Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Gefangener aus einer Haftanstalt behauptet, etwas über etwaige NSU-Unterstützer zu wissen – obwohl dem nicht so ist. Der Grund ist meist simpel: die Hoffnung auf einen Vorteil. Am Montag war das Gericht möglicherweise mit einem solchen Fall konfrontiert.
An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.
Tanjev Schultz berichtet in der Süddeutschen Zeitung von einer „seltsamen Episode“ im NSU-Prozess: Erstmalig sei mit dem Heizungsmonteur Andreas Re. ein Zeuge mit Handschellen in den Prozess-Saal geführt worden. Die Nebenklage hatte beantragt, Re. zu laden, der mit der sogenannten Schlapphut-Bande rund 50 Banken überfallen hat und in der Justizvollzuganstalt Burg in Sachsen-Anhalt einsitzt. Re. ist ehemaliger Mittäter des in Polen inhaftierten Krzysztof S., der angibt, er habe im Jahr 2004 eine Waffe an den Angeklagten Ralf Wohlleben weitergegeben und im Gegenzug ein Werkzeug zum Autoknacken erhalten. Re. sollte nun eine Einschätzung erleichtern, ob die Behauptung seines früheren Komplizen stimmen könnte.
Doch die Aussage von Krzysztof S. ist offensichtlich skeptisch zu bewerten. Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen zufolge hat sich der 59-Jährige Re. gestern kaum an Einzelheiten eines möglichen Geschäfts zwischen Krysztof S. und Wohlleben erinnern können. Den Namen Wohlleben will er erst aus den Medien erfahren haben. Stuttgarter Zeitung zufolge hat Re. vor Gericht über Krzysztof S. gesagt: „Mir kommt es so vor, dass er einen Weg sucht, seine Strafe in Deutschland zu verbüßen.“
Der Zeuge Re. habe zwar angenommen, sein ehemaliger Mittäter suche irgendeinen Weg, nach Deutschland zu kommen, heißt es dazu im Blog NSU-Nebenklage. Aber er habe auch viele Punkte aus dessen Aussage bestätigt – etwa die Angabe, dass es einen enormen Waffenbestand gab, dass ständig Waffen dazugekauft und manchmal auch abgegeben wurden. Dennoch bleibt eines nach diesem früh beendeten Verhandlungstag weiter offen: Die Frage, ob die Schlapphüte jemals Kontakt zum NSU hatten.
In der Jungen Welt berichtet Claudia Wangerin, die Nebenklage wolle den wegen Mordversuchs verurteilten früheren V-Mann Carsten S. als Zeugen hören. „Zeugen aus Geheimdienstkreisen werden vom Generalbundesanwalt eher ungern benannt“, merkt Wangerin an. Im Prozess werde ihre Ladung zumeist von Anwälten der Nebenklage beantragt. Carsten S., der von Brandenburgs Verfassungsschutz 1994 während der Untersuchungshaft nach dem Mordversuch an einem Nigerianer verpflichtet worden war, wird vorgeworfen, in die Beschaffung von Waffen für das NSU-Trio eingebunden gewesen zu sein.
Das Blog NSU-Watch ruft die Öffentlichkeit dazu auf, am NSU-Prozess teilzunehmen. Es fehle eine breite kritische Öffentlichkeit, die sich als Zeichen an die Prozessbeteiligten und an die Presse ausdrücklich mit der Nebenklage und den Opfern solidarisiert, heißt es. Während immer wieder Neonazis auf der Besuchertribüne säßen, um ihre Solidarität oder ihre Geburtstagsgrüße an Angeklagte wie Ralf Wohlleben und André E. zur Schau zu tragen, setze sich ihnen keine sichtbare antirassistische Öffentlichkeit entgegen.
In der Frankfurter Rundschau erinnert Anetta Kahane an den Bombenanschlag auf die Kölner Keupstraße, der sich an Pfingsten zum zehnten Mal jährt. Die NSU-Terrorgruppe hatte dort mit einer Nagelbombe mehrere Menschen schwer verletzt. Ein rechtsextremer Tathintergrund wurde lange ausgeschlossen. „Die deutsche Gesellschaft fühlte sich nicht zuständig und überließ die Bewohner der Keupstraße sich selbst“, kritisiert die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. An Pfingsten habe Deutschland nun bei einer Kundgebung in der Keupstraße die Chance, in Erinnerung an die Opfer der NSU-Morde zusammenzustehen.
Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 28. Mai 2014.