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Online-Medien sind die Tütensuppe

Das NiemanJournalismLab der Havard Universität berichtet über die Studie einer texanischen Medienökonomin namens Iris Chyi, die eine interessante Feststellung gemacht hat: Während die Menschen immer mehr Online-Medien konsumieren, bewerten sie diese neuen Medien dennoch weiterhin als schlechter als etwa gedruckte Zeitungen oder das Fernsehen. Obwohl sie also ihren Medienkonsum de facto immer mehr ins Netz verlagern, heißt das noch lange nicht, ziehen sie die traditionellen Formate eigentlich noch immer vor.

Chyi erklärt das mit dem ökonomischen Prinzip minderwertiger Güter („inferior goods“): Wenn die Einkommen wachsen, kaufen die Konsumenten viele normale Waren, also zum Beispiel Steaks, und weniger minderwertige Waren, also zum Beispiel Tütensuppen. Sinkt das Einkommen, verlagert sich ihre Präferenz. Das ist die Chance für die Tütensuppe. Die Nachfrage nach günstiger Nahrung steigt, obwohl das Steak den Menschen immer noch besser schmeckt.

Man kann sich fragen, warum Onlinejournalismus als minderwertig, also als Tütensuppe wahrgenommen wird. Eine von Chyis Thesen lautet, dass das Lesen auf dem Bildschirm weniger angenehm ist als das Blättern in einer Zeitung. Eine weitere besagt, dass die Online-Medien noch optische Probleme haben, etwa mit hässlichen, billig anmutenden Werbeanzeigen. Die dritte These wäre Wasser auf die Mühlen der Bezahl-Dienst-Verfechter: Kostenlose Güter werden automatisch als minderwertig wahrgenommen. Das wäre dann sozusagen ein Teufelskreis.

Chyi kommt aber zu dem Schluss, dass es zu diesem Thema noch kaum aussagekräftige Studien gibt. Auch das NiemansLab schließt sich hier an: Es bestünde aktuell Forschungsbedarf auf diesem Gebiet.

Der Test in der Praxis ist ja bereits im vollen Gange. Immer mehr Zeitungen stellen derzeit auf Bezahlinhalte um. Die spannende Frage lautet also, ob die Leser die Inhalte danach tatsächlich höher bewerten als zuvor. Oder ob die Erkenntnis, dass es im Netz wie am Kiosk Steak UND Tütensuppe gibt, nur einfach noch eine Weile braucht, um zu reifen.

 

Jürgen Habermas twittert (nicht)

Es wäre zu schön gewesen: Am Wochenende ging ein kleiner Aufschrei durch die twitternde Wissenschaftler-Welt: Twittert der deutsche Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas? Ein Twitter-Account mit dem Namen @jhabermas schaffte mit nur wenigen Tweets innerhalb von 48 Stunden mehr als 6000 Follower. Zahlreiche Twitter-Nutzer rätselten, ob der Account echt sei.

Das wäre eine kleine Sensation, denn Habermas wurde vor allem durch seine Habilitation über den „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ weltberühmt, fremdelte allerdings in den letzten Jahren mit den im Netz entstehenden neuen Öffentlichkeiten.

Der Journalist Jonathan Stray löste das Rätsel, er fragte ihn einfach. In seinem Blog schildert Stray, wie Habermas reagierte:

No, no, no. This is somebody else. This is a mis-use of my name.

Dazu erklärte Habermas demnach, dass seine Mailadresse nicht öffentlich sei, was Stray zu der Vemutung Anlass gab, dass der Philosoph das Anliegen Strays nicht wirklich verstand. Stray hat den Telefon-Dialog als MP3 online gestellt.

Der Fake-Account wurde bereits gelöscht (Zumindest Montag Abend war der Account mal weg, nun ist er wieder da). Wenigstens aber lebt Habermas auf Facebook weiter: Gleich zwölf Accounts bieten einem das Gefühl, mit ihm befreundet zu sein.

 

Das hektische iPhone

Menschen sollten nicht immer technischer denken müssen, um Technik bedienen zu können, findet Fabian Hemmert von der TU Berlin. Auf der TEDx stellte er daher drei Ideen vor, wie beispielsweise ein iPhone etwas menschlicher sein könnte.

Beispielsweise indem es durch ein Gewicht in seinem Inneren, das verschoben werden kann, eine Richtung anzeigt. Oder indem es sich aufplustert, wenn es viele Daten aufgesogen hat. Oder indem es Atmung und einen Herzschlag simuliert – ruhig, wenn es träumt, hektisch, wenn eine frische Liebe anruft oder der Chef.

Das hätte den Vorteil, dass uns die Geräte nicht mehr vorgaukelten, sie seien nur ein Stück mit Drähten und Platinen gefülltes Plastik. Sondern ein wenig mehr ihrer Seele offenbaren müssten. In Wahrheit nämlich sind es kleine Tiere, die uns verfolgen und überwachen, die nach Aufmerksamkeit und Betreuung gieren und die meckern und nerven, wenn sie nicht genug davon bekommen. Wobei, wenn ich mir das ausmale, ist mir eigentlich lieber, sie blieben leblose technische Diener. Bei denen man es zumindest manchmal übers Herz bringt, sie auszuschalten.

 

Wem fehlt hier Bewusstsein für Datenschutz?

Heute ist europäischer Datenschutztag. Der Europarat hat sich den vor vier Jahren ausgedacht, um stärker auf das Problem hinzuweisen und um bei der Bevölkerung das Bewusstsein zu erhöhen für die Wichtigkeit des Datenschutzes.

Mir scheint, es braucht diesen Jahrestag nicht mehr. Das Bewusstsein bei der Bevölkerung ist da, es müsste nur noch von der Politik und der Wirtschaft beachtet werden.

Oder warum gibt es gerade heute eine Mitteilung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, in der Leiter Thilo Weichert fordert, das Datentauschabkommen mit der USA namens Swift dürfe nicht umgesetzt werden. Zitat:

„Es ist erschreckend, welches Grundrechtsbewusstsein vom EU-Rat an den Tag gelegt wird und wie das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente bisher ausgebremst wurden. Das noch keine zwei Monate geltende ‚Grundrecht auf Datenschutz‘, das wir heute europaweit feiern, wird zum Papiertiger degradiert.“

Und hat der gleiche Thilo Weichert nicht erst gestern an die bundesdeutsche Politik appelliert, beim Abrechnungsverfahren
ELENA keine intimen Daten von Arbeitnehmern zu übermitteln? Noch ein Zitat gefällig?

„Die zentrale Speicherung der Daten aller Beschäftigten in der Bundesrepublik auf Vorrat hat eine völlig andere Qualität als das bisherige Verfahren, bei dem im Bedarfsfall eine Bescheinigung auf Papier ausgestellt wurde.“

Bei der Gelegenheit wies er darauf hin, dass für diese neue Vorratsdatenspeicherung eine Rechtsgrundlage nötig sei, die es noch nicht gebe.

Datenschutztag also. Dazu passt auch gut der Link zu einem Artikel von Christiane Schulzki-Haddouti über Facebook und die Bemühungen des Unternehmens, Datenschutz zu ignorieren.

Nein, das Bewusstsein der Bevölkerung scheint mir nicht das Problem zu sein. Vielleicht hilft ihr ja Selbstschutz mehr. Hier bei vasistas? gibt es eine lange Liste von Dingen, die dazu beitragen können.

 

Frontbericht aus Blogistan

Und zur Nacht noch etwas Schönes: Wolfgang Michal berichtet auf carta.info live von der Front in „Blogistan“ und wie die Truppen des Imperiums der Verlage versuchen, mit neuer Strategie die Herzen der Ungebildeten der Leser zu gewinnen:

„Nach acht Jahren des vergeblichen Kampfes setzt sich vielerorts die Einsicht durch, dass die Verlage nicht immer mehr Soldaten Aufbauhelfer aus ihren Redaktionen ins Netz schicken können, um Blogistan zu befrieden und den Einfluss der Webkommunisten zurückzudrängen. Dies würde, so ein Verlagssprecher, den Kostenrahmen sprengen und wäre der Bevölkerung nicht vermittelbar. Umfragen zeigten, dass eine große Mehrheit der Deutschen ein aggressiveres Vorgehen der Verlage im Internet ablehnt. Auch der Ruf nach einer konkreten „Abzugsperspektive“ für den Interneteinsatz wird lauter.“

Wunderbare Satire. Aber dass carta Kai Diekmann gleich zum Generalmajor befördern musste… Der hat es doch nur bis zum Gefreiten gebracht.

 

Überzeugungsarbeit statt Demonstrationen

Zuerst der Disclaimer: Falk Lüke hat hier mal gearbeitet. Wäre es möglich, Ironie auf sympathische Weise in einem Text auszudrücken, würde ich schreiben: Und ich finde seine Meinung trotzdem interessant. Geht aber nicht, daher lasse ich das und schreibe einfach, dass er, – wie ich glaube – einen Punkt hat, wenn er fordert, Internetaktivisten sollten innehalten im Schimpfen auf Politik und Politiker. Denn es habe sich etwas geändert:

Politik hört derzeit zu. Politik will zuhören.

Das heißt nicht, dass sich sofort auch etwas an der Politik zum Thema Internet ändert. Aber es heißt, dass die Chance dafür besteht. Und damit könnte er Recht haben.

Natürlich kann man über fluekes Haltung auch wieder schimpfen. Schließlich arbeitet er inzwischen selbst viel mit Politikern und der Verband, der ihn bezahlt, macht Politik. Außerdem impliziert sein Blogeintrag auch die Forderung, nun eher leise Überzeugungsarbeit einzusetzen statt lauter Demonstrationen.

Dafür könnte man ihm Naivität vorwerfen, da sich Politik nie ändern werde und nur durch Machtdemonstrationen überzeugt werden könne, nie durch Argumente und… Aber halt, genau solche Meinungen braucht es ja nun nicht mehr, denn:

…im neuen Bundestag sitzen viele auch jüngere Menschen, die längst nicht mehr so Internet-inkompetent sind wie ihre Amtsvorgänger. (…) Klar, natürlich gibt es noch viele Entscheidungsträger, deren Affinität zu den neueren Medienformen, freundlich formuliert, distanziert ist. Aber auch das wird sich erledigen – entweder werden die Borg sie schon kriegen, oder sie werden sich nicht dauerhaft halten können.

Hoffen wir das Beste.

 

Illegale Downloads und fragwürdige Zahlen – ein offener Brief an die Musikindustrie

Lieber Herr Michalk,

vor einiger Zeit haben wir uns bei einer Konferenz kennen gelernt, bei der ich mich zum Verhalten der Kulturindustrie im Allgemeinen und der Musikindustrie im Besonderen äußern durfte. Ich echauffierte mich darüber, wie manipulativ Lobbyisten der Verwertungsindustrie mit Zahlen hantieren, wenn es darum geht zu zeigen, wie Urheberrechtsverletzungen ihnen zu schaffen machen (gern als „Piraterie“ oder „Raubkopien“ bezeichnet, um zu suggerieren, dass es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem Menschen Gewalt angetan wird; oder auch mit organisierter Gewaltkriminalität und gar Terrorismus in Zusammenhang gebracht).

Demnach sollen den Rechteinhabern (nicht den Urhebern!) durch Verletzungen von Imaterialgüterrechten 200 bis 250 Milliarden Dollar an Einnahmen verloren gehen und es würden 750.000 Jobs gefährdet. Das Problem an den Zahlen ist nicht allein, dass nicht klar ist, worauf sie sich beziehen. Gehen diese Jobs und diese Einnahmen pro Jahr verloren? Oder kumulativ? Über welchen Zeitraum?

Sondern dass bislang auch unklar blieb, wie diese Zahlen zustande kamen. Wer hat sie erhoben? Mit welcher Methode?

Zum Glück gibt es Blogs. Daher können wir beide den Machern von Ars Technica dankbar sein, die für einen wunderbaren Beitrag mit dem Titel „750,000 lost jobs? The dodgy digits behind the war on piracy“ aufwändig recherchiert haben, was dran ist an den Zahlen. Ein Hinweis bietet schon der Untertitel: „A 20-year game of Telephone“, sinngemäß „20 Jahre stille Post“.

Die Antwort: nichts ist dran an den Zahlen. Ausgedacht, weitererzählt, zitiert, dann wieder zitiert, dann nochmal zitiert, und schon hat man Quelle über Quelle, auf die man sich berufen kann – völlig unabhängig davon, dass es nie eine belastbare Aussage gab.

Sie waren bei der Konferenz mit meinen Einlassungen nicht einverstanden und haben mir in Ihrer freundlichen Art (keine Ironie, ich finde Sie sehr sympathisch!), gesagt, dass wir uns unbedingt zusammensetzen sollten um darüber zu reden, woher denn die Zahlen kommen. Daran hätte ich großes Interesse, sagte ich und schickte Ihnen den Link zum Artikel von Ars Technica, den Sie aber nie kommentiert haben.

Ebenfalls großes Interesse hatte ich kurz nach der Konferenz am Artikel eines Kollegen des Guardian Illegal downloads and dodgy figures, der die Zahlenspiele der Musikindustrie im Besonderen unter die Lupe genommen hatte. Sein Fazit: „As far as I’m concerned, everything from this industry is false, until proven otherwise.“ Er ist übrigens Wissenschafts-, nicht Musikjournalist.

Es dauerte dann noch mehr als ein halbes Jahr, bis wir uns tatsächlich trafen, nicht ganz unpassend im Einstein unter den Linden, wo sich Lobbyisten und Journalisten eben treffen. (Ich habe mein Frühstück selbst bezahlt.) Wir redeten kaum über Zahlen. Es ging vielmehr darum, wie es in Zukunft weitergehen wird mit Internet und Digitalisierung, was die Aufgabe der Verwerter sein kann und wovon Kreative leben sollen. Es war ein angenehmes Gespräch, und ich habe Sie als klugen und differenzierten Beobachter empfunden. Dass wir bei den meisten Themen nicht einer Meinung waren, hat mich nicht überrascht (und Sie bestimmt auch nicht). Wir sind ja erwachsen und können damit leben, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt in dieser Welt.

Kürzlich habe ich dann in meinem Posteingang eine Email mit folgendem Bestreff gefunden: „Bundesverband Musikindustrie veröffentlicht Positionspapier zur Kulturflatrate“. Und was lese ich da?

Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) hat ein Positionspapier mit zehn Argumenten gegen die Kulturflatrate veröffentlicht. „Bei Diskussionen um das Urheberrecht in der digitalen Welt fällt immer wieder das Schlagwort von der Kulturflatrate, obwohl eigentlich niemand genau weiß, was damit genau gemeint ist“, so Stefan Michalk, BVMI-Geschäftsführer. „Was von den Befürwortern als Lösung aller Probleme gesehen wird, wäre letztlich nichts anderes als die Kapitulation der Politik vor der Komplexität des Urheberrechts in der digitalen Welt“, so Michalk weiter.

In zehn Thesen, „Argumente“ genannt, wird dann erläutert, warum die Kulturflatrate eine Kapitulation der Politik vor der Komplexität des Urheberrechts wäre.

Der Blogger Simon Columbus Markus Beckedahl hat diese Thesen bei netzpolitik.org sofort zur Diskussion gestellt. Und auch sonst ist viel über die Flatrate geschrieben worden. Keine Angst, ich will sie nicht überzeugen, dass sie eine tolle Idee ist – darum geht es gar nicht.

Denn ich bin ohnehin nur bis zu Punkt drei ihrer „Argumente“ gekommen. Da steht:

Die Kulturflatrate führt zu einer unverhältnismäßig hohen Belastung aller Konsumenten und benachteiligt sozial Schwache. Mit fortschreitender Digitalisierung und zunehmendem Ausbau der Bandbreiten sind immer mehr Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft vom unrechtmäßigen Gebrauch ihrer Produkte betroffen. Eine Kulturflatrate müsste mittelfristig nicht nur Musik, Filme oder Bücher erfassen, sondern würde alle Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft betreffen. Nach Schätzungen der Bundesjustizministerin kämen auf jeden Verbraucher mit Internetanschluss zusätzliche Kosten in Höhe von 50 Euro pro Monat zu. Gerade sozial Schwache können sich das nicht leisten.

Schätzungen der Bundesjustizministerin? Das ist interessant. Können Sie mir dafür eine Quelle nennen? Sie meinen doch hoffentlich nicht die Interviews, in denen die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sagte, dass die Kosten für jeden Einzelnen bei fünfzig Euro im Monat liegen könnten, oder? Weil, wenn Sie das meinen, dann muss ich Ihnen leider sagen, dass da ein Missverständnis vorliegt.

Frau Zypries hat einfach irgendwelche Zahlen genommen, die von den Befürwortern der Kulturflatrate ins Spiel gebracht worden waren. Aber die können für sie ja keine Relevanz haben, da „eigentlich niemand genau weiß, was damit genau gemeint ist“, wie sie sagen, so dass genaue Zahlen nach Ihrer Ansicht gar nicht existieren können. Schon gar nicht, wenn diese Schätzung der Befürworter offenbar noch mit einem Faktor zwischen fünf und zehn multipliziert wurde.

Wie Frau Zypries darauf kam, hat sie nicht verraten, musste allerdings recht schnell ihre Aussage zurücknehmen und erwähnte anschließend gar keine Zahlen mehr. Sie waren wohl etwas vage.

Nicht zu vage allerdings, um von Ihnen acht Monate später als „Schätzungen der Bundesjustizministerin“ verkauft zu werden.

Mich machen solche Tricks misstrauisch. Als Journalist lernt man, wenn Namen und Zahlen nicht stimmen, verspielt man die Glaubwürdigkeit des gesamten Artikels. Und irgendwann auch die Glaubwürdigkeit der Institution, die sie veröffentlicht hat.

Trotzdem bin ich nicht sehr optimistisch, was die „Schätzungen der Bundesjustizministerin“ angeht. Ich fürchte, es wird weiter abgeschrieben werden. Und irgendwann werden eine Menge Menschen davon ausgehen, dass die Kulturflatrate jeden Bürger fünfzig Euro im Monat kostet und glauben, dass der Bundesverband Musikindustrie sich für die sozial Schwachen in unserer Gesellschaft einsetzt.

Ich hoffe, ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass es dazu nicht kommt. Und schließe mich dem Kollegen des Guardian an: Ich gehe (weiterhin) davon aus, dass alles, was von dieser Industrie kommt, als falsch betrachtet werden muss, bis das Gegenteil bewiesen ist.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Spielkamp

Stefan Michalk ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), Matthias Spielkamp ist Journalist, Blogger und Gründer von iRights.info, einer Seite, die sich mit Urheberrechten in der digitalen Welt beschäftigt.

 

Warten auf den heiligen Apfel

Heute scheint sich alles um Apple und sein neues Gerät zu drehen. Ehrlich gesagt, ich weiß noch längst nicht, was ich davon halten soll. Hier aber sind zumindest ein paar Links dazu:

Techcrunch glaubt, der Tablet-PC sei nicht nur ein iPhone mit größerem Bildschirm, sondern könnte tatsächlich eine Revolution auslösen. Sei es doch endlich ein Gerät, was die Beschränkungen von Papier überwinden könne. Text, Bild, Video – alles könne dort vereint werden und zu völlig neuen Erzählformen führen. Das gibt es im Netz ja eigentlich jetzt schon, aber auf dem Tablet soll alles noch viel schicker und leichter sein. Ein „lebendes Buch“ gar und nicht nur eine Website mit Touchscreen.

Große Verlage immerhin setzen viele alle Hoffnungen auf das Gerät, schreibt unter anderem die Los Angeles Times. Die Kollegen von der New York Times hätten deswegen gar eine geheime Abordnung zu Apple nach Cupertino gesandt, um mehr über die Möglichkeiten zu erfahren und gemeinsam mit Apple eine große Version ihrer iPhone-Seite zu bauen.

Noch aber ist nicht einmal klar, was das Ding eigentlich kann. Allerdings hat Jason Calacanis, ein umtriebiger Internetfirmengründer, auf seinem Twitteraccount gerade diverse Einzelheiten veröffentlicht. Er habe von Apple so ein Tablet zum Testen bekommen, schreibt er und gibt sich begeistert. Zitat: „best gadget ever made and NOT overhyped“. Wenn es stimmt, was er sagt, hat das Gerät beispielsweise Solarzellen zum Aufladen an Bord, läuft mit einer Variante des iPhone-Betriebssystems, kann im Gegensatz zum iPhone auch verschiedene Programme gleichzeitig betreiben (alles andere wäre auch echt ein Witz), besitzt einen Fingerabdrucksensor, einen HDTV-Tuner und eine Kamera, die gleichzeitig filmt, was vor und was hinter dem Bildschirm passiert. Kosten soll es je nach Ausstattung 599 bis 799 Dollar.

Klingt immerhin plausibel und es sähe Apple ähnlich, kurz vor dem „Keynote“ genannten Event solche Einzelheiten „zu leaken“, also so zu tun, als wären sie ganz zufällig und ohne Absicht an die Öffentlichkeit gelangt.

Wer selbst zuschauen will, die große Enthüllung beginnt heute um 18 19 Uhr. Engadget beispielsweise ist live dabei. Hier entlang.

 

Showdown am Google Corral

Digital Life Design oder kurz DLD heißt die wohl wichtigste Konferenz in Deutschland zum Thema Internet. Veranstaltet wird sie von Burda, einem klassischen Medienhaus, das große Teile seines Geldes mit Zeitschriften verdient. Kein Wunder also, dass es beim DLD in vielen Vorträgen und Debatten darum geht, wie Medien im Netz und in dem von Google geschaffenen Geschäftsmodell überleben können.

Ganz kurz – und auch aus Eigeninteresse – zu den beim DLD dazu vorgeschlagenen Lösungen. Erstens: Qualität, Qualität, Qualität plus investigative Recherche. Denn es habe keinen Sinn zu wiederholen, was andere schon wüssten (Jeff Jarvis). Und zweitens: Die vorhandene Technologie nicht ignorieren, sondern nutzen. Denn wer seine Arbeit nur durch die Technologie seiner Ära definiere, werde seine Ära nicht überleben (Tom Glocer, Thomson Reuters).

Ok, soweit ist das nicht revolutionär. Doch ist das noch nicht alles. Noch mal zum Verdeutlichen, beim DLD ging es durchaus auch um Google-Bashing und die immer wieder zitierten „Lousy Pennies„, die sich im Netz mit journalistischem Inhalt nur verdienen ließen.

Und was macht Google? Man beweist Sinn für Marketing. Verloste der Suchmaschinenkonzern doch unter den Teilnehmern der Konferenz zweihundert seiner neuen und in Europa noch nicht erhältlichen Nexus-Mobiltelefone. Die natürlich begeistert empfangen wurden und für Aufmerksamkeit im Netz sorgten.

Das war Googles Idee und nicht Burdas. Und auch wenn auf Twitter sofort gelästert wurde, Apple habe so etwas nie tun müssen, um mit dem iPhone eine Ikone zu schaffen – es war schlau. Zeigt es doch, dass man bei Google bereit ist zu kooperieren (Arroganz mag ich dieser Geste nicht unterstellen). Und dass sich eine Kooperation lohnen könnte, ist der Konzern doch offensichtlich gut für Überraschungen und Innovationen.

Vielleicht wäre es also doch eine interessante Idee, – neben der Investition in Qualität natürlich – irgendwie mit Google zu arbeiten, als gegen Google. Warum? Ganz einfach: „If you can’t beat them, join them“ (Shawn Colo, Gründer des Investors Demand Media).

P.S. Ich habe keinen Medienmanager gesehen, der sein Nexus nicht abholte oder gar zurückgab.

 

Bücherverkauf steigt nach Verzicht auf Kopierschutzmaßnahmen

Der O’Reilly-Verlag verkauft immer mehr digitale Bücher. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Absatz sogar um 104 Prozent gestiegen, meldet der Verlag. Von 2007 auf 2008 hatte er lediglich um fünfzig Prozent zugelegt.

Gedruckte Bücher machen zwar immer noch den größten Teil des gesamten Verlags-Umsatzes aus, allerdings gingen hier die Verkaufszahlen im gleichen Zeitraum sogar um eine zweistellige Prozentrate zurück. Bei O’Reilly rechnet man sogar damit, dass die digitalen Bücher die Papierexemplare früher einholen könnten, als von Branchenkennern heute vorhergesagt. Das mag allerdings an dem speziellen Sortiment des Verlages liegen: O’Reilly ist nach eigenen Angaben der weltgrößte Verlag für Technik-Sachbücher.

Bemerkenswert ist daher vor allem die Maßnahme, der man nach eigenem Bekunden die starke Nachfrage verdankt: Vor 18 Monaten hatte sich der Verlag dazu durchgerungen, auf einen technischen Kopierschutz (das sogenannte Digital Rights Management) für seine digitalen Bücher komplett zu verzichten.