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Fastfood boomt

In der Zeitschrift Feinschmecker berichtet Wolfram Siebeck von seinem Rückzug aus der Provence. „Fährt man in eine Kleinstadt glaubt man in den USA zu sein. Kilometerlang säumen riesige Plakatwände für Fastfood…“

Die Fischhändler haben dichtgemacht, das Obst kommt aus spanischen Treibhäusern…
Der Mann hat nicht unrecht aber trotzdem ist das kulinarische Grundrauschen in Frankreich besser wie bei uns. Die Kulinarik befindet sich aber in einem beängstigenden Sinkflug. Mit grünen Umweltgedanken hat in Frankreich kaum jemand was am Hut, Atomkraftwerke sind der Stolz des Landes und werden sonntags von Bussen besucht.

Deutschland ist auch nicht die Insel der Glückseligen, jedoch sind wir durch die Talsohle bereits durch. Die Körnerstudenten sind ihren Jesuslatschen entwachsen. Man mag diese Leute damals belächelt haben, sie aber legten den Grundstein für unverfälschte Nahrung für Bio und gesundes Leben. So ist Deutschland heute, trotz der Millionen von Aldigängern eine kulinarische Nation geworden. Bei uns geht es aufwärts und in den von uns bewunderten Ländern, Italien und Frankreich abwärts. Ja auch in Italien haben die Ragazzi keine Lust mehr zum Tortellinidrehen. Fastfood boomt.

 

Adel im Porzellanladen

Manchmal wünscht man sich die Probleme anderer Leute. Heute kommt Richard Baron Cohen zu Wort. Er wohnt in einem nachgebauten Renaissanceschloss auf Long Island bei New York, das mit wertvollstem Porzellan vollgestopft ist: „Ich habe 13 Jahre gebraucht um das für mich perfekte Porzellan zu finden. Seit einem Jahr nutze ich ein weißes Porzellan mit eher bescheidener Dekoration. Es schmeckt mir gar nicht, von einem allzu bemalten Teller zu essen.“

Alter Großadel formuliert ganz anders. Vor Jahren saß ich mit dem verstorbenen und formidablen Fürst Krafft zu Hohenlohe-Langenburg bei einem Menü. Feinste Riedelgläser wurden vom Wirt und Kollegen als unabdingbares Accessoire gegen das Verdursten befohlen. Es wurde doziert und diskutiert, welchen Rand ein Weißweinglas haben sollte. Wie dünn darf der Glasstiel sein u.s.w.. Anwesende Weinfachleute lieferten sich hitzige Wortgefechte. Der Fürst raunte mir dann ins Ohr: „Herr Klink, geht es ihnen genauso? Mir ist wichtig, dass in dem Glas ’was Gutes drin ist und dann noch: unten sollte kein Loch oder Riss sein, damit der gute Wein nur durch meinen Mund entkommen kann!“

 

Saugutes Schwein

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Nichts gegen alte Schweinesorten, aber die moderne Zucht macht schon Sinn. Was wir hier sehen, ist ein Kotelettstück von einem original Schwäbisch Hällischen Schwein. Das schön marmorierte Fleisch hat ungefähr die Größe, die einem Spanferkel angemessen wäre.

In den Läden lässt sich so etwas nicht verkaufen, deshalb sind die schwäbisch hällischen Schweine in der Regel einmal mit der Mager-Rasse Pietrain eingekreuzt. Aus gutem Grund wie man sieht.

Wir leisten uns den Luxus das Fett abzutrennen um damit Pasteten einzupacken. Ein teurer Spaß, aber es lohnt sich trotzdem, denn unsere Gäste sind glücklich und bezahlen auch den Mehrpreis.

 

Koch sein

Was Berufskochen bedeutet konnte ich noch keinem Laien wirklich klar machen. Im Spiegel dieser Woche ist eine gute Geschichte über den Wahnsinn des Fernsehkochens.

Tim Mälzer kommt mit einigen sehr vernünftigen Gedanken zu Wort. Er meint, so lustig, froh und unbeschwert wie im Fernsehen ist der Beruf des Profikochs mitnichten. Mälzer sagt sinngemäß: „Familienleben kann man sich völlig abschminken, kein Beruf ist so knochenhart, und vor allen Dingen unsozial, wie der des Kochs. Eigentlich ist das nur etwas für Verrückte.” Ende des Zitats.

Viele wildgewordene Hobbyköchen wollen das einfach nicht glauben. Weshalb ich nichts mehr fürchte, als Amateure, die ein Restaurant eröffnen. Mit Kochen ist es ja nicht getan, serviert muss auch noch werden und das zusammen sind nur die Hälfte der Probleme, denn Buchhaltung und Papierkrieg sind extrem schwierig.

In meinem Betrieb kommt niemand unter 10 Stunden täglich aus der Küche. Dass man als Chef nicht weniger als der Jungkoch arbeitet, dürfte selbstverständlich sein. So wundert es nicht, dass ich am gesellschaftlichen Leben in Stuttgart nicht teilnehmen kann. Inzwischen bin ich allerdings so alt und erfahren, dass ich darüber froh bin.

Trotzdem, den Familienmenschen „Daddy Vincent“, den gibt es nicht. Meine Familie, das sind meine Gäste die im Gastraum sitzen. Wie das in Familien so ist, auch dort herrscht nicht die totale Idylle.

Nun wieder zu mir: Ich sehe zwar gemütlich aus, aber das täuscht. Als locker-aufgeräumter Typ kann man kein Sternerestaurant mit 25 Mitarbeitern führen. Man muss mindestens so abgehärtet sein wie der Beruf vertrackt und verteufelt ist. Der Kochberuf ist nur auszuhalten, wenn man davon besessen ist und die Ehefrau denselben Hau hat. Es ist ungefähr so, wie bei den Suvival-Typen, die Spaß daran haben, ums verrecken über den Atlantik rudern zu müssen. Hat man die Kondition und den „Spirit“ ist es die schönste Sache der Welt, jedenfalls das Kochen.

 

Spargelragout mit Morcheln

Frau von Pappritz, die Anstandsdame der Adenauerzeit, verfügte noch, dass Spargel mit der Hand zu essen sei. Diese Vorschriften wurden erst mit der Einführung der rostfreien Messer hinfällig, deshalb gibt es auch das Fischmesser und das Kartoffelschneiden war gnädigerweise nur den Amerikanern erlaubt.

Heute werden Spargel feingeschnippelt und in allen Variationen zubereitet. Man bedenke aber, der Spargel ist auch ein Phallussymbol und wenn das zerschnippelt wird, dann kommt so manche Mythologie ins Schleudern. Egal, heute ist alles erlaubt. Bevor man aber in wilden Spargelzubereitungen sein kulinarisches Abenteuer sucht, sollte der Spargel zuerst mal „nature“ probiert werden. Streng genommen lässt sich Spargel geschmacklich immer nur verändern, aber nicht verbessern. Da hilft kein Braten, Panieren, Grillen oder das Versenken in unzähligen Soßen. Wichtig ist: Die Stangen sind frisch gestochen, nicht versalzen oder in Zitronenwasser oder was weiß ich verhunzt worden. 

Mir am Liebsten sind Spargel mal mit brauner Butter und mal mit Vinaigrette, grad wie ich Lust habe

Unten nun ein relativ klassisches Rezept. Wer die oben stehenden goldnenen Regeln beherzigen will, lässt die Spargel ganz und gibt die Sauce darüber. Oder aber man huldigt dem sinnlichen Vernügen und isst die Spargel mit der Hand und tunkt die Enden in die Sauce. Ein alter Gourmettrick wäre: Die Enden mit einer Gabel flachdrücken, der Spargel fasert auf und viel Sauce dringt in die Zwischenräume.

Spargelmousseline mit Morcheln, Schnittlauch-Stampfkartoffeln

Für 2 Personen:
500 g                    geschälten Stangenspargel

Sauce:
2                          Eigelb
20 g                      getrocknete Morcheln (besser 100 g frische Morcheln)
3 EL                      geschlagene Sahne
4 EL                      Gemüsebrühe
1 TL                      Zitronensaft
50 g                      Butter
2                          Schalotten feingehackt
1/8 l                      Weißwein

Getrocknete Morcheln in lauwarmem Wasser 15 Minuten einweichen. Frische Morcheln nur halbieren, waschen und trocken legen.
Schalotten in Butter andünsten, Morcheln dazu. Mit Weißwein und Gemüsebrühe ablöschen und dies um die Hälfte einkochen. Absieben und die Morcheln parken.
Die Spargel bündeln. Sind die Stangen unterschiedlich dick, so machen wir ein Bündel mit den dünneren und eines mit den dickeren Stangen. Den geschälten Spargel im Salzwasser in ca. 15 Min. weich kochen. Nicht vergessen: ins Wasser muss eine kräftige Prise Zucker. Spargel gut abtropfen und in daumenlange Stücke schneiden.
Die reduzierte Brühe, Zitronensaft, Estragon in eine Kasserolle geben und aufkochen. Die Eigelbe mit der geschlagenen Sahne vermengen und in die kochende Flüssigkeit einschlagen. Die Kasserolle sofort vom Feuer nehmen und heftig schlagen. Wird die Sauce nicht dick so gehen wir noch mal kurz aufs Feuer. Weiterschlagen bis sich alles etwas abgekühlt hat. Mit Pfeffer und Salz abschmecken. Spargel mit der Sauce vermengen.
Das Ragout anrichten und gedünstete Schalotten obenauf geben

Stampfkartoffeln

                            große, mehlige  Kartoffeln
1 EL                    Olivenöl
1/2 Bund             Schnittlauch
Kartoffeln weichkochen, grob zerstampfen. Olivenöl und Schnittlauch unterarbeiten. Würzen mit Pfeffer, Salz, Muskat.
 

 

Franz Keller lebt

Manch einer wird sich im Nachhinein dazu hinreißen lassen: „Der Franz, ein Heiliger war er nicht!“ Da sage ich mir als Agnostiker ganz neutral: Falsch, total falsch, krottenfalsch. Heilige waren nie Weicheier. Heilige waren und sind oft Hasardeure, tapfere, furchtlose Kerle, politisch erfreulich unkorrekt, gestandene Individualisten stur wie Wurzelholz, unbeirrbar, wahnsinnig, überbordende Gemüter, genial, sinnlich, gefühlsbetont, Typen die sich durchsetzten, schräge Vögel, gerecht, ungerecht, irrend, Sünder und wahre Streiter vor dem Herrn, für die Wahrheit und Gerechtigkeit, undsoweiterundsofort?

Heiligsprechung wäre also angesagt, geht aber nicht. Der alte Freund würde mit seinem langen Arm, den er immer hatte, mir noch aus dem Grabe rauslangend eine reinhauen.

Eines Montags, vielleicht vor zwei Jahren saß ich in seinem Restaurant und nagte an einem Entenknochen. Der Laden war brechend voll und waberte wie das Innere einer Schiffschaukel. Der „Adler“ in Oberbergen war nach dem Willen des Patrons nie eine Fastenklink, sondern ein Ort forcierter Schluckspechte und gnadenloser Selbstverwöhner. Solch bukolisch sinnenfrohe Stimmung am hellen Mittag ist im Restdeutschland ziemlich unbekannt. Die Arbeitsstätte des Franz Keller war und ist ein Quell des Wohlseins auch wenn der Chef nicht mehr da ist, sondern als Geist über allem schwebt.

An diesem besagten Montag, ich nage immer noch an meiner Entenkeule. Unvermittelt kracht die Wirtshaustüre auf: Der „Capo di tutti Capi“ bricht ins Idyll. Eine Sturmbö der Lebenskraft fegt durchs Restaurant. Franz hat einen phänomenalen Auftritt, grad so, als würden drei Zirkusbelegschaften gleichzeitig den Raum übernehmen.

Er stürzt sich auf mich und erklärt, er käme von einem Klassentreffen. In den Weinbergen hätten die Old Boys auf die vergangenen Jahre, die Zukunft und das Glück der Welt getrunken. Nicht zu knapp. Große Wünsche mit großen Bouteillen in der Hand, hätten sie den Kleingeistern vom Weinberg herab zugeschrienen. So war er. Ein Wahnsinnstyp! „Nein! So ist und bleibt er!“

 

Siebenkräutersuppe

Der Schnee schmilz und einiger Kräuter sind schon relativ weit gediehen. Bis es wirklich soweit ist kann man zu jederzeit mal üben. Überhaupt es es dem persönlichen Geschmack überlassen, welche Kräutlein man nimmt. Aus meinem Gewächshaus kriege ich gerade soviel zusammen:

Jeweils gehackt 1 Teelöffel:

Bärlauch

Petersilie

Estragon

Thymian

Kerbel

Liebstöckel

Weinraute (nur einen halben Teelöffel)
 

1/2 l  kräftige Fleischbrühe (für Vegetarier Gemüsebrühe)
2  Schalotten feingehackt
2  Kartoffeln in dünnen Scheiben
1 Zehe Knoblauch
1/8 l   Weißwein
2  Eigelb
1/8 l   Sahne
1 EL   Butter

Feingehackte Schalotte in Butter leicht anbräunen, Knoblauch dazu und mit der Brühe auffüllen. Aufkochen.

Eigelbe mit Sahne vermengen. Gehackte Kräuter und den Wein in die kochende Suppe geben. Wieder Aufkochen, mit dem Schneebesen die Eigelb-Sahnemischung unterschlagen und vom Herd nehmen. Noch einige Zeit weiterschlagen, bis sich der Topfboden abgekühlt hat. Abschmecken mit Pfeffer, Salz, Muskat und einem Spitzer Pastis.

Vor dem Anrichten mit dem Mixstab aufschäumen.
 

PS: Mit Bärlauch gehe ich recht behutsam um. Nur weil er die ganzen Wälder bevölkert, mit der Sense geerntet werden kann und nichts kostet, muss man ihn nicht gleich sackweise in sich reinstopfen. Obwohl? Warum nicht auch mal so eine Orgie der nachhaltigen Art? In der U-Bahn kriegt man danach auf alle Fälle einen freie Platz und den daneben auch noch.

Die Suppe reicht für 4 Personen wenn man sich eine Vorspeise leistet. Wenn nicht, dann löffeln sich damit höchstens zwei Personen ins Glück.

Und noch etwas: Es gibt auch eine Neunkräutersuppe, deren Tradition bis ins Mittelalter reicht. Diese aber kann ich erst im Frühsommer vorstellen, erst dann, wenn gewisse Wiesenkräuter sich mausig machen.

 

Der Pedant in der Küche

Julian Barnes

Fein gehackt und grob gewürfelt
Der Pedant in der Küche

Btb Verlag
Broschiert 8,50
ISBN-10:3-442-73395-2

Julian Barnes ist einer meiner Lieblingsautoren, er schreibt total brut bzw. „extra dry“, wie es eben nur Engländer können.
Es geht um einen spätberufenen Hobbykoch, der tatsächlich noch all das glaubt was in Rezepten steht. Insgesamt mündet das alles in der Erkenntnis: „Wer was kann, der tut’s, wer nichts kann der lehrt.“ Es geht noch weiter: „Wer nicht lehren kann, der lehrt Lehrer.“
„Wer’s kann, der kocht, wer’s nicht kann wäscht ab.“ Und wo wir schon dabei sind sagt Barnes:
„Oh, ich halte mich an die Rezepte,“ behaupten die Pedanten, als sei Kochen so etwas wie Vögeln mit einem aufgeschlagenen Sex-Ratgeber in der Hand.

 

Dollargrinsen und Rübchen

War am Sonntag in der Schweiz. Es war ein schönes altes Traditionslokal. Die Wirtin war nicht gut drauf. Gar nicht gut. Trotzdem wurde korrekt gearbeitet und das Essen war prima. Meine Laune sprang über und die Helvetierin musste sogar irgendwann ein klein bisschen lächeln. Was italienische Kneipen angeht, so habe ich die Erfahrung gemacht, je quietschiger der Cameriere, um so matschiger die Pasta. Ein richtig guter italienischer Wirt ist selten gut aufgelegt. Okay, Ausnahmen mag es geben.

Als Schwabe und Süddeutscher habe ich mit der schweren Art gar kein Problem. Ich dachte mir später auf der Heimfahrt aus der Schweiz: „Ist mir eigentlich lieber, die Frau zeigt ehrliche Gefühle, als wenn sie dies antrainierte amerikanische Dauergrinsen aufsetzt.“ Ganz übel finde ich dies Gezwinker mit den Augen, das ein Lächeln simulieren soll, wenn das restliche Gesicht eingefroren ist.

So, nun könnte ich von den wunderbaren Teltower Rübchen berichten, die ich mir zuschicken ließ. Die Fracht via Berlin war teurer als die eigentliche Ware. Diese Dinger schmecken phänomenal und sind mit den französischen Navets gar nicht zu vergleichen.
„Was ist der Unterschied zwischen Berlin und der Titanic?“ „Die Titanic hatte die bessere Musik!“ Aber immerhin, und darum sind die Berliner zu beneiden: Sie kommen auf den Märkten an Teltower Rüchen ran. Vielleicht werde ich doch mal meinen Lebensabend dort verbringen.

 

Eierfondue

Für Leute, die gar nicht kochen können, weiß ich ein phantastisches Rezept. Also, man kauft sich das nötige Fondue-Equipment, aber was Rechtes, was Stabiles. Vielleicht bei Manufactum „Es gibt sie noch die teuren Dinge!“ Hat man die Gerätschaft, ist der Rest der Zutaten selbst für den schmalen Geldbeutel easy zu bewältigen. Flamme und Topf auf den Tisch, Wasser rein und dieses unter strengster Beobachtung zum Siedepunkt bringen. Man macht es sich gemütlich. Man legt ein Ei (Bio logo) in einen Suppenlöffel und hält alles fünf Minuten ins kochende Wasser. Dann heraus und in einen Eierbecher geben. Gerade wenn man sein Frühstück Sonntags mal aufmotzen möchte, kann man sich mit diesem Fondue hobbykochmäßig echt profilieren. Vielleicht noch ein bisschen Meersalz dran? Ahh!!

Dieses Rezept ist bei meinen „Kochkursen für höhere Stände“ immer schwer der Brüller.

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Der Cartoon ist von Tobias Schülert, mehr von ihm gibts im Häuptling Nr. 29