Lesezeichen
 

Syrien: verschleierte Lehrerinnen unerwünscht

Interessante Parallele zum französischen Burkaverbot: Syrien geht unter der Hand massiv gegen Nikab tragende Lehrerinnen vor. Ein gesetzliches Verbot gibt es zwar nicht, denn man will die Konservativen im Land nicht gegen das baathistische Regime aufbringen.
Aber der Economist berichtet, dass bereits über 1200 (!) voll verschleierte Lehrerinnen in andere Tätigkeiten bugsiert worden seien, weil dass Assad-Regime die islamistische Unterwanderung des Schulsystems fürchtet:
„Ali Saad, the education minister, is reported to have told teachers that the niqab undermines the “objective, secular methodology” of Syria’s schools.“

Auch in Syrien gibt es, wie in Ägypten, einen Trend zur Verhüllung als Zeichen religiöser Observanz. Vor wenigen Jahren wäre das – vor allem in gebildeten städtischen Kreisen wie unter Lehrerinnen – noch undenkbar gewesen.

Syrien unterhält als nominell säkular-sozialistische Republik ein ambivalentes Verhältnis zum politischen Islam. Damaskus beherbergt Hamas- und Hisbollah-Führer, doch unvergessen ist das Massaker von Hama an der Muslimbruderschaft, bei dem über 10.000 Menschen umkamen.

Der Economist zitiert eine Frauenrechtlerin: “The niqab is a Wahhabi way of influencing Syria and is a form of violence against women,” says Bassam al-Kadi, the outspoken head of the Syrian Women’s Observatory, a lobby that strongly supports the curb.

 

Die nackte Brust des Herrn Cruise

Eigentlich bin ich ja Filmkritiker, tief in meinem Herzen. Heute durfte ich mal wieder fürs Feuilleton ins Kino:

Der neue Film von James Mangold ist eine Wette darauf, dass man einen Unterhaltungsfilm für Jungs und Mädchen machen kann, der kein fauler Kompromiss ist: eine romantische Screwball-Komödie mit Verfolgungsjagden, Schießereien und Explosionen. Getragen wird das Unternehmen von Tom Cruise und Cameron Diaz. Sie gibt charmant und mit stark überzeichneter Naivität das Fräulein in Nöten, das immer wieder gerettet werden muss, bis es selber Spaß am Ballern und Rasen bekommt. Er aber läuft und schießt und haut und springt – und zeigt dabei eine glatt rasierte, muskulöse Brust, die einem Dreißigjährigen auch gut stehen würde. Den Stauffenberg hat Cruise gründlich hinter sich gelassen. Die Augenklappe ist zurück im Fundus, und er kann auch wieder beide Arme bewegen. Frisch sieht er aus, durchtrainiert, beweglich und allzu bereit, seine Fitness unter Beweis zu stellen.

In Wahrheit geht Tom Cruise auch schon auf die fünfzig zu. Doch es scheint offen, ob er für das mittlere Alter jemals eine Form finden wird. In Knight And Day hat er sich für die fröhliche Regression entschieden: In jeder Hand eine Maschinenpistole, Todessprung an Todessprung setzend, Arme und Beine kreisend wie ein Hubschrauber, fliegt und hüpft Cruise durch dieses Abenteuer. Wenn man gemerkt hat, dass er das alles keinesfalls ironisch meint, ist es leider zu spät… (mehr lesen)

 

Begegnung bei einer Islam-Konferenz

Ich bin in keiner Position, die Tagung des Wissenschaftsrats über „Islamische Theologie in Deutschland“ zu bewerten – weil ich selbst daran als Moderator teilgenommen habe. Nur eine Anmerkung für die (Islam)Kritiker, die dort auftauchten.

Ein Herr von „Pax Europa“ machte zum Beispiel seine Aufwartung. Mina Ahadi von den Ex-Muslimen hielt eine etwa 10minütige Rede – nach Absprache mit den Veranstaltern. Es wurde wieder einmal vor der Islamisierung gewarnt. Auch einige Grüne haben sich (ziemlich ahnungslos) in dieser Richtung geäußert. Natürlich ohne einen einzigen Beitrag zur Kenntnis zu nehmen oder sich ernsthaft mit dem Paper des Wissenschaftstrats auseinanderzusetzen.

Ich hatte viele interessante Begegnungen – zum Beispiel mit der Rektorin der Hebrew University in Jerusalem, Professorin Sarah Stroumsa. Sie ist Arabistin (und Judaistin) und Expertin für die „Freidenker des mittelalterlichen Islams“. Frau Stroumsa hatte vieles Kritische zu den Plänen des Wissenschaftsrats zu sagen. Sie ist eine große Bewunderin der deutschen Orientalistik und Islamwissenschaft und möchte nicht, dass akademische Freiheit durch eine Theologisierung dieser Fächer eingeschränkt wird.  (Warum dies nicht zu befürchten ist, werde ich ein andermal darlegen.)

Aber: In der Pause sagte sie mir, eine Konferenz wie diese, mit vielen muslimischen Teilnehmern, sei für sie eine großartige Gelegenheit zum Austausch, wie sie in Israel einfach nicht möglich sei. Sie könne eben auch nicht zum Beispiel nach Indonesien reisen, ja unterdessen nicht einmal mehr nach Marokko oder in  die Türkei, um sich mit muslimischen Kollegen auszutauschen. So etwas geht nur in Europa, wie etwa bei dieser Tagung des Wissenschaftsrats. Frau Stroumsa konnte in Köln Amin Abdullah hören, den Rektor der staatlich-islamischen Universität von Yogyakarta, Indonesien – einen Vertreter des sufistischen Islams, der für eine radikale Vieldeutigkeit der islamischen Tradition streitet, und gegen die Fundamentalisten, die auch in Indonesien (Aceh) Fuß gefasst haben.

Unsere selbst ernannten „Islamkritiker“ kriegen so etwas gar nicht mehr mit. Es interessiert sie auch gar nicht. Sie wissen doch schon alles über „den Islam“, „die Muslime“ und „die Islamisierung“. Sie geben mit dieser stolzen Borniertheit den Begriff der Kritik  der Lächerlichkeit preis.

 

Das multikulturelle Drama – ein Streit

Mitblogger NKB hat mit seinem Post die Dimensionen des letzten Threads gesprengt. Er verdient eine ausführliche Debatte, und darum habe ich mich entschlossen, ihm und Loewe hier einen kleinen Ring zum Boxen einzurichten:

@Loewe

Manichäisch reine und absolute Bewertungen liegen mir nicht.

So? Das überrascht mich nun aber etwas. Ich habe von Ihnen, namentlich in Bezug auf “Multikulti” und Israel, hier bislang nur absolute Bewertungen lesen können.

Der Unterschied zwischen uns besteht u. a. auch darin, dass ich zum Beispiel meine Eltern, mein Land, meine Partei – und das Multikulturelle lieben und schätzen kann, obwohl ich gleichzeitig auch Fehler, Grenzen, Kritikpunkte, Schwierigkeiten erlebe und zum Thema mache.

Ich denke weder, dass Sie Ihr Land lieben, noch kann ich mich daran erinnern, von Ihnen je ein aufrichtiges Wort zu Fehlern, Grenzen und Schwierigkeitengelesen zu haben – soweit es nur um das Thema Zuwanderung und dabei um Fehler, Grenzen und Schwierigkeiten von Zuwanderern ging. Wenig überraschend schreiben Sie denn auch im Folgenden, als wollten Sie mir präventiv recht geben:

Ist Multikulturalität ein Selbstläufer? – Nur dann und nur so weit, wie wir Deutsche selber integrationsfähig und integrationswillig sind und die Voraussetzungen dafür schaffen. Glücklicherweise sind wir es im großen und ganzen.

Haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass es hier auch eine andere Seite gibt? Jedes Mal, wenn Sie sich hier austoben, sehe ich mich in meiner Meinung bestätigt, dass Zuwanderer, zumal aus dem Nahen Osten, für Sie höchstwahrscheinlich nur eine Projektionsfläche für eigene Komplexe sind… Weiter„Das multikulturelle Drama – ein Streit“

 

Das Islambild in den Medien

Mein Gastvortrag vom Dienstag, 6.7.2010, an der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen der Ringvorlesung: „Wieviel Islam verträgt Europa?“

Wo soll man bloß beginnen? Der Zugang der Muslime zu den Me­dien in Deutschland, das Bild des Muslims in den Medien, Muslime als Medienma­cher?
Woher nehme ich überhaupt die Berechtigung, über dieses Thema – Islam in den deutschen Medien – zu reden vor einem akademischen Publikum. Woher nehme ich das Recht, darüber zu schreiben? Denn: Islamwis­senschaftler wie viele von Ihnen hier bin ich nicht. Ich spreche weder türkisch noch arabisch und habe auch nicht Theologie oder Islamkunde studiert.
Trotzdem haben Sie mich ja eingeladen. Sie werden sich schon was dabei ge­dacht haben. Und ich fühle mich geehrt, in einer Reihe mit großen Fachleuten hier vor ihnen reden zu können. Sie werden von mir keinen wissenschaftlichen Vortrag er­warten, sondern eine Reflexion der Praxis, aus der ich selbst komme. Ich danke Ihnen für die Gelegenheit dazu, einmal innezuhalten und zu fragen: Wie über den Islam, die Muslime und islambezogene Themen berichten?
Immer mehr Muslime in Deutschland, Frankreich und Großbritannien glauben nicht, dass die Mainstream-Medien ausgewogen über sie berichten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Pilotprojekt des Londoner Institute for Strategic Dialogue und der Vodafone Stiftung Deutschland.
55 Prozent der befragten Muslime vertraten die Auffassung, die großen Medien berichteten negativ über Muslime. Bei den nicht muslimischen Befragten waren es immerhin 39 Prozent.
Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer sind überzeugt, dass es in den meisten Berichten über Muslime um Terrorismus geht. Ein Drittel glaubt, dass vor allem Fundamentalismus eine Rolle spielt; ein Viertel nimmt als häufigstes Thema in der Berichterstattung über Muslime die Kopftuchdebatte wahr.
Natürlich haben diese Befragten nicht Recht in einem objektiven Sinn: Keineswegs geht es in der Mehrzahl der Berichte um Terrorismus. Und das Kopftuch ist immer noch ein Aufregerthema, aber das „häufigste“? Nein. Dennoch scheint es mir unbestreitbar richtig, dass die Intuition der Befragten stimmt, dass hier etwas im Argen liegt.
Ein jüngeres Beispiel: „Jung, muslimisch, brutal“ titelte Spiegel Online einen Bericht über die Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer zum Zusammenhang von Religi­ösität und Gewaltneigung. Der Süddeutschen fiel zur gleichen Untersuchung die Zei­le ein: „Die Faust zum Gebet“.  blick.ch: „Macht Islam ag­gresiv? Jung, brutal — Muslim“, Tagesspiegel: „Allah macht hart“, heise.de: „Jun­ge männliche Macho-Muslime“, Financial Times Deutschland: „Studie zu jungen Muslimen — Je gläubiger, desto gewalttätiger“, Welt.de: „Studie — Gläubige Musli­me sind deutlich gewaltbereiter“, Welt: „Muslime — Mehr Religiosität = mehr Ge­waltbereitschaft“, Bild.de: „Junge Muslime: je gläubiger desto brutaler“, Hamburger Abendblatt: „Junge Muslime: Je gläubiger, desto brutaler“.
Das ist die Ausbeute der Schlagzeilen, und sie ist nicht einmal vollständig. In Wahr­heit steht in der Studie allerdings, Weiter„Das Islambild in den Medien“

 

Roger Cohen: Warum ich Deutschland liebe

Wunderbarer Artikel von Cohen in der New York Times über das deutsche Fussballwunder:

„O.K., time for confessions, I’ve morphed into a German fan — and not just because the language has a word for pleasure in someone else’s pain.

A German fan is something I never expected to be. Germany has become the country I could never settle in yet love most. It has played the most exciting football here, not least in demolishing Argentina 4-0, and made the most exciting political statement with its Benetton-ad team.

When you spend a lot of time in conflict zones where people won’t change, where they nurture grievance and make a fetish of difference, where they never exhaust a bloody past’s capacity to ignite violence, you become a sucker, an easy touch for change. I love Germany for changing in its own way, earnestly.

I love it for becoming Europe’s ballast rather than its brute. I love it for facing the past rather than yielding to it. I love this Stuttgart-on-the-Med soccer school where Turkish flair meets the precision that yields the hermetic clunk of a German car door. I love the new Müller-Khedira sweet spot of athleticism and artistry.

Leaving South Africa now, with just four teams left, I’ve been thinking about our incorrigible thirst for the worst. Those who stayed away out of fear missed an uplifting event, and not just the German bit.

(…)

This is the first magical World Cup.

What’s the difference between war and peace? One day.

Oh, yes, Germany the Friedensmacht, or peace power, to win.

 

Spanien, wir kommen!

Hallo Youssef, ich denke, ihr werdet einen tollen Abend gehabt haben – da unten an der Sonnenalle (genau wie wir hier in Eichkamp)!

Und für alle Leser und Mitblogger hier das tolle Foto zu meinem Text über den Fahnenstreit. Jannis Chavakis hat es für DIE ZEIT gemacht, Youssef ist rechts außen im Bild, in der Mitte (mit den beiden Victory-Zeichen) Badr Mohammed, und hinten ist DIE FAHNE.

Spanien, wir kommen!

 

Warum Amerika am islamistischen Terror schuld ist

Wenn ich so etwas lese, denke ich (denkt es in mir): Lasst uns bloß aus dieser verfluchten Weltregion abhauen.

In Lahore haben gestern Terroristen einen Sufi-Schrein attackiert und dabei an die 40 Menschen getötet und über 170 verwundet. Es handelt sich offenbar um islamistische Fanatiker, die diese Selbstmordattentate begangen haben.

Dass in Pakistan der Volksislam mit seinen sufistischen Heiligenschreinen angegriffen wird, ist nichts Neues. Diese südostasiatische Ausprägung des Islam mit der Verehrung heiliger Männer ist den (oft von arabischen Gönnern gesponserten) Fanatikern lange schon ein Dorm im Auge. Sie gilt als „unrein“.

Nun aber sehe man sich die Reaktionen an, die in der pakistanischen Zeitung „Dawn“ festgehalten werden: Statt zu erkennen, dass hier in tödlicher Kampf um die Seele des Islam tobt, den nichtradikale Muslime endlich annehmen müssen, weicht man auf Verschwörungstheorien aus:

On Friday, few Pakistanis interviewed saw militants at the root of the problem.

“America is killing Muslims in Afghanistan and in our tribal areas (with missile strikes), and militants are attacking Pakistan to express anger against the government for supporting America,“ said Zahid Umar, 25, who frequently visits the shrine.

Pakistanis are suffering because of American policies and aggression in the region, said Mohammed Asif, 34, who runs an auto workshop in Lahore. He and others said the attacks would end if the US would pull out of Afghanistan.

Washington “is encouraging Indians and Jews to carry out attacks“ in Pakistan, said Arifa Moen, 32, a teacher in the central city of Multan.

Eine Lehrerin! Let’s get the hell out of there!