Seit September 2009 haben hier Markus Beckedahl, Kai Biermann, Christiane Schulzki-Haddouti und Tina Klopp über die sich wandelnde Welt gebloggt. Über kleine Beobachtungen und große Geschichten, die zeigten, wie schwer sich mancher mit der digitalen Welt tut und wie leicht sich manches doch verändert.
Wir wollten mit diesem Blog die Phase des Übergangs begleiten. Und haben bald bemerkt, dass der gleiche Gedanke auch unsere Arbeit im Digitalressort von ZEIT ONLINE leitet.
Noch dazu ist der Kulturkampf, den das Blog im Namen trägt, an vielen Stellen schon gar keiner mehr, da sich das Internet als Idee längst durchgesetzt hat. Wir haben uns daher entschlossen, das Projekt zu beenden und unsere Kraft auf andere Themen zu konzentrieren – beispielsweise Open Data.
Herzlichen Dank für die Treue und vor allem für die vielen anregenden Kommentare und Diskussionsbeiträge. Es hat Spaß gemacht!
Zum Abschied ein letztes Posting von Christiane Schulzki-Haddouti:
Die Internet-Enquête hat nach langem Ringen eine Plattform für den „18. Sachverständigen“ eingerichtet. Erwartet wurden „tausende“ engagierter Bürger. Angesichts einer hohen Alphabetisierungsrate sowie einer stetig kleiner werdenden „Digitalen Kluft“ ist das bei einer Bevölkerung von rund 80 Mio. Einwohnern ein eher bescheidenes Ziel. Tausend Sachverständige entsprächen nämlich einer groben Schätzung zufolge einer Beteiligungsrate von 0,0000125 Prozent der Bevölkerung. Eine realistische Zielvorgabe?
Die Resonanz ist bislang recht überschaubar: Gerade beim Thema Datenschutz ließe sich trefflich streiten. Doch tatsächlich meldeten sich nur ganz wenige. Zwei bis drei Stimmen konnten einzelne Themenvorschläge auf sich versammeln. Insgesamt lässt sich damit die Bilanz nach drei Wochen Diskussionszeit mit einem durchschnittlichen Blog vergleichen.
Das Thema „Datenschutz und Persönlichkeitsrechte“ fand insgesamt 101 Mitglieder, mit nur 46 Vorschlägen sowie mageren 48 Kommentaren (wobei ich selbst die Statistik heute morgen, also bereits nach dem offiziellen Redaktionsschluss, um 9 Kommentare geschönt habe). Es gibt im Moment also 1 Kommentar pro Vorschlag. So sieht keine Debatte aus.
Da liefen die drei Debatten zu Netzneutralität, Urheberrecht und Medienkompetenz noch ein wenig reger: Bei der Netzneutralität waren es 188 Mitglieder mit 9 Vorschlägen und 119Kommentaren, beim Urheberrecht283 Mitglieder, 25 Vorschläge, 256 Kommentare. Bei der Medienkompetenz waren es jedoch nur 148 Mitglieder mit 16 Vorschlägen und 92 Kommentaren.
Müßig festzustellen, dass – vorausgesetzt, die Mitglieder doppeln sich nicht – im Moment 720 Mitglieder aktiv sind – und dass dies einer Beteiligungsrate von 0,000009 Prozent entspräche. Das Ziel wurde damit knapp verfehlt. Wirklich irritierend ist es, dass das Engagement mit der Zeit offenbar nicht zu-, sondern abnimmt. Woran kann das liegen?
Ich vermute, dass sich auch Adhocracy wie jedes Blog, jedes Forum erst einmal etablieren muss. Und dass immer wieder Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Aufmerksamkeit auf den „18. Sachverständigen“ zu ziehen. Am meisten helfen wohl Verlinkungen, die auf neue Beiträge verweisen. Twitter wäre ein ideales Mobilisierungsinstrument, ist jedoch nicht direkt eingebunden. Verweise der 17 anderen Sachverständigen sowie der Politiker auf die Plattform wären vermutlich auch hilfreich, um die Vernetzung zu verbessern.
Wenig Resonanz findet übrigens auch ein Positionspapier einer Arbeitsgruppe des Dialog Internet des Bundesfamilienministeriums zum eigentlich sehr umstrittenen Thema Jugendschutz, das seit dem 9. Mai im Etherpad-Format kommentierbar ist.
Keine Geschichte wie diese Twittermeldung machte wohl in letzter Zeit so viel Aufheben wie die des Todes von Osama Bin Laden in diesem kleinen Tweet von Keith Urbahn, dem Büroleiter des ehemaligen US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld. In binnen nur zwei Minuten gab es rund 300 Reaktionen auf diesen Tweet. Grund war wohl, dass Urbahn in seinem Followerkreis eine hohe Reputation genießt und die Nachricht für glaubhaft eingestuft wurde.
Die New Yorker Firma Social Flow hat 15 Mio. Tweets analysiert und die dabei entstandene Visualisierung zeigt, wie die Nachricht einschlug – und Brian Stelter, der Digitale-Medien-Reporter der New York Times, dabei keine unwesentliche Rolle spielte. Nicht unwesentlich dürfte die hohe Followerzahl von Stelter gewesen sein: Über 55.000. Die Protagonisten der klassischen Medien können also auch in den sozialen Medien eine wichtige Multiplikationsrolle spielen. (Bürgerjournalisten natürlich auch.)
Zuletzt sei aber auf die Beiträge in ProPublica verwiesen, in dem Marian Wang sich mit der Berichterstattung auseinanderstetzt: Bin Laden Reading Guide: How to Cut Through the Coverage gibt eine kritische Orientierungshilfe mit Links zu den aus Sicht der Autoren besten Beiträgen. Revisiting the Very First, Very Wrong Reports on Bin Laden’s Death hingegen spießt erste Falschberichte auf. Demnach soll Bin Laden in Afghanistan aufgegriffen worden sein bzw. das Ereignis soll bereits eine Woche zuvor stattgefunden haben bzw. eine Drohne soll ihn getötet haben. Gefunden habe ich die Beiträge über den lesenswerten Text von Krystian Woznicki in der Berliner Gazette, der sich mit der sensationslüsternen Art der Berichterstattung befasst.
Der Zwischenbericht für die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ wurde heute online veröffentlicht. Er befasst sich mit den vier Themen „Netzneutralität“, „Datenschutz“, „Urheberrecht“ und „Medienkompetenz“ – und ist lediglich 20 Seiten lang – inclusive Titel- und Leerseiten sowie Anhang.
Abgesehen davon, dass der 18. Experte, die Netzöffentlichkeit, sich mangels einer einsatzfähigen technischen Lösung bislang nicht ausreichend äußern konnte, fehlt das Wesentlichste: Die Schlussfolgerungen, die die Abgeordneten gezogen haben. Zu allen vier Themen heißt es, die Handlungsempfehlungen würden erst noch erarbeitet.
Aber auch der Bericht über das, was man bislang gelernt hat, ist äußerst dünn: Viele Worte über Vorgehensweise und Verfahren, wenig Worte über Inhalte. Zum Thema „Netzneutralität“ wird das, was man aus den Expertenanhörungen gelernt hat, sogar lapidar in dem Satz „Die gewonnenen Erkenntnisse fanden Eingang in die inhaltliche Arbeit der Projektgruppe.“ zusammengefasst.
Die Inhalte selbst werden so neutral wiedergegeben, dass kaum zu erkennen ist, wo es überhaupt etwas zu diskutieren gibt. Es ist also nur eine Art inhaltliche Gliederung des künftigen Berichts, die hier konfliktfrei referiert wird. Unterschiedliche Positionen werden nur formelhaft angedeutet: „Es zeichnet sich aber ab, dass es inhaltliche Punkte gibt, die grundsätzlich strittig bleiben. „
Das ist enttäuschend – vergleicht man dies mit dem Tempo, den die Ethikkommission zum Thema Atomkraft einschlagen will: Sie will innerhalb von drei Monaten zu Schlussfolgerungen kommen. Die Internet-Enquête hatte wesentlich mehr Zeit. Zu erwarten war eigentlich ein Abschluss der vier Themen. Wie die restlichen Themen noch ohne eine zeitliche Verlängerung zu bewältigen sind, ist fraglich.
P.S. Der Bundestag dokumentiert auf dieser Webseite die Resonanz auf die Enquête.
Vor einiger Zeit hatte ich überlegt, was geschieht, wenn Daten in der Cloud verschwinden. Google betreibt eine der größten Clouds weltweit und hat nun zur Reputations- und Vertrauenssteigerung ein Video produziert, das zeigt, wie sicher die Daten bei Google aufgehoben sind:
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können sich externe Inhalte mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Das Video hebt vor allem auf die physische Sicherheit der Rechenzentren ab. Die Bilder des Festplattenstanzers sind wirklich recht nett.
Auch wird betont, dass die Daten auf den Festplatten verschlüsselt werden, damit sie nicht von Menschen eingesehen werden. Das suggeriert, dass die Daten vertraulich wären. Sind sie aber nicht. Google behält sich nämlich in seinen AGB vor, die Daten maschinell auszuwerten.
Die logische Sicherheit wird leider nicht weiter thematisiert – wie sicher ist schon die Verschlüsselung der SSL-Verbindungen, wenn das SSL-Zertifikatssystem somarode ist. Das betrifft aber nicht Google allein, sondern alle Cloudanbieter.
Wenn man nicht so genau weiß, ob es sich lohnt, einem Twitter-Account zu folgen, könnte man sich nun über den „Tweet Topic Explorer“ von Jeff Clark einzelne Themenfelder aufdröseln. Der Twitter-Themendurchforster zeigt dominante Begriffe farbig an, wobei die farbige Gruppierung stimmig erscheint. Hier das Farbmusterbild für @zeitonline_dig:
Ein Klick auf das kleine grüne Feld namens Facebook zeigt dann sämtliche Tweets an, die den Begriff enthalten:
Wie bei solchen Tools üblich erscheinen auch hier leider viele, viele Wörter ohne weiteren Hintersinn, doch es ist wie mit jeder Karte: Nicht jedes Detail ist relevant. Der Mehrwert besteht jedenfalls gegenüber der gewöhnlichen Twitter-Suche darin, dass man gezielt einen Account durchsuchen kann. Leider funktioniert das aber nicht für Listen.
Die Spiegel Netzwelt gibt übrigens gleich ein ganz anderes, etwas selbstreferenzielleres Bild:
Und das ist das Muster unseres Regierungssprechers:
Noch gibt es keine Konvertierungsprogramme, die das Personal beliebter Filme automatisch auf minimalste Pixelgröße bringen kann. Wenn es eines gäbe, würde das Ergebnis etwa für Star Trek (pardon: Raumschiff Enterprise) so aussehen:
Der geneigte Leser, der sich mit Pixelidentifikationen befassen möchte, wird rasch feststellen, dass sich hier gleich mehrere Generationen der Besatzung diverser Enterprise-Versionen wiederfinden. Data jedenfalls steht in vierter Reihe von oben an vierter Stelle von rechts.
Trexels heißt das Projekt passenderweise, für das John Martz 235 Charaktere verpixelt hat.
Europa hat in der Menschheitsgeschichte lange keine Rolle gespielt. Wer diese Aussage so einfach in den Raum stellt, erntet vielleicht nicht sonderlich viel Interesse für seine These. Worten allein mangelt es oft an Überzeugungskraft.
Nicht umsonst heißt es von überzeugenden Sätzen, man „führe jemanden etwas vor Augen.“ Das jedenfalls macht die interaktive Karte, die Wikipedia-Einträge entlang eines Zeitstrahls auf einer Map anzeigt und dabei bunt aufleuchten lässt: „Wenn es nach der freien Enzyklopädie im Netz geht, dauerte es fast 1100 Jahre, bis außerhalb von Europa irgendwas Interessantes passierte.“ So beschreibt De-Bug den Eindruck, den die Visualisierung beim Betrachter hinterlässt.
Sie ist aber auch einfach so hübsch anzusehen, ganz ohne Erkenntnisinteresse.
Zum Verfahren heißt es laut eigener Beschreibung, man habe für die Karte ein großes Paket (30 Gigabyte) von Wikipedia-Artikeln genommen, daraus 424.000 Artikel mit Koordinaten und 35.000 Referenzen zu Ereignissen destilliert und in der Folge daraus 15.000 Orte ermittelt. Diese Orte wiederum hat man dann in ihrer zeitlichen Abfolge auf der Karte verzeichnet – fertig.
Japan ist drei Wochen nach der verheerenden Naturkatastrophe immer noch in den Schlagzeilen, doch die Aufmerksamkeit schwindet allmählich. Auch der Fokus verändert sich. Der Blick der professionellen Katastrophenkommunikation weicht einem, der in das private Leben der Menschen reicht.
So gibt es nun erste Berichte aus der Sperrzone rund um den havarierten Atomkomplex in Fukushima, die auf ruhige, aber umso erschütterndere Weise zeigen, wie die Katastrophe in den Alltag der Menschen einbrach.
Das Wall Street Journal veröffentlichte einen E-Mail-Austausch eines Tepco-Arbeiters mit einem Kollegen in Tokyo. In der ersten E-Mail schreibt er: „Wenn wir jetzt in der Hölle sind, können wir uns nur noch in Richtung Himmel schleppen.“ In einer weiteren Mail berichtet er, dass die meisten Kollegen durch die Katastrophe obdachlos geworden sind. Er selbst kämpfe seit dem Erdbeben ohne Pause und Schlaf gegen eine Verschlimmerung der Lage an. Während das Erdbeben eine Naturkatastrophe sei, könne Tepco jedoch für die Kontamination verantwortlich gemacht werden. Die Stimmung sei so angespannt, dass man nahe daran sei, Tepco auch die Schuld für das Erdbeben zu geben. Er schreibt: „Everyone is away from their hometown and does not know when they can return. We don’t know who to turn to and direct our concern and anger. This is the current reality.“
Ein APF News-Team begab sich vor wenigen Tagen in die 20-Kilometer-Sperrzone, um die Situation dort zu dokumentieren: Während das Navigationsgerät intakte Straßenzüge der Stadt Odakaku Minami Souma in der Präfektur Fukushima anzeigt und mit Normalität suggerierender Stimme durch das Chaos lotst, laufen zurückgelassene Hunde erwartungsvoll auf das Auto der Reporter zu. Eingesperrte Rinder stehen ohne Futter und
Wasser in ihrem Dreck. Ein älteres Ehepaar lebt noch in seinem Haus und kümmert sich um den greisen Vater – während die gesamte Nachbarschaft verwaist ist.
Man muss kein Japanisch verstehen, um die verzweifelte Lage erkennen zu können. APF News hat innerhalb der Sperrzone noch weitere Beiträge gedreht und daraus eine Art Foto-Reisetagebuch gemacht.
In Notunterkünften harren viele bei wenig Essen aus – während sich in Tokyo die Versorgungslage zu normalisieren scheint, berichtet eine Augenzeugin der Nachrichtenagentur Reuters.
Es gibt auch erste Heldengeschichten, die Mut machen. Wie die des Mannes, der sich mit einem Taucheranzug in die Flut aus Wasser, Wrackteilen und Müll stürzte, um seine Frau aus dem überfluteten Haus zu retten.
Und wie ein surrealer Traum muss der Viermaster Kaiwo Maru II im vom Tsunami größtenteils zerstörten Onahama-Hafen auf die erschöpften Tepco-Arbeiter wirken. Etwa fünf Kilometer vom Atomkraftwerk Fukushima-Daichi entfernt, bietet das Schiff eine Erholungsmöglichkeit – mit Essen, Bett und warmer Dusche. Die Kaiwo Maru II ist wie die Gorch Fock ein Segelschulschiff. Seit dem 21. März ist es in Onahama und soll dort so lange bleiben, bis das Essen an Bord zu Neige geht.