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Das gefährliche „G-Wort“ – die UN haben ihren Bericht zu Kriegsverbrechen im Kongo veröffentlicht

Na also, es geht doch. Trotz massiven Drucks, Drohungen und Erpressungsversuchen mehrerer afrikanischer Länder hat Navanethem Pillay, UN-Hochkommisarin für Menschenrechte, nun den Report über Kriegsverbrechen im Kongo veröffentlicht – und  keinen der schweren Vorwürfe gegen Armeen Ruandas und Ugandas entschärft.

Eine vorläufige, noch nicht autorisierte Fassung des Berichts war im August der Presse zugespielt worden und hatte umgehend eine diplomatische Krise ausgelöst. Denn unter anderem werfen Pillays UN-Ermittler den ruandischen Truppen des heutigen Präsidenten Paul Kagame zahlreiche Massaker an Hutu-Zivilisten im Ostkongo vor, deren offensichtliche Systematik von einem ordentlichen Gericht als Genozid „eingestuft werden könnte“. Eine juristisch sehr vorsichtige, aber politisch hoch brisante Formulierung. Es waren es Kagames Truppen, die ihrerseits 1994 den Völkermord an Tutsi in Ruanda gestoppt. Ihre Invasion in den Ostkongo 1996 zwecks  Auflösung der Hutu-Flüchtlingslager ist nach herrschender Lesart in Kigali bis heute ein  Akt der Selbstverteidigung gegen die Hutu-genocidaires, die aus den Camps im Kongo weiterhin Angriffe gegen Tutsi durchführten. Der UN-Bericht legt nun nahe, dass es ein massenmörderisches Rachemanöver war.  Ruandas Regierung hatte im August gedroht, seine Soldaten aus der ohnehin schon wackeligen UN-Blauhelmmission im Sudan abzuziehen, sollte der Report in dieser Form offiziell veröffentlicht werden.

Das brisante „G-Wort“ wurde nicht gestrichen – ebensowenig die Aufzählung von Kriegsverbrechen im Ostkongo durch Armeen anderer Nachbarländer, vor allem Burundi und Uganda, das aus Empörung über die Vorwürfe ebenfalls mit einem Abzug seiner Blauhelm-Truppen gedroht hatte. Bei Drohungen ist es nun geblieben, die betroffenen Regierungen durften allerdings Stellungnahmen zu dem Bericht hinzufügen. Unter dem Strich darf man festellen: die Erpressung hat nicht funktioniert.

Und nun? Genozid beschreibt eines der schlimmsten Menschheitsverbrechen. Das „G-Wort“ war und ist aber auch ein medialer Kampfbegriff mit zweischneidiger Wirkung. Es rüttelt auf wie im Fall Darfur (obwohl die Expertenmeinungen immer noch darüber auseinander gehen, ob es sich dort um einen Völkermord gehandelt hat). Es verursacht mittlere diplomatische Erdbeben wie im Fall Ostkongo. Es überschattet andere schwere Menschenrechtsverletzungen und hierarchisiert den Status der Opfer. Für die und ihre Hinterbliebenen ist es aber letztlich egal, ob das Massaker, in dem sie starben, im Nachhinein als Genozid oder als Kriegsverbrechen eingestuft wird. Tot ist tot. Brutal ermordet ist brutal ermordet.

Weshalb man nun den eigentlichen Verdienst dieses Berichts würdigen sollte. Der besteht nicht darin, die Regierung in Kigali in Wut versetzt zu haben. Der Verdienst dieser über 500 Seiten Lektüre besteht darin, zum ersten Mal ein umfassende, wenn auch keineswegs vollständige Dokumentation des verheerendsten Kriegsschauplatzes seit 1945 geliefert zu haben.

Unübersichtliche Konflikte – zumal solche in Afrika – lösen in der westlichen Öffentlichkeit gern den „Die-haben-sich-da-immer-schon-gemeuchelt“-Reflex aus. Dieser Reflex enthält die Vermutung, die betroffenen Menschen hätten kein Interesse und damit auch keinen Anspruch an der Aufarbeitung dieser Verbrechen. Dass diese Annahme ebenso unsinnig wie infam ist, zeigen die Wahrheitskommissionen in Südafrika, in Liberia und Sierra Leone, das zeigt auch das UN-Ruanda-Tribunal zur Ahndung des Genozids 1994. Keine dieser Institutionen ist unumstritten, keine ihrer Ergebnisse auch nur annährend vollkommen. Aber sie demonstrieren, dass Erinnerungspolitik und Wahrheitsfindung sehr wohl auch ein afrikanisches Anliegen sind. Und ein kongolesisches wie die über tausend Zeugenaussagen für den UN-Bericht beweisen.

Was daraus folgt? Im UN-Bericht wird unter anderem eine Wahrheitskommission gefordert. Kongolesische Menschenrechtler setzen sich schon seit langem für „hybride Tribunale“ ein, Gerichte mit internationalen und nationalen Juristen zur Ahndung von Kriegsverbrechen, die die Arbeit des überforderten Internationalen Strafgerichtshofs dringend ergänzen müssten.

Es gehört zu den ebenfalls reflexartigen Einwänden, dass solche Forderungen im „chaotischen“, „korrupten“, „anarchischen“ Kongo utopisch sind. Aber das hat man über alle anderen Wahrheitskommissionen und Tribunale anfangs auch gesagt.

 

„Kinshasa Symphony“ im Kino

Wer einmal Beethoven in Kinshasa hören und das hinreissende Portrait eines kongolesischen Sinfonieorchesters  sehen möchte, hat nun die Gelegenheit: Ab heute läuft „Kinshasa Symphony“ in den deutschen Kinos. Der Dokumentarfilm von Claus Wischmann und Martin Baer schildert den Alltag der Mitglieder des Orchestre Symphonique Kimbanguiste (OSK): Ein Bratschist, der während der Proben auf die maroden Strommasten klettert, damit die Musiker Licht haben; ein Orchesterdirektor, der einen Kontrabass baut; Streicher, Bläser, Chorsolisten, die tagsüber auf oft irrwitzige Art ihr tägliches Überleben  in einer Millionenstadt organisieren, in der fast nichts mehr funktioniert. Und die abends inmitten von Verkehrchaos, Kneipenlärm und drückender Hitze Beethovens Neunte proben.

Warum? Weil sie diese Musik lieben. Und weil sie ihren auf Rumba und Congotronics versessenen Landsleuten die Klassik schmackhaft machen wollen. Aber das erzählen die Protagonisten in dem Film selbst am besten.

Einige Leser mögen sich erinnern: „Kinshasa Symphony“ lief unter großem Beifall auf der diesjährigen Berlinale. Und während der Dreharbeiten entstand die Recherche zur ZEIT-Reportage „Freude, schöner Götterfunken“ über das Orchester und die Religionsgemeinde der Kimbanguisten, der die Musiker angehören (erschienen am  26.11.2009 im ZEIT-Magazin).

Wischmann und Baer sind inzwischen wieder in Kinshasa gewesen, um ihren Film den Musikern und einem breiteren kongolesischen Publikum zu zeigen. Ich habe das OSK zwischenzeitlich auch wieder besucht. Zuletzt übte man für das nächste Konzert Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ sowie eine Komposition des ersten Geigers Héretier Mayimbi Mbuangi, der auch im Film einige Auftritte hat.

Dass die Musiker ohne Gage spielen, versteht sich von selbst. Dass sie ihre Instrumente zum Teil selbst bezahlen müssen, ebenfalls. Partituren sind ebenso Mangelware wie Saiten, Notenständer, ordentliche Stühle oder Übungsräume, in denen sich nicht gleichzeitig der Nachtlärm der Stadt mit Händels „Messias“ mischt.

Unter anderem Dank der freundlichen Hilfe einiger musikalischer ZEIT-Leser sind inzwischen genug Spenden für eine Oboe zusammengekommen – ein Instrument, das im Ensemble bislang fehlte. Die Regisseure Claus Wischmann, Martin Baer und Tonmann Pascal Capitolin engagieren sich bei der Suche nach Mitteln für eine Musikschule in Kinshasa sowie der Vermittlung von französischsprachigen Musiklehrern, die bereit sind, vor Ort für einige Wochen mit den OSK-Musikern und dem Nachwuchs zu arbeiten. Wer das OSK unterstützten möchte, erfährt genaueres auf der Website von betterplace.org.

 

Kagame, der Kongo und der Verdacht des Völkermords

545 Seiten, 1280 Zeugen, 1500 Dokumente, 600 Tatorte. Das sind die nüchternen Zahlen hinter einem Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte über Verbrechen während der beiden Kongo-Kriege zwischen 1996 und 2003. Es ist der erste umfassende, wenn auch keineswegs vollständige  Bericht über Gräueltaten während zweier Kriege, an deren Folgen – Massaker, Seuchen, Hunger –  bis heute mehrere Millionen Menschen gestorben sind. Und er enthält eine Bewertung, die das politische Gefüge in Zentralafrika schon jetzt erschüttert:  Nach Ansicht der Autoren könnten  – wohlgemerkt: könnten – die Verbrechen der ruandischen Armee Paul Kagames und der mit ihr alliierten kongolesischen Rebellen unter dem späteren kongolesischen Präsidenten Laurent Kabila den Tatbestand des Völkermords erfüllen. Offiziell soll der Bericht erst kommende Woche der Presse vorgestellt werden. Eine vorläufige Fassung wurde der französischen Tageszeitung Le Monde, zugespielt.

Es geht also um die Geschichtsschreibung des schlimmsten Krieges seit 1945 und um die Ereignisse in Ruanda und im Kongo in den späten 90er Jahren.
Im Sommer 1994 stoppen bekanntlich Tutsi-Rebellen unter dem Kommando des heutigen Präsidenten Paul Kagame den Völkermord in Ruanda, nachdem bereits 800.000 Tutsi und moderate Hutu Armee und Milizen zum Opfer gefallen sind. Die Täter fliehen mitsamt hunderttausender Hutu vor Kagames Rebellen in den Ost-Kongo, rüsten sich wieder auf und massakrieren grenzübergreifend weiter. 1996 löst  Kagame seinerseits die Flüchtingscamps militärisch auf und lässt seinen kongolesischen Frontmann Laurent Kabila innerhalb von sieben Monaten bis Kinshasa marschieren, wo dieser die Macht übernimmt, sich mit seinen ruandischen Sponsoren aber schnell überwirft. Diese marschieren erneut ein, was schließlich den zweiten Kongo-Krieg unter Beteiligung sämtlicher Nachbarländer zur Folge hat.

Dass alle Beteiligten dabei Kriegsverbrechen begangen haben, gilt heute als Binsenweisheit. Aber über die der ruandischen Seite wurde im Westen weitgehend geschwiegen. Weil die Weltgemeinschaft 1994 in Ruanda und dann bei der Flüchtlingskrise im Ostkongo versagt hatte, hatte Kagame – so zynisch es klingt – vor allem bei der amerikanischen und britischen Regierung ein paar Massaker gut. Jetzt konstatiert der Bericht „systematische und weit verbreitete Attacken gegen große Gruppen ruandischer Hutu-Flüchtlinge und Hutu-Zivilisten“, die, sollten sie vor einem ordentlichen Gericht verhandelt werden, als Völkermord klassifiziert werden könnten. Dazu zählten Massaker in der Art von Srebrenica, bei denen ausschließlich Männer exekutiert wurden, aber auch Massenmorde an Frauen, Kindern, Greisen, die als Hutu identifiziert wurden. Wie viele Opfer insgesamt? Das lässt sich kaum sagen. Zehntausende. Wahrscheinlich mehr als hunderttausend.

Unter anderem die inzwischen verstorbene Historikerin Alison des Forges, Autorin des Standardwerkes über den Genozid 1994 und Mitarbeiterin von Human Rights Watch, hatte mehrere Verbrechen von Kagames Truppen dokumentiert. Trotzdem konnte dieser letztlich durchsetzen, dass sich das UN-Ruanda-Tribunal nur mit dem Genozid des Hutu-Regimes befasst.

Denn ein unanfechtbares Täter-Opfer-Schema ist für Kagames Plan eines „neuen Ruanda“ ebenso unverzichtbar wie der wirtschaftliche Fortschritt, den er zweifellos erreicht hat (allerdings auch dank fortgesetzter Plünderung von Rohstoffvorkommen im Ost-Kongo).

Mit dem UN-Bericht ist dieser Nimbus wohl endgültig dahin. Dass der Report kommen würde, wusste Kagame seit langem. Nach Angaben von Le Monde hatte Kagame dem UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon gedroht, im Fall einer Veröffentlichung die ruandischen Truppen von der Blauhelm-Mission in Darfur abzuziehen oder sogar den Status als Mitgliedsland auf Eis zu legen. Vermutlich wollte der UN-Chef daraufhin zumindest den Völkermord-Verdacht streichen lassen, weswegen der Bericht dann prompt an die Presse gespielt wurde. Das spekuliert Jason Stearns, Afrika-Kenner und ehemaliger Ermittler einer der UN-Expertengruppen für den Kongo, der den bericht offenbar ebenfalls in seinen Händen hat.

Stearns weist übrigens auf ein wichtiges Detail hin: Die Autoren des Reports haben bei ihren Recherchen den „journalistischen Standard“ angewandt. Soll heißen: zwei unabhängige Quellen für jeden Tatbestand. Juristisch hat das noch keinen Bestand, solange die jeweiligen Zeugen die Aussage nicht persönlich und unwiderlegbar vor Gericht wiederholen.

Bleibt die Frage: welches Gericht wäre dafür zuständig? Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist nur für Verbrechen zuständig, die nach dem Inkrafttreten seines Statuts am 1. Juli 2002 begangen wurden. Das UN-Ruanda-Tribunal befinedt sich ebenso wie das UN-Jugoslawien-Tribunal in der Schlusskurve. Die ruandische Justiz wird einen Teufel tun und gegen die Mächtigen im Land ermitteln. Gleiches gilt für die kongolesische. Der amtierende Präsident Joseph Kabila ist der Sohn eines Hauptbeschuldigten in dem UN-Bericht, Laurent Kabila.

Bliebe nur die Option eines neuen internationalen Kongo-Tribunals. Und das ist – milde ausgedrückt – unwahrscheinlich.

 

Hit, rape and run – oder: was Afghanistan und der Kongo gemein haben

Was tut eine Rebellengruppe, deren Nachschublinien gestört werden und deren Kampftrupps militärisch unter Druck geraten? Sie eskaliert den Terror gegen die Zivilbevölkerung. Hit, rape and run – so kann man die Strategie der FDLR im Ostkongo bezeichnen. Zuschlagen, vergewaltigen und wieder abtauchen.

Anfang August haben die Kämpfer der aus Ruanda stammenden Hutu-Miliz  zusammen mit einer lokalen Mayi-Mayi-Miliz die Kleinstadt Luvungi und mehrere umliegende Dörfer in der Provinz Nord-Kivu besetzt und geplündert.  Über 170 Frauen sowie offenbar auch mehrere Jungen im Kleinkindalter sind vergewaltigt worden – meist durch Gruppen von bis zu sechs Bewaffneten, oft vor den Augen der gesamten Familie.

Ähnlich wie im Fall eines Massakers einer anderen Rebellengruppe im Nordosten des Kongo mit mehreren hundert Toten im Frühjahr haben Berichte über das Verbrechen erst drei Wochen später die Öffentlichkeit erreicht. Warum, ist nicht klar. Die vorliegenden Informationen beruhen vor allem auf den Recherchen kongolesischer Ärzte sowie Mitarbeitern von International Medical Corps (IMC), einer amerikanischen Hilfsorganisation.

Über das Verhalten von Blauhelmen eines nahe gelegenen UN-Stützpunkts gibt es widersprüchliche Angaben. Ein Sprecher der UN-Mission erklärte, die FDLR-Kämpfer hätten die Straßen blockiert und so verhindert, dass die Bewohner die UN alarmierten. Nach Aussagen von Bewohnern wiederum waren mehrere Dutzend UN-Soldaten im Einsatz, bekamen die Angreifer aber nie zu fassen: „Sobald die Blauhelme ein Dorf erreichten, zogen sich die Rebellen in den Wald zurück.“ Zogen erstere wieder ab, seien die Marodeure zurückgekommen.

Warum die Blauhelme keine Verstärkung erhielten, ist eine der Fragen, welche die UN nun beantworten muss. Im Auftrag von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sind der stellvertretende Leiter für UN-Friedenseinsätze und die UN-Sondergesandte für sexuelle Gewalt in Konfliktgebieten auf dem Weg in den Kongo.

Schon seit Monaten demonstriert die FDLR mit gezielten Überfällen und Anschlägen in den beiden Kivu-Provinzen, dass sie sich reorganisiert hat. Die Miliz ist die Resterampe jener Hutu-Militärs und Milizen, die 1994 den Völkermord in Ruanda organisierten und danach in den Ostkongo flohen. Ihre Fußtruppen bestehen mittlerweile aus  Jungmännern, die in den kongolesischen Flüchtlingslagern aufgewachsen sind, aber auch aus Kongolesen, die mit mehr oder weniger Zwang rekrutiert worden sind.

Seitdem Anfang 2009 die kongolesische Armee mit Unterstützung Ruandas und der UN gegen die FDLR in den Kivu-Provinzen vorgeht (und dabei ihrerseits massive Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung verübt), hat die Hutu-Miliz zahlreiche Kämpfer und die Kontrolle über einige Gebiete verloren. Inzwischen macht sie diese Verluste durch Allianzen mit anderen Milizen wett, vor allem mit verschiedenen Mayi-Mayi Gruppen.

Es waren offenbar FDLR-nahe Mayi Mayi Kämpfer, die vor wenigen Tagen drei indische Blauhelmsoldaten mit Macheten zu Tode gehackt haben. Die Inder hatten mitten in der Nacht Hilferufe vor den Toren ihres Stützpunkts gehört, waren ausgerückt und dann von mehreren Dutzend Kämpfern attackiert worden. Solche gezielten Attentate direkt an UN-Stützpunkten hat es bislang nicht gegeben.

Die UN-Mission im Kongo steckt längst in einem ähnlichen Dilemma wie die NATO-Truppen in Afghanistan (mit dem Unterschied, dass letztere um ein Vielfaches zahlreicher und besser ausgestattet sind): Sie kooperieren im Kampf gegen die FDLR mit einer Regierung und einer Armee, von denen sie nicht wissen, ob sie gerade Freund oder Feind sind; sie stoßen auf wachsende (und völlig verständliche) Ressentiments seitens der Bevölkerung, deren Schutz sie allenfalls punktuell garantieren können. Und sie haben es mit einem Gegner zu tun, der auf jeden militärischen Druck mit Gräueltaten gegen Zivilisten reagiert – und nun womöglich auch mit gezielten Attentaten auf UN-Soldaten.

Wie brutal effektiv Gewalt gegen Frauen in dieser Strategie funktioniert, wissen die FDLR-Kämpfer genau. Sie haben in Luvungi mit ihren öffentlichen Massenvergewaltigungen über 170 Menschen vor den Augen anderer gefoltert und das soziale Gefüge eine ganzen Gemeinschaft erschüttert, wenn nicht zerstört. Ohne einen Schuss abzugeben. Das kann man über den Terror an den BewohnerInnen hinaus auch als Nachricht an die internationale Öffentlichkeit verstehen, die sich im Kongo eher mit emotionalem Gestus, denn mit einer durchdachten Strategie den Kampf gegen sexuelle Gewalt auf die Fahnen geschrieben hat: ‚Seht her, wir schlagen jederzeit zu, egal was Ihr tut.’

Das Schlimme ist: in Afghanistan wie im Ost-Kongo würden viele Zivilisten lieber wieder unter der brutalen aber berechenbaren Herrschaft ihrer Peiniger leben als in diesem latenten oder offenen Kriegszustand. Sie ziehen die FDLR als Besatzungsmacht, was sie in Teilen der Kivus lange Zeit war, der permanenten Angst vor dem Terror vor.

Wobei die kongolesische Zivilbevölkerung weiter nördlich, in der Provinz Orientale unter einer noch viel schlimmeren Geißel zu leiden hat: Die aus Uganda eingesickerten Rebellen der „Lord’s Resistance Army“ (LRA) führen seit Monaten eine Terrorkampagne im Dreiländereck Sudan, Kongo und Zentralafrikanische Republik durch, entführen Kinder und Jugendliche, plündern die ohnehin ärmlichen Erntevorräte, „bestrafen“ Dorfbewohner für Kontakte mit UN-Soldaten oder Armee, indem sie ihnen Lippen und Ohren abschneiden.

Die LRA wie die FDLR sind, wohlgemerkt, längst nicht mehr so schlagkräftig und mächtig wie früher. Aber ihre Überlebensfähigkeit durch schieren Terror demonstriert eines: Zu glauben, man könnte sie mit einer militärischen „grand strategy“ ausschalten, ist ein für die Zivilbevölkerung verheerender Irrtum.

Es gibt in solchen Fällen keine „grand strategy“ – schon gar nicht im Kongo mit dieser Regierung und dieser Armee. Es gibt allenfalls eine für jede Provinz, jeden Bezirk anders aussehende Kombination aus Verhandlungen, Angeboten an Aussteiger, Frühwarnsystemen für gefährdete Dörfer, punktuellen Teufelspakten mit Milizen, um andere Milizen auszuschalten und mit gezielten Militärschlägen als letztem Mittel. Außerdem mit Hilfsgeldern nicht nur für Frauenprojekte, sondern auch für Straßen, damit entlegene Regionen erreichbar werden. Und für Gefängnisse, damit man festgenommene Täter überhaupt einsperren kann.

Was braucht es noch? Einen verdammt langen Atem und massiven Druck auf die Regierung in Kinshasa. Deren Desinteresse an der körperlichen Unversehrtheit ihrer BürgerInnen und an einer nachhaltigen Reform der eigenen Armee ist skandalös. Ebenso ihre wiederholte Forderung nach einem baldigen Abzug der UN-Truppen. Denen kann man nach wie vor alle möglichen Versäumnisse und Fehlentscheidungen vorwerfen. Aber sie haben in den vergangenen Jahren – das konstatieren auch Hilfsorganisationen – trotz viel zu kleiner Truppenstärke einiges dazu gelernt, wenn es um den Schutz der Bevölkerung vor der eigenen Armee oder Rebellen geht. Und bei allen Ausbrüchen der Wut und Verzweiflung über die UN, die ich in den Kivu-Provinzen von KongolesInnen zu hören bekommen habe – auf die Frage, ob die UN abziehen sollte, habe ich noch nie ein „Ja“ vernommen. Sondern in aller Regel ein erschrockenes: „Um Gottes Willen, nein. Dann wird es wieder so schlimm wie früher.“

 

Paukenschlag in Den Haag: Warum der Prozess gegen Thomas Lubanga ausgesetzt wurde

Wenn es bei Gericht so etwas wie Donnerhall gibt, dann hat es gestern in Den Haag mächtig geknallt. Seit anderthalb Jahren zieht sich der Prozess des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGh) gegen den ehemaligen kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga hin. Nun haben die drei Richter unter Vorsitz des Briten Adrian Fulford das Verfahren ausgesetzt – und die Freilassung Lubangas angeordnet. Die Anklagebehörde hatte Fulfords Anweisung ignoriert, die Identität eines kongolesischen Zeugen offen zu legen, der seinerseits Zeugen der Anklage für ihre Aussage bezahlt und deren Inhalt manipuliert haben soll.

Bis auf weiteres bleibt Lubanga, dem Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten vorgeworfen wird, hinter Gittern. Fulford gab den Anklägern fünf Tage Zeit, gegen seine Entscheidung Widerspruch einzulegen, was diese mit Sicherheit tun werden. Ob Lubanga während der Verhandlung des Widerspruchs in Haft bleibt, muss dann die Berufungskammer des IStGh entscheiden.

Der  Beginn des ersten Prozesses des IStGh im Januar 2009 wurde noch als historischer Auftakt einer „Weltstrafjustiz“ gefeiert. Nun sind ausgerechnet bei dieser Premiere so ziemlich alle denkbaren Probleme zu einer Zerreißprobe zwischen Richtern und Anklägern eskaliert. Es geht um elementare, scheinbar unvereinbare Prinzipien: den Schutz von Zeugen und das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren. Es geht um die enormen Hindernisse bei den Ermittlungen in einem völlig zerstörten Land wie dem Kongo. Es geht um das Dilemma zwischen weltweiter Empörung über Kriegsgräuel einerseits und deren so mühsam und ineffektiv erscheinender juristischer Aufarbeitung andererseits. Und es geht ganz konkret um „intermediary 143“.

So wird in den Gerichtsakten jener vermutlich kongolesische Mittelsmann genannt, der am Schauplatz der Kriegsverbrechen im nordöstlichen Bezirk Ituri der Haager Anklagebehörde geholfen hat, Kontakte zu Zeugen herzustellen und deren Aussage aufzunehmen. Mit solchen einheimischen Mittelsmännern zu kooperieren, ist eine übliche Vorgehensweise. Bei ihren Ermittlungen sind die Ankläger maßgeblich auf die Informationen und Kontakte kongolesischer Menschenrechtler und Dolmetscher sowie auf die Nachforschungen dort stationierter UN-Mitarbeiter angewiesen. Vor allem erstere erwarten dafür Wahrung ihrer Anonymität und Schutz vor Repressalien, so weit dieser in einem Land wie dem Kongo überhaupt möglich ist.

Nachdem inzwischen zwei Zeugen, die von Lubangas Miliz rekrutiert worden sein sollen, ihre Aussagen gegen den Angeklagten  zurückgezogen haben, werfen die Verteidiger eben jenen Mittelsmännern vor, Aussagen manipuliert zu haben.  Lubangas Anwältin Catherine Mabille und ihre Kollegen fordern, die Identität von „intermediary 143“ zu erfahren und diesen selbst vorzuladen. Richter Fulford hielt das für ein vertretbares Ansinnen, das Büro von Chefankläger Luis Moreno-Ocampo nicht. Letzterer will den Namen von „intermediary 143“ nicht herauszurücken, auch nicht an den kleinen Kreis der Verteidiger, solange der Mittelsmann nicht ausreichend geschützt ist.

Sich der Anordnung eines Richters so demonstrativ zu widersetzen, geht  – zunächst – für keinen Ankläger gut aus. Fulford ist das, was man im Englischen als „no-nonsense-guy“ bezeichnet. Also jemand, der sich von keiner Streitpartei vorführen lässt. Schon vor Prozessbeginn rasselten er und seine beiden Kollegen, der Bolivianer René Blattman und die Costaricanerin Elisabeth Odio Benito, mit Ocampos Abteilung aneinander. Damals ging es um potenziell entlastendes Beweismaterial, dass die Anklagebehörde unter Verweis auf Schutz ihrer Quellen nicht an Lubangas Verteidiger weitergeben wollte. Diese Runde gewann Ocampo. Die Berufungskammer entschied in seinem Sinne. Offensichtlich hofft er auch bei diesem Konflikt auf die nächst höhere Instanz.

Soviel zum juristischen Innenleben auf dem Planeten Den Haag. Nach außen, vor allem nach Ituri, sind diese Ereignisse sehr viel schwerer zu vermitteln. Dort starben 1999 und 2003 in einem Krieg zwischen ethnischen Milizen über 50.000 Menschen, unter anderem von Hand jener Kindersoldaten, deren Rekrutierung Lubanga vorgeworfen wird. Unter anderem eine EU-Militärmission führte schließlich einen fragilen Frieden herbei.

Dass inzwischen auch ehemalige Kriegsgegner von Lubanga auf der Anklagebank des IStGh sitzen, hat im Kongo das Gerücht entschärft, hier würden nur die Täter einer ethnischen Gruppe verfolgt. Dass vier Jahre nach der Überstellung von Lubanga aus einem kongolesischen Gefängnis nach Den Haag immer noch kein Urteil ergangen ist, finden die Bewohner Ituris kaum nachvollziehbar. Eigens eingerichtete Radioprogramme erlauben ihnen durchaus, die Ereignisse in Den Haag genau zu verfolgen.

Die neuerliche Krise des Lubanga-Prozesses erwischt den Gerichtshof zu einem prekären Zeitpunkt. Der Prozessauftakt gegen den bislang prominentesten Untersuchungshäftling, den ehemaligen kongolesischen Vize-Präsidenten Jean-Pierre Bemba, ist gerade wieder verschoben wurden. So mancher Experte hält die Anklage-Konstruktion in diesem Fall für ziemlich wackelig.

Gleichzeitig hat der Gerichtshof gerade seine erste Überprüfungskonferenz hinter sich. Bei der haben sich die Vertragsstaaten darauf geeinigt, in Zukunft dem IStGh auch eine (allerdings eingeschränkte) Jurisdiktion über den Tatbestand des Angriffskriegs zu übergeben.

Simpel formuliert: die Erwartung an den einzigen permanenten internationalen Strafgerichtshof, die schlimmsten Verbrechen und ihre Haupttäter zu bestrafen, sind noch größer geworden. Gleiches gilt nicht unbedingt für die Ausstattung des Gerichts. Es gilt auch nicht für die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft, den politischen Druck auf Angeklagte wie den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir zu erhöhen.

Sollte jetzt ausgerechnet die juristische Premiere des IStGh, der Lubanga-Prozess, platzen, hätte das Gericht einen bitteren Erfolg zu verbuchen: Es hätte das Prinzip des fairen Verfahrens hoch gehalten, aber gleichzeitig den eigenen Ruf nachhaltig ramponiert.

 

Neues im Fall Chebeya: Ein Obduktionsbericht und ein aufgescheuchter Polizeiapparat

Ein Geständnis, ein vorläufiger Obduktionsbericht, eine mittlere Staatskrise und jede Menge Spekulationen. Das ist der Stand der Dinge im Fall Chebeya – elf Tage, nachdem die Leiche des Leiters der Menschenrechtsorganisation Voix des Sans-Voix (VSV) am Stadtrand von Kinshasa gefunden worden war.

Nach einer außergewöhnlichen Welle des internationalen Protestes hatten die kongolesischen Behörden innerhalb weniger Tage einen Tatverdächtigen präsentiert: Keinen geringeren als Daniel Mukalay, Chef des Polizeigeheimdienstes. Mukalay, als Folterer berüchtigt,  soll den Mord an Chebeya gestanden und dabei auch den obersten Polizeichef John Numbi belastet haben, einer der mächtigsten Männer des Landes und ein enger Berater von Präsident Joseph Kabila.  Chebeya war am späten Nachmittag des 2. Juni von Numbi zu einem Gespräch vorgeladen worden und danach verschwunden. Numbi steht seitdem unter Hausarrest. Inzwischen wurde auch der Polizeichef von Kinshasa, Jean de Dieu Oleko, unter Hausarrest gestellt. Oleko war das erste hochrangige Polizist gewesen, der nach dem Fund der Leiche von einem Verbrechen gesprochen hatte.

Mit Erlaubnis der kongolesischen Behörden haben inzwischen forensische Experten des renommierten niederländischen Labors Verilabs Chebeyas Leiche in Kinshasa obduziert. In einem ersten vorläufigen Bericht machten die Ermittler noch keine Aussage über die Todesursache, stellten aber Spuren der Gewalt an Chebeyas Körper fest. Ein endgültiger Obuktionsbericht sei, so ein Sprecher des Labors, erst in einigen Wochen zu erwarten.

In Kinshasa wird unterdessen heftig spekuliert: Ist Numbis vorläufiger Sturz eine politische Finte ? Oder war der Polizeichef dem Präsidenten zu mächtig geworden? War Chebeyas Tod ein eiskalter Auftragsmord? Oder ist irgendwann am Abend des 2. Juni eine Aktion der Einschüchterung „aus dem Ruder gelaufen“?

Chebeyas Mitstreiter wollen seinen Leichnam am 30. Juni beisetzen, dem Tag der großen Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit des Kongo. Ob das eine taktisch kluge Idee ist, darf man bezweifeln. Menschenrechtsaktivisten leisten im Kongo eine enorm mutige und wichtige Arbeit – aber sie genießen in der internationalen Öffentlichkeit oft mehr Aufmerksamkeit als unter ihren eigenen Landsleuten. Die sind meist viel mehr mit ihrem alltäglichen Überlebenskampf beschäftigt sind als mit den Berichten von VSV oder anderen Organisationen. Die Beisetzung dürfte also bestenfalls im großen Trubel der Paraden untergehen. Oder sie wird von der Polizei verboten. Oder mit Gewalt gestoppt. Keine der drei Optionen wäre den eigentlichen Zielen dienlich: nämlich den Mord an einem der mutigsten Aktivisten und das Schicksal seines immer noch verschwundenen Fahrers Fidele Bazana aufzuklären. Und den internationalen Druck auf die kongolesische Regierung in Sachen Menschenrechtsschutz aufrecht zu erhalten.

Wie viel Eindruck Chebeya Zeit seines Lebens auf jene gemacht hat, die ihn persönlich kannten und unterstützten, zeigt ein Nachruf, der auf der Website der US-amerikanischen National Endowment for Democracy (NED) veröffentlicht worden ist. Der Autor Dave Peterson ist Leiter des Afrika-Programms der NED:

Floribert was a realist.  He understood politics.  But he never sacrificed principles.  He was as unafraid to denounce American policies he saw as wrong as he was those of his own government.  When most other Congolese, including some human rights advocates, were denouncing the Tutsis and Banyamulenge after the Rwandan invasion, Floribert defended the rights of innocent civilians who were targets of human rights abuse no matter what their ethnicity.   He had enormous energy.    (…) Floribert undoubtedly inspired hundreds of activists throughout the country who still cite VSV for getting them off the ground, showing them how to do human rights work, and counseling them on strategy.  (…)  His impact on the human rights movement and the understanding and appreciation for democracy in Congo was profound.

 

Mordfall Chebeya: Polizeichef unter Hausarrest

Der Mord an dem kongolesischen Menschenrechtler Floribert Chebeya hat in Kinshasa ein politisches Erdbeben ausgelöst.Wie Radio Okapi und andere Medien melden, wurde John Numbi, Generalinspekteur der Polizei und einer der mächtigsten Männer im Land, am Samstag von seinem Posten suspendiert und unter Hausarrest gestellt. Die Entscheidung traf der Nationale Sicherheitsrat des Landes unter Vorsitz von Präsident Joseph Kabila. Angeblich soll der Leiter des polizeilichen Geheimdinestes eine Tatbeteiligung gestanden und dabei auch Numbi  belastet haben.

Damit reagiert Kabila offenbar auch auf den massiven internationalen Druck seitens der UN, der EU und zahlreicher Menschenrechtsorganisationen, die eine unabhängige Untersuchung des Falles gefordert hatten. In den vergangenen Jahren sind mehrere prominente Menschenrechtler und Journalisten im Kongo ermordet worden. Keiner der Fälle wurde bislang aufgeklärt. Allerdings hat es noch nie einen so lauten internationalen Aufschrei gegeben wie nach dem Tod von Chebeya.

Bereits am Freitag waren in Kinshasa mehrere Polizistcn festgenommen worden – just an dem Tag also, als auch das amerikanische Außenministerium  eine unabhängige Untersuchung unter Aufsicht der UN gefordert und angeboten hatte, forensische Experten aus den USA in den Kongo zu entsenden. Auch UN-Generalskretär Ban Ki Moon hatte sich bestürzt über Chebeyas Tod geäußert.

Chebeya, Direktor der Menschenrechtsorganisation Voix des Sans-Voix (VSV), war am Mittwoch morgen tot in seinem Auto am Stadtrand von Kinshasa aufgefunden worden. Sein Fahrer Fidele Bazana wird weiterhin vermisst. Am Dienstag nachmittag war Chebeya zu einem Treffen mit Numbi einbestellt worden, das aber offenbar nicht stattgefunden hat. Danach war der Telefonkontakt zu Chebeya abgebrochen. 

Numbi galt bislang als „bewaffneter Arm“ Kabilas. Ihm wird Organisationstalent bei der Reform des Polizeiapparats, absolute Loyalität zum Präsidenten und absolute Skrupellosigkeit bescheinigt. Numbi war bislang der Mann, der die Feinde seines Chefs entweder ausschaltete – oder mit ihnen verhandelte. (In seiner Eigenschaft als Generalinspekteur der Polizei war er übrigens auch der Mann, der mit der europäischen Polizeimission im Kongo EUPOL verhandelte.)

Als im Frühjahr 2008 eine religiöse Bewegung in der Provinz Bas Congo mit zum Teil gewalttätigen Demonstrationen mehr politische Autonomie forderte, wurden nach einem Treffen zwischen Kabila, Numbi und dem damaligen Innenminister Kalume schwer bewaffnete Polizeieinheiten entsandt, die die Bewegung zerschlugen und mehrere hundert Menschen töteten.

Es war wiederum Numbi, der Ende 2008 maßgeblich jenen historischen Deal mit dem Erzfeind Ruanda aushandelte: Kigali stellte damals seine Unterstützung für den kongolesischen Tutsi-Rebellen Laurent Nkunda ein, Kinshasa erlaubte dafür den Einzug ruandischer Truppen auf kongolesisches Gebiet, um gegen die Hutu-Rebellen der FDLR vorzugehen. Die daraus resultierenden Militäroperationen führten zu einer Schwächung der FDLR – allerdings um den Preis vieler Opfer in der Zivilbevölkerung.

Ob und wie Numbi für den Mord an Floribert Chebeya verantwortlich ist, ist noch nicht klar. Aber man darf wohl davon ausgehen, dass der Polizeichef den Menschenrechtler für einen „Feind des Präsidenten“ gehalten hat. Und „Kabilas Feinde“, so erklärte es ein internationaler Beobachter dem Magazin Jeune Afrique, „sind auch Numbis Feinde.“

Die Frage ist nun, ob Kabila seinen engen Vertrauten wirklich aus dem Verkehr ziehen oder nur kurzzeitig aus der Schusslinie nehmen will. Die internationale Empörung über Chebeyas Tod kommt dem Machtzirkel um Kabila so kurz vor den großen Feiern zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit am 30. Juni jedenfalls sehr ungelegen.

Mitarbeiter von VSV sowie der UN durften den Leichnam Chebeyas inzwischen kurz sehen.  Nach ihren Aussagen fanden sich Blutspuren in Mund, Ohren und Nase, sowie eine Beule an der Stirn und Schwellungen am Hals. Das Leichentuch abzunehmen, um den ganzen Körper zu sehen, wurde ihnen verboten. Womöglich ist Chebeya erwürgt worden.

55 Menschenrechtsorganisationen, angeführt von amnesty international, Human Rights Watch und VSV haben in einem offenen Brief den kongolesischen Präsidenten aufgefordert, eine unabhängige Untersuchungskommission aus kongolesischen und internationalen Experten zusammenzustellen. Die Organisationen fordern außerdem nachdrücklich, den Familienangehörigen von Chebeya und Bazana sowie potenziellen Zeugen Schutz durch die UN-Mission zu gewähren.

 

Der Anfang vom Ende der MONUC

Nicht so gute Nachrichten aus dem Kongo: Eine bewaffnete Miliz hat am vergangenen Sonntag den Flughafen von Mbandaka angegriffen, dabei zwei UN-Angehörige und mehrere kongolesische Zivilisten getötet. Inzwischen haben laut BBC Einheiten der kongolesischen Armee zusammen mit Blauhelmen der UN den Flughafen zurückerobert.

Schon wieder Unruhen im Ostkongo? Falsch. Mbandaka ist die Hauptstadt der Provinz Equateur im Westen des Landes. Vor einigen Monaten brach hier ein bewaffneter Konflikt zwischen den ethnischen Gruppen der Lobala und Boba – angeblich ausgelöst durch einen Streit um Fischereirechte.

Die Folge: über hundert Tote und 200.000 Vertriebene, von denen viele über die Grenze in die benachbarte Republik Kongo geflohen sind.  Also ein Konfliktherd und eine humanitäre Krise mehr.

Nicht, dass es eines zusätzlichen Beweises bedurft hätte: der kongolesische Staat ist meilenweit davon entfernt, ein Gewaltmonopol beanspruchen zu können. Für Einsätze wie in Mbandaka, aber auch im Osten sind die Forces Armées de la République Démocratique du Congo (FARDC) auf die Hilfe der UN angewiesen.

Das wirft zum einen die inzwischen heftig diskutierte Frage auf, ob sich die UN dabei mitschuldig an den Menschenrechtsverletzungen von FARDC-Einheiten macht. Zum anderen gerät die kongolesische Regierung zunehmend in die Bredouille. Die möchte die UN-Mission im Kongo (MONUC) samt Blauhelmen gern aus dem Land haben – am liebsten pünktlich zum 30. Juni 2010, wenn das Land den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit feiert, und Präsident Joseph Kabila sich als starker Mann präsentieren möchte, der keine internationale Hilfe braucht. Weil Kabila die Blauhelme so schnell nun auch wieder nicht los werden kann, verlangt er von den UN bis Ende Juni zumindest einen Abzugsplan.

Die Anti-UN-Rhetorik in Kinshasa speist sich zum einen aus dem Ärger der Regierung über UN-Kritik am desolaten Zustand der Streitkräfte und an den massiven Menschenrechtsverletzungen kongolesischer Militärs. Zum anderen aus der pompösen Selbstüberschätzung, die Sicherheitsprobleme im Land selbst in den Griff bekommen zu können.

Wie weit diese Einschätzung von der Realität entfernt ist, hat auf tragische Weise zuletzt das Massaker von Trupps der LRA im Nordosten des Kongo gezeigt. Und nun die Besetzung eines ganzen Flughafens durch eine Miliz in Mbandaka.

Wie gesagt: ganz so schnell wird sich MONUC nicht aus dem Kongo verabschieden. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat am Montag dem Sicherheitsrat empfohlen, das am 31. Mai auslaufende Mandat für MONUC um ein weiteres Jahr zu verlängern, aber die ersten 2000 Blauhelme bis Juni abzuziehen.

Das könnte den Mitgliedsländern im Sicherheitsrat entgegen kommen, welche über die vergangenen elf Jahre der UN-Mission gern zusätzliche Aufgaben aufluden, aber nie ausreichend Personal und Mittel genehmigten. MONUC stellt mit 18.500 Soldaten und einem Jahresbudget von einer Milliarde Dollar derzeit die größte und teuerste Blauhelm-Mission. Aber in Anbetracht der Dimensionen kongolesischer Probleme war sie immer zu klein. Und ist es immer noch.

Bans Vorschlag stellt die Weltorganisation vor ein weiteres Dilemma. Verschiedene UN-Diplomaten haben in den vergangenen Monaten durchblicken lassen, dass Joseph Kabilas zunehmend autoritäres Gebaren eine längere Präsenz der MONUC inakzeptabel macht. Für 2011 sind im Kongo Wahlen angesetzt. Schon jetzt ist klar, dass diese dazu dienen sollen, Kabila endgültig im Präsidentenpalast zu inthronisieren.

Die UN aber würden nach dem Debakel um Hamid Karzais Wahlsieg in Afghanistan erneut zum Mitorganisator einer Farce. Und damit im Kongo auch zum Totengräber ihres Experiments des Demokratieaufbaus unter hellblauer Flagge.

 

Das tödliche Dreiländereck: Der Sudan, die LRA und ein Massaker im Kongo

Gesuchter Kriegsverbrecher: Joseph Kony, Anführer der Lord

Von Khartum, der Hauptstadt des Sudan sind es über tausend Kilometer bis zum Tatort des jüngsten Massakers im Nachbarland Kongo. Von Juba, Hauptstadt des autonomen Südsudan, sind es mehrere hundert Kilometer. Doch die drei Buchstaben, hinter denen sich die Mörder verbergen, sind auch im Sudan bekannt und gefürchtet: LRA.

Über zwei Monate hat es gedauert, bis Human Rights Watch und die BBC Gerüchte und Recherchen lokaler Menschenrechtsaktivisten in der kongolesischen Provinz Orientale prüfen und über den Horror berichten konnten: Zwischen dem 14. und 17. Dezember 2009 ermordeten Trupps der ugandischen „Lord’s Resistance Army“ (LRA) in mehreren völlig isolierten Dörfern im Nordosten des Kongo über 300 Zivilisten. Die meisten wurden mit Stöcken und Macheten erschlagen. Die Opfer sind vor allem Männer, aber auch mehrere Frauen und Kleinkinder, darunter ein dreijähriges Mädchen, das nach Berichten von Augenzeugen verbrannt wurde. Die Täter entführten mehrere hundert Jungen als Lastenschlepper und Mädchen als „Buschfrauen“ für ihre Kommandanten.

Es ist das schlimmste Massaker seit langem im Ostkongo, dessen Bewohner in den weiter südlich gelegenen Kivu-Provinzen von der aus Ruanda stammenden FDLR terrorisiert werden – und im Nordosten seit einigen Jahren von der ugandischen „Lord’s Resistance Army“.

Die „Widerstandsarmee des Herrn“ kämpft seit rund zwanzig Jahren unter Führung des selbsternannten Propheten Joseph Kony gegen die ugandische Regierung und für einen Gottesstaat auf Grundlage der zehn Gebote. Ursprünglich gab sie sich als Fürsprecher des verarmten ugandischen Nordens und der dort ansässigen Acholi aus. Doch mit massiven Zwangsrekrutierungen von Kindern der Acholi und brutalen Strafaktionen gegen vermeintlich illoyale Dörfer gebärdete sich Konys LRA im eigenen Gebiet wie eine Terrortruppe.

Der grausame Spuk wäre womöglich bald zu Ende gewesen, hätte Kony nicht einen mächtigen Sponsor im Sudan gefunden. Anfang der 90er Jahre war der Dauerkonflikt zwischen dem islamischen Regime in Khartum und dem christlich-animistischen Süden wieder vollends entbrannt. Bürgerkriege, egal in welchem Land, rufen die Nachbarstaaten auf den Plan – frei nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Weil Ugandas Staatschef Yoweri Museveni die SPLA-Rebellen im Südsudan unterstützte, versorgte das Regime in Khartum unter Führung von Präsident Omar al-Bashir Konys Truppe mit Waffen, Ausbildern und militärischer Aufklärung. Islamisten rüsteten christliche Fundamentalisten auf – das dürfte es nicht oft gegeben haben.

2005 endete der sudanesische Bürgerkrieg zwischen Norden und Süden. Die Allianz zwischen Kony und Khartum hatte schon vorher zu bröckeln begonnen. Die LRA, maßgeblich geschwächt, verstreute sich auf andere Nachbarländer: den Nordosten des Kongo und entlegene Gebiete in der Zentralafrikanischen Republik. Das einzige, was Kony und al-Bashir seither gemein haben, sind – so scheint es – Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag: Dort wird Kony zusammen mit einigen seiner Stellvertreter wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Uganda gesucht. Gegen Al-Bashir will das Gericht Anklage wegen der Gräueltaten in Darfur erheben.

Der ugandische Journalist Frank Nyakairu hat über Jahre die Verbrechen der LRA (aber auch die der ugandischen Armee gegenüber Acholi-Zivilisten) dokumentiert und LRA-Kämpfer mehrfach im Busch aufgesucht. Aus dem aufgeriebenen Haufen der vergangenen Jahre, so Nyakairu, sei in jüngster Zeit eine „multinationale Truppe“ geworden, die besser aufgerüstet und aufgestockt mit neuen Zwangsrekruten aus dem Kongo, dem Sudan und der Zentralafrikanischen Republik, „über mehrere Länder Zentralafrikas operiert.“

Eine Militäroperation gegen Konys Stützpunkte im Ostkongo – durchgeführt von ugandischen, südsudanesischen und kongolesischen Armeeeinheiten (mit amerikanischer Unterstützung) scheiterte 2009. Seitdem hat die LRA ihre brutalen Überfälle auf die Zivilbevölkerung verstärkt. Allein in der kongolesischen Provinz Orientale haben ihre Kämpfer nach Angaben der UN seit Dezember 2008 mehr als 1200 Zivilisten getötet. Im Südsudan hat die LRA mehrere zehntausend Menschen aus ihren Dörfern vertrieben und damit eine bereits bestehende Hungerkrise im Süden dramatisch verschärft.

Ob dies die Aktionen versprengter, aufgeriebener LRA-Trupps sind, ob die Täter einer von der LRA-Führung ausgegebenen Strategie folgen, oder ob womöglich einige Gräueltaten auf das Konto anderer Banden gehen – darüber gehen die Meinungen auseinander. Die ugandische Armee hat inzwischen die Täterschaft der LRA in Frage gestellt. Nach ihrer Darstellung verfügt die LRA allenfalls noch über 200 Kämpfer und sei gar nicht in der Lage, vier Tage lang mordend und plündernd durch Dörfer zu ziehen.

Bei Nyakairu liest sich das anders. Neu sind nach seinen Recherchen nicht nur Rekruten und Waffen der LRA. Neu sei auch die Kommandosprache. Befehle der LRA-Kommandanten würden, schreibt Nyakairu, nicht mehr nur auf Acholi sondern auch auf Arabisch erteilt. Manche Beobachter werten dies als Zeichen dafür, das Khartum wieder zum Sponsor der LRA geworden ist, um den Süden zu destabilisieren, der sich derzeit auf die landesweiten Wahlen Mitte April vorbereitet und im Januar 2011 per Referendum voraussichtlich seine Unabhängigkeit beschließen wird. Handfeste Beweise für eine Neuauflage der Allianz zwischen Kony und al-Bashir gibt es bislang allerdings nicht. Regierungsvertreter in Khartum bestreiten den Vorwurf vehement.

Was es gibt, sind neue Massengräber im Kongo, einen terroristischen Sektenführer, den niemand zu fassen bekommt. Und eine Akte in Den Haag beim Internationalen Strafgerichtshof, die nun wieder um einige Seiten länger werden dürfte.

 

Nicht nur, weil heute Frauentag ist…

…stelle ich Sophie Miblisi vor. Mitte zwanzig, wohnhaft in Kamituga, ledig, beschäftigt als Klempnerin im städtischen Hospital. Und damit – so nehme ich an – eine der wenigen Frauen, wenn nicht die einzige in der ganzen Provinz Süd-Kivu, die ihren Lebensunterhalt damit verdient, Rohre zu verlegen und Wasserhähne zu montieren.
Die männlichen Kollegen, sagt Miblisi, hätten etwas Zeit gebraucht, sich an diesen Anblick zu gewöhnen.
Miblisis Geschichte ist ungewöhnlich genug. Sie wurde noch ungewöhnlicher, als ihre Arbeitgeber,  die kongolesische Krankenhausleitung und die Mitarbeiter der deutschen NGO Cap Anamur, entdeckten, dass sie Psychologie studiert hat. Weswegen Miblisi plötzlich einen zweiten Job ausübte, als eines Tages im Spätsommer eine Karawane der Überlebenden im Hospital auftauchte – Überlebende des andauernden Krieges gegen Frauen.

Über 40 Mütter, Großmütter, Mädchen, Bäuerinnen, Händlerinnen aus dem Hinterland, alle Opfer von Vergewaltigungen und anderen Gräueltaten, hatten sich in den Wäldern unweit Kamitugas gesammelt, um gemeinsam im Krankenhaus Hilfe zu suchen. Die meisten waren offenbar Opfer von Hutu-Rebellen der FDLR geworden, hatten zum Teil schwere körperliche Verletzungen und seelische Traumata erlitten. Was genau eine Psychologin macht, war ihnen nicht klar. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich für das hier zuständig bin,“ sagt Miblisi und legt ihre Hand auf ihr Herz. „Und für ihren Kopf, für die Angst und die schlimmen Träume.“

Dann hätte sie einfach angefangen, mit den Frauen zu reden, sie einfach weinen oder beten oder erzählen zu lassen. Von der Vergewaltigung, von den Tätern, von der Schande und der Verachtung oder manchmal auch der Hilfe durch die Dorfgemeinde. „Es ist ja nicht nur der Körper, der leidet,“ sagt Miblisi. Richtige Therapie sei das natürlich nicht gewesen, sie habe wenig Zeit gehabt, denn die meisten Frauen sind nach der medizinischen Behandlung wieder zurück. Und ihr selbst fehle es eben noch an Schulung, an Fortbildung durch erfahrene Therapeuten und Therapeutinnen.

Das Gespräch mit Miblisi fand im Dezember statt. Dass man in Kamituga den Vergewaltigten überhaupt helfen konnte, verdankt sich, wie früher schon berichtet, einem joint venture zwischen Provinzverwaltung, der Hilfsorganisation Cap Anamur und der örtlichen Krankenhausleitung. Innerhalb von gut zwei Jahren hat sich dieses Hospital von einer durch Krieg und Verfall zerrütteten Siechenanstalt in ein funktionierendes Hospital verwandelt – das erste außerhalb der Provinzhauptstadt Bukavu.

Über diese Wiederauferstehung könnten die Mitarbeiter von Cap Anamur inzwischen Romane schreiben. Kleinere Flüchtlingskatastrophen waren zu bewältigen, Dächer zu decken, Bettengestelle neu zu verschweißen. Einen Sack Zement bekommt man im Kongo nicht auf dem Baumarkt, sondern erst nach kompliziertem logistischem Aufwand, die Zollbefreiung ebenso. Die Einstellung eines Krankenwagenfahrers endete zunächst mit der Testfahrt eines Bewerbers an einer neuen Mauer, und der OP-Saal sah bei meinem letzten Besuch im Dezember auch noch renovierungsbedürftig aus.

Aber inzwischen funktioniert die Bezahlung des Personals, die Behandlungskosten sind auf erträgliche Raten gesenkt worden, und das einheimische Chirurgenteam kann Notoperationen durchführen, wenn sich, wie unlängst geschehen, ein Soldat der notorisch schlecht ausgebildeten Armee beim Reinigen des Gewehrs eine Kugel in den Kiefer jagt. Die deutschen Cap Anamur-Ärzte hatten in den ersten Monaten ihres Wirkens so großen Eindruck hinterlassen, dass sich die PatientInnen nur noch von Weißen behandeln lassen wollte. Aber, sagt Gilbert Kibala, Chefchirurg und jüngerer Bruder des Vize-Gouverneurs, „das haben wir den Leuten schnell wieder abgewöhnt.“

Inmitten dieser kleinen und großen Fortschritte gegen alle Widrigkeiten platzen dann wieder Meldungen wie jene mit dem Aktenzeichen NI/OSMR/150210 der UN-Mission im Kongo. Am 12. Februar haben demnach Angehörige der FDLR bei einem Angriff auf das Dorf Bisembe (rund 30 Kilometer von Kamituga) 15 Frauen entführt. Acht konnten fliehen, die sieben anderen wurden ermordet aufgefunden.

Sophie Miblisi hat ihre Fortbildung inzwischen hoffentlich erhalten. An Patientinnen wird es ihr, so steht zu befürchten, in absehbarer Zukunft nicht mangeln. Die Gewalt gegen Frauen im Kongo ist nach wie vor eine Epidemie. Und trotz mühsamer kleiner Erfolge im Kampf gegen die Straflosigkeit gehen die meisten Täter – egal ob Rebellen, Soldaten oder Zivilisten – weiterhin straffrei aus. Das hat wieder einmal die „International Federation for Human Rights“ (FIDH) festgestellt, die anlässlich des Internationalen Frauentags ein lesenswertes Dossier zum Stand der Frauenrechte in afrikanischen Ländern herausgebracht hat. Demnach hat es im Kongo in den vergangenen Jahren nennenswerte gesetzgeberische Fortschritte gegeben – und eben auch ein horrendes Defizit bei der Durchsetzung und Implementierung.

Immerhin haben die Staatsanwälte von Katanga, der Nachbarprovinz Süd-Kivus, nun geschworen, verurteilte Vergewaltiger nicht mehr vorzeitig zu entlassen und Haftstrafen nicht mehr zur Bewährung auszusetzen. Auf Vergewaltigung steht derzeit eine Höchststrafe von 25 Jahren nach kongolesischem Recht.

Der Vorsatz klingt gut, allerdings stößt er auf zwei gigantische Hindernisse: Korruption im Justizapparat und verheerende Zustände in den Haftanstalten. Der Kongo braucht nicht nur dringend halbwegs funktionierende Krankenhäuser, er braucht auch dringend halbwegs funktionierende Gefängnisse.