfen versucht, zumindest von einer zweiten Linie ausbalanciert wird. Interessant wiederum, wie deutlich Karadawi den Iran im Irak in die Pflicht nimmt. Hört man sonst so nur aus dem Weissen Haus. (Link hier.)
Zitate:

Both scholars saw eye-to-eye on the importance of maintaining Iraq unity.

„Iraq must remain united and all religious and ethnic factions should live under one flat and one,“ said Rafsanjani.

„We don’t want Shiiites, who were oppressed in the past (under Saddam), to behave this way ‚We are back to take revenge.'“

On Iran’s reported security and intelligence role in Iraq, Rafsanjani said Iran does not want to interfere in Iraq’s affairs.

„We help Muslims everywhere. Haven’t we aided Sunni Bosnians? Haven’t we aided the Palestinians? When we defend Iraq and aide our neighbor, we actually defend Islam.“

But Qaradawi reiterated that Iran „has the keys in Iraq.“

„Iran does have an influence in Iraq,“ he said. “ Iran can say stop this and that…it can turn off such a civil war in Iraq. This situation plays well into the hands of the Americans.“

 

Eine tolle Idee zur Belebung des Friedensprozesses – Grabungen am Tempelberg in Jerusalem

Man könnte meinen, die Israelis seien unglücklich mit der Situation, dass die Palästinenser angefangen haben, sich untereinander zu bekriegen.
Jedenfalls scheint irgendjemand auf eine geniale Idee verfallen zu sein, wie man sie wieder dazu bringen kann, ihren Hass ordnungsgemäss auf Israel zu richten. Und so wurden denn vor wenigen Tagen unter einem riesigen Polizeiaufgebot Bau- und Grabungsarbeiten am Tempelberg in Angriff genommen.
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Der Plan geht auf, schon hat der jordanische König protestiert, Hamas und Fatah haben die Grabungsarbeiten als Provokation verurteilt, der Iranische Revolutionsführer Chamenei hat die Muslime aufgefordert, Jerusalem zu verteidigen, und Jussuf Al-Karadawi, der grosse Tele-Scheich von AL-Dschasira, hat gleich mal eben eine Fatwa herausgegeben. (Volltext hier.)
Zitat:

Therefore, Jerusalem has come to enjoy a special place in the heart of every Muslim in the entire Arab world. The occupation of Jerusalem moves his heart and pains him, out of love, keenness and jealousy over it as well as his concern about it. It is mainly on account of Jerusalem that the Palestinian cause comes first on Muslims‘ list of priorities. It is Jerusalem that Muslims fear for and are keen to preserve, defend and fight for. It is for the sake of Jerusalem that they willingly give their lives and all they hold dear. Jerusalem is the symbol of the cause of Palestine. It is the backbone and the very core of the problem. True are the words of the poet who once said,

Palestine is meaningless with no Aqsa or Jerusalem.
Without Jerusalem, it is like a body with no head.

Jerusalem is not for the Palestinians only, but for all Muslims, be they Arabs or not. It is a city for all Arabs, be they Muslims or Christians. Therefore it is incumbent on Muslims, wherever they may be, to shoulder their responsibility of defending Jerusalem and Al-Aqsa Mosque. This is an obligation for them all. They are to jointly defend it, offering in the process their lives, their money and all they possess, or else they will be subject to Allah’s punishment, for Allah says: (O ye who believe what is the matter with you, that when ye are asked to go forth in the cause of Allah, ye cling heavily to the earth? Do ye prefer the life of this world to the Hereafter? But little is the comfort of this life, as compared with the Hereafter ) (At-Tawbah 9:38).

Das letzte Wort zu diesem Irrsinn hat Ari Sarid in der israelischen Tageszeitung Ha’aretz vom 6.2.2007:

Were I to believe that this lame government were capable of conspiring, I would say the Israeli excavations show that Israel doesn’t stand aloof when Palestinian blood is spilled like water. After all, the Palestinians will now put an end to their violent internecine clashes and turn their anger – and perhaps also their arms – toward Israel.

Na, toll! Das Rennen ist eröffnet. Wer wird sich als erster in die Luft sprengen?

 

Sunniten und Schiiten versuchen, Eskalation des religiösen Bürgerkriegs einzudämmen

Eine interessante Meldung auf islamonline: Sunnitische und schiitische Geistliche und Vertreter des Iran haben in Doha getagt, um das Gemetzel zwischen ihren Religionsgruppen einzuhegen. Es kam zum Eklat, als ein einflussreicher sunnitischer Scheich die Rolle des Iran zum Thema machte.
Der neue Nahostkonflikt – von den USA ausgelöst – verläuft nicht zwischen Juden und Arabern oder dem Westen und den Muslimen, sondern zwischen diesen beiden erwähnten Gruppen – und also am Ende zwischen Persern und Arabern?

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Jussuf Al-Karadawi

Der einflussreiche sunnitische Gelehrte Jussuf Al-Karadawi wird mit folgender Aussage zitiert:

„Sheikh Yusuf al-Qaradawi, the IUMS {International Union of Muslim Scholars} president, told the participants that Tehran does have the power to stop the sectarian violence in Iraq, remarks that drew rebuke from Iranian officials.

Das ist eine bemerkenswerte Aussage vom Chefdenker der Muslimbruderschaft und einer der höchsten Autoritäten des sunnitischen Islam. Sagen die Amerikaner nicht das Gleiche, die Karadawi sonst bei jeder Gelegenheit angreift?

 

Höchste islamische Autorität Ägyptens nennt Genitalbeschneidung eine „strafbare Aggression“ gegen das Menschengeschlecht

Vorige Woche fand in Kairo ein Treffen theologischer und medizinischer Experten zur Frage der Genitalverstümmelung von Frauen statt. Die Al-Azhar Universität, die höchste theologische Autorität des sunnitischen Islam, gibt daraufhin folgendes Rechtsgutachten heraus, das uns der Mit-Initiator der Konferenz, Rüdiger Nehberg, vorab in deutscher Übersetzung zur Verfügung stellte:

1. Gott hat den Menschen mit Würde ausgestattet. Im Koran sagt Gott: „Wir haben die Söhne Adams gewürdigt.“ Daher wird jeglicher Schaden verboten, der Menschen zugefügt wird, unabhängig von gesellschaftlichem Status und Geschlecht.

2. Genital-Beschneidung ist eine ererbte Unsitte, die in einigen Gesellschaften praktiziert wird und von einigen Moslems in mehreren Ländern in Nachahmung übernommen wurde. Dies ohne textliche Grundlage im Koran respektive einer authentischen Überlieferung des Propheten.

3. Die heute praktizierte weibliche Genitalbeschneidung fügt der Frau psychologische und physische Schäden zu. Daher müssen diese Praktiken unterbunden werden, in Anlehnung an einen der höchsten Werte des Islams, nämlich dem Menschen keinen Schaden zuzufügen – gemäss des Ausspruchs des Propheten Mohammed „Keinen Schaden nehmen und keinen Schaden zufügen“. Vielmehr wird dies als strafbare Aggression gegenüber dem Menschengeschlecht erachtet.

es folgen

4. der Appell an die Muslime, die Unsitte zu unterbinden

5. der Appell an die internationalen und regionalen institiutionen, die Aufklärung der Bevölkerung voranzutreiben

6. der Appell an die Medien, das Gleiche zu tun

7. die Forderung nach einem Gesetz, das die Genitalverstümmelung zum Verbrechen erklärt

8. die Forderung nach internationaler Unterstützung beim Kampf gegen die Genitalverstümmelung

Das ist ein großer Fortschritt. Wenn nun noch der einflussreiche TV-Scheich Jussuf Al-Karadawi mitzieht, bedeute dies Hoffnung für die 8.000 Opfer dieser Praxis pro Tag.

 

Kairo: Islamische Gelehrte verdammen weibliche Genitalverstümmelung

Durchbruch für Frauenrechte im Islam – oder doch nicht?
Hoch angesehene muslimische Theologen aus dreizehn Ländern haben in Kairo die weibliche Genitalverstümmelung – oft als „Beschneidung“ verharmlost – als einen unislamischen Brauch verurteilt.

Das Treffen fand an der Al-Azhar Universität statt, der höchsten sunnitischen Autorität in Glaubensfragen. Der Scheich der Azhar, Mohammed Sayed Tantawi, war anwesend, ebenso der bekannte Prediger Jussuf Al-Karadawi und der ägyptische Grossmufti Ali Gomaa.

Die Initiative zu dem Treffen ging von dem deutschen Abenteurer und Menschenrechtler Rüdiger Nehberg aus.

Die Genitalverstümmelung verursacht grosses köperliches und seelisches Leid bei den betroffenen Frauen, stellen die Theologen fest – „und muss deshalb gestoppt werden, denn der Islam ist ganz und gar gegen die Verletzung unschuldiger Menschen.“

Eltern begründeten ihre Befürwortung der Klitoralektomie oft damit, heisst es im Pressekommuniqué, „dass damit promiskuitivem Verhalten ihrer Töchter vorgebeugt werden könne“.

Es gebe keinen Beleg für diese Praxis im Koran und in den Hadithen. Der Prophet habe seine vier Töchter nicht beschneiden lassen.

Ägyptische Frauenrechtsorganisationen feierten die Aussagen der Gelehrten als grossen Schritt für die Menschenrechte und verlangten eine Kriminalisierung der Genitalverstümmelung.
An der männlichen Beschneidung als religiöser Pflicht wird weiter festgehalten.

p.s. Merkwürdiger Weise hat Jussuf Al-Karadawi, der auch in Europa einflussreiche Prediger, am 23. November, also während des Kairoer Treffens, eine Fatwa veröffentlichen lassen, in der er wieder ein paar Schritte rückwärts macht.

Da heisst es, „die gemäßigte und wahrscheinlich korrekte Meinung spricht für den gemässigten islamischen Weg bei der Beschneidung, wie er in manchen Hadithen des Propheten angedeutet ist – obwohl diese Hadithe nicht als authentisch bestätigt sind: ‚Reduziere die Grösse der Klitoris, aber überschreite nicht die Grenze, denn das ist besser für ihre Gesundheit und wird von Ehemännern bevorzugt.‘ Der Hadith bedeutet, dass Beschneidung besser für die Gesundheit der Frau ist und ihre ehelichen Beziehungen mit ihren Mann verbessert… Wie auch immer, es ist keine Pflicht, doch wer auch immer glaubt, es diene den Interessen seiner Töchter, soll es tun, und ich persönlich unterstütze dies unter den gegenwärtigen Umständen in der modernen Welt. Wer sich entscheidet es nicht zu tun, hat keine Sünde getan, denn es dient hauptsächlich dem Zweck, die Würde der Frauen zu fördern, wie die Gelehrten sagen.“

Die Würde und Gesundheit der Frauen, die Interessen der Töchter? Weiss der Mann noch, wovon er redet?

 

Ägyptischer Grossmufti: Genitalverstümmelung bringt „unsägliches Leid“ für Mädchen und Frauen

Der berühmte Abenteurer Rüdiger Nehberg ist kurz davor, einen sensationellen Durchbruch im Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung zu erzielten. Nehberg, bekannt durch seine vielen waghalsigen Reisen („Im Tretboot über den Atlantik“), ist seit vielen Jahren hauptsächlich als Menschenrechtler aktiv. Seine Organisation „Target“ widmet sich vor allem der Abschaffung der Praxis der so genannten Klitorisbeschneidung.

Auf Initiative von „Target“ treffen sich nächste Woche Mittwoch in Kairo hohe muslimische Theologen, um die Praxis zu ächten. Es werden Teilnehmer aus Ägypten, Somalia, dem Tschad, Mali, Mauretanien, Äthiopien, Eritrea, Qatar, Nigeria, Dschibuti, Marokko, der Türkei und Russland erwartet.

Die Sensation besteht darin, dass der ägyptische Grossmufti Dr. Ali Gomaa als Schirmherr gewonnen werden konnte. Rüdiger Nehberg sagte der ZEIT, er habe eigentlich vorgehabt, die Konferenz in Berlin abzuhalten:

„Doch der Grossmufti schlug vor, dass wir ins theologische Zentrum des sunnitischen Islams gehen, an die Al-Azhar-Universität. Der Grossscheich der Universität, Dr. Mohammed Sayed Tantawi, unterstützt die Konferenz ebenfalls. Auch der ägyptische Religionsminister steht dahnter. Und Jussuf Al-Karadawi, der populärste Prediger der sunnitischen welt, will auch kommen.“

Der Grossmufti findet in seiner Einladung deutliche Worte:

„Es geht um die düstere Wirklichkeit der Genitalverstümmelung an Frauen und die Haltung des Islam zur Unantastbarkeit des weiblichen Körpers. Und es geht um die Achtung der Würde und Ehre des Menschen sowie das Verbot von Aggressionen in jeglicher Form.“

Der letzte Satz lässt ahnen, dass der Mufti diese Initiative in einem weiteren Kontext islamischer Reform sieht. Geniatlverstümmelung ist zwar keine rein islamische Praxis. Auch unter Christen und Juden war und ist sie verbreitet. Doch heute ist die überwältigende Mehrzahl der Täter und Opfer islamisch. und der Koran wird fälschlicher Weise immer wieder als Legitimation hernagezogen.

Das Ziel des Grossmufti besteht offfenbar darin, im Gelehrtenkonsens die Frauenverstümmelung zur „Sünde“ zu erklären. Ein Bann der koranischen Legitimation einer menschenrechtsverletzenden Praxis wäre ein Druchbruch für Millionen Frauen. Und er wäre zugeich ein wichtiger Schritt der islamischen Selbstbesinnung. Die Stellung der Frau im Islam würde ganz neu zum Thema werden, wenn der Islam aus sich heraus die Kraft fände, den schlimmsten Exzess der Frauenfeindlichkeit als unislamisch zu brandmarken.

Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt der deutsche „Zentralrat der Muslime“, der schon vor fünf Jahren mit Nehberg zusammen die Aussage erarbeitete:

„Weibliche Genitalverstümmelung ist mit dem Koran und der Ethik des Islam unvereinbar. Sie ist Gottesanmaßung und eine Diskriminierung des Islam.“

Täglich werden geschätzte 8000 Mädchen zum Opfer der archaischen Praxis. Weltweit leiden an die 150 Millionen Frauen unter den Folgen. Vor allem in den Ländern der Sahelzone ist der Brauch verbreitet. Klitorisbeschneidung ist eigentlich eine verharmlosende Bezeichnung für diese Praxis. Ohne Betäubung und oft von medizinischen Laien wird zumeist die Klitoris samt Schammlippen mit Rasiermessern entfernt.

Nicht nur der traumatische Raub der sexuellen Empfindungsfähigkeit ist die Folge, die Frauen leiden oft lebenslang unter Krankheiten und schmerzhaften Beschwerden.

 

England debattiert den Schleier

p.p.p.s. (12. Oktober) Die Schleier-Debatte überspringt den Atlantik: ein exzellenter Essay der britischen Journalistin Yasmin Alibhai-Brown im Time Magazine unterstützt Jack Straws Kritik.

Die britische Integrationsministerin Ruth Kelly hat am Mittwoch, den 11. Oktober, eine Neuausrichtung der Förderpolitik angekündigt. In Zukunft werde man nur solche muslimischen Organisationen fördern, auf die man in Kampf gegen den Extremismus zählen könne. „Wir werden Sie nach Ihren Worten und Taten beurteilen“, sagte Kelly.
Dies zielt auf den Muslim Council of Britain, der sich denn auch prompt angesprochen fühlte. Kelly setzt damit um, was sie vor einigen Wochen ankündigte. Siehe meinen früheren Post.
Bill Rammell, der Bildungsminister, sagte unterdessen solchen Universitäten seine Unterstützung zu, die den Vollschleier verbieten. Kürzlich hatte das Imperial College den Nikab verboten.

p.p.s. Salman Rushdie hat sich nun in der BBC ebenfalls hinter Straw gestellt. Der Schleier „nervt“ („sucks“), sagte Rushdie: „Als jemand mit drei Schwestern, der aus einer stark weiblich dominierten muslimischen Familie stamm, muß ich sagen, daß es kein einzige Frau in meiner Familie gibt, die das Tragen eines Schleiers akzeptieren hätte. Der Kampf gegen den Schleier ist eine lange und andauernde Schlacht gegen die Beschränkung der Frauen, und in diesem Sinn bin ich voll auf seiner (Straws) Seite. Ich glaube der Schleier ist ein Mittel, um den Frauen Macht zu nehmen.“

Der Dramatiker David Edgar gibt hingegen im Guardian vom 11.10. zu bedenken: „Ja, der Schleier kann befremdlich sein für Menschen, die mit seiner Trägerin zu kommunizieren versuchen; er wird manchmal (wenn auch nicht immer) unfreiwillig getragen, und für mich ist er Ausdruck der Verehrung eines nicht-existierenden übernatürlichen Wesens, dessen Anbetung alle möglichen Barbareien entschuldigt. Aber wenn wir ein Standbein haben wollen, wenn wir uns für die Satanischen Verse (…) einsetzen, dann müssen wir das Recht es zu tragen bis zum Tode verteidigen.“

p.s. Heute, Dienstag, 10.10.2006, hat sich Tony Blair ausdrücklich hinter Jack Straw gestellt. Muslimische Frauen dürften selbstverständlich tragen, was sie wollen. Trotzdem sei es legitim und vernünftig, die Frage der Gesichtsverhüllung anzusprechen, „wenn wir die Barrieren zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen niederreissen wollen“.

Auch auf der Website islam-online.net, die dem sunnitischen Prediger Jussuf Al-Karadawi nahesteht, wird intensiv über die Debatte berichtet.

Das Kopftuch (Hidschab) sei religiöse Pflicht, heißt es dort, der Gesichtsschleier (Nikab) werde von den meisten Gelehrten ins Belieben der Frau gestellt.

Die Organisationen der britischen Muslime fürchten, dass die Debatte über den Nikab mit einem Verbot des Hidschab enden wird.

In der letzten Woche hat der ehemalige britische Aussenminister Jack Straw in einem Zeitungsbeitrag die Meinung vertreten, dass die vollständige Verschleierung des weiblichen Gesichts (durch den „Nikab“) nicht hilfreich sei zur Verständigung in einer multiethnischen, multireligiösen Gesellschaft.

In seiner regelmässigen Kolumne im „Lancashire Telegraph“ hatte Straw geschrieben, er fühle sich nicht wohl dabei, mit jemandem zu sprechen, dessen Gesicht er nicht sehen könne. In der BBC sagte er später, er würde es bevorzugen, wenn die Frauen den Nikab ablegen, ohne jedoch das Recht der Frauen auf Verschleierung in Frage zu stellen. In Straws Wahlkreis leben viele Muslime. Straw kandidiert für einen stellvertretenden Leitungsposten in der Labour Party.
Der Muslim Council of Britain, die größte islamische Interessenvertretung, fiel über Straw her: Seine Kritik sei „rassistisch“.

Das ist unhaltbar. Straw hatte ausdrücklich das Recht zum Tragen eines Kopftuchs bekräftigt, das in England auch in Schulen und Ämtern unbestritten ist. Er hat auch erklärt, das Tragen des Vollschleiers sei nicht gegen das Gesetz.

Er beschreibt allerdings, dass er Frauen in seiner Sprechstunde bitte, den Schleier abzulegen, weil dann das Gespräch über Sorgen und Nöte besser vonstatten gehe. Die Frauen seien damit einverstanden, manche offensichtlich erleichtert.

Straw macht keinen Hehl daraus, dass er den Vollschleier als Integrationsverhinderungsinstrument sieht – als Hindernis für Frauen, ihre Rechte in der Gesellschaft gleichberechtigt wahrzunehmen.

Hat der Abgeordnete Straw nicht die Pflicht, seine Sorge zu Protokoll zu geben, daß Teile seiner Wählerschaft de facto nicht an der Gesellschaft partizipieren können? Er hat es auf eine ruhige und gerade nicht „rassistische“ Weise getan. Der Muslim Council of Britain – und nun auch konkurrierende Parteifreunde – wollen das nicht gelten lassen und blasen zur Jagd.
Viele britische Muslime, die auch den Vollschleier ablehnen, stimmen Straw zu. Der Muslim Council aber zeigt sich wieder einmal als eine Institution, die Debatten verhindern will, Muslime immer nur als Opfer darstellt und den Extremisten in den eigenen Reihen Schutz bietet.