Hass als Spielprinzip: So funktionierte das Brettspiel Pogromly, eine Perversion des Klassikers Monopoly, das laut Anklage Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hergestellt hatten. Mit der Zeugenaussage eines Polizeibeamten wurde das bereits 1997 produzierte Machwerk in die Beweisaufnahme eingeführt. Zudem beschäftigte sich das Gericht mit den Wohnungen, in denen die Gruppe während ihrer Zeit im Untergrund lebte. In dem Spiel gehe es „um Antisemitismus, und zwar schlimmster Art, auf eine abartig-humoristische Weise verpackt“, schreibt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Zweifel hätten in der Sitzung allerdings Zschäpes Verteidiger angemeldet.
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Auf Nachfrage habe der Ermittler zugegeben, nicht sicher sagen zu können, dass die Gruppe das Spiel hergestellt habe. Exemplare davon stellten Ermittler in der Garage und der Wohnung von Beate Zschäpe sicher – nach acht Jahren wurden sie vernichtet. Das Spiel, das auf Bildern im Saal gezeigt wurde, hatte der Thüringer Verfassungsschutz dem Bundeskriminalamt zur Verfügung gestellt. Der Zeuge wusste nicht, ob es mit den damals gefundenen Beweisen identisch war.
In seiner Aussage habe der Kommissar allerdings „keinen Zweifel erkennen“ lassen, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt die Urheber waren, notiert Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen. Die Vernichtung der gefundenen Exemplare könnte nun jedoch den Beweiswert schmälern. Indem der Zeuge zugab, dass das gezeigte Spiel nicht zwangsläufig den früher sichergestellten entsprach, habe er seine Ausführungen „torpediert“. Der Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben habe den Beweiswert der Aussage daraufhin als „null“ gewertet.
Pogromly belege, „dass die drei spätestens Mitte bis Ende der neunziger Jahre Vernichtungsfantasien gegen Ausländer hegten“, schreibt ZEIT ONLINE. Das Spiel diene somit als Zeugnis für die Ideologie, der die Gruppe anhing – und zwar ausweislich der aufgedruckten Jahreszahl 1997 bereits vor dem Untertauchen im Januar 1998. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hätten sich auch nicht im Geheimen ihrem Machwerk gewidmet: Bei der „Charity auf Nazi-Art“ hätten mehrere Unterstützer mitgewirkt, die das Spiel an Gesinnungsgenossen verkauften.
Der Zeitvertreib aus dem Hause NSU habe sich an „Rechtsradikale, Judenhasser und Linkenfeinde“ gewandt, resümiert Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung. So wolle die Bundesanwaltschaft auf die Einstellung der drei Hersteller schließen – Credo: „Erst war es nur ein Spiel für sie, dann setzten sie ihre Geisteshaltung in die Tat um.“
Weiter beschäftigte sich das Gericht mit den konspirativen Wohnungen des Trios. Gehört wurde ein Ermittler des Bundeskriminalamts. In den ersten Wochen nach dem Januar 1998 wechselten die drei demnach mehrmals ihre Bleibe, Unterschlupf fanden sie jeweils bei Bekannten. Später schlossen sie unter Alias-Personalien selber Mietverträge ab. Die Mietverhältnisse hätten „die Verfestigung der Beziehung innerhalb der Gruppe“ dokumentiert, zitiert Friedrichsen den Zeugen auf Spiegel Online. Gegen die Interpretationen des Kommissars hätten Zschäpes Verteidiger „zwar spät, aber unmissverständlich“ reagiert: Demnach habe es kaum Anhaltspunkte dafür gegeben, dass durchgängig drei Personen in den Wohnungen gelebt hätten. Der Zeuge habe zugegeben, dies sei schwer zu bestätigen gewesen.
Dass alle drei zusammen gelebt hätten, sei nur für die erste Zeit nach dem Untertauchen und für die letzte Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße belegt gewesen, heißt es in einer dpa-Meldung. Zudem seien die Wohnungen für drei Personen nach Meinung der Anwälte teils viel zu klein gewesen.
Wie das Zusammenleben der NSU-Mitglieder aussah, dazu kann soll der Zeuge Max-Florian B. am Donnerstag Angaben machen. Er hatte den Dreien damals geholfen, ein Dach über dem Kopf zu finden. Zudem hatte Uwe Mundlos unter Vorlage von B.s Pass einen Mietvertrag auf seinen Namen abgeschlossen. Beate Zschäpe sei kein „Mäuschen“ gewesen und habe innerhalb der Gruppe „eine gleichberechtigte Stellung“ innegehabt, wie Jens Eumann von der Chemnitzer Freien Presse in einem Vorabbericht schreibt.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 20. Februar 2014.