Für den ehemaligen Verfassungsschützer Andreas T. war sein fünfter Auftritt der vorerst letzte im NSU-Prozess – und wohl einer der schwersten. Er musste sich den Fragen von Ismail Yozgat stellen, der als Nebenkläger auftritt. Sein Sohn war 2006 in seinem Kasseler Internetcafé erschossen worden. T. war damals anwesend, will jedoch nichts von der Tat bemerkt haben. „Es tut mir leid, aber ich glaube dir überhaupt nicht“, sagte Yozgat am Ende. „Jedes Mal, wenn der Vater des Ermordeten im Prozess das Wort vom Vorsitzenden Richter erteilt bekommt, kochen seine Emotionen hoch – so, also ob er jenen Tattag erneut durchleiden würde“, beobachtet Mira Barthelmann vom Bayerischen Rundfunk.
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T. gibt bis heute an, er habe nach Halit Yozgat gesucht, ihn jedoch nicht gefunden. Dann habe er ein 50-Cent-Stück auf den Tresen gelegt und sei gegangen. „Wie kann man jemanden nicht sehen, obwohl man gerade nach ihm sucht? Diese Frage quält den Vater des Opfers bis heute“, schreibt Barthelmann. Eine Antwort wird er vermutlich nie bekommen: „Die Ungereimtheiten im Fall Andreas T., so scheint es, werden auch am Oberlandesgericht München nicht zu klären sein“, kommentiert Frank Jansen im Tagesspiegel.
Während der Vernehmung habe es „bewegende Momente“ gegeben, T. sei „für viele zur Personifizierung des Behördenversagens geworden“, analysiert Björn Hengst auf Spiegel Online. Im Übrigen hätten neben T. auch dessen frühere Kollegin und sein damaliger Vorgesetzter aus dem Verfassungsschutz wenig zur Aufklärung beigetragen.
In der Thüringer Allgemeinen dokumentiert Martin Debes den Dialog zwischen Ismail Yozgat und dem Zeugen. Darin bilanziert der Vater erneut die vielen Ungereimtheiten: „Du bist 1,86 Meter groß, der Tisch ist 73 Zentimeter groß. Hast Du Halit nicht gesehen?“ – „Es tut mir Leid, ich habe ihn nicht gesehen.“ T. muss damit leben, im Prozess zahlreiche Zweifel hinterlassen zu haben: „Auf alle zentralen Fragen gab er bisher keine plausiblen Antworten“, fasst der Autor zusammen.
Der frühere Geheimdienstler habe „die Nerven behalten“, berichtet Claudia Wangerin in der Jungen Welt – auch als Yozgat ihn nach einer Frau fragte, mit der er angeblich einmal in dem Café gewesen sein soll. T. sagte jedoch, an einen solchen Besuch erinnere er sich nicht.
Zudem prüfte das Gericht den Sprengstofffund, den Ermittler im Januar 1998 in einer von Beate Zschäpe gemieteten Garage in Jena gemacht hatten. Nach der Entdeckung tauchte das Trio unter. Als Zeuge sagte ein Entschärfer des Thüringer Landeskriminalamts aus, der das Material untersucht hatte. Sechs Rohrbomben hatten die drei gebaut, allerdings ohne wirksame Zünder – die Sprengsätze hätten nur geringen Schaden angerichtet. „Erst nach dem Gang in den Untergrund professionalisierten sich zumindest Mundlos und Böhnhardt – mit furchtbaren Folgen“, bilanziert Jansen im Tagesspiegel. In den Behältnissen fanden sich TNT, Schwarzpulver, teilweise auch Muttern, die bei einer Explosion als Geschosse gedient hätten. Das lässt keine Fragen über die Absicht des Trios offen: „Die amateurhaften Bastler scheinen (…) überlegt zu haben, einen Sprengsatz krachen zu lassen.“
Die Vernehmung hatten die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben beantragt. Dass die Bomben nicht funktionstüchtig waren, sei für sie eine wichtige Feststellung, nachdem Behörden zuvor das Gegenteil behauptet hatten, schreibt Martin Debes in einem weiteren Bericht der Thüringer Allgemeinen: „Die Frage, ob Beweise überinterpretiert wurden, stellt sich damit automatisch.“
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 17. April 2014.