Wenn frühere Nazis im NSU-Prozess vor Gericht stehen, haben sie angeblich vieles vergessen oder spielen ihre Taten von damals herunter – die Zeugin Mandy S. ist keine Ausnahme. S. soll das NSU-Trio nach dessen Untertauchen Anfang 1998 in der Wohnung ihres damaligen Freundes untergebracht und Beate Zschäpe ihre Krankenkassenkarte überlassen haben. An ihrem dritten Vernehmungstermin erkundigten sich die Prozessbeteiligten aber vor allem nach S.‘ damaliger Gedankenwelt – und brachten die Frau aus dem Erzgebirge ins Schwimmen. „Man wünschte sich, die Extremisten hätten wenigstens die Größe, sich zu ihren abstrusen politischen Überzeugungen öffentlich zu bekennen“, kommentiert Jörg Diehl auf Spiegel Online.
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Eins der Details, das das Interesse der Nebenkläger geweckt hatte: S. damaliges Autokennzeichen BH 88, das sich als Szenecode für die verbotene Nazi-Organisation Blood & Honour und den Gruß Heil Hitler lesen lässt. S. erklärte, die Buchstaben BH stünden für „Bike-Halterin“, da sie ein Motorrad besitze. Im Saal sorgte das für Gelächter. Diehl bemängelt die fehlende Einsichtsfähigkeit von Szenezeugen: Diese „kriechen (…) zu Kreuze, versuchen sich durchzumogeln, zu lavieren, zu tricksen und sich generell den Anschein tiefster Harmlosigkeit zu geben“. Von Harmlosigkeit kann bei S. aber offenbar keine Rede sein: Ein Abzeichen auf ihrer Bomberjacke trug ihr damals den Spitznamen „White Power Mandy“ ein.
Es sei „mühsam, von dieser Zeugin etwas zu erfahren“, die Vernehmung „eine quälende Prozedur“, schreibt Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung. Die Nebenklageanwälte hätten nach vielen Details aus den rechten Kreisen gefragt, auch wenn der Zusammenhang ihrer Fragen nicht immer klar gewesen sei. Dass die 40-Jährige tief in der rechten Szene gesteckt habe, sei sowieso offensichtlich gewesen. „Letztlich bringt das alles das NSU-Verfahren kaum weiter.“
S. habe auch nicht klar benannt, jemals aus der Szene ausgestiegen zu sein, berichtet Per Hinrichs in der Welt: Den Begriff „Ausstieg“ will sie nicht verwendet haben – „ich bin einfach nirgendwo mehr hingegangen“, sagte sie. Auch Hinrichs zweifelt am Sinn der intensiven Befragung früherer Weggefährten des NSU: „Das Dunkelfeld rund um den Wesenskern des NSU hellt sich langsam auf, aber die entscheidenden Fragen werden wohl unbeantwortet bleiben.“
Kai Mudra beobachtet für die Thüringer Allgemeine „die äußerliche Wandlung eines früheren Skinhead-Girls“. Ihr Äußeres lasse ihre Vergangenheit nicht erahnen, vor Gericht gebe sie sich nun „recht unwissend“, auch an politische Ziele ihrer Nazi-Clique habe sie sich angeblich nicht erinnern können.
Der Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann ist der Ansicht, dass ein Netzwerk aus Blood-&-Honour-Aktivisten damals das Trio unterstützte – der Organisation könnte auch Mandy S. angehört haben. „Alle Beteiligten standen in einem politischen Bezug. Es war kein individuelles Unterbringen, keine individuelle Hilfeleistung“, sagte Hoffmann der Nachrichtenagentur dpa.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 14. April 2014.