Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Kiesewetters Kollege hat Angst vor Aussage – Das Medienlog vom Montag, 6. Januar 2014

 

Der Polizist Martin A. ist wohl der einzige Mensch, der einen der Pistolen-Mordanschläge des NSU überlebt hat: Er saß im April 2007 in Heilbronn neben seiner Kollegin Michèle Kiesewetter, als diese erschossen wurde – Mitte Januar sagt er in München aus. Während die Öffentlichkeit gespannt auf seine Vernehmung wartet, ist dem Zeugen laut einem Welt-Bericht nicht wohl: „Er habe Angst, so heißt es im Umfeld des Polizisten“, schreibt Hannelore Crolly. Unklar sei dabei, ob der 31-Jährige die Rache von Rechtsextremen fürchtet oder das Trauma nicht noch einmal durchleben will.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das baden-württembergische Innenministerium will indes die Privatsphäre seines Bediensteten schützen. In der Behörde habe man gehofft, A. könne bei der Aussage eine Maske tragen oder per Video vernommen werden wie kürzlich Beate Zschäpes ehemalige Nachbarin. „Die Vernehmung von Martin A. ist eine der spektakulärsten Befragungen im gesamten Prozess – auch wenn er nur ganz wenige Erinnerungen hat“, heißt es in dem Bericht. Sie sei so brisant, weil der Kiesewetter-Mord so viele Unstimmigkeiten berge, etwa Zeugenaussagen über weitere Menschen am Tatort. Laut Anklage waren ausschließlich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am Mord beteiligt.

Mit den Auftritten der Eltern von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt vor Gericht setzt sich erneut Jens Eumann von der Chemnitzer Freien Presse auseinander und analysiert mögliche Gründe für die Radikalisierung von Uwe Mundlos. Der Autor zitiert einen Schulfreund von Mundlos, der bei den Eltern eine Mitverantwortung für die Gesinnung ihres Sohns sieht – so habe Siegfried Mundlos damals gesagt, „wie toll es doch war, dass im Dritten Reich die Autobahnen gebaut wurden“. Der Sohn habe sich damals gegen das SED-Regime gestellt – allein: „Mochte der Weg vom DDR-Opponenten zum nazi-affinen Geschichtsrevisionisten mit Bomberjacke in den Wirren der Nachwendezeit auch naheliegen, so führte dies aber nicht zwangsläufig zu rassistischem Mord.“ Was dann? Dass Mundlos zum extremen Rechten wurde, dafür machen Zeugen laut Artikel den Einfluss der Thüringer Nazi-Größe Tino Brandt und das Ende der Beziehung zu Beate Zschäpe verantwortlich.

„Wie ich einmal versuchte, mich für den NSU-Prozess zu akkreditieren“: Unter diesem Titel schildert der Münchner taz-Korrespondent Tobias Schulze seine Probleme, in den Sitzungssaal zu gelangen. Wer sich nämlich nicht vor Prozessbeginn bei der Pressestelle angemeldet hat, hat Pech und darf das Gericht nur als Besucher betreten – auch, wenn das Medium wie im Falle der taz eine Platzreservierung ergattert hat. Die Pressestelle führt dafür laut Artikel „sicherheitstechnische, aber auch organisatorische Gründe“ an. Schulzes Rat an Journalisten, die ebenfalls als Nachzügler zum Prozess wollen: „Lasst es bleiben. Das gibt nichts als Scherereien mit dem Oberlandesgericht München.“

Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 7. Januar 2014.