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Ein kaum bekannter V-Mann und neue Fragen – Das Medienlog vom Montag, 26. Mai 2014

 

Seit mehr als einem Jahr wird nun schon gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte verhandelt – doch mit jedem weiteren Zeugen erhellt der Prozess die Neonazi-Szene stärker. Auch Chaos, Fehlverhalten und mutmaßliche Vertuschung durch Sicherheitsbehörden treten immer stärker zutage – und mehren die Rufe nach einer detaillierten Auseinandersetzung. Und ein bislang kaum bekannter V-Mann wirft Fragen auf.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

In der Thüringer Allgemeinen widmet sich Wolfgang Suckert dem heute erschienenen Buch „Heimatschutz – Der Staat und die Mordserie des NSU“ der Journalisten Stefan Aust und Dirk Laabs. Das Werk ist laut Suckert nicht nur ein endloser Wissensfundus zum NSU-Terror. Es führt auch die zahlreichen Wissenslücken und Widersprüche auf, die den Prozess noch immer dominieren.

Zweieinhalb Jahre hätten die Autoren alle zugänglichen Akten der Untersuchungsausschüsse gelesen, Informanten befragt, mehr als hundert Interviews geführt und so chronologisch den Weg des NSU nachgezeichnet. Aber auch unausgesprochene Vermutungen – etwa bezüglich der vom Verfassungsschutz geschredderten V-Mann-Akten – würden präsentiert. „Das Buch gewinnt einen hohen Erkenntniswert dadurch, dass nicht mit dem Ende eines jeden Kapitels düstere Verschwörungstheorien suggeriert werden“, lobt Suckert. Denn es lasse den Leser selbst seine Schlüsse ziehen.

Kai Mudra widmet sich in der Thüringer Allgemeinen im Voraus dem für den 116. Prozesstag am Dienstag geladenen Zeugen Andreas Ra. – neben Carsten S. alias „Piatto“ ein weiterer ehemaliger V-Mann, dessen Verbindung zu Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos bis heute auffällig schlecht untersucht wurde. Ra., Mudra zufolge damals eine Führungsfigur der rechtsextremen Szene im thüringischen Rudolstadt, soll das NSU-Trio bei seiner Flucht aus Jena 1998 unterstützt haben. Nach dem Untertauchen der Terrorgruppe soll Ra. gegenüber Ermittlungsbehörden seine Beteiligung daran geleugnet haben. Allerdings habe der Thüringer Verfassungsschutz, der Ra. zeitweise unter dem Tarnnamen „Alex“ als Gewährsperson führte, offenbar nur wenige Tage später von dessen Beihilfe zur Flucht erfahren.

„Hätte der Geheimdienst damals frühzeitig und ernsthaft die Hinweise geprüft, hätte man sich möglicherweise schon 1998 vor Beginn der Mordserie dem Aufenthaltsort des flüchtigen Neonazi-Trios mit dem Ziel einer Festnahme durch die Polizei nähern können“, zitiert Mudra diesbezüglich die stellvertretende Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Erfurter Parlament, Katharina König (Linke).

Auch die Grünen fordern mit wachsender Vehemenz, die Rolle der Behörden im NSU-Terror genauer zu beleuchten. Claus Christian Mahlzahn berichtet in der Welt am Sonntag von Überlegungen der Partei, im Bundestag einen neuen parlamentarischen Untersuchungsausschusses einzurichten. Er zitiert Fraktionsvize Konstantin von Notz, die zahlreichen neuen Fragen, Hinweise und Ungereimtheiten rund um die Morde des NSU seien besorgniserregend. Besonders die Rolle von Behörden und Geheimdiensten müsse diesbezüglich aufgeklärt werden.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 27. Mai 2014.