Gestern vor zehn Jahren verübte der NSU laut Anklage den Anschlag in der Kölner Keupstraße: Eine Bombe, auf einem Fahrrad platziert, explodierte vor einem Friseursalon und verletzte 22 Menschen. Ermittler schlossen damals einen rechtsterroristischen Hintergrund aus – und traumatisierten damit Opfer und Anwohner. Zum Jahrestag feierte die Keupstraße das Festival Birlikte („Zusammenstehen“), auf dem auch Bundespräsident Joachim Gauck und Justizminister Heiko Maas sprachen.
Berichte zum Gedenktag thematisieren, wie die Ermittlungen das Vertrauen zwischen Migranten und dem deutschen Staat zerrütteten. „Bis der Anschlag dem ‚Nationalsozialistischen Untergrund‘ (NSU) zugeordnet werden konnte, mussten die Geschäftsleute und Anwohner der Keupstraße mit Vorurteilen leben. Sieben Jahre lang“, schreibt Claudia Hauser auf Spiegel Online.
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Die Theorien der Polizei zum Motiv umfassten damals unter anderem Schutzgelderpressung und einen Racheakt – aber kein Fanal von Fremdenhassern. So richtete sich der Verdacht auch gegen die Opfer, die noch heute um Anerkennung kämpften: „Überhaupt meinen viele, Nordrhein-Westfalen mache sich zu zögerlich an die Aufarbeitung.“ Erst letzte Woche beschloss der Landtag, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
„Egal, wen man von den Zeitzeugen befragt – alle erinnern sich an das Stigma, das damals auf den Bewohnern lastete“, heißt es auf ZEIT ONLINE. Nach Aussage eines Anwohners machte man sich bereits verdächtig, wenn man Nazis vor den Ermittlern als mögliche Täter ins Spiel brachte.
In der taz befinden Pascal Beucker und Anja Krüger: „Die Leute in der Keupstraße haben schlimme Jahre hinter sich. Auf dem rechten Auge blind, nahmen die Fahnder die überwiegend türkeistämmigen Anwohner ins Visier.“ Diese hätten ihre kritische Haltung gegenüber dem Staat bis heute nicht abgelegt. So waren mehrere Politiker in die Straße gekommen, um Betroffenheit zu demonstrieren, unter anderem Bundespräsident Gauck, der den Friseursalon besuchte. „Die kommen und reden, aber sie machen nichts“, zitieren die Autoren eine Anwohnerin.
Auf der Kundgebung sagte Gauck: „Wir denken heute auch daran, wie viele Betroffene sich später alleingelassen oder sogar als Verdächtige behandelt fühlen mussten, wie viel Misstrauen damals gesät wurde.“ Es gehe darum, in Deutschland „respektvoll und friedlich“ zusammenzuleben. Er rief dazu auf, Menschen beizustehen, die von fremdenfeindlicher Gewalt bedroht seien. Justizminister Heiko Maas sagte: „Ich schäme mich dafür, dass der deutsche Staat es über so viele Jahre nicht geschafft hat, dafür zu sorgen, dass unbescholtene Bürgerinnen und Bürger besser geschützt wurden.“
Hannelore Crolly, Autorin der Welt, reicht das nicht: „Doch trotz aller Einsicht vermittelte der Justizminister nicht den Eindruck, noch viel Nachholbedarf für die Politik zu sehen“, kommentiert sie. Er sieht demnach keinen Bedarf, einen weiteren Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex im Bundestag einzusetzen.
Einem Bericht des Spiegels zufolge könnten die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für einen weiteren Mord verantwortlich sein: 1995 starben in Dresden die als Skinheads bekannten Brüder Sven und Michael Silbermann. Ein Zeuge sagte dem Bundeskriminalamt, Uwe Mundlos habe ihm von dem Fall erzählt und den Eindruck gemacht, er halte Sven Silbermann für einen V-Mann. Zudem war in der Jenaer Garage des Trios ein Zeitungsartikel über den Fall gefunden worden.
Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 11. Juni 2014.