Zum zweiten Mal hat der Zeuge André K. aus Jena im NSU-Prozess ausgesagt – und konnte sich wie bei seiner ersten Vernehmung nur an wenig von dem erinnern, was ihm vorgehalten wurde. So räumte er zwar ein, von Uwe Böhnhardt kurz vor dem Untertauchen des rechtsextremen Trios ins Vertrauen gezogen worden zu sein, wollte jedoch nicht mehr wissen, was genau sie besprochen hatten. Wie Björn Hengst auf Spiegel Online berichtet, nahmen ihm das weder der Richter noch die Prozessbeobachter ab: „Sonderlich glaubwürdig wirkt K. nicht“, schreibt Hengst.
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Der heute 38-Jährige war in der Anfangszeit des NSU ein Vertrauensmann des Trios, organisierte gefälschte Pässe und blieb über ein Netz aus Telefonzellen mit der Gruppe in Kontakt. Wo sich die drei aufhielten, wusste er aber angeblich nicht. „Das hätte ich auch nicht wissen wollen“, zitiert ihn der Bericht. Demnach besaß er bis zuletzt aber noch „eine emotionale Bindung“: Ermittler stellten bei ihm eine sogenannte Geburtstagszeitung fest, eine Fotocollage, die ein Bild von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt enthielt.
André K. habe nur „schleppend“ von seiner Beziehung zum NSU erzählt, berichtet Karin Truscheit in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die langwierigen Zeugenbefragungen dieser Woche hätten die Geduld des Gerichts „auf die Probe gestellt“. K.s Aussage zufolge handelte es sich bei der Geburtstagszeitung lediglich um Satire. Über Gewalt sei in seinem Freundeskreis damals diskutiert worden, doch seien Mitglieder der Szene schließlich selbst von „Linken“ angegriffen worden.
„Kurzes Erschrecken, dann folgte Zurückrudern„: So beschreibt die sozialistische Zeitung Neues Deutschland K.s Aussage. Der Zeuge „verplapperte“ sich nach Ansicht der Zeitung, als er gesagt habe, dass es „Diskussionen über Zellenbildung und Gewalt“ gegeben habe.
„Die Erinnerungslücken des Zeugen hatten teils das Ausmaß riesiger Krater„, kommentiert Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen. Von diesen habe der Mitangeklagte Ralf Wohlleben profitiert – dieser soll damals gemeinsam mit K. Pläne geschmiedet haben, das Trio in Südafrika zu verstecken. Nun könne spekuliert werden, ob Wohlleben sich freue, dass K. ihn nicht weiter belaste. Das Gericht unterbrach K.s Vernehmung, der Zeuge muss noch einmal erscheinen.
Ein weiteres Thema des Verhandlungstags: Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Richter Peter Lang, eins der Mitglieder des Staatsschutzsenats von Manfred Götzl, wie unter anderem auf dem Terrorismus-Blog von SWR-Reporter Holger Schmidt zu lesen ist. Als Begründung nennt Heer, dass der Richter einen Aktenordner mit den drei Buchstaben „NSU“ beschriftet habe – obwohl die Existenz des NSU in diesem Verfahren erst nachgewiesen werden müsse. Lang sei daher voreingenommen. Die zuvor gestellten Befangenheitsanträge von Zschäpes Verteidigern hatten keinen Erfolg – für den Senat habe es „bislang keinen Anlass gegeben, an seiner Unvoreingenommenheit gegenüber den Angeklagten Zweifel aufkommen zu lassen“, kommentiert Schmidt.
Ist ein solcher Antrag eine „seltsame Spitzfindigkeit oder ein notwendiges Einfordern richterlicher Unvoreingenommenheit“? Die Frage stellt auch Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung. Im Prozess ging es an diesem Tag „erst an zweiter Stelle um die Aufklärung einer Mordserie“.
Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 7. Februar 2014.