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Der NSU-Prozess dauert noch bis 2015 – Das Medienlog vom Montag, 31. März 2014

 

Am 1. April findet vor dem Oberlandesgericht München der 100. Verhandlungstag im NSU-Prozess statt. Die Medien ziehen daher dieser Tage ein Fazit – oder geben einen Ausblick auf die Zukunft des Verfahrens: Der Focus berichtet, dass der Prozess sich wahrscheinlich bis ins Jahr 2015 ziehen wird. Gerichtssprecherin Andrea Titz sagte dem Magazin, es sei überhaupt nicht absehbar, ob die bislang festgelegten Termine bis Dezember 2014 reichen würden.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Mit einem umfangreichen Interview-Spezial beleuchtet der Tagesspiegel den Zwischenstand im Prozess. Mehrere Nebenkläger und ihre Vertreter, Verteidiger und die Bundesanwaltschaft beantworten, wie sie mit den immensen Belastungen des Verfahrens umgehen und wie sie die Arbeit von Richter Manfred Götzl bewerten. Die Erfahrung aus 100 Tagen Verhandlung fällt dabei teils ernüchternd aus: Der Prozess habe ihr „vergegenwärtigt, dass ich niemals zu dieser Gesellschaft gehören werde“, sagt die Nebenklage-Anwältin Seda Basay.

Deutlich wird aus den Interviews, dass die Beteiligten mit vielen Problemen zu kämpfen haben. Gamze Kubasik, Tochter eines Mordopfers, wirft der Bundesanwaltschaft vor, sie habe kein Interesse, „uns bei der Suche nach der Wahrheit zu unterstützen“. Bundesanwalt Herbert Diemer sieht den Prozess hingegen „auf einem guten Weg“. Die Dimension des Prozesses bringt mit sich, dass auch persönliche Grenzen überschritten werden: Johannes Pausch, Verteidiger des Mitangeklagten Carsten S., berichtet von Morddrohungen gegen ihn. Ein Anrufer habe auf seinen Anrufbeantworter die Worte „Na warte du Schwein, wir kriegen dich“ gesprochen.

Ein weiteres Fazit ziehen die Nebenklageanwälte Jens Rabe und Stephan Lucas im Interview mit Wiebke Ramm für die Yahoo Nachrichten. Darin sprechen sie unter anderem über die heikle Forderung nach der Aufklärung von Ermittlungsfehlern: So sei der Prozess nicht der richtige Ort, um die zahlreichen Pannen aufzuarbeiten – während die Politik zum Versagen der Behörden immer wieder auf das Verfahren verweise. Dieses Verhalten sei verlogen, sagt Rabe.

Für die Junge Welt sprach Claudia Wangerin mit dem Nebenklagevertreter Yavuz Narin. Thema dort sind die zahlreichen Zeugen, die sich im Gerichtssaal unbehelligt auf Erinnerungslücken berufen konnten. Nach Narins Beobachtung hat Richter Götzl diesen gegenüber eine härtere Gangart entwickelt. Den scheinbar vergesslichen Zeugen lasse er „dieses Verhalten in der Tat nicht mehr ohne Weiteres durchgehen“.

Eine Kompaktchronik der Prozesstage 85 bis 99 ist bei der Thüringer Allgemeinen nachzulesen.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 1. April 2014.