Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Wenn Polizisten sich nicht erinnern können – Das Medienlog vom Donnerstag, 20. Februar 2014

 

Drei Polizisten haben am Mittwoch vor dem Münchner Oberlandesgericht ausgesagt: Zwei von ihnen berichteten aus den Vernehmungen des Zeugen Frank L., der an der Beschaffung der NSU-Mordwaffe Ceska 83 beteiligt gewesen sein soll. Ein weiterer machte Angaben zur Durchsuchung von Beate Zschäpes früherer Wohnung. Am Ende des Prozesstags steht der Beweiswert von L.s Vernehmung allerdings in Frage: Die Beamten hätten sich nicht mehr an alle Details des Gesprächs erinnern können, berichtet Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Hinzu kommt, dass die Beamten L.s Aussagen in den zwei Befragungen nicht wörtlich, sondern sinngemäß protokollierten. Die Polizisten verteidigten sich, sie hätten dem Zeugen seine Angaben immer wieder vorgelesen. Auffällig am Protokoll der zweiten Vernehmung ist zudem, dass darin keinerlei Fragen verzeichnet wurden. Das macht L.s Aussagen angreifbar: Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl habe „zumindest Zweifel daran sähen“ können, schreibt Mudra.

Was die Polizisten vor Gericht berichteten, „war im Ergebnis kaum nachvollziehbar“, findet Spiegel-Online-Autorin Gisela Friedrichsen. Sowohl Zeuge L. als auch die Ermittler hätten keine konkreten Erinnerungen beisteuern können. „Dieser doppelten Erinnerungslosigkeit ist beim besten Willen weder vom Gericht noch von der Nebenklage oder der Verteidigung beizukommen.“ Friedrichsen fragt, wieso Vernehmungen in einem derart wichtigen Fall nicht aufgezeichnet wurden. Eine Videovernehmung sei sinnvoll, um später noch die Körpersprache des Zeugen deuten zu können.

Einwände der Zschäpe-Anwälte

Im Anschluss ging es vor Gericht um die Durchsuchung von Zschäpes Wohnung in der Jenaer Schomerusstraße. Nachdem Ermittler in Zschäpes Garage zuvor eine Bombenwerkstatt ausgehoben hatten, hätten sie wegen „Gefahr im Verzug“ gehandelt, sagte der als Zeuge geladene Kommissar, wie Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung berichtet. In der Wohnung fanden die Beamten Waffen: unter anderem eine Gaspistole, ein Luftdruckgewehr und eine Armbrust. Auch ein Exemplar der rechtsextremen Monopoly-Nachbildung Pogromly stellten sie sicher. An der Wand sei zudem ein Hakenkreuz zu sehen gewesen, berichtete der Zeuge. Auch im Fall der Durchsuchung wehrten sich Zschäpes Anwälte: Verteidiger Wolfgang Heer bemängelte, dass es keinen richterlichen Beschluss gegeben habe, daher bestehe ein Beweisverwertungsverbot.

Die Fundstücke dienen – wie das Pogromly-Spiel – als Ausweis der Gesinnung des Trios: „Sollte die Verteidigung im Sinn haben, sie als einfache Hausfrau erscheinen zu lassen, widersprechen dem die Fotos aus der Ein-Zimmer-Wohnung“, schreibt Friedrichsen auf Spiegel Online. Dass sie „Ausdruck eines extravaganten historischen Interesses“ seien, sei fraglich.

Doch auch an dieser Stelle hegten Zschäpes Rechtsbeistände Zweifel: War denn sicher, dass Zschäpe die Wohnung allein genutzt hatte? „Was die Anwälte damit sagen wollen, ist offenkundig“, analysiert Frank Jansen im Tagesspiegel. Auch Zschäpes Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten die verdächtigen Gegenstände dort hinterlassen haben können.

Aufsehen erregte der Beweisantrag, den sechs Nebenklage-Anwälte einbrachten: Während des Mordanschlags auf die Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007 in Heilbronn könnte sich Beate Zschäpe in der Nähe aufgehalten haben, wie unter anderem in der Thüringer Allgemeinen nachzulesen ist. Die Hauptangeklagte habe damals im 35 Kilometer entfernten Backnang bei einer polizeibekannten Person übernachtet. Die Anwälte beantragten, eine Ermittlerin der Sonderkommission „Umfeld“ zu laden, die mögliche Verbindungen des NSU in Baden-Württemberg recherchiert hatte. Die Polizistin solle die Angaben bestätigen.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 21. Februar 2014.