Zwei wichtige Zeugen sind am Mittwoch vor dem Münchner Landgericht aufgetreten: Der mutmaßliche NSU-Unterstützer Matthias D., der unter seinem Namen Wohnungen für die untergetauchten Rechtsextremisten gemietet hatte, und Jan Böhnhardt, der Bruder des toten NSU-Mitglieds Uwe Böhnhardt.
Die meisten Medien stellen in ihren Berichten Böhnhardts anfangs schmallippige Aussage in den Vordergrund, in der er auch über die Ansichten seines Bruders sprach. Er habe das Leben von Uwe so geschildert, „wie es klischeehafter für ein Abdriften in die rechte Szene nicht sein könnte“, schreibt Karin Truscheit in der FAZ. Als „irregeleitet und perspektivlos“ habe er ihn beschrieben, wie zuvor schon die Mutter der beiden.
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Der 44-jährige Kraftfahrer, Vater einer Tochter, hatte mehrmals Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. „Und der, glaubt man ihm, einfach nichts wissen wollte von dem, was sein Bruder trieb“, wie Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung schreibt. Sein acht Jahre jüngerer Bruder kam ihn häufig besuchen – doch trotz des angeblich guten Verhältnisses gelang es Jan Böhnhardt offenbar nicht, auf den in den Rechtsextremismus abdriftenden Uwe einzuwirken. Auch als gewaltbereit habe er den Bruder nicht eingeschätzt, obwohl Uwe mehrmals aufgrund von Gewalttaten vor Gericht stand.
Befremdlich kommt mehreren Berichterstattern vor, dass Böhnhardt das Aufwachsen und die rechtsextremen Ansichten von Uwe als „normal“ bezeichnete. Ähnlich irritierend wirkte der Moment, als Richter Manfred Götzl den Zeugen fragte, welches Verhältnis Uwe Böhnhardt zu Waffen hatte. „Ein gutes“, antwortete Jan Böhnhardt, „und erntet Lacher für die unfreiwillig komische Antwort“, wie Per Hinrichs von der Welt die Szene beschreibt. Allerdings: Die teils verharmlosenden Antworten müssten im Licht der brüderlichen Bande gesehen werden. „Die Grenze zwischen verzweifelter Solidarität für einen Bruder oder Sohn und bedingungsloser Verteidigung oder Leugnung von Verbrechen, die das Leid der Opfer ausblendet, verwischt schnell.“
Nicht alle bringen so viel Verständnis für die Äußerungen über den angeblich lieben Bruder auf. Die Vernehmung reihe sich ein in eine „Serie befremdlicher Aussagen von Angehörigen“ der Verstorbenen, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel. Die Äußerungen hätten den Eindruck erweckt, „als sei bei seinem acht Jahre jüngeren Bruder nur etwas schief gegangen“.
Auffällig war auch, dass Böhnhardt angesichts der Flucht von Uwe und seinen Komplizen Uwe Mundlos und Beate Zschäpe davon sprach, er sei „ausgerissen“. „Richter Manfred Götzl ignoriert das zum Beginn seiner Befragung, hakt dann aber erwartungsgemäß nach“, schildert Kai Mudra die Vernehmung in der Thüringer Allgemeinen. Bei der Aussage habe Jan Böhnhardt nicht ein einziges Mal erkennen lassen, wie er zur Schuld des Bruders an den Verbrechen stehe. Er habe jedoch erkennen lassen, dass er mit Uwes Einstieg in die rechtsextreme Szene nicht einverstanden gewesen sei.
Matthias D., der möglicherweise ein Helfer des NSU war, verweigerte wie erwartet die Aussage. Stattdessen schilderte ein Polizist dessen Äußerungen von einer Vernehmung zwei Tage nach dem Auffliegen des NSU im November 2011. D. soll zwei Wohnungen in Zwickau gemietet haben, damit die NSU-Mitglieder darin wohnen konnten – nach eigenen Angaben jedoch in Unkenntnis ihrer Ziele. „Sollte die Version stimmen, wäre D. ein Zufallshelfer des NSU, ein Opfer der trickreichen Verschleierung“ der Terroristen, heißt es auf ZEIT ONLINE. Bei vielen klandestinen Maßnahmen seiner Untermieter will D. arglos geblieben sein. „Über so viel Geheimniskrämerei hätten sich normale Mieter gewundert.“
Das Mietverhältnis sei Teil einer „einer ausgefeilten Logistik“ der Geheimhaltung gewesen, schreibt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Von dem Zwickauer Polizisten wurde D., der mit einem Anwalt auf die Wache gekommen war, als ganz normaler Zeuge befragt. „Im Nachhinein habe er sich Vorwürfe gemacht, D. nicht intensiver vernommen zu haben“, notiert die Autorin zur Aussage des Beamten.
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 11. Juli 2014.