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Wie Israel Irans Atomprogramm angreifen könnte

Es geschehen rätselhafte Dinge im Vorfeld des Besuchs von Premier Netanjahu bei Obama. Nur drei Tage vor dem mit Spannung erwarteten Treffen in Washington veröffentlicht das CSIS eine Studie über Möglichkeiten und Kosten einer israelischen Aktion gegen Iran – komplett mit Kartenmaterial über mögliche Flugrouten und ballistischen Diagrammen für Raketeneinsätze.

Haaretz beginnt seinen Bericht über die Studie mit dem sarkastischen Satz: „Israelische Minister und Knesset-Abgeordnete, die vor der Entscheidung stehen, ob man die iranischen Atomanlagen angreifen solle, müssen jetzt nicht länger auf das Briefing der israelischen Luftwaffe warten.“

Und die lieben Mitblogger auch nicht: Hier ist die Studie zum Herunterladen.

Die drei möglichen Flugrouten nach Iran Screenshot: JL

Einige Schlußfolgerungen:

•A military strike by Israel against Iranian Nuclear Facilities is possible and the optimum route would be along the Syrian-Turkish border then over a small portion of Iraq then into Iran, and back the same route. However, the number of aircraft required, refueling along the way and getting to the targets without being detected or intercepted would be complex and high risk and would lack any assurances that the overall mission will have a high success rate.

• The more there is an Israeli threat to the survival of the regime in Iran, the more Iran will be determined to acquire nuclear weapons. Iran would withdraw from the NPT based on the argument that it needs to acquire nuclear weapons to protect its sovereignty and any further aggression by Israel and the U.S.
• A strike by Israel on Iran will give rise to regional instability and conflict as well as terrorism.
• Iran should be engaged directly by the U.S. with an agenda open to all areas of military and non-military issues that both are in agreement or disagreement. Any realistic resolution to the Iranian nuclear program will require an approach that encompasses Military, Economic, Political interests and differences of the U.S vs Iran.
• The U.S. will have to try to make Comprehensive Verification of Iran‘s Nuclear Development Program as one of the priorities in any diplomatic dialogue, while trying at the same time to persuade Iran to stop its enrichment program. However, in this area the U.S. will have to walk and negotiate along a very fine line between Israel‘s WMD and Ballistic Missiles capabilities and the Iranian Nuclear development program. The U.S. must recognize that both are very closely
inter-related and are fueling each other
. So the U.S. should be prepared to address both issues simultaneously while trying not to be perceived as though it has double standards when it comes to Israel.

 

Zum Ende der Papstreise ins Heilige Land

Man kann sich die Erleichterung des Papstes vorstellen, wenn heute nach einem Treffen mit orthodoxen Christen sein Besuch im Heiligen Land zuende geht. Noch nie ist der Pilger-Besuch eines Pontifex so skrupulös beobachtet worden. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass das Schicksal dieses Pontifikats an dieser Reise hing: Noch ein falsches Wort, noch ein Skandal – und Benedikt wäre als Versager auf dem heiligen Stuhl in die Geschichte eingegangen.

So ist es nicht gekommen. Die Papstreise ist – gemessen an den Befürchtungen – gut verlaufen. Der Papst hat in einigen Fragen sogar – was etwa die Wünschbarkeit eines palästinensischen Staates angeht – erfreulich klare Worte gefunden.

Aber eine große Reise war es dann doch nicht. Und das hat mit einem merkwürdigen Ungleichgewicht des Mitgefühls zu zu tun, das der Papst bei seinen Stationen an den Tag legte.

Dass diese Pilgerreise so heikel werden würde, hatte der Papst sich selbst eingebrockt – zuletzt durch sein Missmanagement der Affäre um den Holocaustleugner Bischof Williamson. Es war klar, dass manche in Israel darum eine besondere Geste erwarten würden. Und es war zugleich klar, dass er sie nicht würde bieten können. Ein Papst, der sich – etwa in der Gedenkstätte Jad Vaschem abermals entschuldigt, dass er und seine Beamten leider, leider übersehen haben, dass ein Bischof der Piusbrüder offenbar der Meinung ist, die Gaskammern hätte es nicht gegeben – wie peinlich und unangemessen wäre das gewesen!

Doch hätte Benedikt sich in Jad Vaschem zur Haltung der Katholischen Kirche im Nationalsozialismus unter Pius XII äussern sollen? Im Ernst wurde dies nicht erwartet, auch wenn manche Stimmen in Israel so etwas lauthals gefordert hatten. Eine Pilgerreise ist nicht geeignet zur Fortsetzung eines immer noch nicht angeschlossenen Historikerstreits um Schuld und Verstrickung der Kirche.

Aber hätte Benedikt, wenn er schon diese Erwartungen nicht erfüllen konnte, nicht etwas anderes tun können, um die Israelis für sich einzunehmen? Eine menschliche Geste, ein paar bewegte, persönliche Worte wären genug gewesen. Sie kamen ihm nicht über die Lippen. Er wirkte wie eingemauert in die Angst, etwas falsch zu machen. Jedenfalls beim israelischen Teil seiner Reise.

Das ist das Erstaunliche: Dieser Papst kam besser bei seinen palästinensischen Gastgebern an als bei den Israelis.

Anders gesagt: Benedikt kommt überraschender Weise mit den Muslimen besser zurecht als mit den Juden, mit denen er doch theologisch eine größere Nähe („unsere älteren Brüder“) zu haben reklamiert. Das ist nach dem Skandal seiner Regensburger Rede erstaunlich, die vor Jahren zu großer Empörung in der muslimischen Welt geführt hatte.

Aber vielleicht ist das bei diesem Papst eine Konstante – dass er mit den ferneren Glaubensrichtungen eigentlich besser kann als mit den nächsten Verwandten im Geiste: Es fällt ihm ja auch leichter, freundliche Gesten gegenüber der christlichen Orthodoxie zu machen als in Richtung der Protestanten.

Und so schien Benedikt mehr in seinem Element, als er Messen in Amman, Nazareth und Bethlehem feierte, als auf israelischem Boden. Er fand ergreifende Worte für das Leid der Palästinenser unter der Besatzung. Er ging voller Engagement in die politischen Tageskämpfe, als er das Recht der Palästinenser auf ein eigenes „Heimatland“ forderte (auch wenn er dabei das Wort „Staat“ vermied“).

In Jad Vaschem hingegen erging er sich in eher dürren und abstrakten Erklärungen gegen den Antisemitismus, ohne die unheilige Rolle der Kirche über Jahrhunderte dabei auch nur zu streifen. Es hätte gar nicht das große „nostra culpa“ sein müssen: Ein persönliches Wort des Mannes, der als Joseph Ratzinger ja auch ein Zeitzeuge der Barbarei war, hätte genügt.

Die israelische Öffentlichkeit war zu Recht enttäuscht über diesen Mangel. Und dies besonders angesichts der Tatsache, dass es Benedikt auf der palästinensischen Seite offenbar nicht an lebendiger Empathie gebrach.

Am Ende hat er noch einmal versucht, seinen allzu kühlen Ton in Jad Vaschem zu korrigieren. Am letzten Tag sagte er, in Erinnerung an den Besuch in dem Museum: „Diese sehr bewegenden Momente haben mich an meinen Besuch im Todeslager Auschwitz vor drei Jahren erinnert, wo so viele Juden, Mütter, Väter, Ehemänner und Frauen, Brüder, Schwestern und Freunde brutal vernichtet wurden – von einem gottlosen Regime, das eine Ideologie von Antisemitismus und Hass verbreitete.“ Er hat es also spät auch selber verspürt, das da etwas gefehlt hatte.

Trotzdem war diese Reise ein Erfolg: Der Papst hat sich immer wieder leidenschaftlich dafür ausgesprochen, dass die Religionen – alle großen monotheistischen Religionen, die im Nahen Osten ihre gemeinsamen Wurzeln haben – eine Ressource zur Überwindung der haßvollen Kulturkämpfe unseere Tage sein können. Und er fand auch starke Worte gegen jene, die im Namen Gottes den Hass säen – und so noch vor dem Leben „ihre Seele verlieren“. Das war ins Gewissen jener gesprochen, die Selbstmordanschläge im Namen Gottes rechtfertigen oder verharmlosen.

Hätte Benedikt seine Anti-Bin-Laden-Botschaft, dass die Religionen der Liebe und dem Respekt der Menschen untereinander dienen sollen, auch mit etwas mehr menschlicher Bewegtheit angesichts der Shoah vorgetragen, es hätte eine ganz große Reise werden können.

 

Israel under pressure – from its friends

An english version of my post on US-Israel-talks next monday is online:

Israeli Prime Minister Netanyahu will visit President Obama next week to present the “new approach” in Palestinian policy proposed by his coalition.

A central point of contention will be whether the Israeli government will embrace the two-state solution as previous Israeli governments have. Israeli Foreign Minister Avigdor Lieberman has publicly stated on several occasions that the Annapolis summit has failed. During his visit to Berlin last Thursday, Lieberman openly made fun of “the peace industry” that he says has failed to solve anything despite decades of bargaining.

Americans and Europeans have responded by increasing pressure on Israel to accept the two-state solution.

To this end, The U.N. Security Council on Monday unanimously passed a resolution urging both sides to refrain from any actions that could undermine mutual trust. The Secretary General even said it was “high time that Israel changed its behavior.” American Ambassador to the U.N., Susan Rice, is pushing for “real results.” Israel hasn’t been subjected to this kind of pressure from its friends for years. The left-leaning newspaper „Haaretz“ wrote last Friday of fears that there would be a “breakdown in cooperation between Israel and the United States under Obama.”

A second central point of contention will be something called “linkage wars” in Israel – the debate over whether, and if so, then how – Iran’s developing nuclear threat should be linked to the question of a Palestinian state…
(Thanks to Ron Argentati. Read the whole thing here.)

 

Druck auf Israel – ein Zeichen der Hilflosigkeit

Ingo Way meint:

Was meinen Sie mit weiter so? Etwa die Politik des einseitigen Rückzugs aus Gaza, die bekanntlich zu vermehrten Raketenangriffen der Hamas geführt hat? Die meisten Israelis waren offenkundig der Meinung, dass eine Politik des Immer-weiter-so tatsächlich nicht zielführend ist und haben folgerichtig eine etwas weniger konziliante Regierung gewählt. Dazu war gar kein Druck von Freunden nötig.

Aber der Druck geht ja sowieso in eine ganz andere Richtung. Und da frage ich mich schon, wie man darauf kommt, die derzeitige Situation im Nahen Osten sei eine Folge davon, dass bislang zu wenig Druck auf Israel ausgeübt worden ist, so dass jetzt auch Israels “Freunde” glauben, zu diesem Druck noch ein wenig beitragen zu müssen. Da wird die Zweistaatenlösung wie eine Monstranz vor sich hergetragen, als sei es Israels Schuld, dass die Palästinenser es vorziehen, Israel und einander zu bekämpfen, anstatt endlich damit anzufangen, funktionierende staatliche Strukturen aufzubauen (was die Juden schließlich auch schon Jahrzehnte vor der eigentlichen Staatsgründung geschafft haben), und zwar ohne sich hinter Popanzen wie “Mauer”, “Besatzung” und “Siedlungen” zu verstecken. Würden die Palästinenser das nämlich tun, anstatt Waffen zu kaufen und Selbstmordattentäter auszubilden, sie hätten ihren Staat schon längst.

Da man an die Palästinenser aber nicht herankommt – vom Iran zu schweigen, der das ganze Theater schließlich subventioniert -, übt man den Druck, den jene nötig hätten, eben auf die Israelis aus – nicht weil das richtig wäre, sondern weil man es kann. Eine klassische Übersprungshandlung. Erinnert ein wenig an den Witz von dem Betrunkenen, der sein Portemonnaie im Lichtkegel der Straßenlaterne sucht, obwohl er weiß, dass er es anderswo verloren hat. Aber anderswo ist es zu dunkel zum Suchen.

Jemand wie Liebermann bietet sich natürlich als Buhmann und Sündenbock an, für die Europäer eh und anscheinend jetzt auch für die Obama-USA. Man hat den Schuldigen ausgemacht und an den Pranger gestellt, und wenn’s dann mit dem Nahostfrieden immer noch nicht klappt, hat man wenigstens was getan, nämlich Druck gemacht.

 

Israels illegale Siedlungen – eine Karte

Diese Karte des Westjordanlands wurde aufgrund von Informationen des israelischen Verteidigungsministeriums zusammengestellt. Brigadegeneral Baruch Spiegel war von der letzten israelischen Regierung beauftragt worden, Daten über die Bautätigkeit in den Siedlungen zusammenzutragen. Die Informationen wurden geheimgehalten. Die Tageszeitung Haaretz hat sie in diesem Februar veröffentlicht. In 75 Prozent der Siedlungen ist demnach in den letzten Jahren illegal gebaut worden, in mehr als 30 Siedlungen wurde in erheblichem Maße auf dem privaten Grund von palästinensischen Bürgern gebaut – also zusätzliches Land gestohlen.
Die unten stehende Karte liefert Detailinformationen zu einzelnen Siedlungsblöcken (bei Klick auf die blauen Punkte).
Es wurden also mit Wissen der Regierung Fakten am Boden geschaffen, die die offizielle Regierungspolitik Israels unterminieren. Sowohl die „Road Map“ als auch die Annapolis-Vereinbarung verpflichten Israel zum Stop der Siedlungsaktivitäten.
Israel untergräbt seine eigene Position.
(Dank für den Hinweis an Chajm Guski.)


Excerpts: “SPIEGEL DATABASE” OF WEST BANK SETTLEMENTS AND OUTPOSTS auf einer größeren Karte anzeigen

 

Ist Obamas Mann schon in Teheran ?

Vali Nasr Foto: Adrian Mueller 2007 (GNU)

Nach einem unbestätigten Bericht der Tehran Times ist Vali Nasr im Auftrag des amerikanischen Präsidenten im Iran. Nasr wurde von Richard Holbrooke, dem Beauftragten Obamas für die Region, als Berater angeheuert. Er ist damit der offizelle Iran-Experte der Regierung.

Die Tehran Times stellt einen Zusammenhang zwischen der Entlassung Roxana Saberis und Nasrs Besuch her.

Es wird ausserdem behauptet, Nasrs Besuch sei vom Sprecher des iranischen Parlaments (und ehemaligem Atom-Unterhändler) Ali Laridschani und seinem Vorgänger Gholam-Ali Haddad-Adel eingefädelt worden – und zwar ohne Wissen des Präsidenten Ahmadinedschad.

Nasrs Besuch könnte man als Indiz dafür lesen, dass die Verhandlungen mit Iran bereits auf ziemlich hoher Ebene begonnen haben. So sieht es auch die Jerusalem Post. Ein Indiz für diese Deutung könnte man auch darin sehen, dass Obama offenbar eine Botschaft an den israelischen Premier Netanjahu geschickt hat, er solle ihn nicht mit einem Angriff auf Iran überraschen – eine ungewöhnliche Aktion nur wenige Tage vor dem ersten Treffen der beiden in Washington.

Nasr ist der Autor des viel gerühmten Buchs „The Shia Revival“, in dem er beschreibt, wie die USA durch den Irakkrieg eine epochale Machtverschiebung in der islamischen Welt beschleunigt haben – den Aufstieg der jahrhundertelang unterdrückten Schiiten zur politischen Macht. (Hier ein Essay aus dem Tagesspiegel.)

 

Talibanherrschaft in Pakistan weitet sich aus

Pakistans norwestliche Grenzregion auf einer Karte der BBC Screenshot: JL

Diese Karte wurde vom BBC-Urdu-Service zusammengestellt. Sie zeigt, wer über welche Gebiete in den nordwestlichen Provinzen Pakistans herrscht.

Die Regierung hat nach den Recherchen der BBC nur noch Kontrolle über 38 Prozent des Territoriums. Rot sind die von den Taliban kontrollierten Bereiche vermerkt, gelb solche mit einer bedeutenden Taliban-Präsenz.

Die Autoren schreiben:

„From the research, a clear pattern of Taleban-related militancy emerged.

When the Taleban identify an area to concentrate on, they start making their presence felt by bombing music shops and girls schools. This is followed by attacks on government buildings and police stations and law enforcement personnel before moving on to major attacks, including suicide bombings.“

Mehr zu den einzelnen Bezirken hier.

 

Wer kein Deutsch lernt, ist ein schlechter Muslim

Zwei Meldungen aus türkischen Tageszeitungen von heute:

DITIB: SPRACHE LERNEN IST RELIGIÖSE PFLICHT

„Es ist unsere religiöse Pflicht, die Sprache zu erlernen“, ist auf der Titelseite der TÜRKIYE über Aussagen des DITIB-Vorsitzenden Sadi Arslan zu lesen. Der Chef der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) hat auf einer Veranstaltung in Köln darauf hingewiesen, dass „die Erlernung der Sprache der Menschen, mit denen man zusammenlebt, ein Gebot des Propheten“ sei. Damit erwerbe man auch automatisch einen Verdienst an der Religion, so Arslan.

KOLAT GEGEN DAS WORT „INTEGRATION“

Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland kündigte an, das Wort „Integration“ aus seinem Wortschatz zu streichen. Dieses Wort sei „nicht definiert“ und unbestimmt. Konkreter sei der von ihm angestrebte Begriff der „Partizipation“ und die Forderung nach gleichen Rechten. Kolat erklärte außerdem bei einer Veranstaltung in Stuttgart:  „Das Wort Integration findet bei den Migranten selbst keine Akzeptanz mehr. Denn es ist mittlerweile erwiesen, dass die Integrationspolitik Deutschlands zu nichts führt.“ (Sabah)

Hochinteressant: Der Vetreter des türkischen Staates, der Botschaftsrat Arslan, der hier in Deutschland für Ankara die Ditib-Moscheen beaufsichtigt, spricht vom Sprachenlernen – der Voraussetzung für jede Integration – als „religiöser Pflicht“ und führt gar den Propheten an.

Hingegen gibt der säkulare Sozialdemokrat Kolat den Trotzigen und streicht „Integration“ aus seinem Wortschatz, weil – das ist das Beste! – die „Integrationspolitik Deutschlands zu nichts führt!

Deutschland hat versagt, wenn die Türken hierzulande am schlechtesten abschneiden bei der Schule und am Arbeitsmarkt – so die eine Botschaft.

Ihr seid schlechte Muslime, wenn ihr kein Deutsch lernt – so die andere, entgegengesetzte Botschaft.

Was meine Intuition bestätigt, dass wir in Deutschland mehr Integrationsprobleme durch einen störrischen und bornierten türkischen Nationalismus haben als durch die islamische Religion, so wie Ditib sie vertritt. Ja, dass die Religion hier auch ein Integrationsfaktor sein könnte, wenn mehr solche Predigten gehalten würden wie die von Sadi Arslan.

 

Kann man die Siedlungen in der Westbank auflösen?

Und was darf es bitteschön kosten? Dazu zwei interessante Fakten, die ich Haaretz von gestern und heute entnehme.

Erstens: Der Rückzug aus Gaza, den Ariel Sharon 2005 unilateral durchzog, hat den israelischen Staat im Schnitt 4.9 Millionen NIS (Schekel) pro Familie gekostet. Das sind nach heutigem Kurs 873.000 €. Bei 700-800 Familien kommt man auf über eine halbe Milliarde Euro. Aus Gaza wurden am Ende von ursprünglich etwa 8000 Siedlern rund 4000 zwangsumgesiedelt. Dazu war ein Aufgebot von über 50.000 israelischen Soldaten notwendig, die größte Militäraktion seit dem Yom Kippur Krieg von ’73.

Im Westjordanland müßten aber etwa 100.000 Siedler abgezogen werden, um etwa den Massgaben des Clinton-Plans von 2000 zu entsprechen – in anderen Worten: wir reden hier über die 25fache Dimension des Gaza-Rückzugs.

Zweites interessantes Faktum: Im Jahr 2016 werden Israelis und Palästinenser nach neuen Berechnungen demographisch gleichziehen. Die Relation der jüdischen Israelis zu den Palästinensern in Israel („israelische Araber“) und in den besetzten Gebieten beträgt heute 5.6 zu 5.1 Millionen. In sieben Jahren werden die Zahlen ausgeglichen sein wegen der höheren Geburtenraten unter den Palästinensern.

Ein binationaler Staat Israel – die Alternative zur Zweistaatenlösung, die in Anwesenheit eines Friedensprozesses immer wieder genannt wird – hätte nur eine schrumpfende jüdische Minderheit.

In anderen Worten: Ohne eine Zweistaatenlösung ist die jüdische Mehrheit in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten in sieben Jahren perdu.

 

Vor Netanjahus Besuch bei Obama: Israel unter Druck – durch seine Freunde

In der kommenden Woche wird der israelische Premier Netanjahu bei Barack Obama seinen Antrittsbesuch machen. Er wird dort den „neuen Ansatz“ in der Palästinenserpolitik vorstellen, für den seine Koalition steht. 

Ein zentraler Streitpunkt dabei wird sein, ob die israelische Regierung sich wie ihre Vorgänger die „Zweistaatenlösung“ auf die Fahne schreibt. In mehreren Interviews hatte der neue Aussenminister Avigdor Lieberman erklärt, der Annapolis-Prozess sei gescheitert (mein Bericht hier). In Berlin, bei seinem Besuch am letzten Donnerstag, hat Liebermann sich offen lustig gemacht über die „Friedens-Industrie“, die in Jahrzehnten von Verhandlungen nichts gebracht habe.

Amerikaner und Europäer haben daraufhin abermals den Druck erhöht, die Israelis sollten sich dazu bekennen, weiter die Zweistaatenlösung zu verfolgen. 

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in diesem Sinn am Montag einstimmig eine Resolution verabschiedet, die beide Seiten auffordert, auf alle Schritte zu verzichten, die das Vertrauen unterminieren. Der Generalsekretär sagte gar, es sei „an der Zeit, dass Israel sein Verhalten fundamental ändert.“ Auch die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice drängt jetzt auf „echte Ergebnisse“. So viel Druck hat Israel seit Jahren nicht von seinen Freunden zu spüren bekommen. Die eher links orientierte Tageszeitung Haaretz schrieb am letzten Freitag bereits besorgt über einen „Zusammenbruch der Kooperation zwischen den USA und Israel unter Obama“. 

Der zweite zentrale Streitpunkt wird sein, was in Israel schon „linkage wars“  genannt wird – die Debatte darüber, ob – und wenn ja, wie – die Bedrohung durch einen atomar aufrüstenden Iran mit der Frage der palästinensischen Staatlichkeit verknüpft sein sollte. 

Die israelische Regierung möchte nämlich gerne das Thema wechseln: Wir können derzeit sowieso nichts mit den Palästinensern erreichen, liebe Verbündete, also lasst uns die Augen auf die iranische Bedrohung richten. Erst wenn wir diese Bedrohung einhegen oder besser noch ausschalten, werden die Palästinenser wieder verhandlungsfähig sein, weil die radikalen Gruppen (Hisbollah und Hamas) dann ihren Hauptsponsor verloren haben werden.

Umgekehrt argumentieren derzeit Israels Verbündete: Ein Fortschritt im Friedensprozess, liebe Israelis, macht es uns sehr viel leichter, eine glaubwürdige Drucksituation gegen Iran und die von ihm gesponserten Terroristen aufzubauen. Iran wird so das Spiel verdorben, sich als einzig authentischer Pate der Palästinenser aufzuspielen, während die so genannten „moderaten“ Araber blamiert dastehen, weil nichts für ihre Klienten erreichen können.

Obamas Aussenministerin Clinton besteht darauf, dass Israel die gewünschte Unterstützung gegen die iranische Gefahr nur dann bekommen könne, wenn es nicht „an der Seitenlinie“ stehen bleibe bei der Lösung der Palästinafrage. Die arabischen Regime seien allesamt willig, so Clinton, gegen Irans Hegemonieansprüche in der Region Druck zu machen – aber nur, wenn Israel unverzüglich bereit sei, mit der PA wieder in Verhandlung zu treten. Amerika sei ausserdem bereit, eine mögliche Einheistregierung aus Fatah und Hamas zu unterstützen.

Israel lehnt letzteres ab, so lange Hamas nicht klar und deutlich die „Quartettkriterien“ erfüllt – Gewaltverzicht, Anerkennung Israels und aller bisherigen Vereinbarungen. 

Der israelische Vizeaussenminister Danny Ayalon hat gegenüber der Washington Post die amerikanische Verknüpfung des iranischen mit dem palästinensischen Problem mit einer eigenen Version des „linkage“ gekontert: 

The new Israeli government will not move ahead on the core issues of peace talks with the Palestinians until it sees progress in US efforts to stop Iran’s suspected pursuit of a nuclear weapon and limit Teheran’s rising influence in the region.

Zu Deutsch: Wenn ihr dem Iran nicht mehr Druck macht, tun wir nichts für die Palästinenser. 

Das ist eine ziemlich törichte Position, weil sie erstens Israels Hebelkraft überschätzt – und zweitens die Palästinenser zur Geisel der Iraner macht, ganz so, wie es die Iraner ja auch gern sehen. Ayalon gibt damit Iran de facto die Einflußposition auf den Nahostprozess, die sich das Land seit langem anmaßt. Und er schlägt die moderaten arabischen Partner ins Gesicht, auf die Israel sich sonst gerne bezieht, um die Breite der Front gegen Iran zu beschwören.

Ayalon muss selber gemerkt haben, dass diese Position unhaltbar ist – und so hat er sie jüngst zurückgezogen. Gegenüber der Jerusalem Post sagte er am letzten Donnerstag: „Wir müssen die iranische Bedrohung stoppen, als gäbe es keinen Konflikt mit den Palästinensern, und wir müssen mit den Palästinensern vorwärts kommen als gäbe es keine nukleare Bedrohung aus dem Iran“. 

Wie bedroht sich die Israelis unter dem Druck ihrer Freunde und der Umstände in der Region sehen, zeigt jetzt ein bereits viel diskutierter alarmistischer Essay des neuen israelischen Botschafters in den Vereinigten Staaten, Michael B. Oren in der neokonservativen Zeitschrift Commentary. Oren zählt nicht weniger als sieben existenzielle Bedrohungen Israels auf, darunter interessanter Weise nicht nur äußere, sondern auch innere Zerfallsfaktoren:

– der Verlust Jerusalem als symbolisches Zentrum des jüdischen Staates

– die demographische Bedrohung durch den arabischen Bevölkerungszuwachs (ein binationaler Staat wäre das Ende des zionistischen Projekts)

– die internationale Delegitimierung Israels wegen der Besatzung als „das neue Südafrika“

– die terroristische Gefahr durch die immer besseren Raketen der Hisbollah und Hamas

– die iranische Atombombe

– die Ausblutung der Staatssouveränität (angesichts der wachsenden Bevölkerungsteile der Araber und der jüdisch Orthodoxen, die beide illoyal zum Staat stehen)

– die moralische Erosion Israels durch seine korrupten Eliten (die Knesset ist die Institution mit dem geringsten Ansehem im Land).

Das ist ein finsteres Bild. Der Botschafter spricht von einem „Zusammenbruch der öffentlichen Moral“ in seinem eigenen Land! Er malt die Aussicht an die Wand, dass alle Israelis, die es können, das Land verlassen werden, wenn die sieben Bedrohungen nicht gekontert werden. 

Am kommenden Montag, wenn Premier Netanjahu bei Barack Obama zu Gast sein wird, kann man eine erste Ahnung bekommen, ob die neue Regierung willens und in der Lage dazu ist.