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Ankläger müssen auf Hamburger Spitzel verzichten – Das Medienlog vom Dienstag, 3. Juni 2014

 

Eine DVD auf dem Dachboden, Geheimniskrämerei beim Verfassungsschutz und ein Rechter, der ein Phantom bleiben wird: Dieser Tage gibt es eine Fortsetzung im Fall des verstorbenen V-Manns Corelli, der Ende März tot aufgefunden worden war. Wie der Spiegel berichtet, verschweigt der Hamburger Verfassungsschutz die Identität eines seiner eigenen V-Männer, der von Corelli eine DVD mit der Aufschrift „NSU/NSDAP“ erhalten haben soll. Die Bundesanwaltschaft hätte den Mann jedoch gerne zur Vernehmung geladen. „Die Quelle ist ein wichtiger Zeuge“, schreibt Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung.

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Nach Mitteilung der Hamburger Behörde hatte ihr Spitzel die DVD gefunden, als er seinen Dachboden aufräumte. Hinweisen zufolge hatte Corelli den Datenträger schon 2006 an den Bekannten abgegeben. Sie könnte ein Indiz dafür sein, dass der NSU als solcher schon vor dem Auffliegen der Truppe im Jahr 2011 gut in der rechten Szene bekannt war. Die Absage der Hamburger an die Bundesanwälte ruft Irritation hervor: „Es ist die alte Leier: Quellenschutz geht vor Kriminalitätsbekämpfung“, zitiert die Süddeutsche die Linken-Politikerin Petra Pau.

Ab Dienstag beschäftigt sich das Gericht mit dem Anschlag in der Kölner Probsteigasse von 2001, der dem NSU zugeschrieben wird. Schwer verletzt wurde dabei die damals 19-jährige Mashia M., die zwei Tage später geladen ist. „Dieser Donnerstag wird für die vor 13 Jahren so schlimm im Gesicht verbrannte junge Frau ein schwerer Tag werden“, schreibt Kai Mudra in einem Vorbericht der Thüringer Allgemeinen. Bei den Ermittlungen prüfte die Polizei wie in vielen Fällen intensiv Verdachtsmomente gegen die Familie, fünf Jahre nach der Tat wurden die Asservate vernichtet. Angesichts solcher Lasten stehe „das Gericht vor keiner leichten Aufgabe“.

Wie der Terrorismus-Blog des SWR und die Nachrichtenagentur dpa berichten, ist Beate Zschäpes Großmutter Anneliese A. am 10. Juli als Zeugin nach München geladen. Es wäre die wohl letzte Konfrontation der Hauptangeklagten mit einem Familienmitglied. Im November 2013 hatte Zschäpes Mutter Annerose die Aussage verweigert – es ist gut denkbar, dass die Oma dasselbe tun wird.

In dem neuen Sachbuch Heimatschutz beleuchten Stefan Aust und Dirk Laabs die Beziehung zwischen Staat und den Taten des NSU. Das in vielerlei Hinsicht mysteriöse Verhältnis strahlt auch auf den Prozess aus, wie Stefan Geiger in einer Buchbesprechung für die Stuttgarter Zeitung darlegt: Demnach wird der Prozess erheblich „durch die Anklage der Bundesanwaltschaft geprägt“, genauer durch deren Auswahl der Zeugen. So seien nur wenige Informanten der Geheimdienste geladen worden. „Aus der Anklageschrift wurden sie, so gut es ging, herausgehalten.“ Dabei sei für die Schuld der Angeklagten bedeutend, was die Sicherheitsbehörden über das Trio erfuhren und ob sie Morde hätten verhindern können.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 4. Juni 2014.