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Tino Brandt: Spinne im Netz der rechten Szene – Das Medienlog vom Mittwoch, 16. Juli 2014

 

Gemessen am Medieninteresse ist Tino Brandt der bislang wichtigste Zeuge des NSU-Prozesses: Die erste Vernehmung des Thüringer Neonazis und Ex-V-Manns begleiteten am Dienstag etliche Journalisten mit Berichten. Der Grund: „Brandt ist eine der zentralen Figuren in diesem Verfahren, vielleicht sogar die zentrale“, befindet Mirko Weber von der Stuttgarter Zeitung. Dazu trägt auch Brandts Rolle als Spitzel bei, die Einblicke in die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes bietet: „Wieder einmal fällt kein gutes Licht auf die Behörde“, heißt es.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Brandts V-Mann-Tätigkeit dauerte von 1994 bis zu seiner Enttarnung 2001. Währenddessen steckte er nicht nur die Honorare der Behörde in seine politische Arbeit, sondern reichte auch Geld auf ausdrückliche Anweisung der Verfassungsschützer den untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt weiter. „Wie die Spinne im Netz saß dieser Mann in der Szene, gab Geld, das er genügend hatte, warb Leute an für seinen Thüringer Heimatschutz“ (THS), resümieren Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung. Das sei in der Verhandlung zu spüren gewesen: „Unklar war lange, ob Brandt überhaupt redet. Aber nun redet er. Und er weiß viel.“

Gisela Friedrichsen von Spiegel Online schätzt den Wert von Brandts Aussage jedoch gering ein: „Fragen nach Namen oder ungeklärten Punkten (…) weicht er aus“, schreibt sie. Reichlich habe er hingegen von dem erzählt, was ohnehin aus Medien und Untersuchungsausschüssen bekannt ist.

Spärlich waren auch seine Angaben, wenn es um den Thüringer Verfassungsschutz ging: „An die Zusammenarbeit kann sich Brandt angeblich deutlich schlechter erinnern als an die Anekdoten von den THS-Treffen“, heißt es auf ZEIT ONLINE. Denn Fragen dazu betrafen auch seine Unterstützung für den NSU.

Zschäpe war laut Brandt keine „dumme Hausfrau“

Bemerkenswert war allerdings die Einschätzung, die der Zeuge zu Beate Zschäpe und ihren Kameraden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt abgab: Zschäpe sei „keine dumme Hausfrau“ gewesen, die drei hätten eine eingeschworene Freundschaft miteinander gepflegt. „Seine Aussagen passen so gar nicht zu der bisherigen Linie der Verteidigung“, die Zschäpe gern als unbeteiligte Mitbewohnerin darstellt, kommentiert Karin Truscheit von der FAZ.

„Tino Brandt ist eine schillernde Figur. Dunkelbraun schillernd“, befindet Katia Meyer-Tien von der Mittelbayerischen Zeitung. Seine Führungsrolle, sein Netzwerk und seine Arbeit verlor er mit der Enttarnung als Spitzel – daher habe er „sich in der ganzen Geschichte als Opfer“ gesehen.

„Dass er einer der führenden Neonazis war, fällt nicht sofort auf“, beschreibt Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen Brandts Auftritt. Seine Angaben habe er Richter Manfred Götzl „häufig im Plauderton“ vorgetragen. An mehreren Stellen habe er sich auf Erinnerungslücken berufen. „Götzl akzeptiert das vorerst.“

„Beim Thema Gewalt versucht Brandt auszuweichen, stärker noch als bei anderen Fragen“, beobachtet Frank Jansen vom Tagesspiegel. Er wisse vermutlich, dass im Prozess bereits bekannt sei, er habe den Einsatz von Gewalt dem NSU gegenüber befürwortet. Schließlich habe der Zeuge jedoch ausgesagt, dieses Mittel nicht als Lösung zu sehen.

Brandt war nicht der einzige Spitzel im Umfeld des NSU. Die taz hat mehrere Fälle von V-Männern mit ihren Tätigkeiten und Beziehungen zum Trio in einer Übersicht zusammengestellt.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 17. Juli 2014.