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Aussage ja, Details nein – Das Medienlog vom Donnerstag, 27. Februar 2014

 

Für viele Prozessbeobachter war es eine Überraschung: Die als NSU-Helferin beschuldigte Zeugin Mandy S. hat im Prozess ausgesagt. Dabei bestätigte sie, dass im Jahr 1998 drei Kameraden aus der rechten Szene bei ihrem damaligen Freund in Chemnitz einquartiert zu haben. An viele Details konnte sich die Friseurin aus dem Erzgebirge allerdings nicht erinnern. Die Kernfrage sei unbeantwortet geblieben, schreibt SWR-Korrespondent Holger Schmidt: S. konnte nicht sagen, ob es sich bei den Dreien um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt handelte. Damit spielte sie Zschäpes Verteidigern in die Hände.

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An einer Stelle bezeichnete S. die Frau, die sie damals untergebracht haben will, als Beate Zschäpe – und weckte das Misstrauen von Richter Manfred Götzl. Die Zeugin antwortete, dass man ihr den Namen „bei der Polizei quasi in den Mund gelegt habe“, berichtet Schmidt. Für Zschäpes Anwältin Anja Sturm sei „das natürlich ein gefundenes Fressen“ gewesen. Die Verteidiger stellten den Wert der Aussage infrage.

„Gut möglich, dass Mandy S. ihre Bereitschaft zur Aussage zwischendurch bereut“, schreibt Björn Hengst auf Spiegel Online. Der Auftritt vor Gericht sei der Zeugin unangenehm gewesen – wie vielen Wegbegleitern des NSU, die im Saal erscheinen mussten. Ihre Erinnerungslücken hätten gewissermaßen ins Muster gepasst: Auch Zeugen wie André K. beriefen sich immer wieder auf ihr angeblich mangelndes Gedächtnis. Ähnlich mehrerer selbst verdächtiger Zeugen brachte auch S. einen Anwalt mit zur Vernehmung.

S. gab zudem zu, der untergebrachten Frau ihre Krankenkassenkarte geliehen und für das Trio einen Personalausweis vom Einwohnermeldeamt abgeholt zu haben. Doch neben Fragen zur Schuld der Zeugin drängen sich für Frank Jansen vom Tagesspiegel auch Fragen zur Arbeit der Ermittlungsbehörden auf: Wieso erfuhren sie durch ihre V-Männer im Umfeld des Trios nichts über deren Aufenthaltsort? Denn S. schilderte in der Vernehmung auch Gerüchte, die damals in der Szene aufgekommen seien: dass drei Kameraden aus Jena in der Stadt seien, die die Straftaten verübt hätten.

Seit der Aussage des Mitangeklagten Carsten S. sei Mandy S. die erste Beschuldigte gewesen, die sich nicht sofort verweigert habe, schreibt Mirko Weber in der Berliner Zeitung. Anscheinend öffnete sich die Zeugin jedoch nur so weit, wie es nicht strafrechtlich relevant wurde: „Dass sie insbesondere Zschäpe nicht wiedererkennen will, erstaunt dann doch“, kommentiert Per Hinrichs in der Welt. In der rechten Szene sei sie jedenfalls engagiert gewesen, habe an einer Gedenkveranstaltung für Rudolf Heß teilgenommen und Briefkontakt mit inhaftierten Kameraden gehalten.

„Wie eine Mitläuferin gebärdete sich Mandy S. nicht“, analysiert Jens Eumann in der Chemnitzer Freien Presse. Teils sei sie während ihrer Zeit in der Szene sogar als Wortführerin aufgetreten. Ein Grund mehr, die Worte vor Gericht sorgsam abzuwägen: Ihre Aussage sei „überlegt und durchgeplant gewesen“, immer wieder habe sie vor ihren Antworten auf ein Zeichen ihres Anwalts gewartet.

Stern-Reporterin Lena Kampf kam der Friseurin besonders nahe: Sie ließ sich in dem Schwarzenberger Salon, den S. leitet, zu einem nicht genannten Zeitpunkt die Haare schneiden. Kampf traf eine Frau, die befürchtete, ihr neues Leben mit Kind und gutem Beruf zu verlieren. Im Gespräch habe S. betont, sie sei spätestens bei der Geburt ihrer Tochter 2007 aus der rechten Szene ausgestiegen. Und „ihre eigenen Aktivitäten versuchte sie vehement herunterzuspielen“, heißt es in dem Bericht. S. habe sich als „naives Anhängsel“ dargestellt. Sie sei von Kameraden auch zu Dingen gedrängt worden, die sie nicht wollte – welche, das habe sie nicht verraten.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 28. Februar 2014.