„Future is calling“ war das Motto der diesjährigen Chef-Sache, einem Symposium „für ambitionierte Köche und solche die es werden wollen“ in Köln. Thomas Ruhl, ein liebenswerter,begnadeter Zampano und völlig uneitler Tausendsassa, hat die Chef-Sache innerhalb weniger Jahre zu einem Kaleidoskop der kulinarischen Avantgarde entwickelt. Top-Chefs aus der ganzen Welt zeigen ihr Können, es wird weder Aufwand noch Mühe gescheut um bahnbrechenden Ideen eine Bühne zu bieten. Innerhalb der Fachwelt werden hier Dinge gezeigt und diskutiert, die selbst bei aufgeschlossenen Kollegen Stirnrunzeln verursachen. Dennoch: an den Fundamenten zu rütteln, lange Geübtes in Frage zu stellen und Dogmen generell zu ignorieren – das ist der rechte Nährboden für Entwicklung und Fortschritt.
Yoshihiro Narisawa (2*Michelin) kocht mit Produkten aus dem Wald, er fühlt sich dem Schutz der Wälder verpflichtet und führt seine Gästen an die Gerüche und Geschmäcker von Moos, Holz, Pilzen, Nadelgehölzen und Beeren. Mikroorganismen, die ja auch beim Werden und Vergehen eines Waldes eine große Rolle spielen, setzt er zur Vergärung einer Reismasse ein, in die er Fleischstücke vor dem Braten tunkt. Die Hefen erzeugen in der Masse einen Umami-Geschmack, wohl ein ähnlicher Vorgang wie bei der Herstellung von Soja-Soße.
René Redzepi (2*Michelin) konfrontierte sein Publikum nicht nur mit demselben Hang zum gezielten Einsatz von Mikroorganismen. Die milchsaure Vergärung von allerlei Zwetschgen, Beeren und Pilzen oder der Einsatz von Schimmel bei gemälztem Getreide sind eher der kleinere Werkzeugkasten dieses begnadeten Avantgardisten. So richtig aufgedreht im wahrsten Sinne des Wortes hat er, als Heuschrecken und Käferlarven gemixt und die Masse anschließend vergoren wurde.
http://vimeo.com/53073344
Die gereifte Insektenplempe wurde ebenso wie kleingehäckselte Ameisen dem Publikum zur Verkostung gereicht.
Natürlich hab ich – ganz vorsichtig – davon versucht und kann diese Verkostungsnotiz abgeben:
– Heuschrecken: ein malziger, kräftiger, aromatischer Sirup, mit einer wirklich interessanten, vielschichtigen Aromatik. Wenn ich nicht wüsste was das ist, würde mir das sehr gut schmecken
– Ameisen: fruchtig-saurer Geschmack mit den Noten von Mohn. Auch hier gilt in der reinen Beurteilung des Geschmacks, das ich mir ein Gericht damit gut vorstellen kann
Redzepi kommentierte dazu, dass sicher schon alle Anwesenden gelegentlich Insekten verzehrt hätten. Seien es die Würmer im Steinpilz oder Honig, den er im Grunde als Insekten-Kotze versteht. Er hat gefragt, welche vernünftigen Gründe (wohlgemerkt: vernünftige Gründe, nicht affektive) gegen den Verzehr von Insekten sprechen würden.
Ich für meinen Teil glaube nun nicht, dass ich ab morgen Käfer essen gehen werde. Aber seine Frage ist nicht nur legitim, sie ist sogar hochinteressant.