Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Woche der spannenden Zeugen – das Medienlog vom Montag, 30. September 2013

 

Diese Woche geht es im NSU-Prozess unter anderem um den Mord an Halit Yozgat, der im April 2006 in seinem Internetcafé in Kassel erschossen wurde. Für die Autorin Lena Kampf ein Anlass, um sich auf stern.de ausführlich mit einem umstrittenen Zeugen zu beschäftigen: Andreas T., ehemaliger Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz in Hessen. Der Vorsitzende Richter Götzl hat T. für Dienstag geladen. („Der Schatten des Verfassungsschützers“)

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Die Autorin zeigt einen Widerspruch in den Zeugenaussagen auf: T. habe angegeben, dass er das Internetcafé in Kassel kurz vor dem Mord an Yozgat verlassen habe. „Zwischen seinem Abmelden am Computer und dem von der Polizei ermittelten Zeitpunkt des Mordes bleiben höchstens wenige Sekunden. Sekunden, in denen T. Halit Yozgat nicht gesehen haben will und ihn daraufhin kurz gesucht habe“, schreibt die Autorin. Nur: „Wo soll Halit Yozgat in der Zeit gewesen sein?“

Nach Aussage des Zeugen S., der ebenfalls im Internetcafé saß und „Luftballons hat platzen hören“, müsste T. den Tatort kurz nach dem Mord verlassen haben. Sollte T. wirklich erst kurz nach der Tat gegangen sein, hätte er den tot hinter seinem Schreibtisch liegenden Yozgat sehen müssen, schreibt Kampf auf stern.de.

In der Jungen Welt geht es ebenfalls um Andreas T.: „Klein Adolf vor Gericht“, heißt es dort. Ähnlich wie Lena Kampf stellt die Autorin Claudia Wangerin fest: „Obwohl Sportschütze, will T. die Geräusche nicht bemerkt und den Schmauch nicht gerochen haben.“ Im Untersuchungsausschuss habe im Übrigen Hessens damaliger Innenminister Volker Bouffier (CDU) direkte Fragen der Polizei an den Verfassungsschützer unterbunden. Im Prozess könnten mehr als 70 Anwälte von Nebenklägern Fragen an T. haben, daher vermutet die Autorin: „Einige der Fragen, die jetzt auf ihn zukommen, sind Andreas T. vielleicht in anderen Vernehmungen noch nicht gestellt worden.“

„Es ist die Woche der spannenden Zeugen im Münchner NSU-Prozess“, schreibt Holger Schmidt im SWR. Schon durch die am heutigen Montag geladene Zeugin könnte es Überraschungen geben: Veronika A. will Zschäpe auf dem Grundstück ihrer Nachbarn in Dortmund gesehen haben, wo die beiden NSU-Terroristen Mundlos und Böhnhardt einen Kioskbesitzer erschossen haben sollen.

Inzwischen glauben viele Prozessbeobachter an eine Verwechslung. So auch SWR-Autor Schmidt, der die Argumente dafür zusammenbringt. Zum einen habe der Nachbar zu Protokoll gegeben, dass seine Frau Zschäpe sehr ähnlich sehe. Zum anderen werde die Sachlage zusätzlich verkompliziert: So habe der Nachbar „möglicherweise einen Hang zur rechten Szene – unter anderem, weil er seine Söhne nach germanischen Gottheiten benannte.“ Darüber hinaus engagierte sich Veronika A., die „Zeugin vom Dachfenster“, früher für die Deutsche Kommunistische Partei. „Alles scheint deshalb möglich.“

In der Jungen Welt wiederum kritisiert Wangerin, dass die taz den Zweifel an der Rolle der Geheimdienste nur der rechten Szene zuschreibt. (Vergleich Medienlog vom 26. September 2013) Zwar würde dieses Thema vor allem Nicole Schneiders, Anwältin des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, ansprechen. Doch: „Kein Wort verlieren die Autoren darüber, dass auch die Anwälte der Familie Yozgat mit dem Einverständnis ihrer Mandanten die Rolle staatlicher Akteure näher beleuchten wollen.“

Keine aktuellen Berichte in englisch-oder türkischsprachigen Medien online verfügbar.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 1. Oktober 2013.