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Deutschland nimmt 50 iranische Oppositionelle auf

Vor einigen Monaten habe ich hier gefragt, ob Deutschland die iranischen Oppositionellen aus der „grünen Bewegung“ im Stich lässt. Mir war von einigen Menschenrechtsaktivisten signalisiert worden, dass die Bundesrepublik sehr zögerlich agierte im Fall einiger Dissidenten, die in der Türkei dahinvegetieren.
Das Bundesinnenministerium schien damals nicht gewillt, über wenige Einzelfälle hinaus zu helfen. Kaum zwanzig Iraner sollten in Deutschland Asyl bekommen, und auch deren Verfahren liefen schleppend.
Darüber habe ich in der ZEIT berichtet. Auch der SPIEGEL griff den Fall auf. (Als erster hatte allerdings ein Kollege der ARD, Stefan Buchen vom NDR, auf das Schicksal der Flüchtlinge aufmerksam gemacht.)
Jetzt lässt sich ein Zwischenerfolg vermelden: Das Innenministerium bestätigt Berichte, nach denen zunächst 50 Oppositionelle in Deutschland Aufnahme finden sollen. Die ersten sind bereits in Deutschland.
So etwas macht einen dann doch froh.

 

Die Aufklärung und der Islam

Anläßlich der von mir aufgeworfenen Frage, ob es eine Islamische Theologie an deutschen Universitäten geben soll, ist hier ein Streit um Wissenschaftlichkeit und Säkularismus entbrannt – zwei zentrale Begriffe der Aufklärung.

Es geht auch in unserer Debatte hier letztlich um den Begriff der Aufklärung: Läßt sich der Islam über sich selber aufklären? Passt er also in unser Wissenschaftssystem hinein wie die christlichen Theologien (obwohl eben auch letzteres einige hier heftig bestreiten).

Dabei ist mir eingefallen, dass ich kürzlich mit dem Kollegen Christian Staas von ZEIT Geschichte (unserem relemäßig erscheinenden Sonderheft) ein sehr munteres Streitgespräch zum Thema Aufklärung geführt habe. Unsere beiden Gesprächspartner waren Rüdiger Safranski und Mathias Greffrath. Das ganze Gespräch gibt es hier zu lesen. Unten zwei für unseren Zusammenhang relevante Ausschnitte:

ZEIT Geschichte: Religion ist aber mehr als nur ein Krisenphänomen. Sie ist auch ein weltpolitischer Faktor, den man lange Zeit nicht auf der Rechnung hatte. Religion ist offenbar etwas, das auch in säkularisierten Gesellschaften nicht einfach verschwindet, wie manche Aufklärer sich das vorgestellt haben.

Safranski: Die Aufklärer des 18. Jahrhunderts, besonders die französischen, hatten tatsächlich einen starken polemischen Impuls gegen Religion und Kirche. Das waren die Gegenkräfte, die entlarvt werden mussten. Kant hat die Religionsdebatte dann auf den Punkt gebracht: Religion ist schon in Ordnung, aber sie muss durch das Filter der Vernunft. Was durchgelassen wird, darf bleiben – die Moral. Insofern gab es für Kant eine Art aufklärungsverträglicher Religiosität. Schon sehr schnell, vor allem in Deutschland, wird jedoch moniert: Moment mal, wir haben also den Menschen, und da gibt es die Vernunft, für die hat Kant die Blaupause angefertigt, der war im Maschinenraum und weiß, wie das Ding funktioniert. Aber es gibt doch noch anderes, Gefühle, Ahnungen, alles Mögliche gibt es in uns! Das war die Romantik, die so sprach. Und so kommt am Ende des 18. Jahrhunderts, 16 Jahre nach Kants Was ist Aufklärung?, Friedrich Schleiermacher und hält die Religion hoch – ist dabei aber ganz Aufklärer. Keine Offenbarung, keine Orthodoxie, keine Fremdbestimmung: Schleiermacher ruft zur Autonomie im Glauben auf. Geht in euch, da werdet ihr das Religiöse erfahren. Die Bibel, sagt er, kann ein jeder selbst schreiben. Er klärte damit die Aufklärung über sich selbst auf. Er warnte: Wir dürfen nicht auf ein reduziertes, rationalistisches Menschenbild zurückgreifen.

Greffrath: Aber jetzt sind wir mehr als 200 Jahre weiter, und die neue Religiosität, mit der wir es heute in der westlichen Welt zu tun haben, lässt uns weit hinter die Möglichkeiten von Aufklärung zurückfallen. Schleiermacher hat die massive Religion zur Religiosität verdünnt, bei Hegel kommt sie noch als i-Punkt vor – so wie der Monarch als i-Punkt auf dem rationalen Staat –, letztlich aber besagt das alles nicht mehr als: Hinter der Endlichkeit liegt immer noch eine Unendlichkeit, auf die wir hinstreben; da gibt es etwas, das wir mit Vernunft und bloßem Denken nicht fassen können. Mir behagt das nicht, diese Art des Grenzen-Einziehens. Schauen Sie sich doch einmal an, was heute in den modernen Naturwissenschaften alles möglich ist, in der Molekularbiologie, der Gehirnforschung, der Astrophysik! Da wird für mich sichtbar, wovon die Aufklärer immer geträumt haben: eine Theorie des Ganzen, auf empirischer Basis, vernünftig begründet. Ich sympathisiere sehr mit Naturforschern, die nicht mehr sagen: Wo wir nicht weiterkommen, kommt Gott ins Spiel, sondern: Wir können – mit den Worten Schleiermachers – eine Bibel schreiben, in der alles empirisch belegt ist und die uns trotzdem zu mystischen Gefühlen der Verbundenheit, der Ehrfurcht, der Demut Anlass gibt. Wenn man zu früh auf Spiritualitäten zurückgreift, kommt man wieder ins Reich der Geisterseher.

Safranski: Da würde ich jetzt aber ein großes Fragezeichen setzen. Zumal es mir ja auch gar nicht darum geht, eine Art Reservat auszugrenzen, das vom Strom der Wissenschaft unberührt bleibt und wo man sagt: Geht hier bitte nicht ran, hier generieren wir unsere Gespenster. Ich möchte vielmehr sagen, dass wir nicht so tun dürfen, als sei das alte Wahrheitsprivileg der Religion auf die Wissenschaft übergegangen. Die Aufklärung der Aufklärung im Sinne Schleiermachers versucht uns zu warnen vor solchem Absolutismus. Natürlich sollen wir die Wissenschaft nutzen – aber im Horizont des Unendlichen, das wir selbst sind. In diesem Horizont müssen wir die Dinge beweglich halten. Ich sehe die moderne Hirnforschung daher keineswegs so positiv, ich sehe da eine Wiederkehr primitivster Naturalismen – etwa in der Debatte um die Willensfreiheit. Es ist doch wieder dieses berühmte Spiel, Freiheit wegzuerklären mit Theorien, die nichts anderes sind als Inanspruchnahme der Freiheit.

Greffrath: Also da möchte ich mich hier aber ganz klar als Fortschrittler bekennen! Die Debatte über die Willensfreiheit ist doch nicht von ungefähr vor etwa zwei Jahren verschwunden. Wenn man das aus der Nähe verfolgt, kann man an den modernen Wissenschaften wunderbar sehen, was Aufklärung ist – ein dialektisches Fortschreiten, eine fortlaufende Selbstkorrektur und Hypothesenprüfung. Die Willensfreiheitsdebatte hat sich als Scheinproblem erwiesen. Inzwischen befasst man sich mit der biologisch ermöglichten und sozial hergestellten Fähigkeit des Menschen, kommunikativ zu handeln. Ich glaube durchaus, dass die Wissenschaft den Welträtseln immer näher kommt.

(…)

ZEIT Geschichte: In der aktuellen Islam- und Islamismusdebatte gibt es zahlreiche Stimmen, die sagen: Wer zu sehr auf Pluralität setzt, gibt letztlich die Aufklärung preis. Die Folge sei ein gefährlicher Werterelativismus. Das nicht minder scharfe Gegenargument lautet: Ihr zerstört die Ideen der Aufklärung, wenn ihr sie verabsolutiert!

Safranski: Der radikale Islam und der Islamismus sind natürlich eine gewaltige Herausforderung. Sogar noch bei einer so elementaren Idee wie der Selbstbestimmung merken wir: Man kann sie auch bestreiten. Sogar die Menschenrechte kann man infrage stellen. Und dies macht deutlich: All diese Dinge gehen auf Entscheidungen zurück. Noch hinter dem Elementarsten steht eine Entscheidung. Aber wir alle haben natürlich die große Sehnsucht, dass die Entscheidungen irgendwo einmal aufhören und die Wahrheit beginnt, eine Sehnsucht danach, dass es endlich einmal Ruhe gibt, so wie der heilige Augustinus sie fand: bei Gott…

Greffrath: Man kann es nun aber auch mehr zuspitzen, als es der Sache guttut. Der Fall ist doch klar: Mit der türkischen orthodoxen Familie ist hierzulande genauso zu verfahren wie mit der deutschen evangelischen oder katholischen Familie. Wie das Familienleben organisiert wird, das ist deren Sache. Aber wenn Menschenrechte verletzt werden – bei Gewalt in der Ehe oder Misshandlung von Kindern –, dann ist das keine Privatangelegenheit mehr, sondern ein Verstoß gegen geltendes Recht. Mit einem forcierten Begriff von Republikanismus kommt man da weiter als mit philosophischen Argumenten.

Safranski: Dem kann ich mich nur anschließen. Denn wenn wir nun anfangen zu sagen, wir verbieten beispielsweise, dass Kinder geschlagen werden, weil das mit unserem Menschenbild nicht zu vereinbaren ist, dann kommen wir im Zweifelsfall in Schwierigkeiten. Wenn man aber sagt: Hier in unserem Land wird nicht geprügelt, weil das nicht mit Paragraf 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, dann ist das eine klare Entscheidung. Ich denke, man sollte sich so lange wie möglich im Bereich des Pragmatischen aufhalten und nur, wenn es unbedingt nötig ist, mit starken Begründungen kommen.

Greffrath: Letztlich geht es im Konflikt mit dem Islam doch um Fragen des Zusammenlebens. Aufklärung, sagen Horkheimer und Adorno, heißt auch, die Menschen heimisch auf der Erde zu machen. Betrachten wir einmal mit diesem Satz die türkischen Ghettos in Berlin: Die dort leben und die Nachbarn ringsum haben gemeinsame Interessen, etwa dass alle Arbeit haben. In solcher Richtung kann man konstruktiv denken. Dann braucht man gar nicht so viel übers Prinzipielle zu reden, sondern kann ganz konkret losarbeiten. Aufklärung ist auch und vor allem eine Form der Praxis.

 

Noch einmal: Warum Islamische Theologie an deutschen Unis?

Der Betreiber von „Nics Bloghaus“ mischt sich nun vermittelnd in den Streit zwischen Mina Ahadi und mir über die Notwendigkeit islamisch-theologischer Forschung an deutschen Unis ein:

„Letztlich geht es doch darum, dass sich der Staat sehr wohl in die Belange und Lehren der Religionsgemeinschaft einmischen möchte (oder muss). Und es geht um die Frage, ob überhaupt noch irgendeine Religion in eine plurale und säkulare Gesellschaft passt. Diese Frage umgeht Jörg Lau beflissentlich. Aber damit ist er nicht allein.

Solange es gläubige Menschen gibt, muss ihnen das Recht auf Religionsausübung gewährt sein. Da wir in einer pluralen (in einer säkularen ganz sicher nicht) Gesellschaft leben, bedarf es Mittel und Methoden, die Religionsfreiheit sowohl als positive als auch als negative Freiheit aufrecht zu erhalten. Ob dazu unbedingt eine “wissenschaftliche” theologische Ausbildung an deutschen Universitäten zählt, mag dahingestellt sein. Meiner Meinung nach kann das unter dem Dach einer Universität passieren; aber finanziert werden sollte das zu 100% von den Glaubensgemeinschaften und nicht von den Steuerzahlern.“

Die Frage, ob „noch irgendeine Religion“ in eine säkulare Gesellschaft passt, finde ich verwegen. Die säkularste Gesellschaft im Westen –  die USA – ist  die religiöseste. Religion ist auch in der Moderne eine Tatsache des sozialen Lebens, sie geht auch nicht weg, sie verändert sich bloß (wird einerseits radikaler, fundamentalistischer, andererseits diffundiert sie zu reiner Ethik).

Religionsfreiheit ist die bürgerliche Urfreiheit, und zwar positive wie negative, auch das ist eine amerikanische Lektion. In Amerika wurde die Religion so freigesetzt zur Entfaltung, der Kampf für Religionsfreiheit war ein Kampf der Kirchen, in Europa war der Kampf um Religionsfreiheit einer gegen die Kirchen.

Dieser Kampf ist gewonnen. Zum Wohl der Kirchen und der Gesellschaft. Es gibt keine Einschränkung der negativen Religionsfreiheit in Deutschland. Auch als Muslim kann man hier unbehelligt Atheist sein oder Agnostiker, oder man kann konvertieren. In Deutschland war die Kooperation von Kirchen und Staat ein Mittel zur Zivilisierung der christlichen Religion – die das allerdings auch bitter nötig hatte (->Religionskriege). Es handelt sich um ein erfolgreiches Modell zur Einhegung der Religion. Erfolgreicher in meinen Augen als das amerikanische (schrecklich viel Einfluss von Kirchen, Sekten etc auf den politischen Prozess, home schooling, „Schöpfungslehre“) und das französische (dort beneidet man uns um unsere politischen Mittel, mit den Kirchen und Religionen Deals zu machen).

Die Privatisierung der islamischen Theologie, die Nic und Ahadi vorschlagen, halte ich nicht für wünschenswert. Die haben wir schon, sie bedeutet endlosen Einfluss für ausländische Mächte (Türkei -> Ditib, Saudis, Ghom, Al-Azhar etc.).

Und dabei habe ich noch gar nicht über den kulturprägenden Einfluss der deutschen Theologie auf die Wissenschaften und die Universitäten hierzulande gesprochen: der deutsche Idealismus und die Romantik als Projekte von protestantischen Theologen, Schleiermachers Aufklärung des Christentums, die Leben-Jesu-Forschung, die historisch-kritische Bibellketüre, ja der ganze Orientalismus als Nebenprojekt der protestantischen Universitätstheologie – all das spricht für das deutsche Modell einer akademischen Theologie. Warum nicht die Muslime darin aufnehmen?

 

Ein Türke wird Nato-Chefplaner

Der Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat den türkischen Diplomaten Hüseyin Diriöz zu seinem Stellvertreter ernannt.

Das ist aus verschiedenen Gründen pikant. Die Türken waren bekanntlich gegen Rasmussens Kandidatur, weil jener in der Karikaturen-Affäre sehr harsch aufgetreten war. Nun darf man in dieser Benennung ein Geschäft auf Gegenseitigkeit mit der Türkei vermuten. Rasmussen konnte nur Generalsekretär werden, weil er den Türken hohe Ämter versprochen hatte.

Diriöz ist ein Vertrauter von Abdullah Gül, und mithin ein AKP-Insider. Nun wird aber gerade das jüngere Verhalten der türkischen Regierung vis-à-vis Israel von manchen als Abwendung von dem alten West-Kurs gedeutet. Seit die Türkei auf den israelkritische Kurs eingeschwenkt ist – beginnend mit der Gaza-Offensive im letzten Jahr, hat ein Trommelfeuer des Türkenbashings begonnen.

Und nun bekommt ein türkischer Diplomat einen der höchsten Nato-Posten? Interessant.

Erdogan hat offenbar sehr gut gepokert bei der Bestallung von Rasmussen.

Und die Türkei hat wieder einmal gezeigt, dass nichts ohne sie läuft. Dass darüber in unseren Medien kaum berichtet wird, ist merkwürdig. Die deutsche Politik möchte sich über die Türkei am liebsten gar nicht mehr äußern. Ein schwaches Bild.

 

16.500 € für jeden reuigen Talib

Asymmetrische Kriege werden mit Marschflugkörpern begonnen, durch roadside bombs verloren und mit dem Scheckbuch beendet.

dpa meldet vorab ein Ergebnis der soeben in Kabul zuende gehenden Afghanistan-Konferenz:
„Die afghanische Regierung will in den nächsten fünf Jahren 36 000
Aufständische in die Gesellschaft reintegrieren. Dafür sollen nach
Vorstellung der afghanischen Regierung 773 Millionen US-Dollar (594
Millionen Euro) zur Verfügung gestellt werden. 50 Millionen Euro will
die Bundesregierung beisteuern.“

Das macht 16.500 € pro Taliban-Nase. Deutschland unterstützt jeden reuigen Taliban-Kämpfer mit umgerechnet 1308 €.

Wenn’s denn klappt, ist das vielleicht nicht zuviel Geld. Allerdings: nach fast zehn  Jahren Krieg ist das auch eine Art Niederlage.

 

Wo Deutschland verteidigt wird

Ein Fundstück auf dem immer wieder anregenden (und zum Glück wieder aktiven) „Weblog Sicherheitspolitik„, das die Bedrohung in AFG in ein erfrischendes Verhältnis zu anderen Bedrohungen der Sicherheit des Landes setzt:

„Deutschland wird aus unserer Sicht durch Überschuldung und den dysfunktionalen Sozial- und Schuldenstaat weit stärker bedroht als durch militante Islamisten in Afghanistan.“

Deutschland wird auch am Sozialamt verteidigt…

 

Warum Islamische Theologie? Antwort auf Mina Ahadi

Mina Ahadi hat offenbar meinen Blogpost von letzter Woche gelesen und sich geärgert. Ihre Antwort bestätigt leider meine Befürchtungen: So undifferenziert, panisch und voller Unterstellungen argumentiert Frau Ahadi, dass der „Islamkritik“ hier ein Bärendienst erwiesen wird.
Zitat:

„Über eine für ihn irgendwie anregende Begegnung mit einer Referentin aus Israel, Sarah Stroumsa, wusste Lau wiederzugeben, dass es für die Professorin in Israel und Indonesien nicht und in Marokko sowie in der Türkei nicht mehr nicht möglich sei, völlig frei über den Islam zu diskutieren. Warum das so ist, sagte Lau zwar nicht, ob sie als israelische Staatsbürgerin nicht einreisen darf oder ob sie befürchtet, als Islamkritikerin bedroht zu werden. Nur in Europa jedenfalls könne man noch diskutieren. Dass der organisierte Islam einer jeden Kritik gegenüber intolerant ist und den Gegner der Scharia bedroht oder ermordet, hat die Wissenschaftlerin aus Jerusalem vielleicht nicht verstanden und scheint Herrn Lau gar nicht erst zu interessieren.

Sehr geehrter Herr Lau, ich frage Sie, was ist in Köln beschlossen worden, was plant die Deutsche Bundesregierung? Wer war dort aktiv, welche Rolle haben die durchweg gegenmodern orientierten islamischen Organisationen dort in Köln am 13. und 14. Juli gespielt? Was sagt die Bundesregierung zur „ewigen“ Scharia und zur islamischen „auf Zeit und Raum bezogenen“ Rechtssprechung der frauenfeindlichen Scharia?
In Köln lag ein Buch der Organisatoren vom WR aus, in dem festgestellt wird, dass die Menschen in unserer Zeit wieder mehr Sehnsucht nach Religiosität und religiöser Rechtleitung haben. Damit will man der Bevölkerung klar machen, dass Islamische Studien an die Universitäten gehören, um religiöse Autoritäten kompetent auszubilden. Als ob ein Molla oder ein Pastor ‚Religion‘ propagieren und ‚erfolgreich‘ verbreiten könnte. Was die christliche oder islamische Geistlichkeit im Angebot hat, ist ein System der Macht und der Abhängigkeit. Die Toleranz oder inzwischen die Begeisterung für das Religiöse, auch für den Islam, wird weitergehen, bis die brutale Scharia vollumfänglich kommt. Wenn CDU und CSU die Einmischung der Religion in Politik und Schulpolitik fordern, dann erstarken auch die Islamisten. Eine ungehemmt proreligiöse Deutsche Regierung wird kein Problem damit haben, die rechtsspaltende Scharia auch hierzulande zu akzeptieren und wird Mustafa Ceric gerne als Gast einladen. Wenn dann noch Jörg Lau die Moderation übernimmt, haben sich die richtigen Akteure gesucht und gefunden, passt alles sehr harmonisch zusammen, nur von der Demokratie bleibt dann nicht mehr viel übrig.“

Dazu sage ich erstens, dass ich, indem ich Frau Stroumsas Schwierigkeiten beim Dialog mit Muslimen erwähne, natürlich implizit die mangelnde  Debattenkultur in der muslimisch-arabischen Welt anprangere. Natürlich bekommt sie als Israeli kein Visum oder ist gefährdet, so dass sie eben nicht zu Konferenzen reisen kann. Ist doch wohl evident! Dass Frau Stroumsa in Bonn aber ins Gespräch kommen konnte und wollte – das ist doch bemerkenswert und widerspricht der Vorstellung, der Wissenschaftsrat wolle hinter verschlossenen Türen irgendein Schariabefürworter-Komplott inszenieren.

Wie gedankenlos (sorry, Frau Ahadi!) aber diese Bemerkung:

dass „der organisierte Islam einer jeden Kritik gegenüber intolerant ist und den Gegner der Scharia bedroht oder ermordet, hat die Wissenschaftlerin aus Jerusalem vielleicht nicht verstanden“.

Ich fürchte, Jerusalem ist ein ganz guter Ort, um zu verstehen, wie gefährlich der Islamismus ist. Ein bisschen billig, vom sicheren deutschen Hafen so daherzuschwätzen. Und was ist „der organisierte Islam“? Hamas? IGMG? Ditib? Der „Verein liberaler Muslime“? Alles eins?

Welche Rolle haben die islamischen Verbände in Köln gespielt? Nun, sie waren nicht allzu glücklich. Denn zwar sollen sie eine Rolle spielen bei der Einrichtung von Lehrstühlen für Islamische Theologie. Aber es ist eindeutig, dass man ihnen dabei keine den Kirchen analoge Rolle zumessen will. Sie sollen in Form von Beiräten an den Lehrstühlen beteiligt werden, weil das deutsche Religionsverfassungsrecht dies aus Gründen der Religionsfreiheit vorsieht: Der Staat darf bei uns nicht die Inhalte der Theologien vorgeben. Und das ist gut so! Weil die Verbände aber weder repräsentativ genug sind noch die theologische Kompetenz besitzen, hier allein als das Gegenüber des Staates bei der Einrichtung von Lehrstühlen für islamische Theologie aufzutreten, werden sie in den Beiräten von anderen Mitspielern ergänzt werden. Wie das passieren soll, das wird eine interessante Debatte. In Bonn waren die Stimmen überwältigend, die für eine kleine Rolle der Verbände plädierten.

Im übrigen: Die Beiratskonstruktion selber war ein kontroverses Thema, und sie wird es bleiben. Eindeutig ist jedoch: Ziel der Einrichtung von Lehrstühlen für Islamische Theologie ist Wissenschaftlichkeit nach Maßgaben der deutschen Universität. Also: eine historisch-kritische Selbstreflexion des Islams. Ob das möglich ist, ob das wirklich gelingen kann, ist die Frage. Frau Stroumsa, die ich zitiert habe, ist zum Beispiel der Meinung, das könne nicht gelingen, und sie will darum lieber an der nicht bekenntnisgebundenen Islamwissenschaft festhalten. (Die soll ja auch nicht ersetzt werden.)

Mehrere anwesende Islamwissenschaftler plädierten ebenso gegen ein Fach „Islamische Theologie“, zum Beispiel Rainer Brunner aus Paris. Viel diskutiert war auch ein kritisches Papier von Patrick Franke aus Bamberg, in dem die Bedenken dargelegt werden. Ich selber bin mir noch nicht abschließend sicher. Aber die Suggestion von Frau Ahadi, „eine ungehemmt proreligiöse Deutsche Regierung wird kein Problem damit haben, die rechtsspaltende Scharia auch hierzulande zu akzeptieren“, ist einfach bizarr.

Warum nun „Islamische Theologie“ an deutschen Universitäten? Mina Ahadi sollte mit ihren iranischen Erfahrungen ein Motiv verstehen können: Es geht um die Unabhängigkeit der islamischen Diaspora von den Autoriäten daheim (Ghom, Al-Azhar, Ankara). Zweitens, und dieses Argument wird sie als überzeugte Atheistin nicht verstehen können (aber gesellschaftspolitisch könnte es ihr doch einleuchten): Es geht darum, eine religiöse Sprache des Islam (auf Deutsch!) zu entwickeln, die zum Leben hier und jetzt in einer religiös pluralen und säkularen Gesellschaft passt. Religion solle eine rein private Angelegenheit sein, fordert Frau Ahadi. Was die möglichen Ansprüche religiös begründeter Normen an die Bürger hier angeht, ist das doch so. Es gibt eine uneingeschränkte negative Religionsfreiheit in diesem Land. Wer kein Kruzifix in der Schule will, kann darauf bestehen, dass es abgehängt wird, und darf dabei auf das Bundesverfassungsgericht verweisen.

Warum dann Islamische Theologie an staatliche Unis? Die Ansprüche und Grundsätze des deutschen Wissenschaftssystems sollen eben dafür garantieren, dass die Standards gewahrt werden, was Kritikfähigkeit, Wissenschaftsfreiheit und Methodentransparenz angeht. Es geht, wie in den Empfehlungen des Wissenschaftsrats ausgeführt, um die „reflexive Selbstvergewisserung der pluralen islamischen Tradition im Dialog mit den anderen Universitätsdiziplinen“ – in anderen Worten um eine kritische islamische Theologie.

Wie gesagt: Man mag Zweifel daran haben, ob das Ziel sinnvoll ist, ob es erreichbar ist mit den vorgeschlagenen Strukturen – und sogar, ob es überhaupt ein erreichbares Ziel für die islamische Theologie ist. Es als Komplott einer „Elite von Islamverharmlosern“ abzutun, ist einfach nur borniert. Ich bleibe dabei: Diese Oberflächlichkeit einer so genannten „Islamkritik“ macht den Begriff zur Lachnummer.

 

Der Friedensprozess lebt…

… allerdings nicht in Israel/Palästina, sondern in Afghanistan. Am Dienstag findet in Kabul eine große internationale Konferenz statt. Haupttagesordnungspunkt: „Versöhnung“ mit den Taliban. Die afghanische Regierung wird von der internationalen Gemeinschaft ermutigt und unterstützt beim „Friedensprozess“ mit den Taliban. Die deutsche Regierung stellt 50 Millionen € zur Verfügung für „Reintegrationsmaßnahmen“ in Afghanistan. So richtig gut zu erklären ist es nicht, dass wir das unterstützen, aber weiterhin mit Hamas nicht reden und in Deutschland nicht mal mehr mit Milli Görüs (resp. IHH, Islamrat etc.). Ein Bericht von Al Jazeera English: