Sie waren beste Freundinnen, sie sind es wahrscheinlich noch immer: Beate Zschäpe und Susann E., die Frau des mitangeklagten Rechtsextremisten André E. Das Paar soll den NSU jahrelang mit verschiedenen Gefälligkeiten bei seinen fremdenfeindlichen Aktivitäten unterstützt haben. Am Dienstag trat Susann E. in den Zeugenstand, verweigerte jedoch die Aussage – und machte aus Sicht der Angeklagten alles richtig: „André E. folgte dem Kurzauftritt mit einem Grinsen“, beobachtete Frank Jansen für den Tagesspiegel.
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Zwei Gründe hätten für die Zeugnisverweigerung gesprochen: Erstens, dass Susann E. mit einem der Angeklagten verwandt ist, zweitens, dass sie selbst dem NSU geholfen hatte, berichtet Jansen. Die Unterstützung gründete sich offenbar auf eine feste Freundschaft: Familie E. habe im Wohnzimmer eine Art Schrein für die toten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt errichtet, schreibt Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung – ein gezeichnetes Portrait der beiden, unter dem ein Windlicht gestanden habe. Darunter hätten die Ermittler Runen für die Worte „Tod“ und „Unvergessen“ entziffert.
Auch ZEIT ONLINE konzentriert sich auf Susann E. und ihren Mann: Das Paar sei für die Terrorzelle „ein Schatten, der immer da war“ gewesen. André E. habe mit einer Falschaussage bei der Polizei geholfen, eine Wohnung und Wohnmobile für das Trio gemietet. Es sei denkbar gewesen, dass die Mordserie ohne den Beistand der beiden nicht möglich gewesen wäre. E.s hätten Zschäpe und ihre Kameraden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bis zum Schluss die Treue gehalten: „Auch im Moment höchster Not konnte Zschäpe auf die Unterstützung ihrer Gesinnungsgenossen zählen“, nämlich als der NSU aufflog und André E. Zschäpe zum Bahnhof fuhr, damit sie rasch flüchten konnte.
Zudem kam das Ehepaar häufig bei dem Trio in Zwickau zu Besuch. Im Brandschutt des Hauses hätten die Ermittler unter anderem einen Spielzeughubschrauber und ein Kinderfahrrad gefunden, berichtet Martin Debes in der Thüringer Allgemeinen. Ein Kommentar war von der Zeugin nicht dazu zu hören – „Susann E. ordnet sich damit ein in eine ganze Reihe von Zeugen ein, die zu den Helfern des NSU gerechnet werden und die entweder gar nichts oder nur sehr wenig mitteilen“, schreibt Debes. Die Vernehmung stehe „exemplarisch für die Schwierigkeiten des Prozesses, der sich immer mehr in die Länge zieht“.
André und Susann E. „hatten so enge Beziehungen wie niemand sonst zu dem mutmaßlichen NSU-Trio“, schreibt Andreas Speit in der taz. Auch die Zeugin sei – wie Beate Zschäpe – daran beteiligt gewesen, dem Trio eine bürgerliche Fassade zu geben.
Nach der Vernehmung widmete sich das Gericht zwei Mordkomplexen. Erst ging es um den Mord an Halit Yozgat 2006 in Kassel. Ahmed A. saß im Internetcafé, als Inhaber Yozgat erschossen wurde und habe mehr gesehen als der Verfassungsschützer Andreas T., der „wie ein Blinder“ an dem Erschossenen vorbeigegangen sein müsse, schreibt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Der damals 15-Jährige, den Friedrichsen „Abu T.“ nennt, versuchte noch, Yozgat Erste Hilfe zu leisten. Wieder zieht Friedrichsen den Vergleich zu Verfassungsschützer T.: Der junge Cafébesucher habe sich „angemessener und nachvollziehbarer verhalten“. Ohne Folgen blieb das schreckliche Erlebnis indes nicht: A. verbrachte mehrere Wochen in einer Psychiatrie.
Auch den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter untersuchte das Gericht weiter, geladen waren dazu vier Zeugen. Insbesondere die Aussage eines pensionierten Bahnarbeiters war für die Aufklärung interessant. Er beobachtete, wie viele Zeugen an anderen NSU-Tatorten, zwei Männer mit Mountainbikes. Nach der Erinnerung des Zeugen hätten sich die beiden angeregt unterhalten oder gar gestritten, schreibt Friedrichsen. Kurz darauf will er mehrere Schüsse gehört haben. Ein anderer Zeuge berichtete, dass der Radweg neben der Theresienwiese, auf der Kiesewetter erschossen wurde, an dem Tag sehr belebt gewesen sei – nur nicht, als der Klang der tödlichen Schüsse über den Platz hallte. Das sei „wie verhext“ gewesen, berichtete der Zeuge. Friedrichsen überlegt, ob die Täter womöglich jemand anderen töten wollten – nach dem Muster der vorherigen NSU-Morde: „In der Nähe des Heilbronner Tatorts befindet sich eine Straße mit vielen kleinen türkischen Läden. Hatten Mundlos und Böhnhardt einen Überfall auf einen der Händler vor?“, fragt die Autorin.
Auch Frank Jansen diskutiert im Tagesspiegel alternative Szenarien: Entweder hätten die Mörder gewusst, dass Polizisten den Platz am Neckarkanal regelmäßig für ihre Pausen ansteuerten. Oder sie hätten beim Vorbeiradeln erstmals einen Streifenwagen dort gesehen. Möglicherweise diskutierten die beiden, ob sie den Angriff am helllichten Tag vornehmen sollten. „Für die These, dass Mundlos und Böhnhardt spontan die beiden Beamten überfielen, spräche das enorme Risiko, das die Terroristen eingingen“, analysiert Jansen. In diesem Fall hätten sie den Tatort offenbar nicht intensiv ausgekundschaftet, wie es bei den meisten anderen Morden der Fall gewesen sein soll. In den Stuttgarter Nachrichten bringt Franz Feyder die These ins Spiel, Helfer hätten während des Mords auf dem Radweg Schmiere gestanden.
„Aufklärung unerwünscht“: Unter diesem Titel widmet sich der Buchautor Wolf Wetzel in der Jungen Welt dem Kiesewetter-Komplex. Wetzel listet offene Fragen und Ungereimtheiten rund um den Mord an der Polizistin auf. Das Fazit: Die Version, die die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklage formuliert hat, werde durch nichts gestützt.
Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 23. Januar 2014.