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Die doppelte Empathielücke

Michael Thumann, unser Mann in Istanbul hat Recht mit seinem Kommentar:

In Deutschland klafft eine Empathielücke, sogar eine doppelte: gegenüber den Türken und gegenüber der Türkei. Bei allen Bemühungen und Konferenzen fehlt es an einer vorbehaltlosen Umarmung der Deutschtürken durch die Regierung. An dem feierlichen „Ihr gehört zu uns, ohne wenn und aber.“ An dem „Wir“ von Deutschdeutschen und Deutschtürken.

Allerdings ist das ein Versäumnis beider Seiten. Es gibt auch zu wenig öffentliche Identifikation der Deutschtürken mit diesem Land hier. „Germany’s been good to me“ – das möchte man eben auch einmal hören. Und da gibt es eine merkwürdige innere Schwelle bei vielen Türken. Der türkische Ministerpräsident versucht diese Identifikationslücke auszunutzen, indem er sich als zuständig für die Auslandstürken erklärt, egal in wievielter Generation sie bereits hier leben. Immer mehr von ihren Sprechern wehren sich dagegen und spielen nicht mehr mit. Das ist gut so.

Die Identifikationslücke kann nur von beiden Seiten geschlossen werden.

Dass sich massenhafter Widerstand gegen die Türkei als EU-Mitglied erhebt, nachdem wir lauter halbreformierte und korrupte Balkanstaaten aufgenommen haben, ist eine historische Dummheit und Ungerechtigkeit. Die Türken wäre ein viel besseres Mitglied als die christlichen Brüder aus Griechenland, die unseren Euro fast vor die Wand gefahren haben.

Die Türkei könnte, wie die WELT schreibt, die Maastricht-Kriterien erfüllen, die Griechen konnten das nur mit „kreativer“ Buchführung“. Solche Absurditäten der europäischen Politik führen zu einer Verbitterung auf der türkischen Seite, die völlig unnötig ist.


 

Die Ratio der Anschläge von Moskau

Einem Bericht des renommierten amerikanischen Instituts für Sicherheitspolitik CSIS entnehme ich eine verblüffende Statistik:

Die Zahl von Selbstmordanschlägen im Nordkaukasus (der vermutlichen Herkunftsgegend der Moskauer Attentäterinnen) hat sich im letzten Jahr gegenüber dem Vorjahr vervierfacht:

An der linken Seite kann man die Zahl der Toten bei gewalttätigen Vorfällen ablesen.

In anderen Worten: Der Krieg, über den in unseren Medien kaum mehr berichtet wird, ist nicht etwa zuende, sondern geht mit größter Rücksichtlosigkeit weiter.

Im folgenden Bild sieht man die gewalttätigen Vorfälle – das heißt Aktionen des Militärs und der Aufständischen – nach Distrikten aufgeschlüsselt, alles im Jahr 2009:

Bemerkenswert, wieviel Aufmerksamkeit jedem Vorfall in Nahost zuteil wird – und wie wenig dem Krieg im Kaukasus. Das liegt natürlich erstens an der extrem restriktiven und repressiven Nachrichtenpolitik der Russen, der gegenüber die israelische geradezu transparent anmutet. Wo ist der Goldstone-Bericht über die Vorfälle aus der oben abgebildeten Statistik?

Aber zweitens liegt es auch an unserer Gleichgültigkeit. Und die dürfte durch das Moskauer Attentat weiter befördert worden sein. Wer Frauen in die U-Bahn schickt, damit sie dort Dutzende in den Tod reißen, kann mit keiner Empathie rechnen.

Ein Teufelskreis:

Da die ungeheure Zahl von Attentaten in Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan nicht mehr wahrgenommen wird, trägt man den Kampf nun in die Hauptstadt. Darin liegt, bei aller Perfidie und Monstrosität der Moskauer Attacken, eine nicht von der Hand zu weisende Rationalität der Kriegsführung seitens der Aufständischen.

Es wird ihnen freilich nichts nützen. Sie liefern dem unvermeidlichen Rückschlag der russischen Regierung die Legitimation zu äußerster Härte: Wer so agiert, hat sich außerhalb der menschlichen Gesellschaft gestellt.

Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den Mudschahedin in Afghanistan in den Achtzigern, die sich als Bauern mit Stinger-raketen einer überlegenen Armee mit Panzern und Hubschraubern als ungleiche Kombattanten entgegenstellten.

 

Bremst der Wohlfahrtsstaat die Integration?

Siegfried Kohlhammer, ein singulär freier Kopf seit vielen Jahren, an dessen islamdiskurskritisches Buch aus den 90ern ich meine meistgebloggte Kategorie hier angelehnt habe, hat im neuen MERKUR mal wieder zugeschlagen.

Kohlhammer ist nach Jahren in Berlin leider wieder nach Japan zurückgegangen, von wo aus er aber immer wieder einen kühlen Blick zurück auf die europäischen Verhältnisse wagt. Ich bin durch seinen Umzug in den Besitz einer exzellenten und beeindruckend durchgearbeiteten Bibliothek von islamwissenschaftlichen Werken gekommen. Traurig bleibt es trotzdem, dass Kohlhammer nicht von Berlin aus die Debatte mit bestimmt.

Aber sein Text sollte genügend Stoff zur Debatte liefern. Auszug:

Niemals zuvor in der Migrationsgeschichte hat es einen derartig hohen Grad an materieller, rechtlicher und ideologischer Unterstützung der Migranten von staatlicher und nichtstaatlicher Seite gegeben wie im heutigen Europa, und Deutschland nimmt dabei einen der Spitzenplätze ein. Seit Jahrzehnten werden hier erhebliche Summen für Integration ausgegeben, in die Sprachprogramme allein sind Milliardenbeträge investiert worden. Schon die Gastarbeiter in den sechziger Jahren waren von Anfang an arbeits- und sozialrechtlich gleichgestellt, erhielten also Tariflohn, Arbeitslosengeld und -unterstützung, Kinder- und Wohnbeihilfe, BAFÖG, ärztliche Betreuung – das volle Programm. Das hatte denn auch zur Folge, dass das (1973 eingestellte) Gastarbeiterprogramm zwar für die Privatwirtschaft, auf deren Druck es eingeführt worden war, einen Erfolg darstellte, nicht aber gesamtwirtschaftlich, da die Folgekosten die Gewinne schließlich übertrafen. Generell gilt in Europa, dass die Migranten insgesamt den Wohlfahrtsstaat mehr kosten, als sie zu ihm beitragen. Eine Lösung der Probleme Europas durch mehr Migranten, wie sie die EU wünscht, ist eher unwahrscheinlich.

Während früher den Einwanderern selbst die Last der Integration auferlegt wurde – und sie funktionierte in der Regel, auch ohne Sozialhilfen und Wohlfahrtsstaat und Antidiskriminierungsgesetze –, gilt heute Integration immer mehr als in die Verantwortung des Staates fallend. Und doch sind die Ergebnisse insgesamt immer dürftiger. »Nie zuvor in der Geschichte der Migration gab es so viel Rücksichtnahme und Planung. Doch die Ergebnisse waren dürftig.« (Laqueur) Das hatte unter anderem zur Folge, dass der Anteil der Erwerbstätigen unter den Migranten stetig sank und eine Lebensplanung auf der Grundlage von Sozialhilfe möglich wurde. So machen etwa die Muslime in Dänemark 5 Prozent der Bevölkerung aus, nehmen aber 40 Prozent der wohlfahrtsstaatlichen Leistungen in Empfang – und andere Länder weisen ähnliche Missverhältnisse auf. »Die Muslime in Europa erhielten mehr wohlfahrtsstaatliche Leistungen als jede andere Gruppe irgendwo und irgendwann.« (Bawer). Omar Bakri Mohammed, Gründer der islamistischen Hizb ut-Tahrir in England, lebte mit seiner Familie von wohlfahrtsstaatlichen Leistungen in der Höhe von circa 2000 Pfund im Monat. »Der Islam erlaubt mir, die Leistungen des (wohlfahrtsstaatlichen) Systems in Anspruch zu nehmen. Ich bin ohne Einschränkungen anspruchsberechtigt. Ohnehin lebt ja der größte Teil der Führerschaft der islamischen Bewegung von Sozialhilfe.«

Überall in Europa, wo eine nennenswerte Zahl muslimischer Zuwanderer sich niedergelassen hat, stößt man auf dieselben Probleme – und es scheint dabei keine Rolle zu spielen, ob die Muslime aus Pakistan oder aus der Türkei kommen, aus Algerien oder aus Bangladesch. Diese Probleme scheinen alle ihren Grund in der zunehmend misslingenden Integration zu haben, wobei gerade auch die zweite und dritte Generation, die traditionell die Integration schaffte, nicht besser integriert sind. Deutlich zeigt sich dies an den ethnischen Kolonien vieler Städte.(7)

Das ist ein zentraler Punkt: Wer hat die Verantwortung für Integration? Der Staat oder primär die Migranten selber?

Bei einem Moscheebesuch mit Sigmar Gabriel in Gelsenkirchen ergab sich letzten Freitag eine interessante Debatte. Es ging um die Schulen, an denen 80 oder mehr Prozent Migranten konzentriert sind. Eine junge Frau meldete sich, Alev Aksu, die sich als Alevitin vorstellte:  “Sorry. Mir kann keiner erzählen, dass die schlechten Bildungserfolge daran liegen, dass achtzig Prozent Türken in einer Klasse sind. Was spricht denn für ein Selbstbild aus so einer Aussage? Wenn wir zuviele auf einem Haufen sind, lernen wir nicht mehr? Es wird genug getan für die Bildung in diesem Land. Alle Chancen sind da. Aber wenn ich den Lehrer nicht respektiere und mich daneben benehme, kann es eben nichts werden. Setzt euch auf den Hintern und lernt!”

Es ist eben nicht so, dass die Migranten selber blind für die Zusammenhänge wären. Wir brauchen mehr Alev Aksus, die den Mund aufmachen.

(Tip: tati, Bakwahn)

 

Ein Augenzeuge aus Marxloh berichtet

Mitblogger cwspeer – Lehrer und Pfarrer aus Duisburg – war vor Ort:

Ich war vorhin in Marxloh vor der Moschee und in den Straßen darum herum. Ich glaube, was ich da sah, war ein gutes Spiegelbild der gesellschaftlichen Gesamtsituation, über die wir uns hier fast täglich die Köpfe heiß bloggen.
Die gesamte Schar an Gegendemonstranten war aufgeteilt in kleine bis kleinste Grüppchen, jede mit ihrem eigenen Hintergrund. Da gab es Gewerkschaften, Linke aller Art, von den LINKEN bis hin zur MLPD. Letztere erwiesen sich vor allem als ältere Herrschaften, die Kaffee und Kekse unters Volk brachten.

Da waren graubärtige Alt-68er und ließen die “internationale Solidarität” hochleben, aber es gab natürlich auch Autonome mit Sonnenbrillen, PKK´ler, eine wilde Truppe “Allah hu akbar”-Rufer mit Koranversen auf ihren Fähnchen, und andere Zeitgenossen, die etwas martialisch wirkten. Auch die jüdische Community zeigte sich solidarisch, was sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde! Den großen Rahmen bildete ein breites Feld von Normalbürgern jeglicher Couleur, darunter auch ich, zusammen mit anderen leicht ergrauten Pädagogen und Theologen in Begleitung einiger unserer Schüler, Deutsche und Migranten, die lebhaft diskutierten und sich informierten. Alle diese Grüppchen mit ihren Farben und Fähnchen wurden dadurch vereint, dass sie sich heute vor die Moschee und die friedlichen Muslime in Duisburg gestellt haben.
Ich habe diesen Sonntag in meiner Geburtsstadt als ein Fest für Demokratie und Meinungsfreiheit erlebt. Und ja, die Ränder gehören auch dazu und haben bei uns ein Existenzrecht. Das muss Demokratie sich leisten können. Insofern gehörten letzten Endes auch die NPD-ler und die Pro NRW-ler zu unserer Gesellschaft dazu. Ich bin zwar persönlich der Meinung, dass sie inhaltlich genauso danebenliegen, wie jene islamophoben Angstbeißer, die sich hier oft aufgeregt äußern ohne allzuviel Ahnung zu haben, aber hierzulande braucht keiner Angst zu haben, was er irgendwo bloggt. Das ist ja schon ein Triumph über alle verbotsfreudigen Ideologien, egal aus welcher Ecke sie kommen.


Die Rechten kamen nicht bis zur Moschee. Das habe ich auch persönlich geholfen zu verhindern. Ich habe sie nur von sehr weitem gesehen, eingeklemmt zwischen Wasserwerfern. Ihre Transparente zeigten durchgestrichene Moscheen. Das symbolisierte ihre Meinung und die durften sie äußern und ich konnte ihnen zusammen mit Vielen anderen deutlich machen, dass sie hier in Duisburg keinen Rückhalt in der Bevölkerung haben. Wir waren nämlich 6000 und sie 350. Ich glaube, auch meine Schüler haben heute mehr über Demokratie gelernt, als man ihnen in irgendeinem Klassenzimmer jemals erklären kann.
Ein herzlicher Gruß aus Duisburg in die Runde!

 

Zum „Sternmarsch“ der Rechtsextremisten gegen die Moschee in Marxloh

Morgen wird in Duisburg gegen die „Merkez“-Moschee in Marxloh ein „Sternmarsch“ der pro-NRWler stattfinden. Ich prognostiziere ein Desaster wie seinerzeit beim lachhaften „Anti-Islamisiserungskongress“. Es werden tausende Bürger da sein, um zu zeigen, dass sie so etwas nicht in Nordrheinwestfalen wollen, ja dass sie es überhaupt nicht in Deutschland sehen wollen. Die neuen Rechtsextremisten, die vor allem mit antimuslimischer Hetze agieren, werden keine Chance haben.

Das hoffe ich jedenfalls.

Da auch hier in den Foren immer wieder herumlaviert und relativiert wird, wenn es um diese widerwärtige Szene geht, empfehle ich den aktuellen Verfassungschutzbericht von NRW, besonders Seite 35ff.

Zur Führung der degoutanten Truppe ist da folgendes zu lesen:

Funktionäre von ‘pro Köln*‘ und ‘pro NRW‘
Die Funktionärsebene und weite Teile der Mitglieder beider Gruppierungen sind nahezu identisch. Der Vorsitzende, mehrere seiner Vorstandskollegen und große Teile der Mitglieder kommen aus rechtextremistischen Parteien oder aus Organisationen, bei  denen Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen vorliegen bzw. lagen. Einige Personen gehörten beispielsweise zur Gruppierung ‘Deutsche Liga für Volk und Heimat‘ (DLVH)31. Die DLVH gehörte vor Anfang der 1990er Jahre dem Kölner Stadtrat an und ist vor allem durch die Verbreitung eines „Steckbriefs“ aufgefallen, mit dem eine Belohnung für die Ergreifung einer Roma-Frau ausgesetzt worden war, die abgeschoben werden sollte. Das Oberlandesgericht Köln32 hat der Betroffenen ein Schmerzensgeld zugesprochen, weil es in dieser Aktion eine erheblich ins Gewicht fallende Persönlichkeitsverletzung, einen schweren Angriff auf die Ehre und Menschenwürde und eine Gefährdung der persönlichen Unversehrtheit sah. Ein weiterer  Funktionär war jahrelang bei den ‘Jungen Nationaldemokraten‘, der Jungendorganisation der NPD, zwei Jahre als deren Landesvorsitzender, und 1986 Bundestagskandidat für die NPD. Andere gehörten den ‘Republikanern‘ an, die bis 2007 durch den Verfassungsschutz beobachtet wurden. Weiter„Zum „Sternmarsch“ der Rechtsextremisten gegen die Moschee in Marxloh“

 

Moscheentour mit Siggi (und Peter)

Wow, was für ein langer Tag. Ich sitze im ICE von Bochum zurück nach Berlin. Ich habe mal in Bochum studiert und sehe den langsamen Absturz dieser Stadt unter Schmerzen. Die ganze Innenstadt ein Ein-Euro-Laden. Bitter.

Aber ich habe an diesem Tag auch anderes gesehen, in Oberhausen, Mühlheim und Essen. Weil ich darüber ein längeres Print-Stück schreiben will und mir nicht meine Pointen kaputtmachen will, hier nur ein paar Auffälligkeiten:

– Gabriel war erstaunlich stark. Natürlich ist es auch Wahlkampf, wenn einer dieser Tage durch die Moscheen des Ruhrgebietes zieht. Aber das macht die Sache ja nicht illegitim. Er hat auch keine Problem das zuzugeben, sondern sagt ganz offensiv: Es war ein Riesenfehler, dass wir um die türkischstämmige Community nicht schon längst mehr geworben haben. So haben wir dem türkischen Staat die Lücke gelassen, diese Menschen immer noch als eine Art Reservearmee zu behandeln.

– Sehr stark auch, wie Gabriel mit jungen Leuten umgehen kann. Da merkt man den (wahrscheinlich ziemlich guten) Deutschlehrer. Ein paar türkische Jungs standen vor einer der Moscheen mit einer türkischen Fahne. Er ging gleich hin und stellte sie zur Rede: Warum die türkische Fahne? Die Jungs waren verdattert. Als Gabriel wiederkam, nachdem er mit Demonstranten geredet hatte, hatten die beiden eine deutsche Fahne aufgespannnt. Wow, Ihr könnt wirklich organisieren, versetzte Gabriel. Da können wir uns was abschauen. Großes Gelächter.

– Ich habe gesehen, wie unter Türken eine sehr lebendige Debatte über Integrations- und Bildungsdefizite in Gang kam, und zwar in den Moscheen! Männer und Frauen beteiligten sich daran, und das sehr kontrovers. Sehr gut! Auch ein Effekt der intensiven Thematisierung in den letzten Jahren, inklusive Islamkonferenz.

– Ich habe gesehen, wie sich ganz gewöhnliche anständige Bürger – vom katholischen Kirchenchor St. Josef bis zur Linkspartei – gegen den Hassmob stellen, der Moscheen zu Fronten eines Kulturkampfes zu machen versucht. Sie gehen einfach hin in diese Moscheen. Und siehe da, die Moscheevereine sind stolz, endlich mal Gastgeber sein zu können. So ist das richtig: Hingehen, reden. Aber auch: Deutlich machen, dass diese Menschen hier erwünscht sind. Das ist nämlich keineswegs das Grundgefühl bei vielen Deutschtürken. Dazu muss man überhaupt nicht über Probleme und über manchen Dissens hinwegtäuschen. Aber man muss eben Kontakt haben und pflegen. Ich merke das selbst bei vielen der Funktionäre, die ich immer wieder treffe. Erst beim langen Reden merkt man, in welcher Welt der andere lebt und welches Bild er sich von einem macht. Das hat alles erst angefangen. Und darum war es sehr richtig, dass Gabriel diese Tour gemacht hat. Peter Maffay – der Rockmusiker mit transsylvanischem Migratonshintergrund – war mehr Ornament, aber was soll’s.

– Ein bisschen bizarr war das schon: Nach Jahrzehnten entdeckt die deutsche Politik eine Lebenswirklichkeit wie ein exotisches fernes Land, zu dem man endlich einmal eine Reise wagt. Es war aber die ganze Zeit schon da, wie „Panama“ in der Geschichte von Janosch.

Ich hoffe, dass solche Besuche etwas Alltägliches werden, nicht nur in Wahlkampfzeiten.

(Bericht folgt.)

 

„Islamkritik“ für Dumpfbacken

Aus dem „islamkritischen“ Sumpf: Eine gewisse Seite, die ich wegen ihres manifesten Rassismus hier bekanntlich weder erwähne noch verlinke, hat meinen Auftritt bei der Katholischen Akademie rezensiert. Offenbar war eine ganze Truppe von IMs da, die Fotos gemacht und berichtet haben. Na ja.

Das hier ist repräsentativ für das digitale  Pöbelpack , das auf der gewissen Seite sein Mütchen kühlt:

#23 Chi-Rho (25. März 2010 18:54)

Einwanderung steuern und Integration managen, zugleich den Leuten klar machen: Das geht nicht mehr weg, Leute, wir müssen damit leben. Das ist der Weg. ( Jörg Lau)
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UNCONDITIONAL SURRENDER
Hurra wir kapitulieren!!!
Mit solchen “lauen” Jungs gibt es bestimmt keine Zukunft für den Westen!
Welcome Germanistan! Welcome Middleage!
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Der einzige Spass, den ich mir aber nicht entgehen lasse, ist die Massenhinrichtung in Berlinbul. Das Spektakel werde ich nicht versäumen wenn die Gutmenschen à la Claudia Roth, Frau Dr. Schiffer, Volker Beck, Guido Westerwelle und Klaus Wowereit von den moslemischen Revolutionsgarden 2040 aufgeknüpft werden.
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Naja, man sage nicht sie hätten es nicht gewusst!

Super lustig: Westerwelle als Gutmensch. Da er gleich neben Beck und Wowereit steht, nehme ich mal an, dass die sexuelle Präferenz hier ausschlaggebend ist. Eine Massenhinrichtung als Wichsphantasie, und das bleibt dann auch so da stehen. Kommentiert sich wohl selbst.

 

Eine voll verschleierte Feministin

Hissa Hillal, eine saudische Dichterin (und frühere Literaturredakteurin für die Tageszeitung al-Hayat) hat bei einem Wettwebewerb nach dem Motto „Arabien sucht den Superdichter“ Aufsehen erregt. Sie trat voll verschleiert im Fernsehen auf und schleuderte den religiösen Stützen der Gesellschaft ihre Verse entgegen.

Ich zitiere aus dem Bericht der BBC:

Using a traditional verse form native to the Arab Peninsula’s nomadic tribes, she writes critically about the country’s hard-line Muslim clerics, calling them: „vicious in voice, barbaric, angry and blind“.


Condemning the violence that she says lies beneath their religious messages, her poems speak of some of the clerics „wearing death as a robe cinched with a belt“ – an apparent reference to suicide bombers‘ explosives belt.

Her poems rail against what she sees as a dangerous and excessively conservative shift in Arab society and mores, from within a country where women cannot travel without a male guardian and are forbidden from driving.

Most of the people loved what I said, from their hearts
Hissa Hilal

„What made me so angry is seeing the Arab society becoming more and more kept to itself, not like before – loving and caring and sharing and open and welcoming everyone,“ she told the BBC’s World Service.

„Most of the people loved what I said, from their hearts. They think I am very brave to say so, and that I said what they feel in their hearts.“

She explains the apparent contradiction in the fact that she advocates women’s rights while wearing the full veil – which some suggest is a symbol of female oppression: „Covering my face is not because I am afraid of people. We live in a tribal society and otherwise my husband, my brother will be criticised by other men.“

While her poetry is intended for a wide audience, the act of covering herself, she says, is out of understanding for her male relatives.

„I know they love me and they support me. It’s a big sacrifice for them in such a society to let me go to the TV and talk to the media. I am hoping my daughters won’t have to cover their faces and they’ll live a better life,“ she said.

 

Bringen Fatwas gegen den Terrorismus überhaupt etwas?

Ich hatte hier auf die umfangreiche Fatwa des pakistanischen Sufi-Gelehrten Taher ul Qadri hingewiesen, in der Selbstmordattentate verurteilt werden. Bringt das eigentlich was? Religiöse Gutachten gegen den Extremismus? Albrecht Metzger hat da seine berechtigten Zweifel (auf Qantara.de):

Die Fatwa habe das Potential, junge Muslime, die auf dem Wege seien, in den Extremismus abzugleiten, zur Umkehr zu bewegen, so der Tenor. Selbst der Bild-Zeitung war die Geschichte eine Meldung wert: „So deutliche Worte hat ein islamischer Gelehrter für Terroristen noch nie gefunden!“

Ob das so stimmt ist fraglich. Nach den Anschlägen von London am 7. Juli 2005 veröffentlichten zum Beispiel einige Dutzend islamische Gelehrte aus Großbritannien eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Tat ohne Wenn und Aber verurteilten: „Wir sind der festen Überzeugung, dass dieses Töten nicht vom Islam gutgeheißen werden kann, es gibt auch keine Rechtfertigung in unserer edlen Religion für solche bösartigen Taten.“

Die Täter seien keinesfalls als Märtyrer zu betrachten. Auch andere Religionsgelehrte in der islamischen Welt haben ähnlich lautende Fatwas zu dem Thema Selbstmordattentate verfasst.

Die Frage ist also, ob das Gutachten Taher ul-Qadris jenseits der Medienaufmerksamkeit, die es erhalten hat, geeignet ist, muslimischem Extremisten zur Umkehr zu bewegen. Zweifel sind angebracht. Erreicht er die Richtigen?

Eine Fatwa ist die persönliche Meinung eines islamischen Gelehrten, ob ein Gläubiger sie befolgt oder nicht hängt davon ab, wie er diese Person beurteilt. Taher ul-Qadri ist Führer einer Sufi-Organisation. Auf Youtube kursiert ein Video, in dem sich seine Anhänger mit Musik in Ekstase tanzen. Am Ende taucht der Gelehrte selber auf, steigt über einen am Boden liegenden Mann und wirft dem Sänger Geldscheine zu.

Bild vergrössern Viel Medienlärm um nichts? Bei Großbritanniens Muslimen sorgte die Fatwa Taher ul-Qadris bislang für keinerlei nennenswerte Resonanz. In salafistischen Kreisen, aus deren Mitte sich die meisten Jihadis rekrutieren, macht er sich mit solchen Praktiken extrem angreifbar. Sie lehnen Tanz und Gesang als unislamisch ab. So ist nach Ansicht von Sicherheitsexperten Kritik an Selbstmordattentaten vor allem dann effektiv, wenn sie aus den eigenen Reihen kommt. Ein Sufi findet unter Salafisten jedoch kaum Gehör.

In Deutschland jedenfalls hat Taher ul-Qadri in den einschlägigen Webforen keinerlei Reaktion hervorgerufen. „Nicht mal ein abwertender Kommentar ließ sich finden“, so ein deutscher Verfassungsschützer. „Die Ausstrahlungskraft auf die deutsche Jihadi-Szene lässt sich also mit ’nicht vorhanden‘ bezeichnen.“

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob religiöse Gutachten die richtige Methode sind, um einen fortschrittlichen Islam zu entwickeln. Es sei zwecklos, eine „Fatwa-Schlacht“ mit den Extremisten zu beginnen, so Brian Whitaker, langjähriger Nahostkorrespondent des britischen Guardian. Denn für jedes Gutachten gebe es ein Gegengutachten.

 

Die Natur in Zahlen

Wer immer Schwierigkeiten hatte, die Fibonacci-Reihe, die Goldene Regel oder ähnlich komplexe mathematische Phänomene zu verstehen, dem wird durch diese traumhafte Animation geholfen:

via Boing Boing