Was ist Wahrheit, wo sind Zweifel angebracht, was ist Verschwörungstheorie? Dieser Frage widmet sich Michael Kraske in einem Essay auf dem Stern-Portal Mut gegen rechte Gewalt. Vor allem der Bundesanwaltschaft wirft Kraske einen „Tunnelblick“ vor, weil sie an ihrer These des weitgehend autonom handelnden NSU-Trios festhalte – dabei müsse man „kein Verschwörungstheoretiker oder Spinner sein, um die These vom weitgehend allein agierenden Terror-Trio anzuzweifeln“. So sei etwa erwiesen, dass der NSU vom Neonazi-Netzwerk Blood & Honour in Sachsen unterstützt wurde. Wegen der unterschiedlichen Ansichten zeichne sich „seit einiger Zeit ein unvereinbarer Konflikt zwischen staatlichen Anklägern und Nebenklagevertretern ab“.
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Die Interessen von Anklage und Nebenklage seien extrem unterschiedlich: So wolle die Bundesanwaltschaft ein möglichst hohes Strafmaß erreichen, die Nebenkläger hingegen die möglichst umfassende Aufklärung – selbst wenn das eine Entlastung für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe bedeuten würde. Auch die Medien nimmt der Autor ins Visier: Sie würden teils „fragwürdigen Positionen“ anhängen und nicht mehr ausdauernd aus dem Gerichtssaal berichten. Dabei sei die Frage, wie viele Helfer der NSU gehabt habe, noch immer nicht beantwortet.
Einen kritischen Blick auf die Berichterstattung wirft auch der Satiriker Leo Fischer in der linken Wochenzeitung Jungle World. In der Presse werde der Prozess „routiniert in Unterhaltung verwandelt“, während der Staat dem Umgang mit Rechtsextremismus nicht gewachsen sei. Als Beispiel nennt Fischer das Videoprojekt der Süddeutschen Zeitung, in dem ausgewählte Protokolle verlesen werden. Das Projekt ergehe sich in Beliebigkeit und mache den Prozess nicht verständlicher – „mittlerweile kommt man in diesem Land historischer Schuld anscheinend nur noch mit schmalziger Doku-Fiction bei“, urteilt Fischer.
Wo ist für NSU-Berichterstatter sachliche Distanz, wo professionelle Neugier angebracht? Journalisten hinterfragen sich in diesem heiklen Feld immer wieder, wie die Prozessbeobachterin Wiebke Ramm in den Yahoo-Nachrichten schildert: Sie fuhr mit dem Angeklagten Holger G., der mittlerweile das Zeugenschutzprogramm verlassen hat, im ICE. Beide hätten sich nach 84 gemeinsamen Tagen im Gerichtssaal sofort erkannt, jedoch nicht miteinander gesprochen. Üblicherweise hätten sich Menschen in dieser Situation gegrüßt. „Doch sagt man ‚Hallo!‘ zu einem Neonazi? Oder zu einem Menschen, von dessen Abkehr von der menschenverachtenden Ideologie man zumindest nicht überzeugt ist?“
Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.
Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 11. Februar 2014.