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Wie es zu dem US-Iran-Deal kam

Nun ja, noch steht er nicht, aber Berliner Diplomaten sind einigermaßen optimistisch, dass Iran in den kommenden Tagen den Vertrag unterschreiben wird, in dem die weitere Anreicherung (für medizinische Zwecke) von ca. 2/3 des in Natans hergestellten Materials in Russland vereinbart werden soll.
Das würde den 5+1, die mit Iran über sein Nuklearprogramm verhandeln, erstens weiter Zeit geben und zweitens einen erheblichen Teil des im Iran illegal angereicherten Materials unter Kontrolle der internationalen Gemeinschaft bringen.
Iran könnte dann nicht mehr behaupten, die Welt habe sich gegen das Land verschworen und würde Iran keine Art von Nuklearprogramm zugestehen wollen.
Es wäre klar, dass es wirklich um das Nuklearwaffenprogramm geht, nicht gegen friedliche Nutzung der Kernenergie durch die Islamische Republik.
Eben dies könnte allerdings auch ein Grund für die Iraner sein, den Deal auf den letzten Metern platzen zu lassen.
Wie es überhaupt zu dem (möglichen) Durchbruch gekommen ist, schildert Massimo Calabresi in einem offensichtlich gut informierten Stück:

In early July, Obama traveled to Moscow, where his top nonproliferation aide, Gary Samore, floated a proposal to the Russians: If Iran would agree to export a supply of LEU to Moscow, the Russians could enrich it to the level needed to power the research reactor, and then the French, who had been brought into the discussions, could turn it into the specialized plates that are used to produce the isotopes. The plates, which Iran does not have the capacity to turn into weapons-grade uranium, would then be sent back to Tehran. „The Russians immediately said, ‚Great idea,‘ “ says the senior Administration official.
Mehr hier.

 

Gute Nacht mit japanischem Rap

Weiß der Teufel, was sich diese netten, aber ein wenig verrückten Japaner dabei gedacht haben. Besonders der mit staunenswerten Brüsten ausgestattete Sumo-Mann gegen Ende hat mich beeindruckt.

Soundtrack: Herrlich melodiöser Rap von Shing 02, unten noch mal mit Text.

 

Was man in Deutschland alles sagen darf

Ich habe für die morgige Ausgabe der ZEIT (Nr.44) eine Seite 3 zu den Weiterungen im Fall Sarrazin geschrieben:

Aus einem Interview in einer wenig bekannten Intellektuellenzeitschrift ist binnen dreier Wochen ein „Fall Sarrazin“ geworden. Der Streit über die Äusserungen des Bundesbankvorstands in „Lettre International“ mutiert zur Debatte über die deutsche Debattenkultur. Es wird mittlerweile genauso leidenschaftlich darüber gestritten, was man hierzulande um welchen Preis sagen darf – wie über die ursprüngliche Frage: ob Sarrazin denn Recht hat mit seinen Behauptungen über Einwanderer in Berlin.
Auch die Leser dieser Zeitung und ihrer Online-Ausgabe sind seit Wochen hoch engagiert in der Analyse des Vorgangs. Seit dem Streit um die dänischen Karikaturen hat es eine solche Welle der Empörung nicht mehr gegeben. In vielen Hundert Beiträgen schält sich ein Deutungsmuster heraus, das sich immer weiter vom Ursprung der Debatte löst. Es lautet etwa so: Einer sagt, was schief läuft im Land mit den „Türken und Arabern“ – und wird dafür bestraft. Man kann einem Mythos beim Entstehen zuschauen: Thilo Sarrazin, einsamer Kämpfer gegen Rede- und Denkverbote.
Zwei Männer haben maßgeblichen Anteil daran: Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland, der behauptete, dass „Sarrazin mit seinem Gedankengut Göring, Goebbels und Hitler große Ehre erweist“. Und Axel Weber, Vorstandschef der Bundesbank, der Sarrazin erst verschwiemelt den Rücktritt nahelegte und ihn dann hinter den Kulissen teilentmachtete – ohne je ein offenes Wort über die Aussagen seines Bank-Kollegen zu wagen, die den Anlass gegeben haben. Nun wird gar behauptet, die Pressestelle der Bundesbank hätte vorab Kenntnis von dem Interview gehabt und Weber hätte Sarrazin somit bewusst ins offene Messer laufen lassen. Wie dem auch sei –  Kramer und Weber lieferten Beispiele dafür, wie man die Diskussionskultur auf den Hund bringen kann: die fast schon bis zur Selbstkarikatur übertriebene Intervention des Zentralratssekretärs und das verdruckste Powerplay des Bankchefs haben mancherorts den Eindruck verfestigt, dass man in Deutschland über bestimmte Dinge nicht mehr reden kann, ohne erst in die rechte Ecke gedrängt und dann in den Senkel gestellt zu werden. Weiter„Was man in Deutschland alles sagen darf“

 

Warum Gewalt manchmal eben doch hilft

Ich habe hier die Kriege gegen die Hisbollah im Libanon und den Krieg gegen Hamas in Gaza heftig kritisiert.

Das ändert nichts an den Tatsachen, die Ethan Bronner in seiner Analyse für die New York Times feststellt: Dass Gewalt im Nahen Osten bisher mehr gebracht hat als Diplomatie. Und zwar für beide Seiten: Die PLO hätte nicht den Aufstieg zum respektierten Verhandlungspartner geschafft, wenn ees die Anschläge und die Intifada nicht gegeben hätte.

Und Israel hätte die Selbstmordattentate nicht abstellen können ohne Checkpoints, Mauern und Kommando-Aktionen.

Ein wichtiger Punkt ist die Frage der Legitimität Israels, die im Gefolge dieser Politik in weiten Teilen der Welt in Frage gestellt wird.

Und zweitens die Lektion, die man aus dem Erfolg durch Gewalt für die iranische Frage zieht – wiederum auf beiden Seiten:

Meanwhile for many Israelis, the past decade looks like a model of the primacy of military action over diplomacy.

Through relentless commando operations and numerous checkpoints, the Israeli Army ended suicide bombings and other terrorist acts from the West Bank; since its 2006 war with the Lebanese militia Hezbollah, widely dismissed as a failure at the time, the group has not fired one rocket at Israel; and Israel’s operation against Gaza last December has greatly curtailed years of Hamas rocket fire, returning a semblance of normality to the Israeli south.

Two years ago, Israeli fighter planes destroyed what Israel and the United States say was a budding Syrian nuclear reactor; and last year in Syria, Israeli agents assassinated Imad Mugniyah, the top military operative for Hezbollah and a crucial link to its Iranian sponsors, a severe blow to both Hezbollah and Iran.

Diplomatic efforts, whether the Oslo peace talks of the 1990s or the Turkish-mediated negotiations with Syria last year have, by contrast, produced little. Every Israeli military operation of recent years — including the December invasion of Gaza that was condemned Friday by the United Nations Human Rights Council by a vote of 25 to 6 and referred to the Security Council following a report by a committee led by Richard Goldstone — has come under international censure.

Today all are viewed here as having been judged prematurely and unfairly but having delivered the goods — keeping Israel safe through deterrence.

 

Wie unsere Kinder uns erziehen

Torsten Harmsen schreibt in der Berliner Zeitung über mein Buch:

In seinem Buch „Bekenntnisse eines schwer erziehbaren Vaters“ schreibt der Zeit-Autor Sätze wie: „Einer der schönsten Genüsse im Leben mit Kindern ist bekanntlich das Wochenende ohne sie.“ Was wie eine Gemeinheit klingt, ist dialektisch gedacht. Denn ohne Kinder hätte man diesen Genuss gar nicht. Das Glück, das man in der hin und wieder errungenen freien Zeit empfindet, wirkt auf die Beziehung zu den Kindern zurück. (…)

„Lieber Papa. Wen du mir nicht 1 Kegs apgipst. Dan Ferschteke ich. Deine Unter Hosen.“ Mit diesem Briefchen seiner Tochter Anna zeigt Jörg Lau, wie irrig die Vorstellung ist, man habe als Eltern die Erziehung im Griff. „Kinder verfügen ziemlich früh über ein ganzes Arsenal von Kniffen, mit denen sie uns steuern“, schreibt er. Doch während andere vor dem Heranwachsen lauter kleiner Tyrannen warnen, sieht Lau im Leben mit Kindern die Chance zu lernen.

(…)

Sein Buch mit dem Untertitel „Wie unsere Kinder uns erziehen“ ist ironisch, unterhaltsam – und zugleich ziemlich philosophisch. Lau schildert die Symbiose, die sich entwickelt, wenn man Familie hat – eine „riskante Lebensform“. Man werde verwundbar. Zugleich schützten einen Kinder bei Krisen. Man sehe die eigenen Eltern anders. Und der Umgang mit den letzten Dingen ändere sich.

Das Buch steckt voller Geschichten zu Fragen wie: Was ist kindgerecht? Wie kombiniert man Freiheit und Verbindlichkeit? Welche Rolle spielen Rituale? Wo darf man lügen? Wie vertragen sich Forderungen und Kritik mit bedingungsloser Liebe? Auch das Loslassen müsse man lernen. „Nur noch ein paar Jahre, und die rätselhaften kleinen Gäste, die eines Tages in unserem Leben auftauchten, werden das Weite suchen“, schreibt Lau am Ende. Doch trotz dieser Wehmut ist es ein ermutigendes, lebensfrohes Buch.

 

Von 9/11 zu 11/9

Interessante Einsichten von Tom Friedman in Berlin – angesichts des Dunkin‘ Donuts am Brandenburger Tor. (Prousts Madeleine für unsere Zeit.)

The most important difference between 11/9 and 9/11 is “people power.” Germans showed the world how good ideas about expanding human freedom — amplified by people power — can bring down a wall and an entire autocratic power structure, without a shot. There is now a Dunkin’ Donuts on Paris Square adjacent to the Brandenburg Gate, where all that people power was concentrated. Normally, I am horrified by American fast-food brands near iconic sites, but in the case of this once open sore between East and West, I find it something of a balm. The war over Europe is indeed over. People power won. We can stand down — pass the donuts.

The events of 9/11, by contrast, demonstrated how bad ideas — amplified by a willingness of just a few people to commit suicide — can bring down skyscrapers and tie a great country in knots.

I toured Paris Square the other day with Ulrike Graalfs, a program director at the American Academy in Berlin, where I am a visitor, and she mentioned in passing that she was in America on 9/11, as a student at the University of Pennsylvania, and she was a 9-year-old schoolgirl standing on the Berlin Wall on 11/9. I was struck by her recollections. On 9/11, she said, she was overwhelmed by the sense of “anger and hurt” that so many of the Penn students around her felt — feelings so intense it made it impossible for them to see, what she, a foreign student could see, “how much the rest of the world was standing with America that day.” By contrast, on 11/9, “there were people singing and dancing and someone lifted me up on the wall,” she said. “I still get emotional thinking about it. I saw my father jump down on the other side. I was terrified. It was very high. I thought it was going to be the end of my father. He started debating with an East German soldier. But the soldier didn’t do anything. He just stood there, stiff.” People power won, and Germany has been united and stable ever since.

The problem we have in dealing with the Arab-Muslim world today is the general absence or weakness of people power there. There is a low-grade civil war going on inside the Arab-Muslim world today, only in too many cases it is “the South versus the South” — bad ideas versus bad ideas, amplified by violence, rather than bad ideas versus good ideas amplified by people power.

In places like Egypt, Syria, Saudi Arabia, Afghanistan or Pakistan you have violent religious extremist movements fighting with state security services. And while the regimes in these countries are committed to crushing their extremists, they rarely take on their extremist ideas by offering progressive alternatives. That’s largely because the puritanical Islamic ideology of the Saudi state or segments of the Pakistani military is not all that different from the ideology of the extremists. And when these extremists aim elsewhere — like at India or at Shiites or at Israelis — these regimes are indifferent. That is why there is no true war of ideas inside these countries — just a war.

 

Ein schönes Motto

“The test of a first-rate intelligence is the ability to hold two opposed ideas in mind at the same time and still retain the ability to function.”

F. Scott Fitzgerald

Ich würde das mal so übersetzen:

Erstklassige Intelligenz erweist sich an der Fähigkeit, zwei entgegengesetzte Ideen gleichzeitig im Geiste zu bewegen – und dabei weiter zu funktionieren.

F. Scott Fitzgerald brauchte sehr viel Alkohol bei dem Versuch, nach diesem Satz zu leben.

Wir haben das Internet, das eigentlich ein erstklassiges Instrument sein könnte, dem Fitzgerald’schen Ideal nahezukommen. Den auf jede Idee, die man äußert, antwortet zuverlässig ein anderer mit einer entgegengesetzten.

Es käme nur noch darauf an, daraus etwas zu machen, statt sich allzu sehr in Abwehr zu ergehen.

Ob es wohl möglich wäre, dass dieser Geist unsere Threads prägt?

 

Wenn die Sarazenen kommen

Mit meinem Nachnamen sollte man ja eher vorsichtig sein, wenn es um Namenswitze geht. (Was habe ich nicht schon gelitten seit Grundschultagen!) Aber jetzt muss ich doch noch mal was zum Namen Sarrazin loswerden.
Es wirkt jafast ein bisschen bizarr, dass der Mann, der die „Eroberung durch Geburtenrate“ zum Thema gemacht hat, den Namen jenes Volksstammes trägt, der im Mittelalter zum Inbegriff der christlichen Islampolemik wurde: der Sarazenen nämlich. Einem Schriftsteller würde man eine solche Erfindung nicht durchgehen lassen: zu dick aufgetragen, mein Lieber!

Erhard_Reuwich_Sarazenen_1486

Auf dieser Abbildung aus dem Jahr 1486 sieht man die Tracht der männlichen und weiblichen „Sarazenen“, inklusive Burka und Turban, wie sie von Erhard Reuwich dargestellt wurde.

In Wikipedia gibt es zum Begriff zu lesen:

„Die Bedeutung wurde seit der Spätantike sukzessive erweitert, zuerst auf die übrigen arabischen Stämme der vorislamischen Zeit (Eusebius, Hieronymus), und dann im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen mit maurischen und arabischen Armeen in Europa auf die islamischen Völkerschaften schlechthin. In dieser erweiterten Bedeutung wurde das Wort seit der Zeit der Kreuzzüge aus dem Griechischen und Lateinischen auch in die europäischen Volkssprachen übernommen.

Der Gebrauch im christlichen Schrifttum war hierbei geprägt von einer die bezeichneten Völker abwertenden, gelehrten Volksetymologie. Bereits bei Hieronymus und Sozomenos, also in vorislamischer Zeit, erscheint die Worterklärung, dass die Agarener (oder Hagarener), die Nachfahren der Hagar, der verstoßenen Sklavin und Nebenfrau Abrahams, sich fälschlich als „Sarazenen“ bezeichnet hätten, um sich als Abkömmlinge der Sarah, der Freien und Ehefrau Abrahams auszugeben und sich dadurch aufzuwerten. Diese Worterklärung, die die Sarazenen als verkappte Agarener, und damit in Anknüpfung an die paulinische Deutung des alttestamentlichen Themas (Gal. 4,21-31) als Angehörige eines von Gott heilsgeschichtlich verstoßenen Volkes deutete, wurde bei den christlichen Autoren des Mittelalters seit dem Aufkommen des Islam zu einem anti-islamischen Topos, der in der europäischen Literatur über die Kreuzzüge und den Islam weitere Verbreitung erlangte.“

Irgendwie doch verdammt lustig, diese Koinzidenz: Der Mann trägt den Namen, mit dem man abwehrend und abwertend die dunkelhäutigen Muslime bezeichnete, die im Zuge des Eroberungsfeldzugs der Mauren nach Europa kamen.

A propos Eroberung durch Geburten: Deutsche in Berlin haben eine Geburtenrate von 1,2 Kindern, Araber und Türken in der Hauptstadt eine Rate von 2 Kindern pro Familie. Die Kollegen vom Stern weisen in ihrer morgen erscheinenden, exzellenten Ausgabe darauf hin, dass die Sarazenen, wenn dies so bleibe, mehrere hundert Jahre für ihr Projekt bräuchten.

Der Stern hat die wesentlichen Aussagen Sarrazins einem Faktencheck unterzogen. So viel kann ich verraten: es bleibt nicht viel übrig. (Vielleicht stellen die Kollegen die Sache ja auch mal online?)

 

Sarrazins Entmachtung: eine fatale Fehlentscheidung

DPA meldet:

„Als Konsequenz aus seinen umstrittenen Äußerungen zur Integration von Ausländern wird Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin weitgehend entmachtet. Der 64-Jährige verliert seine Zuständigkeit für den wichtigen Bereich Bargeld. Künftig ist der SPD-Politiker nur noch für  Informationstechnologie und Risiko-Controlling verantwortlich. Das teilte die Deutsche Bundesbank nach einer Vorstandssitzung am Dienstag in Frankfurt mit. Die Neuverteilung der Aufgaben trete mit sofortiger Wirkung in Kraft.“

Ich finde das töricht, liebe Bundesbank. Hat Sarrazin sich etwa durch seine Äußerungen disqualifiziert, den „Bereich Bargeld“ zu überwachen? Oder hat er sich überhaupt disqualifiziert für irgendein Amt in der Bundesbank?

Wenn er einen Grund gegeben hat, seine Tätigkeit für die Bundesbank in Frage zu stellen, dann soll man ihn gefälligst direkt zum Rücktritt auffordern (nicht so verschwiemelt, wie es der Bundesbank-Präsident Axel Weber getan hat).

Wenn er aber keinen ausreichenden Grund dafür gegeben hat, dann soll man ihn bitte (in seinem Job) in Ruhe lassen und der öffentlichen Debatte vertrauen. Man kann sich übrigens auch an dieser Debatte beteiligen.

Aber nun dieser Versuch, ihn hintenrum auszumanövrieren und zum Schweigen zu bringen! Das wird alle jene bestätigen, die ohnehin der Meinung sind, in Deutschland könne man „bestimmte Dinge nicht mehr sagen“, ohne dafür in den Senkel gestellt zu werden.

Kein einziger namhafter Politiker, der heute Verantwortung hat, hat sich Sarrazin entgegengestellt und sein Interview zerpflückt. Schäuble, Böhmer, Merkel – beredtes Schweigen! Die SPD scheint vollends im Stupor und hat für so was nun echt keine Zeit.

Da wird dem Mann eben – statt eine öffentliche Debatte mit ihm zu führen – auf dem Amtswege der Saft abgedreht.

Tolle Debattenkultur! So bringt man diesen Staat und seine Institutionen in Verruf.

Ich bin, wie bereits gesagt, der Meinung, dass Sarrazin daneben liegt, und zwar nicht nur im Ton! Er spielt kokett „stammtischnah“ mit rechtsradikalem Gedankengut: «Die Türken erobern Deutschland genauso wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate.» Das kann und muss man ihm vorhalten und ihn zur Entscheidung zwingen: Nimm das zurück, erkläre Dich, oder nimm Deinen Hut! Oder nimm in Kauf, dass wir Dich degradieren, weil wir Dich nicht feuern können.

Diese Konfrontation hat es aber nicht gegeben.

Sich in der Sache um die Auseinandersetzung zu drücken und Thilo Sarrazin stattdessen kalt abzuservieren ist einfach nur feige. So wird ein Mythos geschaffen: Einer hat’s gesagt, es ist ihm nicht gut bekommen.

Wir brauchen eine freie Debattenkultur in Deutschland, in der Defizite der Integration benannt werden können, ohne dass man in die rechte Ecke gestellt wird. Umgekehrt muss es auch möglich sein, einem Mann in die Parade zu fahren, der sich von seinem eigenen Furor aus der Kurve tragen läßt wie Sarrazin.

Sarrazin hat mit seinem törichten Überspitzungen der Debattenkultur keinen Gefallen getan. Die Bundesbanker machen mit ihrem schleichenden Berufsverbot alles noch schlimmer.